Zwischen Traum und Wirklichkeit - Teil 25

Autor: Giraffi
veröffentlicht am: 22.03.2011


Donna schreckte auf, wie ein Reh, das den Schuss einer Flinte gehört hatte, als die schrille Türklingel ertönte.
Sie muss vor sich hin geträumt haben, denn als sie sah, dass es schon dunkel war, konnte sie sich gar nicht mehr daran erinnern, die Sonne untergehen gesehen zu haben. Doch das war im Moment sowieso egal.
Freudig rannte sie die Treppe hinunter und riss die Haustür auf und blieb dann lächelnd und keuchend stehen: „Hey“
Dorian hob nur die Hand und schob sich dann an Donna vorbei. „Hey“
„Frohe Weihnachten“ murmelte er, während er sich die Schuhe auszog und eine paar Blätter Papier und ein kleines, schwarzes Mäppchen neben sich ablegte.
„Dir…“ Donna stockte und schlug dann erschrocken die Hand vor den Mund: „Ich habe gar kein Geschenk für dich!“
Dorian drehte sich zu ihr um und verzog das Gesicht zu einer Grimasse: „Das ist wirklich unentschuldbar, Donna“
Hätte er nicht diese seltsame Fratze gezogen hätte Donna ihm geglaubt. Doch er konnte auch seine Grimasse nicht aufrechterhalten und lachte leise, während er die Arme um ihre Taille legte und sie mit einem sanften Ruck zu sich ran zog.
„Das macht gar nichts. Ich habe auch nichts Wirkliches für dich“ Er beugte sich zu ihr runter und hielt dann aber auf halber Linie inne und schaute sich misstrauisch um: „Wo ist eigentlich deine Mutter und ihr Mann“
Er drehte den Kopf zur anderen Seite und begann zu reden: „Wow, die müssen ja Kohl…“ Doch Donna ließ ihn nicht ausreden. Sie legte ihre Hand an seine Wange und drehte mit sanften Druck sein Gesicht zu ihr: „Sie sind nicht da. Sie sind im Theater“
Sein Gesichtsausdruck änderte sich urplötzlich und er schaute besorgt, doch gleich darauf grinste er schelmisch: „Na ja, find ich auch nicht schlecht. Dann hätten wir vielleicht Zeit für ein paar andere Dinge…“
Donna kniff die Brauen misstrauisch zusammen und machte sich von ihm los: „Also, ich bin jetzt nicht so begeistert, dass mir meine Mutter mal wieder zeigt, an welcher Stelle ihre Tochter kommt“ Mit diesen Worten kehrte sie ihm den Rücken zu und ging in die Küche.
Dorian schloss die Augen und verfluchte sich innerlich. Er hätte wissen sollen, dass Donna solche Andeutungen nur noch mehr verunsichern würden. Sie war eben anders als andere Mädchen. Bei ihr musste er wirklich deutlich vorsichtiger sein.
„Oh man, Donna“ rief er ihr hinterher und seine Stimme klang sogar ein klein wenig flehend. „Ich hab’s nicht so gemeint. Komm schon, du kannst doch nicht an Weihnachten…“
Er kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, denn sie steckte den Kopf auf der Küchentür und schaute ihn fröhlich grinsend an. „Pizza oder Pasta, oder doch Chinesisch?“ Sie hatte das Telefon in der einen und in der anderen Hand zwei Flyer.
Ohne auf seine Antwort zu warten, redete sie weiter: „Wir können auch den Kühlschrank plündern und was kochen“
Jetzt war es Dorian, der die Brauen misstrauisch zusammenkniff. „Bist du immer so an Weihnachten?“
Donna schaute hastig vom Flyer auf und errötete: „Ja, Weihnachten war schon immer mein Lieblingstag im Jahr. Und mir ging es nicht, wie anderen Kindern um die Geschenke, sondern um das Fest an sich“
„Ich mochte Weihnachten nie…“ Er trat auf sie zu und nahm ihr den Flyer vom Chinesen aus der Hand: „Chinesisch“ beantwortete er ihre vielen Fragen schließlich.
Nachdem der Chinese endlich Donnas Französisch verstanden hatte, und das Essen endlich bestellt war, standen beide in der Küche und schwiegen sich einen Moment lang an, bis Donna schließlich fragte: „Warum mochtest du Weihnachten nicht?“
Erst jetzt löste er seinen Blick vom Fenster und schaute sie an: „Ich war mein ganzes Leben lang, bis zu meinem 16. Geburtstag im Waisenhaus… Und Weihnachten in Waisenhäusern sind nicht unbedingt schön. Und nachdem ich abgehauen bin, habe ich Weihnachten meistens allein verbracht. Oder ich war irgendwo unterwegs und habe meistens bei irgendwelchen Mäd…“ Er brach ab, zögerte eine Weile und setzte dann neu an: „Weihnachten war für mich nie ein Fest der Liebe oder der Freude“
Als er ihren Blick sah, sagte er hastig und energisch: „Bitte, Donna! Ich brauche kein Mitleid“
„Ich bemitleide dich nicht“ erwiderte sie empört. „Ich versuche mir nur vorzustellen, wie ich mich wohl fühlen würde, wenn ich du gewesen wäre!“
Dorian wollte gerade etwas erwidern, als es an der Tür klingelte und Donna erleichtert ausatmete. Die Situation war ihr unangenehm geworden und außerdem hatte sie furchtbaren Hunger.
Sie stieß sich von der Arbeitsplatte ab und ging schnellen Schrittes zur Tür.
Der kleine Chinese der davor stand, grinste freundlich und hielt ihr die Wärmebox mit dem Essen hin und nannte eine undeutlich französische Zahl.
Kurz schaute Donna verwirrt, doch dann schüttelte sie einfach mit dem Kopf und wollte zu ihrem Portemonnaie greifen, das auf der Kommode lag, als Dorians Stimme hinter ihr ertönte: „Lass nur, ich mach das“
Sie hatte noch nicht einmal Zeit ihm zu widersprechen, da drückte er dem Chinesen schon einen 20 Euroschein in die Hand und schloss ihm die Tür vor der Nase zu. „Das war genügend Trinkgeld, oder?“
„Das nächste Mal lässt du mich zahlen“ meinte Donna und ging gar nicht auf seinen Kommentar ein. Sanft schob sie ihn zur Seite und ging zurück in die Küche.
„Alles klar“ stimmte er ohne Widerrede zu und folgte ihr, während er eine Zigarette zwischen die Lippen nahm und sie schon anzünden wollte, als er plötzlich inne hielt: „Darf ich hier drin rauchen?“
Donna schaute auf, stellte zwei Teller auf die Arbeitsplatte und überlegte kurz. Dann zeigte sie durch’s Wohnzimmer auf den Balkon: „Lieber draußen. Francis scheint ein Idiot zu sein und sich deswegen aufzuregen und meine Mutter ist gerade schwanger. Also…“ Donna beendete ihren Satz nicht, sondern ließ ihn offen im Raum stehen.
„Geht klar. Bin gleich wieder da“ Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und ging dann mit langen Schritten auf den Balkon. Doch bevor er nach draußen ging, drehte er sich mit einem breiten Grinsen noch mal zu ihr um: „Und nach dem Abendessen zeichne ich dich dann. Kneifen geht nicht mehr“ Er zwinkerte ihr zu und drehte sich wieder um.

„Muss ich irgendetwas beachten“ fragte Donna leise, während sie einfach nur auf dem Sofa rum saß und sich ein wenig wie ein Kartoffelsack vorkam.
Dorian zögerte eine Weile und hantierte noch mit dem Kohlestift bis er den Kopf hob und sie mit erhobenen Brauen musterte: „Du sitzt gerade da wie ein Waschlappen“ Er konnte sich sein Grinsen nicht verkneifen.
Donna verdrehte die Augen. „Na, vielen Dank auch. Ich liebe dich doch auch, mein Schatz“
Ihr Ich liebe dich ließ ihn kurz inne halten. Doch dann riss er sich zusammen. „Winkel am besten die Beine an“ wies er sie an.
Donna kniff kurz die Brauen zusammen, gehorchte dann aber und zog die Beine bis an die Brust. „Ich würde das gar nicht machen, wenn wir nicht eine Abmachung hätten“
Wieder grinste er und seine Augen blitzen auf, bevor er sich rittlings auf einen der Küchenstühle, die er ins Wohnzimmer getragen hatte, niederließ. „Tja, aber wir haben nun mal diese Abmachung“
Wieder verdrehte sie die Augen und plapperte dann weiter: „Ich bin bestimmt nicht gut zu zeichnen“
Doch Dorian schüttelte nur mit dem Kopf: „Halt still“
„Ich meine das wirklich ernst… Ich…“
Doch er ließ sie nicht ausreden: „Jetzt halt endlich still!“
Donna wusste gar nicht wie lange sie dasaß und gar nichts tat, außer Dorian dabei zu beobachten, wie er mit dem Kohlestift über das Papier huschte.
Nach einer gefühlten, langweiligen Ewigkeit legte Dorian endlich den schwarzen Stift weg und erhob sich von seinem Stuhl. „Fertig“ Seine Hände hatten dieselbe Farbe wie der Kohlestift angenommen und er betrachtete sie missmutig.
Donna streckte als Erstes die Beine, welche nach der langen Zeit im gewinkelten Zustand weh taten und komplett eingeschlafen waren.
„Ich geh mir mal schnell die Hände waschen“ Dorian war gerade auf den Weg in die Küche, als Donna blitzschnell aufsprang und rief: „Halt! Ich will erst das Bild sehen!!!“
Dorian blieb stehen und drehte sich zu Donna um, welche schon vor dem Bild stand und es anstarrte.
Es zeigte sie, wie sie wirklich war. Mit rundem Gesicht, lockigem Haar, und großen blau-grauen Augen.
Doch entgegen ihren Befürchtungen sah es gar nicht hässlich aus. Es war das erste Bild von ihr, das ihr gefiel.
Sie dachte eher, dass die Kunst dieselbe Wirkung wie Fotos von ihr haben würden. Doch das Bild war einfach nur schön.
Dorian sollte wirklich eine größere Karriere als Künstler ansteuern.
„Gefällt’s dir?“ fragte plötzlich seine Stimme, welche dichter an ihrem Ohr war, als sie erwartet hätte.
Über die Schulter drehte sie sich zu ihm um. „Total!“ stimmte sie zu. „Du solltest dir wirklich noch mal sehr genau überlegen, ob du nicht in Paris bleiben solltest“
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich plötzlich und er wurde wieder ernst. „Ja, mal sehen“ Er zuckte mit den Schultern und blickte über Donna hinweg zu dem Bild. „Du siehst traurig aus“ bemerkte er trocken.
Donna drehte sich zum Bild um und hob skeptisch die Brauen: „Findest du?“
„Ich rede doch nicht vom Bild“ lachte er leise und als sie sich wieder zu ihm umdrehte, stupste er ihr mit dem Finger gegen die Nase, sodass ihre Nasenspitze ganz schwarz wurde.
Wieder entstand dieses schiefe Grinsen auf seinen Lippen und er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie zärtlich.
Und als er wieder zurückweichen wollte, schlang sie ihre Arme um seinen Hals und zog ihn wieder zu sich herunter: „Nicht. Geh nicht“ flüsterte sie und küsste ihn erneut auf die Lippen.
„Ich muss mir die Hände waschen“
Doch wieder schüttelte sie nur mit dem Kopf und zog ihn wieder näher zu sich ran: „Ist jetzt egal…“
Eine Weile blickte er sie irritiert an, doch dann ging er mit einer Leidenschaft, die er sich zuvor bei ihr nicht getraut hatte, auf ihren Kuss ein.
Sie wusste wohin das ganze führen würde. Sie war sich darüber sehr im Klaren. Immerhin hatte sie es ja auch auf eine gewisse Weise provoziert.
Sie spürte wie er sie leicht zurückschob und dann zurück wich. Ein fragender Blick reichte um zu wissen, was er fragen wollte.
Donna lächelte sanft und zeigte nach oben und während sie ihn an der Hand mit nach oben zog, drehte sie sich noch einmal zu ihm um: „Und ja, ich bin mir sicher. Sehr sogar“
Wieder entstand dieses schiefe Grinsen auf seinem Gesicht: „Wollen wir’s hoffen“ Dann schob er die Hand unter ihre Beine und nahm sie, als würde sie nur ein paar Kilo wiegen auf den Arm.
Kreischend und kichernd klammerte sie sich an ihrem Hals fest und legte ihre Stirn gegen seine: „Ich glaube ich war mir bei einer Sache noch nie so sicher“ murmelte sie noch, bevor er sie wieder zu küssen begann.






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