Your the One - Teil 10

Autor: Ai
veröffentlicht am: 10.07.2012


Am Freitag stand Marida um fünf vor fünf mit Sophie vor Bens Wohnungstür. „Mami, ich muss schon aufs Klo!“ sie zog sich den Rock zwischen die Beine und hüpfte unruhig von einem Fuß auf den anderen.
„Ja Schatz. Papa wir sicher gleich die Tür aufmachen.“ Sie hämmerte noch einmal dagegen. Endlich öffnete sie sich. „Na endlich! Was hast du denn getrieben?“
„Geschlafen …“ gähnte er und rieb sich die Augen. Sophie huschte an ihm vorbei geradewegs zur Toilette.
„So, hier sind ihre Sachen.“ Sie reichte ihm den rosa Rucksack. „Ich muss weiter, sonst komm ich zu spät. Gib Sophie einen dicken Kuss von mir.“ Ben nickte nur. „Tschüss mein Schatz, bis Morgen!“ rief sie noch in die Wohnung hinein, bevor sie ging.
„Tschüss Mama!“ kam zurück.
Marida fuhr geradewegs zurück in ihre Wohnung. Dort stellte sie sich in ihrem Schlafzimmer vor den Kleiderschranz und überlegte, was wohl das passende Outfit wäre. Sie wusste ja nicht einmal, was für eine Bar das überhaupt war. Marco hatte ihr nur vorgestern eine SMS geschrieben.
Freitag um acht bei mir? Lg Marco
Okay war ihre Antwort gewesen.
Sie beschloss, sich nicht so viele Gedanken darüber zu machen und zog einfach ein luftiges Sommerkleid an. Es war einfarbig, dunkelblau und schlicht geschnitten. Dazu schwarze Sandalen mit etwas Absatz, einen silbernen Armreif und die dazu passende Kette. Ihre blonden Haare band sie zu eine Pferdeschwanz zusammen. So hätte sie auch im Park spazieren gehen können. Oder auf einen Sommerball. Oder in eine Bar.
Sie entschloss sich dazu, nur wenig Make-Up aufzutragen. Etwas Rouge, Wimperntusche und einen hellen Lipgloss. Mehr nicht.
Es war schon fast halb acht, als sie fertig war. Höchste Zeit loszufahren. Erst jetzt bekam sie Herzklopfen. Sie wusste nicht, was sie erwartet und das mochte sie nicht. Sie war kein Kontrollfreak oder so, aber sie wusste gerne, worauf sie sich einließ, was sie zu erwarten hatte. Die Ungewissheit mochte sie nicht. Doch an dieser Situation war sie selbst schuld. Sie hätte durchaus nein sagen können. Aber irgendetwas in ihr wollte neue Dinge wagen. Spontan sein und einfach einmal machen, obwohl der Ausgang ungewiss war.
Als sie vor dem Tor stand, atmete sie noch einmal tief ein und aus. Gerade als sie die Klingel drücken wollt, öffnete Marco die Tür. Das war schon das zweite Mal, dass er ihr einen Schritt voraus war.
„Hallo“, sagte er und musterte sie von Oben bis Unten.
Unsicher beobachtete sie seine Blicke. „Was ist? Zu elegant?“
„Nein, nein. Perfekt“, sagte er grinsend.
„Wo gehen wir denn hin?“ fragte sich verunsichert und folgte ihm ins Haus.
„Das wirst du dann schon sehen.“
Marco hatte eine Jeans an. Sie sah noch sehr neu aus. Normaler weiße rannte er immer in ausgewaschenen Jeans und T-Shirt herum. Aber heute hatte er sogar ein Hemd an.
„Das ist aber keine normale bar“, fragte sie eher, als das sie es sagte.
„Wie kommst du denn darauf?“
„Du trägst ein Hemd. Ich hab dich noch nie in einem Hemd gesehen, außer beim Schulball.“
„Gut kombiniert.“
Er ging in die Küche, nahm sich ein Glas aus dem Schrank und goss sich Brandy ein. „Auch ein Glas?“
„Nein danke, ich hab‘s nicht so mit auf Weinbrand.“
„Ich hätte da auch noch Scotch. Oder Rotwein, oder Sekt, oder Bier.“
Sie legte den Kopf etwas zur Seite und überlegte kurz. „Dann nehm ich ein Glas Rotwein.“
Er nickte, nahm eine Flasche aus dem Kühlschrank, entkorkte sie, schenkte ihr ein Glas ein und überreichte es ihr. „Bitte sehr.“
Sie nahm das Glas in die Hand, schwenkte den Wein ein wenig und sagte: „Eigentlich schmeckt mir Rotwein gar nicht.“
„Und wieso wolltest du dann einen?“ Er nippte an seinem Glas.
„Ich finde immer, es sieht aus wie Traubensaft. So süß und lecker. Aber bis jetzt hat noch keiner so geschmeckt, wie er ausgesehen hat.“ Sie schwenkte das Glas weiter und schnupperte am Wein. „Die Meisten sind so sauer und trocken.“ Sie nahm einen kleinen Schluck und verzog dann das Gesicht. „Genau wie der hier.“
„Dann lass ihn stehen, ich kann dir auch etwas anderes geben.“
„Nein, es wäre schade darum, außerdem finde ich, ist Rotwein etwas Elegantes und wenn du schon ein Hemd trägst muss ich Rotwein trinken.“
„Verrückt wäre da noch ein Punkt auf meiner Liste.“
Sie zuckte nur mit den Schultern, nahm noch einen kleinen Schluck und verzog das Gesicht wieder.
„Ich hatte dich ganz anders in Erinnerung“, sagte er und stellte sein leeres Glas auf einen Küchenkasten.
„Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“ Sie kämpfte noch immer mit dem Wein.
„Bitte gerne.“
„Ich war immer schon so, nur hatte ich Angst davor, so zu sein.“
„Wieso denn?“
„Weil ich immer das Gefühl hatte, die Menschen können mich sowieso nicht leiden. Also habe ich lieber die Klappe gehalten.“
„Was ist denn das für ein Unsinn?“
„Als ich noch klein war, war ich offen und nett. Viele haben sich darüber lustig gemacht, weil ich in den Menschen immer nur das Gute gesehen habe, sie aber nicht nur gut waren. Irgendwann habe ich dann beschlossen, besser gar nichts mehr zu sagen.“
„Und hat es etwas verändert?“
„Nicht wirklich.“
Er lehnte sich an den Kasten hinter ihm und sah sie mit einem Blick an, der zeigte, dass er jetzt etwas besser verstand, warum sie war, wie sie war.





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