Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt - Teil 21

Autor: Anna :)
veröffentlicht am: 20.10.2011


Hey Leute,
noch mal an Franzi: Sie heißt Mary, nicht Maria ;) sunny: danke, das du das so siehst, hab schon befürchtet, damit zu übertreiben :D und an alle Leser ein dickes Dankeschön (so zwischendurch^^). ihr schreibt echt tolle kommentare, total aufbauend.
Viel spaß beim nächsten teil, der mir vielelicht nicht ganz so misslungen ist wie der letzte :D
_____________________


„Pack das Geld in den Sack, Opa“, schnauzte ihn der raubeinige Kerl an. Der Bankier erschrak vor so viel Unverschämtheit, denn obwohl er schon ein beachtliches Alter erreicht hatte, so wurde er doch nie, nicht einmal von seinen eigenen Enkeln Opa genannt! Doch die Angst, die seine Hände zittern ließ, machte es ihm auch möglich, so viel Geld in die Säcke zu stopfen, wie es nur ging.
Der junge Mann hatte gemerkt, dass es Maggie schwerfiel zu atmen. Er lockerte ein wenig seinen Griff. ´Was für eine Güte!´, dachte die junge Frau. In ihr flammte die Wut auf. Wie gnädig, ihr das Atmen zu erleichtern und ihr gleichzeitig den kalten Lauf eines Revolvers an die Schläfe zu halten! Als sie merkte, dass sie ebenfalls zitterte, stieß sie unwillkürlich einen Laut des Ungehaltenseins aus. Sofort wurde der Griff fester und sie ächzte leise. „Das- ist wirklich nicht nötig“, brachte sie hervor und sträubte sich ein wenig. Der junge Mann entgegnete nichts, und sein Arm lockerte sich auch nicht. Dafür konnte Maggie schwören, dass er schmunzelte! Dessen war sie sich sicher, allein seine veränderte Körperhaltung verriet dies. Wie konnte er nur in einer solchen Situation grinsen! „Du hast wunderschönes Haar“, flüsterte er ihr plötzlich ins Ohr. Das kam so unerwartet, dass es Maggie die Sprache verschlug. Ihr fehlten die Worte. So eine Unverschämtheit war ihr noch nie-
„Komm schon Frank, der Opa hier ist endlich fertig geworden“, rief der Brummbär mitten in ihre Gedanken hinein. Der Bankier hatte ihm die beiden Säcke ausgehändigt, oder besser gesagt, sie wurden ihm aus der Hand gerissen. Der junge Mann, Frank, sah zu seinem Kumpanen und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung auf die Tür. Der andere nickte und ging mit den beiden Säcken, die Waffe vor sich haltend, aus dem Raum. Frank ging langsam rückwärts in Richtung Ausgang, dabei hielt er Maggie wie ein Stück Ware vor sich.
„Ist doch alles gut gegangen“, rief er in den Raum. Ein wenig sarkastisch klang das schon. Nein, körperlich war diesen Menschen nichts abhanden gekommen. Aber was ihre Psyche anging, so konnte man diese Aussage wirklich als Ironie werten.
Endlich ließ der Griff um ihre Kehle nach, Maggie keuchte leicht.
„Auf Wiedersehen, schöne Frau“, flüstere er auf dem Höhepunkt aller Frechheiten. Und als er ihr dann auch noch einen Kuss gab, waren ihr der Revolver und seine körperliche Überlegenheit egal. In wilder Wut (und auch verletztem Stolz) schlug sie um sich. Was für eine Impertinenz! Niemals ging ein Mann so mit einer Dame um, und Maggie nahm doch stark an, dass sie eine solche war.
Frank bedachte ihren Ausbruch mit einem Grinsen. Er schwenkte einmal seinen Revolver und verließ die Bank, als ob es ein Besuch im Geschäft gewesen wäre. Maggies Blut kochte. Sie nahm nicht war, wie sich zögernd die Leute wieder erhoben und der am meisten geistesgegenwärtige Bankier den Sheriff anwählte. Sie sah nur noch diese beiden Männer, wie sie sich auf ihre Pferde schwangen und davonritten mit spöttischem Gelächter. Sie fragte sich, wie oft dieser Frank, dieser Räuber das bei anderen Frauen getan hatte. So eine bodenlose Respektlosigkeit einer Dame gegenüber hatte sie weder erlebt noch irgendwie mitbekommen.
Keinem Mann war es erlaubt, eine Frau auch nur anzufassen, sofern er nicht ihr Ehemann, Bruder oder Vater war. Negerfrauen natürlich ausgeschlossen.
Sie stürzte auf die Straße und ignorierte die gut gemeinten Tröstungsversuche eines älteren Herrn. Sie hatte keine seelischen Störungen oder irgendeine Art von Trauma erlitten, was der größte Teil der Leute annahm. Sie war immerhin die Hauptgeisel gewesen und wer in den Lauf einer Waffe schaut, trägt meist bleibende Schäden davon. Aber Maggie verspürte keine Angst mehr. Nur noch Wut und Stolz. Verletzten Stolz.

Tadgh klopfte seiner Stute Aida beruhigend auf den Hals. Sie schnaubte zufrieden und trottete durch die Straßen. Idabel war wirklich eine winzige Stadt, ein Nichts im Vergleich zu Poteau. Hier war man in weniger als fünfzehn Minuten wieder aus der Stadt raus. Aber gerade deswegen war der junge Mann so zuversichtlich seine Schwester zu finden. Jede Minute dachte er an seine geliebte Mary und dankte ihr für das Verständnis, was sie hatte. Er schimpfte auch immer wieder mit sich selbst, wie er nur so dumm sein konnte, Maggie gehen zu lassen. Aber jetzt wo er hier war, hoffte er darauf, Erfolg zu haben. Aida schnaubte und bedeutete ihm damit, dass sie nicht weiter wollte. Er schrak aus seinen Gedanken hoch und sah geradewegs auf ein vier Meter hohes massives Tor.
„Oh“, sagte er. Dass Idabel so winzig war, hätte er aber nicht gedacht. Kaum in der Stadt, gleich wieder raus. Er beschloss, jemanden zu fragen. In diesem Dörfchen musste doch jeder jeden kennen, da fiel ein fremdes Gesicht wie Maggies auf. Er lies Aida eine Weile den Weg entlang traben. Aber außer einer alten Dame mit weißem haar, die gerade in ihren Blumenbeeten arbeitete war sonst niemand auf der Straße. Die Leute hielten wohl sehr genau die Mittagspause ein. Er bezweifelte, dass diese kleine gebückte Frau etwas von Maggie wusste, aber fragen konnte ja nicht schaden. Er lies Aida zu dem weiß getäfelten Haus laufen.
„Entschuldigung, Ma’am?“, räusperte er sich. Die alte Dame sah von ihrer Arbeit auf und musterte ihn mit einem freundlichen Lächeln in ihrem gütigen Gesicht.
„Nein, nicht Ma’am, junger Mann, sondern nur Nancy McLoy“, belehrte sie ihn, immer noch freundlich lächelnd.
„Nun gut, Mrs. McLoy“, berichtigte sich Tadgh selbst. „Sie können mir nicht zufällig helfen? Ich suche jemanden, der sich hier aufhalten soll. Eine junge Frau.“ Nancy sah ihn einen Moment an. Sie schien zu überlegen.
„Wie sieht sie aus, wie heißt sie? Vielleicht habe ich sie schon einmal gesehen.“
Er räusperte sich. „Nun ja, sie ist ein wenig größer als ich, hat braune, lange, wellige Haare und braune Augen. Mit ihrem Namen können Sie vielleicht weniger anfangen… sie heißt Maggie O’Brian und ist meine Schwester.“
Ungläubig weiteten sich die Augen der kleinen Person, was ihr einen seltsamen Ausdruck verlieh. Sie stützte sich auf ihren Spaten.
„Deine Schwester?“, fragte sie in heller Begeisterung. Er verstand nicht recht, warum sie sich so freute, also nickte er nur.
„Dann musst du Tadgh sein!“, rief Mrs. McLoy und ergriff seine Hand. Er stutzte. „Woher wissen Sie das?“, entgegnete er bejahend. Hatte er diese alte Dame schon mal gesehen?
„Junge, Junge, da bist du hier an der ganz falschen Stelle“, sagte sie und erzählte ihm von Maggies völlig aufgelöstem Auftreten an jenem Abend und von ihrer Absicht, ihre Geschwister zu suchen- in Poteau!
Tadgh sah sie völlig verwirrt an. „In Poteau? Aber Mary-“
„Du musst schnell dorthin!“, unterbrach ihn Mrs. McLoy aufgeregt. „Wenn sie erst einmal dort angekommen ist, wird es schwer sein, sie zu finden. Mein Mann Winston und zwei Jungens sind auch auf der Suche nach ihr!“ Sie gab ihm eine kurze Beschreibung von Winston und drängte ihn, aufzubrechen. Dabei hatte er so viele Fragen. Warum sollte sich ein alter Mann auf die Suche nach seiner Schwester machen und warum hatte Mary ihm nicht die Wahrheit gesagt? Während er die Straße entlangritt, redete er sich immer wieder ein, dass es nur Zufall war und dass sie sich nur vertan hätte. Aber langsam kam ihm auch der Gedanke, dass Mary ihm mit Absicht einen falschen Hinweis gegeben hatte. Doch warum sollte sie so etwas tun?

Heute wurde Abigail sechzehn. Offiziell durfte sie jetzt auf öffentliche Bälle und Veranstaltungen gehen und sich die Haare hochstecken. Natürlich sähe das bei einer Fünfzehnjährigen albern aus, doch mit sechzehn war das durchaus angemessen. Damit, hieß es, lockte man mehr Verehrer an. Aber das brachte Abigail wenig, denn genau wie an allen anderen Tagen musste sie heute arbeiten. Während sie- wieder einmal!- draußen die Wäsche aufhängte, dachte sie darüber nach, wie gerne sie sich von diesen Lumpen befreien würde. Sie stellte sich ein blassblaues, mit Schleifen besetztes Chiffonkleid vor, welches vorzüglich zu ihrem blonden Haar passte. Die passenden Schuhe und Ohrringe und natürlich hochgesteckte Haare würden sie zur Königin jedes Balles oder Gartenfestes werden lassen. Auf ihrem Gesicht erschien ein finsterer Ausdruck. Aber nein, ihre Jugend und Schönheit musste hier bei dieser Drecksarbeit dahinziehen, während andere Mädchen das Leben in vollen Zügen genossen. Ihre Weltansicht und vor allem ihre Einstellung den Menschen gegenüber war schärfer geworden und nicht so kurzsichtig. Doch an Abigail O’Brians Eitelkeit hatte sich nichts geändert. Schrecklich fand sie es, ihre Hände, die sie früher immer mit vielen Cremes gepflegt hatte, in dem schmutzigen Waschwasser einweichen zu sehen. Grauenvoll war es, dieses hochgeschlossene Kleid aus grober Baumwolle zu tragen.
Alles, was sie zum Geburtstag bekommen hatte, war eine selbstgemachte Kette von Moses. Aus Bucheckern. Er wollte sie damit wohl auf liebenswürdig ironische Weise an den regnerischen Abend in der Wandererhütte erinnern, wo sie die Nüsse so verabscheut hatte. Es war ganz simpel. Man stach in jede Buchecker mit einem spitzen Gegenstand ein Loch und zog ein dünnes Seil aus gedrehtem Hanf hindurch. Es war ein einfaches, aber von Herzen kommendes Geschenk. Abigail wusste es zu würdigen, was sie früher bestimmt nicht getan hätte.






Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz