Farben der Liebe - Teil 5

Autor: Janine
veröffentlicht am: 02.01.2013


…die Übervorsichtigkeit und die Hoffnung
„Tante Ranya, Tante Ranya, Tante Ranya“, wurde ich gerufen, als ich meine Einkäufe gerade bei meiner Mutter in die Speisekammer einräumte.
„Ja, was ist denn Jacqueline?“, rief ich zurück und keine Minute später stand sie auch schon vor mir und fragte: „Bleibt ihr noch eine Weile hier? Mama sagt wir bleiben noch bis Ende der Woche, da ich ja Ferien habe und sie Urlaub genommen hat. Ich würde so gerne die Geschichte bis zum Ende hören. Bitte Tantchen!“
Ich seufzte und antwortete etwas zerknirscht: „Eigentlich wollte ich heute wieder zu mir nach Hause fahren. Immerhin muss ich morgen wieder arbeiten gehen und die Kleinen sind bei einem Babysitter untergebrach.“
Den wahren Grund, dass ich eine weitere Begegnung mit Adrian vermeiden wollte, ließ ich unbeachtet unter den Tisch fallen.
Mit einem Dackelblick sondergleichen blickte sie mich an und bettelte beinahe: „Bitte Tante Ran, sonst ist mir langweilig, wenn ich niemanden zum Spielen habe und ich sehe meine Cousine und meinen Cousin so selten.“
Innerlich zog ich mir eine Bratpfanne drüber, als ich dann doch nachgab: „Ist ja gut, wir bleiben auch bis Ende der Woche.“
„Danke Tante!“, strahlte sie mich fröhlich an und lief zu Devin und Diara ins Zimmer um ihnen die Nachricht zu überbringen.
Was hatte ich mir da bloß wieder eingebrockt.
„Weißt du, Ran, nicht nur Jacqueline fehlen ihr Cousin und ihre Cousine und auch ihre Tante, sondern auch uns geht ihr ab. Mutter und Vater würden es dir zwar nie offen ins Gesicht sagen, aber sie wünschen sich, dass du, wenn du schon nicht hier her ziehst, wenigstens öfter vorbeischaust, damit sie ihre beiden Enkel mehr verhätscheln und ihre Tochter besser im Blick haben. Und ich vermisse meine kleine Schwester mit der ich schön über die Männer lästern und lange Trink und Filmabende machen kann“, sprach dann Maya und ich stieß die Luft aus meinen Lungen. Mit wenigen Schritten verließ ich den Raum und stand meiner Schwester nun im Flur gegenüber. Mit einem bitteren Zug auf den Lippen gab ich ihr meine Antwort: „Ich würde öfter vorbeikommen, aber ich will nicht das Risiko eingehen ihn wieder zu sehen. Seine Anwesenheit reicht nur wenige Sekunden aus um meine Welt komplett auf den Kopf zu stellen.“
Damit schritt ich an ihr vorbei, doch ihre Stimme ließ mich erneut innehalten: „Du liebst ihn nach all der Zeit immer noch oder?“
„Ich sollte ihn dafür hassen, dass er mir mein Herz brach, aber ich kann es einfach nicht“, seufzte ich bevor ich weiterging um mein Handy zu holen, um mir Urlaub zu nehmen und dem Kindermädchen Bescheid zu sagen, dass sie nicht kommen brauchte.
Anschließend wartete ich darauf, dass meine Eltern von der Kirche zurückkamen und überbrachte auch ihnen meine Entscheidung länger zu bleiben.
Nachdem ich dies alles geregelt hatte, ging ich zu den Kindern und fragte: „Wollt ihr wissen, wo dieser See ist, von dem ich euch gestern erzählt habe?“
Sofort hatte ich ihre Aufmerksamkeit und ihre Zusage.
„Na dann kommt her. Immerhin müssen wir bis zum Mittagessen wieder da sein, sonst bekomme ich eine Rüge von Oma“, lächelte ich und zog zunächst Diara und dann Devin fertig an, bevor ich mir selbst die Schuhe und die Jacke anzog.
„Bin mit den Kindern unterwegs. Zum Mittagessen sind wir wieder da“, rief ich durch das Haus und erhielt sofort die Antwort: „Ist okay, passt auf das euch nichts passiert!“
Während Diara und Devin voraus hüpften, ging Jacqueline neben mir her und fragte: „Dieser Adrian aus deiner Geschichte, ist das der Anwalt aus unserem Dorf?“
„Ja, das ist er, aber um zu deinen nächsten Fragen zu kommen, die wirst du alle beantwortet bekommen, wenn ich meine Geschichte weiter erzähle.“
Daraufhin stellte sie eine andere Frage: „Liebst du ihn noch immer, Tante? Wenn ja, dann könnt ihr doch einfach zusammen ziehen und deine Kinder hätten ihren Vater, den sie sich so sehr wünschen.“
Ich versteifte mich komplett und antwortete etwas leidenschaftlicher als beabsichtigt: „Das ist nicht so einfach wie du denkst, Jacqueline, aber woher weißt du, dass sie sich einen Vater wünschen.“
„Sie haben es mir erzählt“, gab sie einfach so zurück und ging schweigend weiter.
Den Rest der Wegstrecke schwieg ich und vertiefte mich in meinen Gedanken. Ich wusste zwar, dass sie gerne einen Vater hätten, aber dass sie ihn sich richtig wünschten war mir neu und hatte bei mir einen eindeutigen kalte-Dusche-Effekt.
„Wir müssen nur noch an dem Gebüsch vorbei und schon sind wir da.“
Und kaum dass ich das gesagt hatte, rannten meine drei neugierigen Schützlinge auch schon los. Ich beschleunigte meine Schritte und rief ihnen nach: „Lauft nicht zu weit weg und bleibt in Sichtweite. Ich warte hier auf euch.“
Nachdem ich den dreien einen letzten Blick zugeworfen hatte, trat auch ich hinter dem Gebüsch hervor und wäre am liebsten wieder umgekehrt.
„Was zum Henker machst du hier?“, fragte mein Mund noch bevor ich es zu Ende gedacht hatte und meine Beine bewegten sich wie ferngesteuert auf den Baumstumpf zu.
„Dieselbe Frage könnte ich dir stellen, Kleines“, erhielt ich begleitet von diesem verfluchten Grinsen, welches meinen Körper in Wallungen versetzte, als Antwort.
„Ich bin hier, weil sie den See sehen wollten“, sagte ich dann und warf einen prüfenden Blick zu Devin, Diara und Jacqueline. Alle drei hatten sich auf den Waldboden gesetzt und versuchten Steine auf der Wasseroberfläche foppen zu lassen.
Als ich Adrian wieder anblickte, sah ich wie sein Grinsen verschwunden war und nun musternd über die Kinder glitt.
„Jacqueline kenne ich, sie ist ein nettes Mädchen, aber die anderen beiden habe ich noch nie gesehen. Sind das deine?“, fragte er schließlich und blickte mir in die Augen.
Nein, nicht meine. Unsere
„Ja, das sind meine. Diara und Devin Nerlos“, antwortete ich etwas unterkühlt.
Sein Wissensdurst schien entfacht, denn sofort fragte er: „Wo ist ihr Vater?“
Er sitzt vor mir!
Ich musste ihm gegenüber vorsichtig sein. Vielleicht sogar mehr als nur vorsichtig. Er könnte so ohne weiteres mein Herz ein zweites Mal brechen.
Ich blickte auf den See und meinte leicht verstimmt: „Er will nichts von ihnen wissen. Meinte unsere gemeinsame Nacht war etwas Einmaliges und würde nie wieder vorkommen.“
Ich konnte deutlich sehen, wie er leicht zusammen zuckte. Fühlt sich da jemand immer noch schuldig?
„Das hast du nicht verdient“, sagte er so leise, dass ich ihn kaum verstand, sprach aber lauter weiter, sodass ich nicht zum Antworten kam: „Würdest du mir glauben, wenn ich sage, dass es mir leid tut. Dass mir alles von damals Leid tut. Ich habe dich vermisst, Emi. Als meine beste Freundin und …“
Abrupt wandte ich mich ab und sprach mit leiser, eiskalter Stimme: „Hör auf damit! Hör einfach auf, okay? Ich will nicht mehr!“
„Emi, warte. Bitte, ich will, dass wir wieder Freunde werden. Genauso wie vor dieser…“
Eine Träne rann mir über die Wange, doch ich wischte sie mir einfach weg und rief: „Jacqueline, Devin, Diara kommt, wir müssen zurück. Sonst kommen wir zu spät zum Mittagessen. Oma wird bestimmt schon warten.“
„Kommen schon“, reif Jacqueline zurück und lief mit Devin und Diara an der Hand zu mir.
„Mami, gehst du mit uns später nochmal her?“, frage Diara und Devin redete weiter: „Ja, bitte Mami, hier ist es so toll. Genauso wie du es uns erzählt hast.“
Ein schmales Lächeln bildete sich auf meine Lippen, als ich mich mit ihnen auf eine Höhe begab und antwortete: „Wenn ihr brav seid dann gehen wir morgen noch einmal hier her. Heute aber nicht mehr, denn es sieht aus, als würde es bald regnen.“
„Machen wir, Mama!“, grinsten beide und Diara gähnte, als sie fragte: „Trägst du mich, Mami?“
Auch Devin gähnte und ich sah ihnen an, dass sie heute wohl ein kleines Mittagsschläfchen bräuchten.
„Sicher doch, Engel“, damit hob ich sie auf meinen Arm und erhob mich.
„Du wirst von Tag zu Tag schwerer, Liebes“, seufzte ich und sah zu Devin. Ihn würde ich wohl nicht mehr tragen können.
„Onkel Adrian, könntest du Devin tragen? Dann kannst du auch gleich bei uns zu Mittag essen“, hörte ich Jacqueline fragen und unbewusst hielt ich die Luft an.
Ich konnte förmlich sehen, wie sich ein Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete, als er zum Reden begann: „Natürlich, aber nur, wenn er das mag und wenn es seine Mutter erlaubt.“
Doch sein Einverständnis hatte er bereits, da Devin auf ihn zuging und die kleinen Ärmchen nach ihm ausstreckte.
„Ich tue das nur, weil mir nichts anderes übrig bleibt, also bilde dir bloß nichts darauf ein!“, knurrte ich leise an ihn gewandt und ging, Adrian neben mir beobachtend, los.
Wir schwiegen uns den Weg aus den Wald heraus über an und erst Adrian brach das Schweigen: „Wenn du nicht willst, dass ich den Mittag bei euch verbringe, dann trage ich nur deinen Kleinen ins Haus hinein und verschwinde wieder. Ich sehe ja, dass es dir nicht ganz recht ist.“
„Nein, bleib. Ich glaube meine Eltern würden dich gerne wiedersehen. Und da du meinen Sohn trägst, würde ich das nur als Schuldbegleichen ansehen“, gab ich leise zurück und blickte ihn an. Versuchte das Bild zu übersehen, welches sie abgaben.
„Was hast du in den letzten Jahren gemacht?“, fragte er schließlich.
Ich stieg darauf ein. Was könnte ein Bisschen Smalltalk schon schaden? Und erzählte ihm von meinem Beruf, meinem bescheidenem Heim und meinen Kindern.
Wohingegen er mir erzählte, dass sich ihre Band aufgelöst hatte und er jetzt nur noch als Anwalt arbeitete, da er ja die Kanzlei seines Vaters übernommen hatte.
Schließlich kamen wir dann bei meinem Elternhaus an, wo uns Jacqueline die Türe öffnete und ich gefolgt von Adrian ins Zimmer der Kinder trat. Dort legte ich Diara auf die Bettbank und deckte sie zu. Aus den Augenwinkeln sah ich wie er das gleiche tat und bevor er sich wieder aufrichtete ihm einen Kuss auf die Stirn gab.
Dieses Bild verstörte mich so sehr, dass meine Hände anfingen zu zittern und ich Mühe hatte nicht los zu heulen.
Auch strich er Diara eine Strähne ihres Haares zurück, bevor er sich mir zuwandte.
Doch wahrscheinlich hatte ihn mein Anblick etwas aus dem Konzeptgebracht, denn sofort schloss sich sein Mund, welchen er um mit mir zu reden geöffnet hatte, wieder. Und keinen Moment später lag ich in seiner Umarmung und hörte seine leise Stimme an mein Ohr: „Pscht, nicht weinen. Was ist denn los, Honey?“
Ich unterdrückte so gut es ging meine Tränen und murmelte mit belegter Stimme: „Meine Kinder wünschen sich so sehr einen Vater, der sich um sie kümmert, mit ihnen herumbalgt und ihnen vorliest und dann als ich mich abgefunden habe, dass dies nie sein wird, tauchst du auf und zeigst mir, wie das aussehen könnte.“
Daraufhin zog er mich nur etwas enger an sich und strich mir mit den Händen über den Rücken. Vom Nacken angefangen, hinab über die Wirbelsäule, um anschließend am verlängerten Rücken innezuhalten und von dort wieder hinauf zu streichen. Abertausende kleine Stromschläge fuhren durch meinen Körper und ließen das Gefühl von Wärme in mir aufsteigen. Mein Herz raste und mein Denken schaltete sich ab.
„Ich wusste nicht, dass du so einsam bist, Emi. Aber jetzt bin ich da“, hauchte er mir ins Ohr und ein Schauder durchlief mich, während sich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in mein Herz einnistete.
Ich genoss das Gefühl in seinen Armen zu sein und wünschte mir gleichzeitig noch so vieles mehr. Unbewusst seufzte ich leise auf, als ich seinen Geruch nach Pfefferminz und Citrus tief durch meine Nase einatmete.
„Tante Ran, wo bleib…Ups!“, hört ich nur am Rande irgendwo Jacquelines Stimme, welche der Auslöser dafür war, dass sich der Nebel um mein Hirn verzog.
„Lass mich bitte los“, sagte ich nur leise und er tat es.
Mit einem letzten Blick auf meine schlafenden Kinder verließ ich das Zimmer, um mich zu meiner restlichen Familie ins Esszimmer zu begeben, welcher Jacqueline bereits erzählt hatte, dass Adrian heute mit uns mit essen würde. Kurz darauf kam er dann auch und mein geistiger Alptraum begann.





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