Take me anywhere - Teil 6

Autor: Kathrin
veröffentlicht am: 10.03.2011


„Ich kann das nicht“ jammerte ich und begutachtete misstrauisch den Schläger, den mir Moritz in die Hand gedrückt hatte.
„Hör auf zu jammern“ wies er mich zurecht und schob mich in Richtung Squashcourt. „Im Grunde ist es ganz leicht…“
„Im Grunde ist es ganz leicht“ unterbrach ich ihn und äffte ihn wirklich gekonnt nach.
Er rollte die Augen und schaute mich ungeduldig an und ich hielt die Klappe. Ich murmelte nur noch schuldbewusst: „Okay, okay. Ist gut. Erklär’s mir: Im Grunde ist es ganz leicht, weil…“
Er zögerte noch eine Weile, dann seufzte er und nickte und zeigte auf die Wand uns gegenüber. „Siehst du die roten Streifen?“
„Nein“ Ich grinste spöttisch.
„Mila“ Seine Stimme nahm einen warnenden Unterton an und ich nickte wieder: „Ist ja schon gut. Kein Spaß beim Squashspielen“
„Also, du schlägst den Ball gegen die weiße Wand dir gegenüber, aber achte drauf, dass der Ball über die rote Linie kommt. Und beim ersten Schlag…“
Wieder unterbrach ich ihn: „Die Regeln kenn’ ich. Ich kann nur nicht gut spielen“
Er sah mich von der Seite an und zog eine Braue nach oben. „Das lernt man schnell“
„Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Ich müsste eigentlich lernen oder mir einen Job suchen und nicht meine Zeit damit verplempern mir dir Squash zu spielen!“
„Zu spät“ meinte er und trat einen Schritt von mir zurück. „Wir treffen uns danach noch mit Leon und Fabi“
Ich verdrehte die Augen, wandte mich von ihm ab, warf den Ball in die Höhe und schlug mit meinem Schläger voller Kraft dagegen.
Mit einem Knall prallte der Ball gegen die Wand, kam auf dem Boden auf und flog wieder zurück. Direkt zwischen mich und Moritz, welcher ihn komischerweise nicht angenommen hat.
„Was war das denn?“
Ich zwinkerte ihm zu: „Ich denke, du willst spielen? Also spielen wir!“
Er lachte leise, hob den Ball vom Boden auf und grinste mich dann an: „Wir spielen das Spiel nach meinen Regeln“

Ich war völlig außer Atem und habe bestimmt nach dem dritten Ballwechsel nicht mehr mitgezählt, als im Squashcourt das Licht ausging, weil unsere Stunde, die wir bezahlt hatten, abgelaufen war.
Ich stützte meine Hände auf meinen Oberschenkeln ab und stöhnte erleichtert: „Gott sei Dank!“ Meine Locken verschleierten mir meine Sicht und ich strich sie mir aus den Augen, als ich mich wieder erhoben hatte. „Ich bin fertig. Ich will duschen. Ich will schlafen!“
Moritz lachte und legte mir locker den Arm um die Schulter: „Gutes Spiel. 25 zu 10“
Verwundert schaute ich ihn an: „Für mich?“
„Ha! Wovon träumst du?“
Ich zog eine Grimasse und schob ihn von mir. „Lass’ uns gehen. Ich will heute noch was schaffen“
„Kommst du nicht noch was mittrinken?“ Er zog die Brauen nach oben und schaute mich prüfend an.
Ich zuckte unentschlossen mit den Schultern: „Ich weiß nicht – ich muss…“
„Ach, quatsch. Du kommst mit“
„Ich entscheid’ das nach einer Dusche und allein!“ Ich stieß ihn sanft gegen die Brust und drückte ihm auch meinen Schläger in die Hand und begann die Bälle einzusammeln. „Hat aber Spaß gemacht mal wieder zu spielen“ Ich schaute ihn lächelnd an. „Aber falls wir mal wieder zusammen spielen sollten, würde ich dich bitten etwas mehr Rücksicht auf mich zu nehmen“
„Ich werd’ mir Mühe geben“ Dabei verzog er das Gesicht so, dass er aussah wie ein kleiner trotziger Schuljunge. Und automatisch erinnerte er mich an Fabi. Ich lachte herzhaft und wuschelte ihm durch die honigblonden Haare und wandte mich dann von ihm ab: „Bis gleich“ Ich schnappte mir meine Sporttasche und ging zu den Duschen.

Die Astra Stube sagte mir vom Namen her gar nichts. Aber Moritz und die anderen schienen sich schon auszukennen, also ließ ich mich einfach mitschleifen. Wieder liefen Moritz und ich schweigend nebeneinander. Jeder seine eigene Sporttasche über der Schulter. Moritz rauchte – mal wieder.
„Du bist eher schweigsam, was?“ hörte ich mich selber fragen und hätte gleich danach am liebsten meinen Kopf gegen die nächste Hauswand geschlagen.
Einen Moment schaute er mich verwirrt an, doch dann lachte er und schüttelte mit dem Kopf: „Was hab’ ich schon zu sagen?“
Ich zögerte eine Weile, dann zuckte ich mit den Schultern: „Keine Ahnung. Erzähl’ mir was; von dir, von deinem Studium, von deinem Leben“
„Du bist ja neugierig!“ Wieder lachte er.
„Dachtest du etwas ich wäre desinteressiert? Ich versuche mich nun schon seit einigen Wochen einzubringen und du und Max seid die Einzigen, von denen ich so gut wie gar nichts weiß“
„Fabi ist ein offenes Buch, was?“
Ich zuckte mit den Schultern, doch dann nickte ich. „Ja, ist er“
Auch Moritz nickte, doch er schwieg. Eigentlich hatte ich gehofft, dass er etwas von sich erzählt, doch ich wurde enttäuscht. Er schwieg einfach und rauchte weiter, so als ob ich meine Frage nie gestellt hätte.
Wieder liefen wir einfach nur nebeneinander her, bis er es diesmal ist, der das Schweigen bricht: „Warum erzählst du nicht was von dir? Wie war dein Leben in Mannheim, dein Jahr in Amerika, dein…“
„Du versuchst von dir abzulenken“
„Ja, und?“
Ich lachte leise. „Ach, vergiss’ es einfach“

Fabi sah uns als Erster als wir die Bar betraten. Sie sah gemütlich aus, aber nicht gerade nobel oder sauber. Doch ich zwang mich dazu, mich davon nicht irritieren zu lassen.
„Mila, du hier?!“ lachte Fabi und winkte uns zu.
Ein paar Leute auf der Bank rutschen zusammen, sodass Moritz und ich uns noch dazuquetschen konnten.
„Ich dachte, du wolltest lernen“ bemerkte Helena, welche neben einem dunkelhäutigen Mann saß. Er hatte seinen Arm um ihre Schulter gelegt und ich vermutete, dass dies Dave war, von dem sie vor einer Woche erzählt hatte.
„Wollte ich eigentlich auch“ murrte ich und schaute vorwurfsvoll zu Moritz, doch dieser zuckte nur mit den Schultern und lächelte verschmitzt. Dieses Lächeln hatte er wirklich perfekt drauf!
Ich zog meine Jacke und schob meine Tasche weiter zwischen meine Füße und studierte die Getränkekarte, als Fabis Stimme ertönte: „Also, das ist Mila“
Erschrocken schaute ich auf. Ich zuckte zusammen, als mir bewusst wurde, wie unhöflich ich wohl gewesen sein musste. Ich hatte mich an einen Tisch gesetzt mit Leuten, die ich gar nicht kannte und besaß noch nicht einmal den Anstand mich vorzustellen.
Ich zögerte eine Weile, dann hob ich vorsichtig die Hand: „Hi“ Noch dümmer ging’s ja wohl nicht!
Doch den anderen schien das gar nicht aufzufallen.
„Du wohnst jetzt bei den Chaoten?“ fragte ein junger Mann, gleich nachdem ich mein dümmliches „Hi“ losgelassen habe.
Ich nickte: „Seit fünf Wochen“
„Und, wie hältst du Fabi aus?“ Er grinste und zeigte tadellose Zähne. Im schummrigen Licht musste ich überlegen, ob seine Haare dunkelbraun oder schwarz waren.
„Eigentlich gar nicht“ Ich lachte leise und musste noch mehr lachen, als ich Fabis empörtes Gesicht sah. „Was soll das denn heißen?!“
Ich winkte ab und wandte mich wieder dem Mann zu: „Und wer bist du?“
Er errötete leicht: „’tschuldigung… Ich bin Lukas“ Er reichte mir förmlich über den Tisch die Hand, welche ich nur zögerlich ergriff, als ich von der Seite angestupst wurde. Ich ließ Lukas’ Hand los und schaute fragend zu Moritz.
„Was willst du trinken?“
Ich schaute verblüfft zur Bedingung. „Oh… ähm…“ Ich warf nochmals einen Blick auf die Karte, dann sagte ich: „Sex on the beach“
Die Bedienung nickte und notierte sich meine Bestellung. Und gleichzeitig meinte Moritz: „Gerne, Mila“
Ich brauchte eine Weile, bis ich seine Anspielung verstand. Dann begann ich zu lachen: „Wovon träumst du?!“
Er grinste wieder nur verschmitzt und wandte sich von mir ab: „Und zwei Tequila Shots“
Die Bedienung nickte und verließ dann den Tisch, weil alle anderen schon Getränke hatten.
Ich ließ kurz meinen Blick durch die Runde schweifen und sah, dass Leon mit Anna auch da war. Ich lächelte die beiden kurz an. Sie waren ein süßes Paar und ich hoffte für beide, dass es lange halten würde.
Neben Anna saßen noch eine junge Frau und ein Typ, welche auch zu sehr miteinander beschäftigt waren, als dass ich mich irgendwie bekannt machen konnte – also ließ ich es.
„Und wer hat beim Squash spielen gewonnen?“ fragte Helena und ich schaute auf.
„Du spielst auch Squash?“ wollte Lukas wissen.
Ich kicherte und schüttelte mit dem Kopf: „Heute das erste Mal seit Langem wieder. Ich bin noch sehr schlecht“
„Dann hat wohl Mo gewonnen“ schlussfolgerte Fabi.
„Natürlich hab’ ich gewonnen!“ verteidigte sich Moritz und griff sich die beiden Schnapsgläser vom Tablett des Kellners. Eines stellte er mir vor die Nase: „Als kleiner Trost, weil du verloren hast“
„Mistkerl“ fauchte ich lächelnd und nahm das Tequilaglas an mich.
„Ich will auch einen!“ rief Fabi und der Kellner nickte nur und sagte dann zu mir: „Dein Cocktail kommt gleich“
„Also…“ Moritz hob sein Glas. „Auf die Semesterferien, auf Mila als neue Mitbewohnerin und auf den guten Tequila“ Dann leckte er sich das Salz von der Hand, haute das Glas innerhalb von einer Sekunde weg und biss in die Zitronen.
Ich verzog nur das Gesicht und stellte mein leeres Glas vor mir ab: „Boah, ist das eklig!“ Ich mochte Tequila noch nie und trank ihn trotzdem – warum?!
„Ich mag Tequila auch nicht“ stimmte mir Helena zu und schob mir meinen Cocktail hin, welcher fälschlicherweise ihr vor die Nase gestellt wurde.
„Wir müssen bei uns mal die lang geplante Cocktailparty machen“ warf Leon ein und Fabi verzog das Gesicht und sagte nur ein Wort: „Max?!“
„Gut, fällt aus“ sagte Moritz.
„Wo steckt der überhaupt?“ fragte Helena neugierig und Dave neben ihr sah plötzlich hellwach aus: „Wer ist Max?!“ Innerlich musste ich schmunzeln.
„Was studierst du?“ fragte Lukas und riss mich damit mehr oder weniger aus meinen Gedanken.
„Medizin – also erst ab nächste Woche“
„Nicht schlecht. Ich hab’s nur zum Bio-Chemiker gebracht. Na ja – eigentlich bin ich ja noch gar keiner“
Und obwohl das nicht lustig war, brachte er mich zum Lachen. Wenn er äußerlich doch nur mehr meinem Typ entsprechen würde; er sah nicht schlecht aus, war aber halt einfach nicht mein Typ.
Ich schob mein leeres Cocktailglas von mir weg und stand auf. „Ich muss mal schnell für kleine Mädchen“ Ich drängelte mich an Moritz und einem Mädchen, das ich nicht kannte und folgte dem Schild, das zu Toilette wies.

Mein Spiegelbild gefiel mir nicht. Ich sah nicht hässlich aus, einfach nur müde. Ich hatte schon besser ausgesehen. Kurz fuhr ich mir mit den Fingern durch die Haare und verließ dann die Toilette, als ich an Moritz vorbeilief, welcher am Zigarettenautomat stand und fluchte: „Scheiß Ding!“
„Geld gefressen?“
Er drehte sich nur kurz über die Schulter um und nickte: „Ja verdammt!“ Er schlug fest dagegen, aber von der Seite.
„Du machst das falsch. Du musst oben draufhauen“ Ich schob ihn sanft mit der Hüfte zur Seite und haute auf den Automaten. Es gab ein klackendes Geräusch und die Zigarettenschachtel fiel in die Ablage. Ich holte sie heraus und reichte sie Moritz, welcher mich irgendwie komisch anschaute.
„Was ist?“
„Du bist irgendwie… beeindruckend“
Ich lachte nervös auf: „Weil ich dir deine Zigaretten und deine Gitarre retten kann und weil ich dich beim Squash spielen gewinnen lasse?“
Eine Weile zögerte er, dann schüttelte er mit dem Kopf. Und anstatt, dass er noch irgendetwas zu dem Thema sagt, fragte er mich: „Gefällt er dir?“
Ich verstand nicht worauf er hinauswollte: „Wer?“
„Na, wer wohl?!“ Er lachte leise. „Lukas!“
Ich zögerte eine Weile, dann zuckte ich mit den Schultern: „Keine Ahnung. Ich bin gerade dabei es herauszufinden“ Ich wüsste auch nicht, was ihn das angeht?!
Wieder trat diese verschmitze Grinsen in sein Gesicht: „Na dann, viel Spaß“ Er ging an mir vorbei, allerdings nicht ohne meine Schulter gestreift zu haben. Und die Berührung elektrisierte mich. Keine Ahnung warum. Vielleicht lag es am Alkohol.
Ich drehte mich zu ihm um und sagte seinen Namen; laut genug, dass er mich hörte, leise genug, dass es niemand anderes hörte.
Er blieb stehen, drehte sich um und mit wenigen Schritten war er bei mir, nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich stürmisch. Und ich ließ es geschehen.







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