Take me anywhere - Teil 31

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 08.01.2013


Ich war noch nie zuvor auf der Insel Rügen gewesen und wenn ich einmal dort hin fahren wollte, dann bestimmt nicht im Winter.
Der Wind peitschte mir um die Ohren und die Locken, die mir ins Gesicht wehten, verschleierten mir die Sicht.
Ohne uns zu berühren, liefen Moritz und ich über den Steg, auf dem nur wenige andere Passanten zu sehen waren. Bei diesem Wetter und der Jahreszeit völlig verständlich. Meine Schulter streifte beim Gehen immer wieder Moritz’ Oberarm und jedes Mal hätte ich zusammenzucken können.
Die Wellen peitschten sanft gegen die hölzernen Stützpfeiler des Steges und das Holz knarrte unter unseren Schritten und doch hatte ich vollstes Vertrauen, dass der Steg uns aushalten sollte. Immerhin hielt er im Sommer hunderte von Japanern inklusive Digitalkamera aus.
Am Anfang, im Auto mit Konrad in einer Urne auf dem Schoß, ahnte ich noch nicht, was Moritz vorhatte, doch jetzt langsam dämmerte es mir.
„Du weißt, dass das, was du vorhast in Deutschland strafbar ist?“ Ich schaute ihn prüfend von der Seite an. Doch er zuckte nur mit den Schultern. Er sah mich noch nicht einmal an.
„Vielleicht wäre eine stinknormale Beisetzung doch besser gewesen“ fügte ich leise hinzu und erst jetzt sah er mich an: „Du hast doch gesehen, wie sehr er das Meer geliebt hat! Du weißt es doch“
Ich blieb stehen, strich mir die Haare aus dem Gesicht und nickte. „Ich habe aber auch gesehen, wie sehr er Kara geliebt hat. Doch werfen wir sie deswegen auch gleich ins Meer?“ merkte ich vorsichtig an.
Und ohne, dass ich es beabsichtigt hätte, brachte ich ihn zum Lachen, bevor er seinen Arm um meine Taille legte, mich zu sich heranzog und küsste.
Völlig unerwartet, völlig unvorbereitet. So wie damals in der Bar, als er mich das erste Mal geküsst hatte. Es kam mir vor, als wäre es eine Ewigkeit her, dabei lagen dazwischen gerade einmal ein paar Monate.
Überrumpelt trat ich ein paar Schritte zurück, unfähig irgendeinen Laut von mir zu geben, während Moritz mich nur anlächelte, mir die Urne aus der Hand nahm und dem Steg weiter entlang schlenderte. Eine Weile starrte ich ihm noch verwundert hinterher, dann ging ich hinter ihm her.
Er hatte schon längst das Ende des Stegs erreicht, als ich ihn einholte.
„Willst du das wirklich machen?“ fragte ich vorsichtig und er nickte nur und drehte den Deckel der Urne ab. Ich bemerkte allerdings, dass er selbst doch zögerlich war.
Doch dann kippte er die Urne ruckartig und ich konnte noch sehen, wie der Staub und die Asche in die Luft gewirbelt, vom Wind weitergetragen wurden und schließlich vereinzelt im Meer landeten. Und innerlich verabschiedete ich mich von Moritz’ Vater. Ich wusste, dass auch Moritz hiermit Abschied nahm.
Er drehte die Urne wieder zu und klemmte sie sich unter den Arm wie einen Football. Dann schaute er zu mir und sagte völlig unvermittelt: „Ich hab’ mich in dich verliebt, Mila!“
Und in diesem Moment drehte sich in meinem Kopf alles. Genau das waren die Worte, die ich von Moritz hören wollte, doch ich hätte niemals gedacht, dass ich sie auch wirklich zu hören bekomme. Und trotzdem zog ich skeptisch die Brauen zusammen und schaute ihn fragend an. Ich wollte abwarten und hören, was er noch zu sagen hatte.
„Und es tut mir Leid“
„Was?“ hakte ich nach.
„Alles, Mila. Aber vor allem das mit Karo. Und ich weiß, dass ich dir wehgetan habe und ich hoffe du verzeihst mir“
Ich schwieg eine Weile und dachte nach, aber nicht, weil ich mich entscheiden musste, ob ich ihm verzeihe, sondern um mir darüber klar zu werden, wie ich handeln sollte.
„Mila, ich meine es ernst. Ich… ich will es wenigstens versuchen! Du bist mir einfach zu wichtig, als dass ich weiterhin an meinem Macho-Gehabe festhalten…“
Ich sah ihm in die Augen und unterbrach ihn: „Halt die Klappe“ wies ich ihn liebevoll zurecht.
Verwundert sah er mich an und stotterte ein „Was?“.
„Du hast mich schon verstanden“ Ich trat einen Schritt auf ihn zu, verschränkte meine Hände hinter seinem Nacken und stellte mich auf die Zehenspitzen, sodass wir auf Augenhöhe waren.
„Halt einfach die Klappe“ hauchte ich noch, bevor ich ihn küsste.
Nur kurz wirkte er überrascht, dann ging er auf den Kuss ein, umfasste meine Taille, wobei die Urne zu Boden fiel und in tausend Teile zerbrach. Doch das interessierte uns nicht mehr.
Schließlich trat ich einen Schritt von ihm zurück und holte den Ring aus der Tasche, den ich von ihm zum Geburtstag bekommen hatte und schaute ihn fragend an: „Damit willst du mir aber keinen Antrag machen?“
Er lachte, beugte sich erneut zu mir herunter und küsste mich flüchtig, bevor er sagte: „Nein, ich fürchte, soweit bin ich noch nicht“
„Für’s Erste sind wir weit genug“






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