Romeo und Julia - Teil 26

Autor: Spatzl
veröffentlicht am: 05.06.2012


Soooo weiter geht's... Ich hoffe, der Teil gefällt euch:)

Ich atmete noch einmal tief durch und Brian begann zu sprechen, wobei sich seine Augen tief in die meinen bohrten. Sein Blick war unergründbar. Ein dunkler Schatten lag auf seinen wunderschönen blauen Augen und plötzlich tauchte ganz unerwartet ein Funke Leidenschaft auf. Es war unübersehbar, dass er seine Figur mittlerweile richtig verkörperte. Als er mich mit samtbelegter Stimme anschmachtete, schmolz ich dahin wie Eis in der prallen Sonne:
So reg dich, Holde, nicht, wie Heilige pflegen,
so derweil mein Mund dir nimmt, was er entfleht…
„Sehr schön, wirklich gut!“, lobte Sabine, „Und nun kommen wir zum praktischen Teil der Szene“
Bei diesen Worten warfen Brian und ich uns einen kurzen Blick zu, denn jeder von uns wusste, was nun auf uns zukommen würde.
„Ich möchte von euch einen richtig leidenschaftlichen Kuss sehen, so als würdet ihr die Liebe der beiden richtig fühlen. In dieser Szene liegt das Herz des ganzen Stückes. Ihr müsst also tun, was von euch verlangt wird; so ist das nun einmal bei Schauspielern!“
Meine eh schon miese Stimmung sank bei diesen Worten sprichwörtlich auf den Nullpunkt. Brian und ich sollten uns hier und jetzt öffentlich küssen. Wie sollte dass denn enden? Etwa wie unsere kleine Szene im Badezimmer? Was war nur los zwischen uns beiden?

Nach einem tiefen Atemzug war ich halbwegs bereit und fragte Sabine: „Ok, was muss ich tun?“ In diesem Moment war ich mir ziemlich sicher, dass ich alles dafür geben würde, um die Gabe zu besitzen, die Zeit vordrehen zu können.
„Ich stelle mir das Ganze so vor: Ihr werdet noch einmal die ganze Szene wiederholen und während Brian dich umwirbt, kommt ihr euch immer näher, sodass ihr euch dann wirklich küsst. Dabei erwarte ich, dass ihr euer Bestes gebt, als würde euer Leben davon abhängen. Schließlich geht es bei dieser Liebe auch um Leben und Tod. Vergesst das nie!“
Mit einem Augenrollen entfernte ich mich ein paar Schritte von Brian und wir begannen mit dem Part. Mittlerweile fiel es mir ziemlich leicht, mich in die Situation der Julia hineinzuversetzen und ihre Gefühle richtig zu interpretieren.
Schritt für Schritt näherten wir uns einander. Brians Blick wurde so intensiv, dass er mich damit innerlich zum Kochen brachte. Mein Körper bewegte sich automatisch auf dieses Abbild eines Gottes zu, das mir gegenüberstand. Brians Aura zog mich magisch an.
Ein Schritt.
Noch einer.
Wir standen uns gegenüber. Es gab nur noch uns, alles andere war ausgeblendet. Unsere beiden Körper waren wie Magnete, die durch ein unheimlich starkes Magnetfeld von einander angezogen wurden. Wie an einem unsichtbaren Faden gezogen, tat ich den letzten Schritt und fand mich in Brians Armen wieder. Er umschlang mich mit der einen Hand und hob mit der anderen mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen blicken musste und in ihnen ein dunkles Funkeln erkennen konnte, welches von so einer unglaublichen Intensität war, dass ich mich vollkommen darin verlor. Ich wurde mitgerissen und tauchte ein in einen Strudel der Gefühle, die dieser Blick ausdrückte: Verzweiflung, Wut, Rebellion, Enttäuschung und Sehnsucht. Durch diesen einen Blick kehrte sich sein gesamtes Innerstes nach außen und gab sich mir preis. Vollkommen gefangen in diesem unkontrollierbaren Strudel der Gefühlswelten, nahm ich Brians Herzschlag wahr, den ich leise an meiner Brust spürte. Und genau dies war der Augenblick, an dem ich das Gefühl hatte, unsere Seelen würden mit einander verschmelzen. Es schien, als würde er seine Gefühle mit mir teilen, so realistisch fühlte ich all das, was ich eben in seinem Blick gesehen hatte.
So als wären das alles meine Gefühle.
Die Magie dieses Augenblicks erfasste mich so, dass mein kleines Herz vor Regungen quasi überquoll. Unbewusst begann ich zu zittern und spürte, wie sich eine kleine Träne den Weg aus meinem Augenwinkel über meine Wange bahnte.
Plötzlich nahm Brian seine Hand unter meinem Kinn weg und wischte damit die kleine Träne aus meinem Gesicht. Die unheimliche Intimität dieser kleinen, eigentlich so unscheinbar wirkenden Geste löste einen Schauer aus, der sich über meinen gesamten Körper ausbreitete und bis in die kleinsten Arterien und Venen strömte.
„Sch sch…nicht weinen“, flüsterte Brian kaum hörbar und küsste mit seinen Lippen ganz sachte eine weitere Träne weg, die sich getraut hatte, das Tageslicht zu erblicken. Schließlich neigte er leicht den Kopf und legte seine warmen, weichen Lippen auf die meinen. Bei der ersten Berührung unserer Lippen schien die Zeit stehen zu bleiben und ich wurde von einem Gefühl durchflutet, das nicht annähernd beschreibbar war. Es war, als würde eine Flut warmen Lichts meinen Körper durchströmen und von innen erleuchten. Dieser schüchterne, leichte Kuss überdauerte nur Sekunden, doch war es, als würde darin die Magie des Augenblicks für die Ewigkeit bestehen.
Als Brian seine Lippen in einer unendlichen Langsamkeit von meinen löste, waren wir dennoch gefangen in dieser Zwischenwelt.
Festgehalten durch ein unsichtbares Band, das unsere beiden Körper verband und das es unmöglich machte, sich seiner Anziehungskraft zu widersetzen.
So standen wir nun da.
Eng umschlungen und blickten uns in die Augen. Keiner wagte es den Blick abzuwenden, aus Angst dadurch den überirdischen Bann zu brechen.
Es war ein leises Räuspern, das uns zurück in die Realität holte.
Zurück in die wirkliche Welt.
Wieder bei klarem Verstand lösten wir uns wie von der Tarantel gestochen voneinander und sprangen einen Meter zurück.



Erschrocken wagte ich einen kurzen Blick in Sabines Richtung. Sie stand einfach da, mit offenem Mund und starrte uns mit geweiteten Augen an. Sie sagte kein Wort.
Ein leichtes Hüsteln. „Ähm Sabine?! Ist alles ok?“, erkundigte ich mich schüchtern.
Verwirrt schüttelte sie den Kopf und stotterte: „Äh ja natürlich…ich…ihr…“ Erneut ein Kopfschütteln. „Das…das hier eben war unfassbar“ Sie rieb sich nachdenklich die Stirn und verzog das Gesicht. „Damit sollten wir für jetzt aufhören!“
Nun machte sich in mir Verwirrung breit. Was war jetzt denn los? Was ist denn eben passiert? Immerhin haben Brian und ich es geschafft, uns hier zu küssen, ohne einander an die Gurgel zu gehen. Das war doch schon einmal eine Leistung oder?
Stumm zog ich die Augenbrauen zusammen, als ich mit Brian den Raum verließ. Während wir die Treppe zu unserem Zimmer hochstiegen, spürte ich noch immer Brians brennenden Kuss auf meinen Lippen. Irgendetwas war da anders gewesen, als bei all den andern Küssen, die ich bis jetzt in meinem Leben bekommen hatte. Aber so viel ich auch nachdachte, ich kam einfach nicht darauf, warum das so war.
Im Zimmer warf sich Brian sofort aufs Bett und verkroch sich hinter seinem Smartphone. Ich flüchtete kurzerhand ins Badezimmer, denn ich brauchte ein paar Sekunden Auszeit von dem Mr. Sexy namens Brian. Mit beiden Händen stütze ich mich auf dem Waschbecken ab und beobachtete mein Spiegelbild: Meine Wangen waren von dem Kuss eben noch leicht gerötet und meine grünen Augen funkelten. Es war, als hätte mich Brian heute zum Leben erweckt, denn ich strahlte von Innen heraus und wirkte frisch und munter wie schon lange nicht mehr. Mit einer Hand griff ich nach meiner Haarbürste, löste den geflochtenen Zopf und kämmte meine langen braunen Haare so lange, bis sie mir in glänzenden Wellen über die Schulter bis in die Mitte des Rückens fielen. Mittlerweile war ich wieder einigermaßen bei Sinnen und bereit, Brian gegenüber zu treten. Also verließ ich das Badezimmer und ließ mich aufseufzend in dem Sessel nieder und beobachtete Brian einfach, während er so dalag und immer noch mit seinem Smartphone spielte.
„Sag mal“, fragte ich nach einer Weile, „was fasziniert dich eigentlich so an der Schauspielerei, dass du dafür sogar eine Person in Kauf nimmst, die du nicht ausstehen kannst?“
Als Brian auf die Frage hin zunächst keinerlei Reaktion zeigte, dachte ich, er finge jeden Augenblick wieder zu streiten an, aber schließlich drehte er sich langsam zu mir und antwortete zögernd: „Ich kann es dir nicht wirklich sagen, aber das Ganze stellt für mich eine Art Flucht dar. Wenn ich irgendwelche Probleme habe und dann ein Stück spiele, dann vergesse ich alles um mich herum, was mich bedrückt.“
Während Brian sprach, setzte er sich ganz auf und wandte sich mir voll zu. Fasziniert beobachtete ich, wie er voller Leidenschaft erzählte und mit Gestik untermauerte.
Für jemanden wie mich war es durch seine Worte richtig fühlbar, welchen Spaß er an der Schauspielerei hatte und dass alles, was er über sich erzählte, von Herzen kam.
Vielleicht verstand ich in genau diesem Moment zum ersten Mal, warum Brian diesen Workshop und das harte Training so ernst nahm.
„Weißt du“, fuhr er nach langem Zögern fort, „ich wüsste nicht, wie ich mein Leben auf die Reihe kriegen würde, wenn ich nicht ab und zu die Möglichkeit hätte aus dem gesamten Alltagstrott zu flüchten…“
Während dieser charakterstarken Rede blickten seine Augen irgendwo in die Ferne und er befand sich wie in einer Art Trance.
„Du denkst jetzt bestimmt, dass ich spinne oder so was in der Art!“, begann er und blickte mich misstrauisch an.
„Nein, das denke ich ganz bestimmt nicht“, unterbrach ich ihn, „denn im Grunde geht mir es genauso. Wenn ich ein Stück spiele, dann verkörpere ich so diese Person, dass es mir manchmal sogar schon Angst macht. Aber ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll und außerdem ist es die einzige Möglichkeit, die Rollen so zu spielen, wie es sein soll. Es ist…manchmal ist es schon wie…äh…eine Sucht für mich“
Während der gesamten Zeit bis zur nächsten Übungseinheit unterhielten wir uns über Filme und Schauspieler, diskutierten über Literatur und Theaterstücke, tauschten uns über Musik aus und quatschten einfach über Gott und die Welt.
Erst jetzt bemerkte ich, dass wir uns nicht gegenseitig an die Gurgel gehen wollten und dass Brian eigentlich ein wundervoller Gesprächspartner war.
„Hast du Lust, noch ein bisschen durch Heidelberg zu bummeln, bevor es weiter geht?“, fragte mich Brian plötzlich wie aus heiterem Himmel, „Heidelberg ist doch eine so wunderschöne Stadt und die Fußgängerzone ist die längste Europas!“
Von dieser Frage war ich so überrumpelt, dass es mir zunächst die Sprache verschlug und ich nur herum stotterte: „Ähm…eigentlich wollte ich, aber nein…Ach Quatsch, ich meine doch…ähm, ja natürlich“
„Na dann komm“ Brian stand auf und machte sich auf den Weg zur Tür. Völlig verdattert über das, was eben passiert war, folge ich ihm.
„Wo willst du hin?“
„Mir egal, vielleicht irgendwo etwas Essen oder so. Ich habe nämlich einen Bärenhunger!“, schlug ich vor.






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