Zwischen Traum und Wirklichkeit - Teil 20

Autor: Giraffi
veröffentlicht am: 15.02.2011


Sie hob das Kärtchen in die Hände und starrte fassungslos darauf. Sie hatte selber so ein Kärtchen in ihrem Portemonnaie. Doch was wollte Dorian damit?
Was wollte Dorian bei Dr. Fenêtre? Was wollte Dorian in Paris?
Sie schüttelte mehrmals ungläubig mit dem Kopf, dann legte sie das Kärtchen beiseite und zog den Brief aus dem Umschlag.
Dorian hatte ihr wirklich eine Menge zu erklären, noch mehr als sie ihm wahrscheinlich jemals erklären müsste.
Vorsichtig faltete sie den Brief auseinander und begann zu lesen:

Liebe Donna,

wenn du diesen Brief liest, bin ich bestimmt schon in Paris. Für kurze Zeit. Oder vielleicht auch länger. Vielleicht auch für immer. Ich weiß es noch nicht.
Es tut mir Leid, dir nicht alles erklärt haben zu können. Und es tut mir auch Leid, dass wir im Streit auseinander gegangen sind.
Ich wünschte ich hätte dir gleich von Anfang an alles erzählen können, doch das ging nicht. Und wenn ich dich richtig einschätze, dann verstehst du das auch.
Ich würde dir auch jetzt noch alles so gern erklären, doch ich vermute mal, es ist zu spät. Tut mir Leid, dass es so enden musste.

In Liebe, Dorian

Sie ließ den Brief auf den Tisch fallen und stopfte sogleich ein riesiges Stück Muffin in den Mund.
Der Brief hatte sie kein Stück weiter gebracht. Sie fühlte sich nur noch aufgewühlter und verwirrter. Sie wusste überhaupt gar nicht, was sie damit anfangen sollte.
Außer, dass sie jetzt wusste, wo Dorian war, war sie eigentlich kein Stück schlauer. Sie wusste weder, woher er Donnas Innerstes so gut kannte, noch warum er zu Dr. Fenêtre ging. Doch eines wurde ihr nun klar: Dorian stand im Kontakt zu Dr. Erlinger.
Alles sprach dafür: Dorians Reaktion, als Donna ihm erzählte, dass sie zum Psychologen ging. Dr. Erlingers Reaktion darauf, dass sie Dorian kannte, und dass sie von ihm träumte. Und wie er von ihm sprach: Er ist ein netter, junger Mann.
Dass ihr das nicht viel früher klar geworden war. Aber das war nur ein kleines Puzzleteil von einem megagroßen Puzzle, dessen Bild noch entstehen musste.
Dorian konnte sie nicht einfach voller Fragen zurücklassen. Das konnte er nicht machen. Er konnte nicht einfach so davon laufen und einfach mal so nach Frankreich abhauen. Das konnte er Donna nicht antun. Denn auch sie vermisste ihn schrecklich. Außerdem war er ihr mehr als eine Antwort schuldig.
Donna kippte den Kaffee auf Ex und sammelte den Brief zusammen und steckte ihn in ihre Tasche.
Dann sprang sie auf, nahm den Muffin mit und verließ stürmisch die Bäckerei.

Sie machte sich noch nicht einmal die Mühe ihre Schuhe auszuziehen. Sie rannte gleich in ihr Zimmer und riss ihren Koffer vom Schrank. Dann begann sie blind irgendwelche Sachen hineinzufeuern. Sie achtete noch nicht einmal darauf, was sie überhaupt mitnahm. Die böse Überraschung würde dann wohl am Tag des Auspackens kommen.
Mit einem Ruck schloss sie den Reißverschluss des Koffers und holte ihr Sparschwein aus dem Unterwäschefach.
Jetzt würde wohl sein letztes Stündlein geschlagen haben. Sie holte den Hammer aus dem Zimmer ihres Vaters, welcher nichts ahnend im Wohnzimmer saß und schon wieder die Vitrine zeichnete.
Mit einem Klirren zerbrach das Sparwein und zeigte das mühsam Ersparte von Donna. Ohne nachzuzählen wie viel es war stopfte sie es in ihren Geldbeutel und ließ diesen zurück in ihre Tasche gleiten. Dann verließ sie samt Koffer und Tasche ihr Zimmer.
Sie lehnte sich gegen den Türrahmen des Wohnzimmers und schaute lächelnd zu ihrem Vater: „Ich fahre nach Paris“ sagte sie leise, doch ihr Vater hatte sie trotzdem verstanden.
Sofort drehte er sich um und schaute seine Tochter mit großen Augen an: „Du fährst – was?!“ Er sprang auf und strich sich die leicht ergrauten Haare aus dem Gesicht.
„Ich muss nach Paris“





Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25 Teil 26 Teil 27 Teil 28 Teil 29 Teil 30


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz