Zwischen Traum und Wirklichkeit - Teil 3

Autor: Giraffi
veröffentlicht am: 29.11.2010


Donna betrat die Galerie, wo um diese Uhrzeit schon mehrer Leute waren. Diese Stadt schien wirklich eine Stadt für Kunstliebhaber zu sein.
Donna war völlig außer Atem, als sie dort ankam. Sie hatte sich auf dem Rückweg in den vielen kleinen Gassen verlaufen und so hatte sich auch ihr ganzer Zeitplan nach hinten verschoben.
Sie schaute sich noch nicht lange um, als schon der Mann von heute morgen auf sie zu kam: „Die Tochter vom Herrn Dameno“ sagte er strahlend. „Ich hätte nicht gedacht, dass du dir wirklich die Galerie anschauen würdest“
Erschrocken schaute Donna auf, dann lächelte sie schüchtern und nickte. „Sie können mich auch Donna nennen…“ Sie blickte auf das Namensschild des Mannes ihr gegenüber. „…Herr Braun“
„Gut, Donna“ sagte er. „Kommst du allein zurecht?“
Donna nickte: „Ich möchte mich nur ein wenig umschauen“
Herr Braun nickte und wollte gerade auf dem Absatz kehrt machen, als ihr doch noch etwas einfiel: „Ähm, Herr Braun. Sie könnten mir doch kurz behilflich sein“
Herr Braun drehte sich um und schaute sie fragend an: „Bei was?“
„Ich habe vorhin durch das Schaufenster ein Bild gesehen. In schwarz-weiß, relativ düster. Doch mehr konnte ich nicht erkennen. Vielleicht wissen Sie, welches Bild ich meine“ erklärte Donna und ahnte schon, dass er nicht wusste welches Bild sie meinte.
Aber zu ihrem Erstaunen nickte Herr Braun eifrig: „Aber sicher weiß ich welches Bild sie meinen. Es gibt nur wenige, die so düster und gleichzeitig so schön zeichnen können“ Er drehte sich um und ging los und weil Donna nicht genau wusste, was sie jetzt machen sollte, folgte sie ihm einfach.
Vor einem Bild, das einen Nadelwald in schwarz-weiß zeigte blieb er stehen. „Das meintest du doch sicherlich“
Donna nickte und betrachtete das Bild. Es war ganz schlicht und einfach, doch die Bitterkeit mit der der Maler dieses Bild gezeichnet hatte, konnte sie förmlich spüren. „Es ist beeindruckend“
„Na dann komm mal mit“ meinte Herr Braun. „Weiter hinten sind noch mehr Bilder von diesem Künstler“ Wieder ging er einfach mit seinen langen Beinen los und Donna musste viele ihrer kleinen Tippelschritte machen, um ihn folgen zu können.
Schließlich standen sie vor einer Wand, an der nur diese schwarz-weiß Bilder, die wie das andere, das Donna schon durch’s Schaufenster gesehen hatte diese kleine unleserliche Signierung in der rechten Ecke hatten.
„Die sind wirklich alle gelungen“ meinte Donna leise und erkannte auch einige Orte der kleinen Stadt wieder. Auch den See hatte dieser Künstler gezeichnet. „Wohnt der Maler dieser Bilder hier?“
Herr Braun nickte: „Ja. Es ist schön zu wissen, dass die Stadt nicht nur malerisch aussieht, sondern, dass wir auch Maler unter uns haben“ Er blickte erwartungsvoll zu Donna, welche sofort heftig mit dem Kopf schüttelte: „Nein, mein Vater ist der Künstler in der Familie. Ich bin da nicht sonderlich begabt“ Donna schaute entschuldigend zu Herr Braun.
„Nun ja, aber falls sie es sich anders überlegen sollten, wir stellen sicher gerne ihre Werke aus“ Anscheinend konnte er nicht so recht glauben, dass Donna künstlerisch zwei linke Hände hatte. Und da Donna keine Lust hatte zu diskutieren, sondern sich viel lieber die Bilder anschauen wollte nickte sie nur.
„Ich kümmere mich dann wieder um die anderen Kunden“ sagte Herr Braun und lächelte ihr zu. Wieder nickte Donna nur und konnte ihren Blick gar nicht von den Bildern losreißen. Es lag immer dieselbe Traurigkeit und Bitterkeit darin, auch wenn die Motive anders waren. Manchmal war es der Vollmond, dann wieder ein Springbrunnen, und hier und da wieder der See mit dem Wald.
Donna war noch nie so beeindruckt gewesen von Bildern. Die Kunst war immer die Passion ihres Vaters gewesen und ihr Bereich war die Schriftstellerei und die Literatur. Nicht, dass Donna sich nicht für Kunst interessiert hätte. Es hatte sie schlicht und ergreifend nie berührt. Mit diesen Bildern war das anders.
Eine Weile versuchte sie sich diese Bilder noch einzuprägen, dann fiel ihr Blick auf die Uhr. Schon um vier! Eigentlich hätte sie ihrem Vater schon längst mit den Kisten und dem Durcheinander zu Hause helfen sollen.
Sie warf noch einen letzten Blick auf die schönen Bilder und hätte das Vollmond-Bild am liebsten sofort mitgenommen. Doch der Preis hinderte sie daran. Soviel Geld hatte sie nicht dabei.
Also musste sie wohl in den nächsten Tagen noch mal hierher kommen.
Sie ging wieder in den vorderen Bereich der Galerie und suchte nach Herr Braun, doch der redete gerade mit einer blonden Frau, mittleren Alters, welche anscheinend über den Preis zu verhandeln schien.
Donna versuchte schnell seinen Blick zu erhaschen, um ihm wenigstens so Tschüss zu sagen. Einfach zu verschwinden wäre unhöflich. Doch Herr Braun sah sie nicht. Also fühlte sich Donna gezwungen – unhöflich oder nicht zu gehen.

„Ich bin wieder da!“ rief Donna als sie die Tür aufmachte und ihre Schuhe auszog. Die Schlüssel warf sie achtlos aus einen Karton.
Ihr Vater steckte den Kopf aus der Schlafzimmertür: „Wurde aber auch Zeit. Ich schufte den ganzen Tag, während du dir die Stadt anschaust“
„Tut mir Leid, Pa“ murmelte Donna schuldbewusst.
„Na ja, ist ja jetzt auch egal“ meinte Dirk Dameno und winkte seine Tochter zu sich heran: „Komm, helf mir mal. Ich möchte den Van Gogh aufhängen, weiß aber nicht ob er gerade hängt“
„Hast du keine Wasserwaage?“ fragte Donna und kniff die Brauen zusammen, während sie über die Kisten ins Zimmer ihres Vaters lief. In seinem Zimmer sah es noch schlimmer aus, als in dem von Donna.
„Kaputt“ nuschelte Dirk und steckte sich zwei Nägel zwischen die Lippen, während er das Bild über dem Bett anbrachte: „Gerade?“
Donna legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen: „Neee“
„In welche Richtung?“
„Ein wenig mehr das rechts… Neee… Stopp, das andere Rechts“ sagte Donna hastig.
Ihr Vater versuchte das Bild auszurichten und schaute dann wieder fragend zu ihr: „Und wie sieht’s jetzt aus?“
Donna wollte gerade wieder auf das Bild schauen, als ihr ein DinA2-Blatt auf einer der Kisten auffiel. Es hatte denselben Stil wie die ganzen anderen Bilder, die sie sich heute in der Galerie angesehen hatte. Und in der unteren Ecke war dieselbe Signierung.
Sie warf einen genaueren Blick auf das Bild: „Was ist das denn für ein Bild?“ Sie zeigte auf das Papier.
Dirk stöhnte auf: „Donna ich bitte dich! Ich habe gerade andere Probleme“
Donna warf einen Blick auf das schief hängende Van Gogh Bild: „Ja, ja, Paps. Es hängt gerade“
„Wirklich“ hakte ihr Vater misstrauisch nach.
„Ja, wenn ich es doch sage“ meinte Donna genervt und ging in die Hocke um sich das Bild genauer anzusehen. Es zeigte den See und die Berge dahinter. Dieses Motiv schien dem Künstler am liebsten zu sein. „Das Bild ist wirklich klasse“
Dirk kletterte vom Bett und nickte: „Finde ich auch. Der Maler dieses Bildes ist wirklich begabt“
„Ich habe schon andere Bilder von ihm – oder ihr in der Galerie gesehen und war sofort beeindruckt“ erklärte Donna.
„Du warst in der Galerie?“ fragte Dirk überrascht.
Donna nickte: „Ich wollte mal sehen, wo du arbeitest“ Sie zwinkerte und blickte dann wieder zu dem Bild. Die Anziehungskraft, die von diesem Kunststück ausging war überwältigend. Ob ihr Vater auch diese Melancholie spürte, wenn er das Bild betrachtete.
„Donna! Ich glaub’s ja wohl nicht! Das Bild hängt ja vollkommen schief“ rief Dirk aus und riss Donna damit aus ihren Gedanken.
Mit unschuldigen Blick schaute sie auf: „Vorhin sah es ganz gerade aus“
„Geschichtenerzählerin“ lachte ihr Vater. „Du bist eine richtige Geschichtenerzählerin!“ Er stieg wieder auf sein Bett und hängte das Bild ab. „Du wirst solange hier stehen bleiben, bis das Bild gerade hängt“
Donna ließ sie die Schultern hängen: „Mein Zimmer sieht auch noch aus wie eine Besenkammer“ beschwerte sie sich.
„Du hast ja auch noch zwei Wochen Ferien. Ich muss morgen arbeiten. Mein erster Arbeitstag“ gab ihr Vater zurück und Donna musste ihm Recht geben. Sie hatte noch ganze zwei Wochen um ihr Zimmer auf Vordermann zu bringen.
„Hängt es gerade?“ fragte er und blickte über die Schulter.
„Nein, kein bisschen. Ein bisschen mehr nach links“
„In welches Links“ Dirk grinste, denn er wusste ganz genau, dass seine Tochter eine schlimme Rechts-Links Schwäche hatte.
„Na, in diese Richtung eben“ Mit dem Arm wedelte Donna nach links und Dirk richtete das Bild aus: „Jetzt?“
„Perfekt“ Und dieses Mal log Donna nicht. Dennoch seufzte sie: „Ich gehe morgen eine neue Wasserwaage kaufen“
„Ja, dann lassen sich Bilder auch wieder leichter aufhängen“ Ihr Vater lachte leise und begann dann einige Kisten auszuräumen.
„Ich werde mal mit meinem Zimmer weitermachen“ meinte Donna nach einer Weile.
Ihr Vater nickte nur und Donna schlurfte in ihr Zimmer. Sie öffnete ihr Fenster und hörte den nahe gelegenen kleinen Bach rauschen.
Dann begann sie die viele Kisten auszuräumen und den ganzen Kram in ihre Schränke zu räumen.




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