Take me anywhere - Teil 13

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 17.10.2011


Eine Woche nach meinem ersten Date mit Lukas, fing er mich in der Unibibliothek, in der ich gerade versuchte mich mit der organischen Chemie anzufreunden, ab. Auf seine Anrufe hatte ich nicht reagiert. Lediglich eine SMS mit „Sorry, habe im Moment viel zu tun. LG, Mila.“, schickte ich an ihn. Vielleicht belog ich mich selber, wenn ich mir einredete, dass er mir schon mehr Wert war, ich aber wirklich einfach nur viel zu tun hatte. Denn, wenn ich ganz ehrlich war, dann musste ich sagen, dass ich nach wie vor kein Gefühl für Lukas aufbringen konnte. Ihm Gegenüber empfand ich rein freundschaftlich.
„Die Organische Chemie, auch häufig kurz Organik genannt, ist ein Teilgebiet der Chemie, welches sich mit dem Aufbau, der Herstellung und den Eigenschaften der Verbindungen des Kohlenstoffs beschäftigt“ murmelte ich leise vor mich hin, um mir den Satz besser einprägen zu können.
Organische Chemie hatte ich schon einmal in der 12. Klasse behandelt, doch hängen geblieben ist davon nichts.
„Redest du immer mit dir selbst, wenn du lernst“ betont locker ließ Lukas sich neben fallen.
Erschrocken schaute ich auf, da ich ihn nicht habe kommen sehen. Ich lachte unsicher und nickte: „Meistens“ Es entstand eine kurze Pause, bis ich hinzufügte: „Wie geht es dir?“
„Ganz gut… Was lernst du?“ Ohne zu fragen, nahm er das Buch an sich und zog die Brauen nach oben. „Das ist Stoff der Oberstufe“
Ich machte eine Grimasse und nahm ihm das Buch wieder weg: „Na und!“ erwiderte ich trotzig. „Ich kann’s trotzdem nicht. Warum auch immer. Anscheinend bin ich zu blöd“ Grinsend zog ich die Schultern nach oben und strich mir eine Locke hinters Ohr, die mich schon die ganze Zeit gestört hatte.
„Was machst du Samstagabend?“ fragte er schließlich direkt und völlig unvermittelt, bevor eine weitere Schweigepause entstehen konnte.
Ich stutzte kurz, verschluckte mich an meinem Wasser und hustete eine ganze Weile, bis ich dümmlich fragte: „Bis jetzt noch nichts. Warum? Was ist denn am Samstag?“
„Mein Geburtstag“
„Oh Gott, wie peinlich, dass ich es nicht weiß“ rief ich laut aus und kassierte dafür ein paar strafende Blicke von anderen Studenten.
„Mach’ dir keinen Kopf deswegen. Woher solltest du es denn auch wissen“ Er zuckte mit den Schultern und ich hoffte nur, dass er nicht sah, dass ich rot geworden bin, wie eine Tomate. „Und?“
„Was und?“
„Hast du am Samstag Zeit?“
Ich zögerte kurz, dann lächelte ich: „Bis jetzt bin ich für Samstag noch frei“
„Cool… Du weißt, wo ich wohne?“
Ich nickte. Ich war nur einmal kurz mit Moritz bei Lukas gewesen und das nur, weil wir uns einen Squash-Schläger leihen mussten, nachdem ich Moritz’ zerschmeddert hatte. Lukas wohnte in einer kleinen, süßen Wohnung relativ zentral in Hamburg. Eine teure Gegend und ich wollte gar nicht wissen, was er an Miete bezahlen musste.
Ich klappte das Buch zu, das noch aufgeschlagen vor mir lag und stand auf: „Ich freu’ mich auf Samstag“
„Du gehst?“
„Ja, komm’ doch noch mit. Lass uns irgendwo noch was essen gehen“ Wieder einmal fragte ich mich, warum ich Lukas Hoffnungen machte, obwohl ich nichts empfand. Vielleicht tat es meinem Ego gut. Vielleicht steigerte er mein Selbstvertrauen. Ich wusste es nicht, ich wusste nur, dass ich rein egoistisch handelte. Und, dass ich mit ihm befreundet sein wollte.
Lukas grinste, wie ein kleiner Schuljunge, stand auf und nickte: „Gerne“

Diesmal wurde unser gemeinsames Essengehen Gott sei Dank nicht halb so romantisch. Da ich darauf bestand, heute selbst für mich zu zahlen, saßen wir in einem weniger schönen Lokal. Um ehrlich zu sein, war es eher eine Imbissbude – und das nicht von der schönen Sorte.
Als ich meinen Teller mit Pommes beladen entgegen nahm, warf Lukas mir einen skeptischen Blick zu: „Wie kann eine kleine Person so eine Portion verdrücken?“
Ich lachte laut auf und schüttelte mit dem Kopf, während ich mich auf einen unbequemen Plastikklappstuhl niederließ. „Du kennst mich wirklich schlecht“ bemerkte ich. „Das ist noch gar nichts“ Ich nahm die erste Pommes zwischen die Finger und zeigte dann auf Lukas: „Isst du nichts?“
„Nein, danke. Kein Hunger“
„Es ist dir nicht fein genug hier, was?“ hörte ich mich plötzlich selber spotten. Ohne nachzudenken, sind mir diese Worte herausgerutscht. Ich hoffte nur, dass ich ihn jetzt nicht verletzt hatte.
Kurz schaute er mich irritiert an, dann lächelte er: „Ich mag das Essen hier einfach nicht“
„Du erinnerst mich an einen alten Freund von mir. Der war – oder eher ist genauso drauf“ Ich zuckte mit den Schultern und zwinkerte ihm zu.
„Wie denn?“
Ich zögerte eine Weile, schluckte herunter und zuckte erneut mit den Schultern: „Keine Ahnung. Ein bisschen snobistisch“
„Snobistisch“ wiederholte Lukas und begann dann zu lachen und ich wusste noch nicht einmal worüber. Als er wieder ernst wurde, schaute er mir mit einem Blick in die Augen, der mir Angst machte. Es war einer dieser tiefgründigen, intensiven Blicke, die einen einschüchtern können. Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her, bis er ehrlich sagte: „Ich mag dich, Mila. Aber du verwirrst mich“
Ich verschluckte mich und musste husten. „Wie meinst du das?“
„Du bist kompliziert“
„Wer ist das nicht?“
„Was hat dir der Kuss bedeutet?“
Rasanter Themenwechsel! Unmerklich zuckte ich zusammen und stopfte mir noch eine Pommes in den Mund, um Denkzeit zu schinden. Immer schön diplomatisch bleiben!
„Ich…Ich… Ich weiß es nicht“ stotterte ich schließlich und hoffte, dass es eine halbwegs diplomatische Antwort war. Doch ich bezweifelte es.
Mein Verdacht wurde bestätigt, als Lukas mir gegenüber schwieg und diesen Zustand auch eine Weile beibehielt.
„Vielleicht ist das hier nicht der richtige Ort, um so was zu besprechen“
„Für so was gibt es nie richtige Orte“ erwiderte er beinahe ein wenig beleidigt.
„Was hat der Kuss dir denn bedeutet?“ versuchte ich den Spieß umzudrehen und hoffte, dass er mir auch keine richtige Antwort geben konnte. Doch ich habe mich getäuscht.
„Viel“ sagte er leise.
„Oh Gott!“ Ich stützte den Kopf in die Hände und seufzte. „Ich weiß nicht, wenig hat er mir auch nicht bedeutet. Ich bin… Ich bin nur verwirrt“
„Und kompliziert“
Ich schaute auf und lächelte gequält: „Das auch“
Wieder schwiegen wir eine Weile, bis ich das Schweigen brach: „Hör mal, Lukas. Ich mag dich wirklich. Du bist nett, höflich, zuvorkommend. Du bist wirklich toll! Aber… aber… ich will dich näher kennen lernen, bevor ich mich auf irgendwas festnageln lasse“
Er presste die Lippen aufeinander und nickte, bis er zu grinsen anfing: „Das heißt, wir werden in naher Zukunft nicht im Bett landen?“
Da war sie! Die erste Ecke; die erste Kante an Lukas, die ich lange gesucht habe. Ich musste anfangen zu lachen und schüttelte mit dem Kopf: „Abwarten, Darling. Abwarten“
Er lachte leise und wollte gerade etwas erwidern, als mein Handy anfing zu klingeln. „Moment“ sagte ich zu Lukas und begann in meiner Tasche zu wühlen. Gerade zum letzten Klingeln bekam ich es zu fassen und las noch den Namen auf dem Display, dann verstummte es. Moritz. Mein Hirn begann wie wild zu arbeiten. Warum rief Moritz mich an; jetzt. Um diese Uhrzeit?
„Ist etwas passiert?“ fragte mich Lukas ein wenig besorgt.
Schnell schüttelte ich mit dem Kopf: „Nein, nein. Alles in Ordnung“ Ich legte mein Handy neben mich auf den Tisch, wo es gleich wieder zu vibrieren begann. Diesmal eine SMS. Es überraschte mich nicht, als ich sah, dass sie von Moritz war.
Mila, WO bist du?! Ruf mich an, wenn du das liest. Oder komm’ besser gleich nach Hause. Ich… ach, ich erzähl dir alles dann. Moritz.

„Ich glaube…“ Ich schaute wieder zu Lukas auf. „...ich glaube, es ist wichtig“
„Du musst gehen“ stellte Lukas völlig trocken fest, trotzdem konnte ich die Verletztheit in seiner Stimme nicht überhören.
„Ich befürchte, ja. Es tut mir echt Leid, aber ich glaube, Moritz geht es nicht gut“ Ich stand auf und wollte schon meine Jacke anziehen, als Lukas Hand sich um meinen Oberarm schloss: „Was läuft zwischen dir und Moritz?“
Überrascht schaute ich auf und schüttelte hastig mit dem Kopf: „Gar nichts. Dieser Gedanke ist idiotisch, Lukas. Moritz und ich sind gute Freunde. Es ist nur verständlich, dass ich für ihn da bin!“ Ich wusste nicht, wen ich mehr belog: Lukas oder mich selber?
Ich seufzte, beugte mich zu ihm vor, und sagte: „Wir sehen uns Samstag“
Dann küsste ich Lukas flüchtig auf die Wange, bevor ich so schnell wie ich konnte, die Imbissbude verließ.






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