Zwischen Traum und Wirklichkeit - Teil 15

Autor: Giraffi
veröffentlicht am: 19.01.2011


Donna lag auf ihrem Bett und starrte zur Decke. Seit der Party am Samstag war bereits eine Woche vergangen und Donna hatte mal wieder ein langweiliges Wochenende vor sich.
Ihr Vater war zum angeln gefahren mit Freunden aus Jena. Also hatte Donna die ganze Wohnung für sich allein, doch schon nach den ersten paar Stunden fühlte sie sich furchtbar einsam und auch furchtbar elend.
Warum meldete er sich denn nicht?!
Und damit klang sie wie ein liebeskranker Teenager, mit Wahnsinns Liebeskummer, dabei kannte sie Dorian doch kaum.
Er kannte sich ja selber kaum.
Seufzend rollte sie sich auf den Bauch und griff nach ihrem Buch. Letzten Sonntag war sie endlich wieder etwas weiter gekommen, bis ihr Vater ihr dann die tolle Nachricht verkündet hatte, dass ihre Mutter angerufen hätte.
Wenn sie so dringend mit Donna hätte reden wollen, dann hätte sie doch wieder angerufen, oder? Vielleicht wartete sie aber auch darauf, dass Donna anrief.
Es gab genau zwei Personen mit denen Donna um nichts lieber auf der Welt endlich ordentlich und ausgiebig reden würde, und genau diese beiden Personen meldeten sich partout nicht.
Wütend – und Donna wurde selten wütend – warf sie ihr Buch weg und stand auf.
Im Wohnzimmer nahm sie das Telefon an sich und schlug in ihrem Tagebuch die letzte Seite auf. Dort standen alle wichtigen Nummern von wichtigen Firmen oder einfach nur wichtigen Leuten.
Sie tippte schnell ein paar Zahlen ein, dann wartete sie und hörte das gleichmäßige Tuten in ihrem Ohr.
Irgendwann raschelte es, dann erklang die Stimme ihrer Mutter: „Ja, Jennifer Lacroix hier“ Sie hatte geheiratet?!
Donna schnappte nach Luft und stotterte dann: „Mama? Ich bin’s“
Stille. Eine ganze Weile. Donna hörte nur ihren eigenen Atem und den Atem ihrer Mutter.
„Donna?“
„Ja, oder hast du noch mehr Kinder?“ fragte Donna schnippisch, dabei wollte sie das gar nicht.
„Ich habe schon vor einer Woche versucht mit dir zu sprechen“ meinte Donnas Mutter.
„Ich weiß. Papa hat es mir gesagt“
„Warum hast du dich nicht eher gemeldet?“
„Ich dachte du rufst noch mal an“
„Ich habe auf deinen Anruf gewartet“
Wieder Stille. Es war ungewohnt mir ihrer Mutter zu telefonieren. Ihre Stimme war ungewohnt, das Gefühl war ungewohnt.
„Wie geht es dir?“
Donna schluckte. War es eine aufrichtige Frage? Und nur so um höflich zu sein. „Ich weiß nicht…“ stotterte Donna.
„Aber bei Papa geht es dir doch gut, oder?“ fragte Jennifer hastig.
„Das interessiert dich jetzt?! Warum schreibst du mir nicht wieder eine Karte, wie sonst auch immer?!“
„Donna, ich…“
„Warum gerade jetzt?! Bei Papa geht es mir bestens, ich brauche dich nicht mehr. Vielleicht damals, aber man gewöhnt sich daran eine Mutter zu haben, die einen nur Karten schreibt“
„Ich hatte Angst“ Die Stimme ihrer Mutter klang schwach und Donna wollte gerade wieder etwas erwidern, doch irgendetwas ließ sie innehalten.
Dann herrschte wieder Schweigen. Niemand sagte etwas. Wieder hörte Donna nur das Atmen, bis sie schließlich leise, fast flüsternd fragte: „Warum rufst gerade jetzt an?“
„Donna, ich will ehrlich sein. In den letzten Jahren ist viel passiert. Ich habe wieder geheiratet…“
Sie ließ ihre Mutter nicht ausreden: „Das hab ich bemerkt“
„Aber, woran…?“
„An deinem Nachnamen. Das würde sogar ein minderbemitteltes Kind wissen“ fauchte Donna.
„Ja, sicher, wie dumm von mir“
Klang ihre Mutter etwa unsicher? Nein, ihre Mutter war niemals unsicher. Ihre Mutter war schon immer der Meinung, alles richtig zu machen und gemacht zu haben. Sie entschuldigte sich auch niemals. So war ihre Mutter!
„Also, warum rufst du an?“ Donna merkte selber, dass jetzt auch ihre Stimme zu zittern begann.
„Ich bin wieder schwanger. Du bekommst eine Schwester…“ Jennifer holte tief Luft und fuhr dann schon etwas selbstsicherer fort: „Ich wollte es dich nur wissen lassen“
„Aha… Und jetzt da ich es weiß, kannst du dich wieder die nächsten 5 Jahre nicht mehr melden, oder wie?“ giftete Donna. Sie schien ihrer Mutter wirklich nicht verzeihen zu können, dass sie damals einfach abgehauen ist.
„Nein, Donna. Lass mich doch bitte ausreden…“
Doch Donna ignorierte die Worte ihrer Mutter: „Weiß Papa schon davon?!“
„Das geht deinen Vater nichts mehr an. Wir haben uns vor Jahren getrennt“
„Nein!“ rief Donna schrill und sie erschrak sich über ihre eigene Stimme. „Du bist abgehauen! Mit Trennung hatte das nicht viel zu tun!“
„Ich weiß, Donna. Doch was ich dir eigentlich sagen möchte ist, dass ich will, dass du für deine Schwester die Taufpatin wirst. Die Geburt ist Ende Dezember und die Taufe wahrscheinlich im März… Ich würde mich sehr freuen, wenn du zur Taufen kommen…“ Donnas Mutter hielt inne. „Donna? Bist du noch dran“
Donna atmete schwer. Hatte sie sich gerade verhört?! Da rief ihre Mutter nach Jahren das erste mal persönlich an, und schickte mal keine Karte um Donna zu verkünden, dass sie wieder geheiratet hatte, und dass sie ein Kind erwarte und dass Donna die Taufpatin von diesem Windelscheißer sein sollte… Als ob sie eine wunderbare, heile Familie wären.
Donna wusste noch nicht einmal, wo ihre Mutter in Paris eigentlich wohnte, wie ihr Mann hieß, wie sie jetzt aussah. Sie wusste gar nichts von ihrer Mutter.
Und dann wurde von ihr erwartet, dass sie das Bild einer fröhlichen Patchwork-Familie nach außen hin präsentierte.
Ihre Mutter muss den Verstand verloren haben. Sie trat einen Schritt vom Telefonschränkchen zurück und schüttelte mit dem Kopf, sodass ihr ihre langen Haare um die Ohren flogen.
„Donna? Donna?“ fragte ihre Mutter besorgt in den Hörer, doch Donna wollte gar nicht mehr hinhören. Mit einem lauten Knall warf sie den Telefonhörer auf die Gabel, des alten und auch sehr wertvollen Telefons.
Was bildete sich ihre Mutter eigentlich ein?!
Eine Weile starrte sie noch entgeistert auf ihr Tagebuch mit der Telefonnummer und auf das Telefon.
Vielleicht hätte sie ihre Mutter doch nicht anrufen sollen. Denn im Moment hatte sie das Gefühl einen riesengroßen Fehler begangen zu haben.
Sie schluckte die Tränen der Bitterkeit hinunter und ging in den Flur. Hastig zog sie sich ihre Schuhe an, schlüpfte in ihre Jacke und hängte sich die Tasche über die Schulter. Noch in letzter Minute dachte sie an ihren Schlüssel, ohne den sie komplett aufgeschmissen wäre.
Total spontan hatte sich Donna dazu entschlossen Dorian in dieser kleinen Stadt irgendwo zu suchen. Viel zu tun hatte sie eh’ nicht und die Einsamkeit zu Hause schien sie zu erdrücken. Außerdem musste sie aus dieser Wohnung raus, nachdem ihre Mutter angerufen hatte und irgendwie alles durcheinander gebracht hatte.
Und Donnas Gefühl sagte ihr, dass sie mit diesem Problem bei Dorian besser aufgehoben sei, als bei Juanita.

Ziellos lief sie ins Zentrum der Stadt und ging als Erstes in die Galerie, in der ihr Vater normalerweise um diese Uhrzeit arbeitete. Doch er hatte sich zwei Tage freigenommen, um seine Tochter allein zu lassen und mit seinen Kumpels aus der vergangenen Tagen angeln zu gehen.
Dafür hatte Herr Braun die Schicht von Dirk Dameno übernommen. Er erkannte Donna sofort wieder und empfing sie mit einem Lächeln: „Hallo, schön dich wieder zu sehen“
Donna nickte und schaute sich suchend um. Vielleicht war Dorian ja hier. Immerhin waren sie sich hier auch schon einmal begegnet.
„Was kann ich für dich tun?“ fragte er, nachdem sie nicht geantwortet hatte.
„Oh“ meinte Donna schnell. „Eigentlich wollte ich mich nur mal umschauen. Mein Vater ist nicht zu Hause, und ich wollte nicht versauern, indem ich das Haus nicht verlasse“ plapperte sie weiter und wunderte sich ein wenig über sich selber.
„Mach das, nur. Wenn ich dir doch irgendwie behilflich sein kann, dann sage es einfach“ erwiderte Herr Braun und nickte ihr lächelnd zu.
Donna nickte ebenfalls und ging dann Ziel strebend in den hinteren Teil der Galerie, wo die Schwarz-Weiß-Bilder hingen, und wo sie vor ein paar Wochen das erste Mal mit Dorian geredet hatte.
Doch er war nicht da. Damit hatte Donna aber auch gerechnet. Es wäre schon ein großer Zufall gewesen.
Stattdessen hingen immer noch die Bilder an der Wand. Einige Alte, die Donna schon gesehen hatte, aber auch einige Neue.
Auch, wenn sie eigentlich nach Dorian suchte, so blieb sie doch eine Weile vor der Bilderwand stehen und betrachtete ein neues Bild nach dem anderen.
Wieder war ein Bild des Sees dabei und eines vom Darkart. Beide Bilder fand Donna wieder emotional ergreifend, doch es war das letzte Bild, das ihr dem Atem raubte.






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