Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt - Teil 12

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 16.09.2011


Also Leute, ich hatte eigentlich nicht vor, weiterzuschreiben. Ich denke, dass ich nicht gerade das schreibe, was die meisten hier anspricht :/ Aber für meine treuen Leser machte ich gerne eine Fortsetzung...
LG Anna
_______________________


An einen Trubel, wie er in Poteau herrschte, war Abigail nicht gewöhnt. Während auf dem Lande kaum ein Mensch außer ihnen gelebt hatte, war hier die Hölle los. Ständig wurde sie angerempelt, die Leute nahmen keine Rücksicht auf andere und sie hatte Mühe, mit Moses mitzuhalten. Trotz ihrer zerrissenen Kleider warfen ihr mehrere junge Männer geradezu lüsterne Blicke zu. In der Stadt gab es generell unzählige Saloons und zu Abigails Verwunderung auch einige Seitengassen mit sehr denkwürdig angezogenen Frauen. Die Kundschaft schien hauptsächlich Männer zu sein. Das junge Mädchen kannte so etwas nicht, sie fragte Moses danach.
Er lachte laut. „Das Sie nicht wissen, Miss?“, grinste er dreckig. „Nun, das werden Sie noch früh genug erfahren. In der Nacht geht es hier hoch her!“
Abigail war froh, dem Rummel zu entgehen. Außerhalb der Stadt war es herrlich. Die Farmer siedelten sich alle systematisch neben der Stadt an, sodass sie wenigstens etwas Ruhe hatten.
„Hier werde ich Arbeit finden“, meinte Moses zuversichtlich. Abigail sah ihn von der Seite an. Für einen Moment kam er ihr im Schein der Sonne groß vor. Groß und stark. Sie rief sich zur Ordnung. Er ist und bleibt ein Sklave, sagte sie sich.
„Früher in Afrika, da hatten wir…“ Sie zwang sich, abzuschalten und nicht zuzuhören. Davon wollte sie nichts wissen.
Die Sonne schien heiß und Abigail schwitzte. Sie brauchte dringend eine Pause. Aber da kam auch schon die erste Farm in Sicht. Der Anblick des hübschen großen Hauses gab ihr einen Stich ins Herz. So viele Erinnerungen an alte Zeiten schwelgten in ihr hoch, aber sie unterdrückte die Tränen.
„Lassen Sie es raus, Miss Abigail“, sagte Moses plötzlich und sah sie freundlich an. Sie war so überrascht, dass die Tränen tatsächlich ungehindert ihre Wangen hinabflossen. Die Augen brannten fürchterlich.
Dass ein Schwarzer so feinfühlig und aufmerksam sein konnte, hätte sie nicht gedacht. Dieser Moment war der erste feine Riss in ihrer Hass – Fassade.
Sie waren ungefähr zwanzig Minuten von der Stadt aus gelaufen, als Moses einen kleinen Weg einbog. Er führt zu einem recht großen Haus einer Plantage. Viele Sklaven arbeiteten auf dem Feld, in sengender Hitze. Sie waren alle dunkelhäutig. Frauen mit Babys auf dem Rücken geschnallt rieben sich die vom ständigen Bücken krumm gewordenen Rücken. Sie sahen unendlich müde aus. Die Männer mit freiem Oberkörper, glänzend vom Schweiß, mit roten Striemen der unbarmherzigen Peitsche.
Die Frauen pflückten etwas, das wie Baumwolle aussah.
Im Gegensatz zu Moses versuchte Abigail, nicht hinzuschauen. Die Sklaven auf Weeping Willow Creek mussten nicht so hart arbeiten. Ihre Eltern hatten ihnen immer an zu heißen oder kalten Tagen frei gegeben. Aber hier in Poteau sah das ganz anders aus. Die Aufseher dieser Farm sahen grimmig und streng aus, ihre Peitschen immer bereit in der Hand. Ihre Haltung hatte fast schon etwas Sadistisches an sich.
„He ihr da, was wollt ihr hier?“, rief sie einer der Männer an. Es war ein bulliger Kerl mit buschigen Augenbrauen und einer Stimme wie Sandpapier.
„Hallo Mister, ein schöner Tag, was?“, entgegnete Moses grinsend.
Der Aufseher drehte bedrohlich seine Peitsche in den Händen.
„Ob das ein schöner Tag ist, hast du nicht zu entscheiden, Nigger.“
„He, Garvey!“, rief ein schlaksiger junger Mann, ebenfalls ein Aufseher, und kam auf die drei zu. „Was hast du denn mit dem Neger hier zu quatschen?“ Er lachte laut. Seine Gestalt war groß und dünn, das Gebiss gewaltig und die Augen tiefliegend.
„Ich glaube der Nigger sucht Arbeit, O’Donnel“, brummte der bullige Kerl namens Garvey. Er hob Moses Arm kurz an und lies ihn dann wieder fallen. „Der hat doch Muskeln wie ein Bär. Ganz klar ein Arbeiter.“
„Genau Misters, ich bin der beste Sklave den Sie haben werden.“ Moses grinste immer noch treudoof. Abigail war klar, dass er sich dumm stellte. Intelligente Sklaven, die möglicherweise Ärger machten, konnten die Farmer nicht gebrauchen. Und Moses war intelligent.
„Hör dir das an, O’Donnel. Ein Nigger, der Scherze macht!“, lachte Garvey, seine buschigen Augenbrauen wippten. O’Donnel stimmte mit ein, dann fiel sein Blick auf Abigail. Sein Gesicht nahm diesen Ausdruck an, den das Mädchen schon mehrmals in der Stadt gesehen hatte, wenn junge Männer sie anschauten. „Was ist mit dem Fräulein da?“, fragte er leise. „Die ist doch zu schade für Sklavenarbeit.“ Er grinste. Abigail wurde heiß, denn so hinterwäldlerisch war sie nicht, als dass sie dieses Grinsen nicht hätte deuten können. „Du nimmst den Neger und weißt ihn ein“, wies Garvey den anderen an. „Ich frag die Missus, ob sei im Haus Hilfe braucht.“
O’Donnel protestierte: „Warum kannst du nicht den Nigger nehmen?“
„Mach was ich dir sage“, schnauzte Garvey, nahm Abigail grob am Oberarm und zerrte sie mehr zum Haus, als das er sie führte. Sie hatte nur noch Zeit, Moses einen flehentlichen Blick zuzuwerfen, aber dieser nickte ihr nur aufmunternd zu. So eine hoffnungslose Frohnatur!
Das letzte was sie hörte, bevor sie die hübsche weiß angestrichene Veranda betrat, war ein „wie heißt du denn, Nigger“ von O’Donnel.

Maggie fühlte sich herrlich befreit, wie sie so den Little River entlanglief. Sie war zuversichtlich, in Poteau Glück zu haben. Das alte Ehepaar Nancy und Winston würde sie nie vergessen. Sie war der alten Dame dankbar, dass sie ihr Geld gegeben hatte. Das brauchte man in Poteau sicherlich in Massen!
Das angenehme Geräusch rauschenden Wassers hob Maggies Laune. Sie fühlte sich wunderbar. Es würde zwar noch etwas dauern, bis sie in der Stadt angelangt wäre, aber die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit ihren Geschwistern lies sie den Weg leichter bewältigen.

Das Haus war von innen genauso bezaubernd wie von außen. Abigail stand in einem geräumigen Wohnzimmer mit schönen Möbeln. Gemütlich und schlicht, genau so wie bei ihrem alten Haus. Garvey hatte sie zu einer Frau geführt, die erschreckende Ähnlichkeit mit ihrer Mutter hatte. Sie sah aus, wie eine sehr strenge Ausgabe Aimee O’Brians. Während ihre Mutter immer fröhliche Farben anhatte und die Haare locker hielt, trug diese Frau einen strengen Knoten und nur triste graue Farben. Sie saß gerade an dem großen Wohnzimmertisch und schrieb etwas. Als Abigail eintrat, sah sie auf. Fürchterlich, dachte das junge Mädchen. Das waren Argusaugen. Das erkannte sie sofort. Augen, die alles sahen, jeden kleinsten Fehler. Diese Augen wurden gerade zusammengekniffen.
„Wer ist das?“, fragte sie streng. „Ich habe dir gesagt, du sollst mir ein Hausmädchen holen, und nicht-“
„Oh nein, Mrs. Mackenzie, denken Sie nichts Falsches“, sagte Garvey entschuldigend. „Ich denke, sie ist stärker als sie aussieht.“
Die Hausherrin, Abigail schätzte sie auf mindestens fünfundvierzig, musterte sie kritisch. Dann stand sie auf.
„Wie heißt du?“
Garvey stieß sie leicht in den Rücken. „A-abigail“, antwortete sie zögernd.
„Wie alt bist du?“
„Fünfzehn.“
„Kannst du arbeiten?“ Ein strenger Blick durchbohrte sie.
Abigail musste lügen, denn so richtig hart gearbeitet hatte sie noch nie.
„Ja… natürlich, Miss.“
Die Frau stemmte die Hände in die Hüften. „Du nennst mich ab sofort Mrs. Mackenzie, und NUR Mrs. Mackenzie. Mein Mann ist Mr. Mackenzie. Schlafen wirst du mit den Sklaven im Schuppen und morgens kommst du ins Haus. Du machst die Hausarbeit hier. Das heißt: sämtliche Zimmer sauber halten, die Wäsche machen und dich um die Haustiere kümmern.“ Wie auf Kommando lief ein großer, schwarzer Hund mit langem Fell ins Zimmer. Er rannte nach kurzem Verweilen wieder hinaus.
Kurz darauf lies sich eine dicke helle Perserkatze erhaben auf einem Stuhl nieder. Abigail nickte gehorsam. Sie hasste die Frau jetzt schon.
„Nun gut.“ Jetzt erst erschien ein winziges Lächeln auf dem harten Gesicht, aber ein nicht besonders freundliches. „Den Rest des Tages hast du frei“, sagte Mrs. Mackenzie. „Meine drei Kinder wirst du noch kennenlernen.“ Damit ließ sie Abigail und Garvey im Raum stehen.
„Ich hoffe, sie arbeitet gut“, raunte sie dem stämmigen Kerl zu bevor sie ging.






Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz