Take me anywhere - Teil 10

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 05.10.2011


Die Arbeit in der Frittenbude war im wahrsten Sinne des Wortes schweißtreibend. Die aufsteigende Hitze vom Grill - auf dem irgendwelche Würste herumlagen - und von der Friteuse erwärmten den kleinen Raum in dem ich arbeiten musste, war beinahe unerträglich.
Meine Haare, welche im Zopf zusammengeknotet waren, klebten dennoch an meinem Nacken und am liebsten hätte ich mir die Kappe, die ich bei der Arbeit tragen musste von meinem Kopf gerissen. Die weiße Schürze, die ich ebenfalls tragen musste, war sicherlich schon lange nicht mehr gewaschen worden.
„Kommst’ zurecht, Püppchen?“ Die dicke Frau kommt stieg stöhnend die Treppen zum Frittenwagen nach oben und warf einen skeptischen Blick auf das, was ich da machte.
„Ja, bis jetzt hab’ ich noch nichts verkorkst“ antwortete ich achselzuckend und hoffte, dass keine Kunden kommen würde, während mir die dicke Frau, deren Name übrigens Hilde war, über die Schulter starrte.
„Na, ist ja auch nicht allzu schwer, was?“ meinte sie lachend und blieb hinter mir stehen. Als ich nichts erwiderte, redete sie einfach weiter: „Ich brauche noch deine Kontonummer, für die Zahlung, ne? Willst’ ja auch dein Geld haben, Mädchen“
Ich nickte und drehte mich über die Schulter zu ihre um: „Ich suche schnell was zum Schreiben, dann kann ich Ihnen meine Kontodaten schon aufschreiben“
Hilde nickte und begann in den wenigen Schränken herumzuwühlen, bis sie mir einen Notizblock und einen Stift reichte. Bevor ich beides an mich nahm, wischte ich mir die fettigen Hände an der sowieso schon schmutzigen Schürze ab.
Während ich Hilde meine Daten aufschrieb, sagte ich ohne aufzuschauen: „Ach ja, ich habe auch einen Namen. Ich heiße Mila“
„Ja, ja. Ich weiß doch, Mädchen!“
Ich unterdrückte ein genervtes Stöhnen und reichte ihr wortlos den Zettel. Sollte sie mich doch Mädchen nennen. Mädchen hier, Mädchen da – hauptsache ich bekam mein Geld.
„Gleich am Ende des Monats bekommst du dein Geld“ versicherte sie mir. „Mach’ noch `ne halbe Stunde. Dann bist du fertig“ Sie stöhnte wieder, als sie die zwei kleinen Stufen herunter ging. Am Absatz der Treppe drehte sie sich noch mal zu mir um und warf mir uns Vorwarnung einen Schlüssel zu: „Mach’ noch alles sauber und schließ’ gut ab! Und pass’ ja gut auf den Schlüssel auf! Ist zwar deiner, solange du hier arbeitest, aber am Ende will ich ihn wieder haben, Mädchen!“
Gerade so fing ich den Schlüssel auf und nickte Hilde nur zu. Aber ich schwieg. Ich hatte nicht gewusst, was ich der dicken Frau sagen sollte – also sagte ich nichts. Kurz sah mich Hilde nur wortlos an, dann murmelte sie irgendetwas, das ich nicht verstehen konnte. Sie drehte sie um und ging mit langsamen Schritten davon und erst jetzt seufzte ich. Moritz hatte vollkommen Recht gehabt, als er gesagt hatte, dass der Job in der Frittenbude unter meinem Niveau war. Doch ich bekam 500€ von meinen Eltern, von denen 350€ für die Wohnung draufgingen. 150€ zum Leben reichten für mich nicht; ich hatte ja kaum die Reparatur für mein Auto bezahlen können!
Also musste ich wohl oder übel die Zähne zusammenbeißen und weiter Würstchen braten.

„Ich bin tot“ begann ich zu jammern, als ich in die WG-Küche kam. Wie ich es erwartet hatte, saßen nur Leon und Helena am runden Küchentisch und aßen etwas.
Fabi war mit Lukas trainieren – warum Fabi sich das antat, verstand ich nie. Man hat nie etwas von seinem hartnäckigen Training gesehen. Er blieb immer schlaksig.
Max vergrub sich nach wie vor in seinem Zimmer und Moritz trieb sich wieder irgendwo rum. Keiner konnte immer genau sagen, wo er war. Irgendwann kam er wieder, ohne große Erklärung.
„Erster Arbeitstag?“ fragte Helena neugierig und schob mir den Brotkorb hin, doch ich verzog nur angewidert das Gesicht. „Lass’ mich mit Essen in Ruhe. Ich kann’s nicht mehr sehen“
„Bei Gelegenheit komme ich mal vorbei und lass mir von dir eine echte Currywurst machen“ feixte Leon und stupste mich spielerisch über den Tisch hinweg an.
„Ich werd’ dir ins Essen spucken!“ fauchte ich gereizt und stand schließlich wieder auf, um mir ein Glas billigen Aldirotwein zu gönnen.
„Wer hat den gekauft?“ fragte ich, während ich mir ein einfaches Glas füllte. Weingläser hatte Fabi bei der letzten Party leider zerstört. Bis jetzt kamen wir noch nicht dazu, Neue zu kaufen.
„Ich“ antwortete mir Leon. „Bedien’ dich ruhig“
„Ist es so schlimm?“ fragte Helena mich verständnisvoll und nicht zum ersten Mal bemerkte ich, dass der Pädagogenberuf gut zu ihr passen würde.
„Na ja, schlimm nicht wirklich. Anstrengend schon und ich…“ Ich schnüffelte missmutig an mir. „…ich stinke“
„Ja, man riecht’s bis hier“ tönte Moritz’ Stimme von der Küchentür. Er trug dieses typische Grinsen im Gesicht und strich sich gelassen die Haare aus den Augen.
Er schob mich vom Schrank weg und holte sich ein Glas heraus und schenkte sich auch Wein ein.
„Bedient euch ruhig alle“ meinte Leon spöttisch.
Moritz grinste nur, nahm eine Haarsträhne von mir zwischen die Finger und roch daran. „Was gab’s denn? Wurst, Pommes und Leberkäse?“
Ich trat einen Schritt zurück, sodass er meine Haare loslassen musste. „Du hast Recht. Message angekommen. Ich sollte duschen gehen“
„Immerhin verdienst du gut Geld“ munterte Helena mich auf und ich war ihr dankbar dafür. Ich lächelte sie aufrichtig herzlich an und leerte mein Weinglas. Dann verließ ich den Raum und sammelte in meinem Zimmer meine Sachen zusammen, als Moritz an die Tür klopfte.
Überrascht schaute ich auf und fragte: „Willst du dich weiter über mich lustig machen?“
Er lachte leise und schüttelte mit dem Kopf: „Nein, auch wenn’s wirklich verlockend ist. Du riechst wie eine komplette Imbissbude“
Ich musste schmunzeln, weil ich wusste, dass er Recht hatte. „Moritz, du bist…“ Doch bevor ich weiterreden konnte, schaltete sich mein Verstand ein und ich brach ab. „Ich möchte wirklich einfach nur duschen“ Ich wollte an ihm vorbeigehen, doch er hielt mich am Oberarm fest. „Was bin ich?“ fragte er.
Ich zögerte eine Weile und suchte verzweifelt eine Antwort. Ich hätte ihn einfach beleidigen können, doch das wäre nicht richtig gewesen. Also wechselte ich einfach schnell das Thema: „Ich habe Katharina kennen gelernt“
Kurz fällt seine gelassene Fassade von ihm ab, dann zuckt er mit den Schultern: „Sie ist wieder nachts herumgelaufen, was?“
„Sie hat versucht Dorian Gray zu lesen“
„Denken ist nicht gerade ihre Stärke“
Ich hob abwehrend die Hände: „Das hast du jetzt gesagt. Ich fand sie ganz nett!“
„Ist jetzt aber nicht mehr der Rede wert. Wir haben Schluss gemacht“
Jetzt bin ich die, der die Kinnlade herunter fällt. „Was?!“ Doch schnell riss ich mich wieder zusammen und hakte nach: „Ich dachte, ihr wärt nicht zusammen? Oder habe ich da was falsch verstanden?“
„Das sah sie anscheinend anders“ murmelte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Mila, ich…“
Bevor er ausreden konnte, klingelte mein Handy. Erschrocken riss ich meinen Blick von seinen Augen los und eilte zu meinem Schreibtisch. Ich nahm mein Handy an mich und schaute kurz auf den Display: Lukas.
Stände Moritz nicht abwartend in meinem Zimmer, hätte ich Lukas einfach weggedrückt, doch irgendetwas an Moritz’ Anwesenheit brachte mich dazu, ranzugehen. „Lukas“ sagte ich wesentlich heiterer als ich eigentlich war, während ich meine Hand auf Moritz’ Brust legte und ihn mit sanftem Druck aus dem Zimmer schob und ihm einfach die Tür vor der Nase zuschlug.






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