Take me anywhere - Teil 28

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 03.12.2012


„Du wolltest dich mit mir treffen?“
Ich saß mit Lukas im Starbucks in der Hamburger Innenstadt – ein neutraler Ort an dem wir zusammen noch nie waren – und trank den letzten Schluck von meinem lauwarmen Caramel Macchiato.
„Ähm… ja. Sonst säßen wir ja nicht hier“ Ich kicherte nervös und spielte mit dem Strohhalm herum, bis Lukas’ strenge Stimme, mich aufschauen ließ: „Mila, was ist los? Rede mit mir“ In diesem Ton hat er noch nie mit mir geredet. Vielleicht zuckte ich deshalb zusammen.
„Lukas, ich kann das nicht!“
„Gut, dann schweigen wir uns eben weiter an“
„Nein, das meinte ich nicht. Ich meinte, das mit uns. Ich glaube nicht, dass es funktioniert“
Eine Weile schwieg er, dann nickte er: „So etwas Ähnliches dachte ich mir schon“
„Ehrlich?“
„Schon an dem Abend, an dem wir uns kennen gelernt hatten, habe ich gesehen, wie du Moritz angeschaut hast. Katharina hat ihn auch so angeschaut. Melanie, Tanja…“
Ich unterbrach ihn: „Erspar’s mir bitte!“
„Sorry. Wie dem auch sei. Ich wusste es. Aber ich dachte mir, ich habe ja nichts zu verlieren. Und dann als du mich geküsst hast…“ Er schüttelte mit dem Kopf und fuhr sich durch seine dunklen, kurzen Haare. „Ich weiß nicht, ich glaube, ich habe mich einfach in dich verliebt“
„Das tut mir Leid“
„Da kannst du doch nichts für“
„Ich hätte dir früher die Wahrheit sagen sollen. Ich hätte dir sagen sollen, dass ich Moritz mag – dass ich ihn mehr als nur mag. Ich hätte… ich hätte ehrlich sein sollen“ Ich wollte nach Lukas’ Händen greifen, doch ich ließ meine Arme auf halber Strecke fallen. Vielleicht war es unpassend, ihn jetzt zu berühren.
„Das hättest du tun sollen. Aber ich hätte auch kein blinder Trottel sein sollen. Wir waren beide Idioten“ Er lächelte mich an, doch es war kein ehrliches Lächeln. Er quälte sich damit, das sah man ihm deutlich an. Ich tat ihm weh, so wie Daniel mir damals weh getan hatte.
„Du bist perfekt, Lukas. Du bist einfach perfekt. Ich wünschte, ich könnte mehr für dich empfinden“ Ich seufzte und nahm schließlich doch seine Hand.
Er lachte leise: „Das wünschte ich auch“
Auch ich musste lachen und ließ seine Hand wieder los: „Du hättest mir nicht wehgetan, was?“
„Niemals“
„Ich habe ein Talent, mich immer in Idioten zu verlieben“
„Ich auch“
Kurz musste ich über seinen Satz nachdenken, bevor ich seine Bedeutung verstanden hatte. Dann machte ich ein empörtes Gesicht und schlug ihm spielerisch gegen die Schulter: „Das war fies!“
Er lachte nur kurz, dann wurde er wieder ernst: „Hör’ mal, gib mir ein bisschen Zeit, um über dich hinwegzukommen. Aber ich fände es sehr gut, wenn wir Freunde bleiben könnten“
Ich nickte und lächelte ihm zustimmend zu: „Ja, das fände ich auch“
Er schwieg daraufhin nur und stand auf und zog sich seinen Mantel an: „Nehm’s mir nicht übel, aber ich werde verschwinden“
„Geh’ nur. Ich ess’ vielleicht noch einen Keks oder so“
Er schob seinen Stuhl ran, drehte sich um und wollte gehen, als ich ihn noch zurückhielt. „Ach ja, und Lukas?“
Mit fragender Miene drehte er sich zu mir um.
„Ich wünschte ich könnte dich lieben und ich wollte dir nie wehtun. Das musst du mir glauben“ Ich nahm seine Hand und legte die Kette, die er mir zu meinem Geburtstag geschenkt hatte auf seine Handfläche. „Schenk’ sie jemanden, der sie verdient“
Er erwiderte meine Worte nur mit seinem typischen Lächeln und einem zuversichtlichen Kopfnicken, dann verließ er das Café.

Als ich wieder in der WG ankomme, gehe ich als Erstes in die Küche, um mir etwas zu Essen zu machen. Trotz der drei Kekse von Starbucks, die ich nach Lukas’ Weggang noch gegessen hatte, knurrte mein Magen, wie ein Bär. Und auch der Cocktail, den ich im Enchiladas getrunken hatte, konnte mich nicht sättigen.
Wahllos zerrte ich eine Packung Nudeln und eine Fertigsoße aus dem Schrank und warf es in je einen Topf. Dann fiel mein Blick erneut auf das Geschenk von Moritz. Eine kleine weiße Notiz lag daneben.
Skeptisch runzelte ich die Stirn und nahm den Zettel an mich: Mach das Geschenk auf. Es wird dir gefallen. Ich weiß, was es ist!
Die Schrift war eindeutig die von Fabi. Und auch die Wortart ließ nur auf Fabi deuten. Ich schmunzelte in mich hinein und drehte das Geschenk von Moritz in meinen Händen, als Helena nur im Bademantel in die Küche getänzelt kam. Sie strahlte, als hätte sie einen Kleiderbügel im Mund.
„Was gibt’s denn bei dir Neues?“ fragte ich sie neugierig und ehrlich interessiert.
„Als ob du das nicht wüsstest, du Verkupplerin!“ Sie drohte mir spielerisch mit dem Finger und lachte aber trotzdem: „Max und ich, wir haben geredet, und…“
„Und?“
„Ich glaube, wir sind wieder zusammen“
„Du glaubst es?“
„Nein, ich weiß es. Und dieses Mal wird es gut. Dieses Mal hält es!“ Sie nahm mich bei den Händen und wirbelte mit mir einmal im Kreis herum.
„Seit wann so optimistisch, Helena?“
Wir kommen atemlos zum Stehen und Helena zuckt mit den Schultern: „Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich bin einfach nur glücklich“
„Das freut mich“
„Und? Wie war dein Gespräch mit Lukas?“
„Ich nehme an, weniger angenehm“ Ich zuckte mit den Schultern und hob den Deckel des Kopfes an, damit die Nudeln nicht überkochten.
„Bleibt ihr Freunde?“
„Vorerst erst mal nicht. Er sagte, er muss erst über mich hinweg kommen“
„Nun ja. Das sei ihm vergönnt“ Helena lächelte mich aufmunternd an, dann ergriff sie meine Hand und drückte sie leicht. „Aber ich denke, du wirst ihn als guten Freund nicht verlieren“
„Das will ich hoffen. Ich habe immerhin Moritz schon verloren“ Noch einen Menschen als Freund zu verlieren, würde ich nicht verkraften. Mir tat schon die Sache mit Moritz genug weh.
„Das ist nicht wahr und das weißt du auch!“
„Was?“
„Dass du Moritz als Freund verloren hast“ Sie lächelte zuversichtlich und deutete mit dem Kinn auf das Geschenk: „Du solltest es aufmachen. Da gebe ich Fabi recht“ Sie beugte sich zu mir vor, küsste mich auf die Wange und verschwand dann aus der Küche. Allerdings ging sie nicht wie gewohnt in ihr Zimmer, sondern in das von Max.
Ich musste schmunzeln und wandte mich dann wieder dem Geschenk zu, das ich schon seit heute Nachmittag anstarrte.
Schließlich gab ich mir einen Ruck und riss sorgfältig und langsam das Papier ab. Zuerst sah ich nur, dass es sich um ein Buch handelte. Erst als ich den Titel las, hielt ich den Atem an: Vom Winde verweht. Er hatte es sich tatsächlich gemerkt. Er hatte sich tatsächlich gemerkt, dass dies mein Lieblingsbuch war und dass meine alte Ausgabe während des heißen Sommers in Amerika im Meer baden gegangen ist. Ich blätterte die Seiten von hinten durch, bis ich auf der ersten Seite auf die Signierung aufmerksam wurde: Liebe Mila, alles Gute zum 20. Geburtstag. Und danke für alles, mein Engel. Darunter seine Unterschrift.
Ich klappte das Buch wieder zu und atmete mehrmals tief durch. Mein Engel. Wieder durchzuckte es mich warm. Warum konnte er so etwas nur schreiben? Warum konnte er es nicht sagen?
Ich schob das Buch von mir und nahm das kleine Schächtelchen an mich, welches sich als Schmuckschatulle entpuppte. Allerdings keine, die nach einem teuren Juwelier aussah, sondern eher nach Antiquitätengeschäft (und ich liebte Antiquitäten!).
Das Kästchen war nicht sonderlich groß – höchstens geeignet für ein Armband oder für einen… Ring. Kurz schloss ich die Augen und klappte den Deckel des Schmuckkästchens auf. Dann öffnete ich langsam die Augen und sah einen Ring – einen schlichten silbernen Ring mit einem Stein in der Mitte, der beinahe die Farbe meiner Augen hatte. Ich nahm ihn vorsichtig aus der Schatulle, beinahe als hätte ich Angst ihn zu zerstören. Das Silber war bereits angelaufen und man konnte dem Ring ansehen, dass ich nicht die Erste war, die ihn bekam. Kurz drehte ich ihn in meiner Hand, bis ich die Gravur entdeckte: Милана Лазарев, 1898… Milana Lasarewa, 1898
Russisch klingender Nachname – mein Vorname. Es muss ewig gedauert haben, bis er diesen Ring gefunden hat. Oder er erlaubte sich einen Scherz und hat diesen Ring einfach neu gravieren lassen. Doch das glaubte ich nicht. Dafür sah selbst die Gravur zu alt aus. Außerdem war es in Kyrillisch geschrieben. Ich nahm den kleinen weißen Zettel, der dabei lag zwischen die Finger und las ihn: Ob die Milana von 1898 auch Augen in der Farbe des Ringes gehabt hatte? Na ja, deine Augen haben jedenfalls dieselbe Farbe. Ich hoffe der Ring gefällt dir. Moritz.
Fassungslos schüttelte ich den Kopf und packte den Ring zurück in die kleine Schatulle. Mit dem Kästchen immer noch in der Hand sprang ich schließlich auf.
Plötzlich war alles so klar. Mein Zorn war verraucht. Ja, ich war noch nicht einmal mehr verletzt. Wenn ich an Moritz dachte, so spürte ich im Moment nur ein Gefühl und das sagte mir ganz deutlich: Mila, du bist verliebt!






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