Zwischen Traum und Wirklichkeit - Teil 26

Autor: Giraffi
veröffentlicht am: 24.03.2011


Donna wusste nicht wie lange sie geschlafen hatte, als sie die Augen aufschlug. Sie lag im Bett des Gästezimmers ihrer Mutter und das fahle Mondlicht erhellte den Raum nur leicht.
Es schien Vollmond zu sein.
Donna drehte sich unter dem Arm von Dorian, welcher neben ihr ruhig schlief, um und warf einen Blick auf den Wecker. Es war gerade mal ein Uhr nachts, dennoch fühlte Donna sich hellwach und sie würde unmöglich noch einmal einschlafen können.
Warum sie mitten in der Nacht wach wurde, konnte sie sich selbst nicht erklären. Wegen eines Albtraumes war es nicht. Das hätte sie sonst gewusst.
Leise seufzend erhob sie sich, und befreite sich vorsichtig aus Dorians Umarmung. Ein letztes Mal betrachtete sie sein regungsloses Gesicht und küsste ihn zaghaft auf die Wange, bevor sie seine Jacke vom Boden aufhob und sie anzog.
Mit ebenfalls leisen Schritten schlich sie die Treppe hinunter, um ihre Mutter und Francis nicht zu wecken, welche zweifellos auch schon wieder zu Hause sein mussten.
Unten im Wohnzimmer stand immer noch die Staffelei mit dem Bild, ebenso wie die leeren Verpackungen des chinesischen Essens, das sich die beiden am letzten Abend bestellt hatten.
Donna hoffte nur, dass ihre Mutter sowie auch Francis über das Chaos nicht allzu erbost sein würden.
Mit einem erneuten leisen Seufzen nahm sie den ganzen Müll vom Tisch und stopfte ihn in den Mülleimer, bevor sie sich ihren allmorgendlichen Kaffee machte. Selbst wenn sie die letzten beiden Nächte ohne schreckliche Träume geschlafen hatte, so konnte sie auf den Morgenkaffee doch nicht verzichten.
Als sie die Lampe anknipste kniff sie die Augen geblendet von dem hellen Schein zusammen, doch schnell gewöhnte sie sich an das Licht.
Eine ganze Weile starrte Donna hinaus in die Dunkelheit und nahm die heiße Kaffeetasse an sich, als sie die Stimme von Dorian zusammenzucken ließ.
„Warum bist du schon wach?“ fragte er. Nur mit Boxershorts bekleidet, verwuscheltem Haar und schlurfendem Schritt kam er in die Küche getappt.
Der Kaffee aus Donnas Tasse schwappte über den Tassenrand und fiel mit einem lauten Platschen auf den hellen Fliesenboden. „Mist“ fluchte Donna und schaute mit vorwurfsvollen Blick zu Dorian: „Erschreck mich doch nicht so“
„Tut mir Leid“ meinte er leise und lächelte sie sanft an, dann zeigte er auf die Jacke, die sie an hatte. „Ist das meine?“
Donna blickte auf, während die braune Flüssigkeit vom Boden aufwischte. „Ja“ Sie grinste frech und zwinkerte ihm zu.
Er nickte nur und goss sich auch eine Tasse Kaffee ein, welchen er wie immer schwarz trank.
„Stört’s dich?“
„Was?“
„Na, dass ich dein Zeug an hab“
Dorian drehte sich erst jetzt über die Schulter zu ihr um, schüttelte lächelnd mit dem Kopf und beobachtete sie dabei, wie sie den Lappen auswusch. Ob sie überhaupt wusste, wie hübsch sie war?
Donna bemerkte relativ bald, dass er sie die ganze Zeit anschaute. Mit einem Lächeln auf den Lippen schaute sie auf: „Was gesehen, das dir gefällt?“ Sie lief auf ihn zu, nahm ihm die Tasse aus der Hand und küsste ihn flüchtig auf den Mund.
Eine Weile grinste er noch vor sich hin, bis er nickte: „Könnte man so sagen“ Dann schauten sie sich eine Zeit lang schweigend, bis Dorian leise die Stille durchbrach: „Ich sollte dann auch gehen“
Überraschung machte sich in Donnas Mimik aus: „Warum? Es ist mitten in der Nacht!“
„Ich weiß nicht, wie deine Eltern reagieren und so. Und ich habe keine Lust auf Stress… Bei einer…“ Er brach ab und biss sich auf die Zunge.
„Ja?“ hakte Donna fragend nach und strich ihm das Haar aus den Augen.
„Ach, nichts“ Er schob sie leicht von sich.
„Nein, sag schon. Jetzt will ich’s wissen“
„Was soll ich dir eine Geschichte von meiner Ex-Freundin erzählen?“ fuhr er sie aggressiver als gewollt an.
Er liebte Donna, das stand gar nicht zu Debatte, doch ihre neugierige Fragerei brachte ihn doch immer wieder auf die Palme.
Bei seiner lauten Stimme zuckte sie zusammen und schüttelte dann den Kopf. „Tut mir Leid, dass ich nachgefragt habe“
Sie wandte sich ab und stellte beide Kaffeetassen in die Spüle, als sie auch schon seine Hände um ihre Taille spürte. „Hör mal, Donna. Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht anschnauzen. Nur ich frag dich auch nicht über deine Ex-Freunde aus“
Wieder zuckte Donna zusammen: „Gibt sowieso keinen“ murmelte sie leise und befreite sich aus seinem Griff.
„Wie?“ Sein perplexer Ausdruck brachte sie schon beinahe wieder zum Lachen.
„Ich hatte vor dir noch keinen… Freund“ brachte sie schließlich nach langen Zögern heraus.
Ein breites Grinsen breitete sich auf seinen Gesicht aus: „Du machst Witze…“
Doch sie schüttelte mit dem Kopf: „Nein, mach ich nicht. Ich mein’s ernst“
Sein Grinsen verschwand aus seinem Gesicht und er starrte sie eine Weile nur an, dann zuckte er mit den Schultern: „Na ja, umso besser. So werde ich wenigstens mit niemanden verglichen“ Wieder grinste er schief und spielte mit dem Ring an seiner Lippen und trat auf sie zu. Dicht vor ihr blieb er stehen und zupfte an ihrer – oder seiner – Jacke: „Das bräuchte ich dann wieder, Madame“
Gespielt hochnäsig hob sie das Kinn: „Nö. Ohne deine Jacke gehst du nämlich nicht“
„Sicher?“ fragte er und stupste sie mit dem Finger leicht gegen den Bauch.
„Ganz sicher“ Damit ging sie an ihm vorbei und schaltete das Licht in der Küche aus.
Auch wenn er einen leisen Gang hatte, so hörte sie doch wie er ihr folgte und leise seufzte: „Noch nie hat es ein Mädchen geschafft, dass ich beinahe bedingungslos alles mache, was sie will“
„Tja, es gibt immer ein erstes Mal, mon Chérie“ Sie drehte sich zu ihm um und er schloss die Gästezimmertür hinter sich wieder: „Wenn mir deine Mutter morgen früh an den Kragen geht, bist du Schuld“
„Mhhm“ murrte Donna nur noch, kuschelte sich unter die Decke und an Dorians Seite. Erst jetzt spürte sie, dass sie doch ziemlich müde war.
„Schlaf schön“ flüsterte er noch, während er den Arm um sie legte und sie nur noch nickte, dann war sie schon wieder eingeschlafen.

Am nächsten Morgen war Dorian schon verschwunden, bevor Donna überhaupt die Augen öffnete.
Sie fand nur einen unsäuberlich geschriebenen Zettel neben sich auf dem Kopfkissen:

Ich habe mich trotzdem schon mal aus dem Staub gemacht. Kannst die Jacke behalten, wenn du willst. Ich gehe davon aus, dass wir uns heute zum Schlittschuhlaufen treffen 
Ich hol’ dich ab.

Donna musste bei diesen Zeilen lächeln und drehte das Blatt herum, um den Rest zu lesen.

Ach ja, bevor ich’s wieder vergesse: Der Termin bei Dr. Fenêtre ist am 28. 12. um 10.00 Uhr.
Ich liebe dich…

Daran hatte sie die ganze Zeit schon nicht mehr gedacht. An den Termin bei Dr. Fenêtre, den eigentlich nur Dorian hatte und bei dem sie sich einfach mit dazu schob.
Aber das war eigentlich Donnas kleinste Sorge. Davor hatte sie keine Angst. Sie fürchtete sich vielmehr davor, was diese Traumdeuterin über sie herausfinden würde.
Und was die ganze Sache mit Dorian bedeutete: Dass er ebenfalls irgendetwas Seltsames an sich hatte, und warum Donna nicht träumte, wenn er bei ihr war. Und, dass es ihm genauso erging.
Seufzend schüttelte sie mit dem Kopf und fuhr sich mit der Hand durch die wirren Locken. Dann erhob sie sich und stand gähnend auf. Sie trug immer noch Dorians Jacke und hatte ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil er anscheinend nur in T-Shirt und Lederjacke in sein schmuddeliges Hotelzimmer zurückgekehrt war. Aber auf der anderen Seite war es ja auch seine Schuld. Er hätte ja bleiben können.
Wieder seufzte Donna und schlurfte mit trägen Schritten die Stufen hinunter, durch’s Wohnzimmer in die Küche, wo Francis und Jennifer saßen und zusammen Müsli aßen und Kaffee tranken.
„Guten Morgen“ brummte Donna und goss sich Kaffee in ihre Tasse, schon die Zweite an diesem Tag.
„Guten Morgen“ sagten Francis und Donnas Mutter synchron und beide begannen leise zu lachen.
„Wie war dein Abend, Schätzchen?“ fragte Jennifer schließlich als sie aufgehört hatte zu lachen. „Ich habe die Schuhe im Flur liegen sehen, die unmöglich von dir sein konnten“
„Ja, war ganz nett. Ich habe dir ja schon erzählt, dass Dorian kommen würde“ antwortete Donna und setzte sich auf den freien Platz gegenüber von Francis und ihrer Mutter. Bestimmt hielten sie Händchen unter der Tischplatte…
„Und? Wie war euer Abend? Ihr seid ja ziemlich… spät nach Hause gekommen“
„Ach, einfach herrlich!“ schwärmte Donnas Mutter und Francis nickte zustimmend. „Die Oper war klasse und das Essen war köstlich. Ein vollkommen gelungener Abend…“ Er machte eine Pause und grinste Donna breit an: „Bei euch gab’s chinesisches Essen? Ich habe die leeren Packungen rum liegen sehen“
„Oh… ähm… ja“ stotterte Donna. „Ich wollte mich für das Chaos entschuldigen. Als ich gestern Nacht wach wurde, habe ich gleich aufgeräumt. Ich hoffe, es hat euch nicht allzu sehr gestört“
„Nein, nein. Du hast es ja weggeräumt“ winkte Jennifer ab und lächelte ihre Tochter an. Dann atmete sie tief durch und meinte: „Ich habe das Bild im Wohnzimmer gesehen, und gehe mal nicht davon aus, dass du es gezeichnet hast“
Donna schüttelte hastig mit dem Kopf: „Um Gottes Willen!“ Sie lachte. „Ich bin künstlerisch genauso begabt wie euer Baby… nehme ich an“
„Na ja, da hast du wohl nichts von deinem Vater geerbt“ bemerkte Francis und schob Donna den Brotkorb hin: „Willst du nichts essen?“
„Doch, eine Kleinigkeit“ erwiderte Donna und griff zu einem hellbraun gebackenem Croissant. „Nein, was die Kunst angeht, habe ich nur die Interpretationsfähigkeit vererbt bekommen“
„Dann kann dein Freund also so gut zeichnen?“ hakte Francis weiter nach.
Donna schaute von ihrem Gebäck auf: „Dorian?... Ja er ist ein beneidenswerter Künstler… Vor ein paar Tagen hat er mich dazu überredet mich zeichnen zu dürfen… Und nun ja, das Resultat liegt im Wohnzimmer“
„Also, ich finde es sehr gelungen“ meinte Jennifer schnell und lächelte immer noch.
„Ich auch“ murmelte Donna und biss von ihrem Croissant ab.
„Weißt du ob er schon für irgendeine Kunstausstellung oder für ein berühmtes Atelier arbeitet?“ fragte Francis mit einer sachlichen Businessstimme, die Donna ruckartig aufschauen ließ.
Sie zögerte eine Weile, dann schüttelte sie mit dem Kopf: „Nein, ich glaube nicht. Warum fragst du?“
Und bevor Francis antworten konnte, plapperte Donnas Mutter drauf los: „Weißt du, Francis bester Freund, Julien ist der Manager einer berühmten Kunstausstellung. Und die buchen ihre Maler fest und wählen dann mindestens immer ein Bild aus, um es auszustellen. Manche Künstler haben damit das ganz große Geld gemacht!“ Sie wirkte total begeistert.
Doch Donna zögerte immer noch: „Ich glaube nicht, dass es Dorian ums Geld geht“
„Aber es wäre eine große Chance für ihn“ erwiderte Francis immer noch sachlich und sehr rational. „Und wenn er sowieso hier in Paris ist…“
„Er ist kein Franzose. Und eigentlich wohnt er in Paris auch nicht… Er weiß aber nicht, ob er bleiben will…Er hat keinen Grund dazu.“ erklärte Donna seufzend und legte ihr Essen weg. Plötzlich war ihr jegliches Hungergefühl vergangen. Francis servierte Dorian mit seinem Vorschlag an Donna soeben einen driftigen Grund in Paris zu bleiben. Und so sehr sich Donna für Dorian nur das Beste wünschte, so wollte sie ihm keinen Grund geben, um in Paris zu bleiben.
„Mit diesem Angebot hätte er einen Grund“ meinte Francis grinsend. Er hatte also genau dasselbe wie Donna gedacht.
„Ja, damit hätte er einen“
„Warum seid ihr beide jetzt eigentlich in Paris…“ begann Jennifer plötzlich nachdenklich zu fragen: „Ich meine, wenn weder er, noch du hier wohnt… Was wollt ihr dann hier?“
Donna seufzte zum x-ten Mal an diesem Morgen: „Das ist eine sehr lange Geschichte… Ich erzähl sie dir bei Gelegenheit“ Mit diesen Worten erhob sie sich und stellte ihr Geschirr in die Spüle. Dass sie Dorians und ihre Geschichte ihrer Mutter niemals erzählen wollte, verschwieg sie ihr und Francis.
„Ich gehe duschen“ warf Donna noch schnell in die Runde, bevor sie das Zimmer verließ und wieder nach oben ging.
Egal wie sehr sie sich darum bemühte, sie fand einfach keinen Draht zu ihrer Mutter und ihrem Francis. Die Wunden aus der Vergangenheit saßen zu tief. Um ein gutes familiäres Verhalten aufzubauen bräuchte es schon etwas mehr Zeit, als zwei, drei Tage...






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