Wir sollten das nicht tun!? Teil 9

Autor: Hanna
veröffentlicht am: 25.09.2009




In letzter Zeit ging es mir wirklich nicht gut. Ich habe mich in den Wochen zuvor kaum bei meiner Familie und Freunden in Deutschland gemeldet, damit ich so auch genug Abstand von Lukas gewinne. Die Kinder in der Schule helfen mir dabei. Sie sind sehr dankbar für das, was ich tue und das wiederrum gibt mir die Bestätigung damals, als ich nach Chile gegangen bin, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Heute feiern wir Sunes Geburtstag. Zu diesem Anlass sind einige Freunde von Sune aus Finnland angereist. Einer von ihnen spreche sogar meine Sprache, witzelte Sune. Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Team und man könnte die Beziehung zwischen uns schon als familiär bezeichnen. Mein Spanisch ist für eine Deutsche nahezu perfekt, dadurch habe ich im Alltag kaum noch Probleme.
Wir versammeln zur Feier in Sunes großen und wunderschönen Garten. Es gibt ein Barbecue, guten chilenischen Wein und spanische Musik. Die Stimmung ist super. Ich wusste nicht, dass Finnen so witzig sein könne und das auch auf Englisch. Bisher hielt ich Sune immer für eine Ausnahme und trug das Vorurteil der verschlossenen und kühlen Finnen immer noch mit mir.Ich habe in den vier Monaten Chile nicht einmal an einen anderen Mann als Lukas gedacht. Ich habe jede Einladung höflich abgelehnt und noch nicht mal einen Mann länger als drei Sekunden in die Augen sehen können. Ich konnte es einfach nicht. Viel zu sehr beherrschte Lukas meine Gedanken. An diesem Abend fühle ich mich zum ersten mal wieder lebendig und irgendwie ein Stück weit unabhängiger. Neben mir am Tisch sitzt Miko. Ich mag seine Witze, sein Lachen und sein Akzent. Irgendwann spielen wir finnische Trinkspiele und die Stimmung wird immer ausgelassener. Sune lässt sich sogar dazu hinreißen mit mir zu tanzen. Finnische Hüften zu spanischen Rhythmen – eine echte Rarität. Dabei mir ein Glas Wein nachzufüllen, steht Miko plötzlich neben mir. „Du bist wirklich ganz doll hübsch.“, sagte er mit einem Grinsen in den Augen. Verwundert schaue ich ihn an. Er erkennt die frage in meinen Blicken. „Meine Mutter kommt aus Deutschland und ich habe dort ein Jahr studiert.“ Sein Akzent ist wirklich total niedlich und immer noch grinst er. Es ist so schön mal wieder in meiner Muttersprache zu reden. Für den Rest des Abends verkriechen Miko und ich uns auf eine große Hängematte und reden bis weit in die Nacht hinein. Ich erzähle ihm von Lukas, den Mann, der mein Herz noch bei sich hat und vor ca. 5 Monaten seine schwangere Freundin geheiratet hat. Und Miko erzählt von Tuuli, seiner Freundin, die vor zwei Jahren bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben kam. Wir reden intensiv und gehen aufeinander ein, aber nie ein Wort des Trostes. Das gehört nicht dazu.Eigentlich ist Miko der Typ Mann, bei dem ich keine Sekunde zögern würde. Doch da ist immer noch der verheiratete und werdende Vater Lukas in meinem Kopf. Miko und ich liegen noch lange auf der Hängematte. Die Sonne ist schon lange auf der anderen Seite der Welt und irgendwann wird mir kalt. „Ich glaube, ich sollte langsam gehen, mir ist kalt und ich werde langsam müde.“, sage ich und schaute dabei verschüchtert mein leeres Glas an. „Darf ich dich bringen?“, fragt er mit einem unschuldigen Blick in seinen Blauen Augen. Ohne etwas zu sagen stehe ich auf und Miko folgt mir. Wir gehen schweigend den Weg zu meinem Haus, in dem ich mit anderen Lehrern wohne und ein Zimmer habe. Erst vor der Tür ergreift Miko wieder das Wort. „Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt.“ Ich lächle ihn an. Er nimmt seine Hände aus den Hosentaschen, greift damit sanft aber bestimmend an meine Hüften und küsst mich auf die Wange. Dabei berühren seine Lippen leicht meine Mundwinkel. Es ist mir nicht unangenehm. Miko schaut mir noch kurz und intensiv in die Augen und geht.
Zum ersten Mal in Chile schlief ich diese Nacht nicht mit einem schweren Herzen ein.







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