Liebe(skummer) und schachmatt Teil 1

Autor: key
veröffentlicht am: 14.08.2008




BUMM-BUMM-BUMM.
Ich hörte mein eigenes Herz klopfen und spürte, wie es schnell gegen meine Rippen schlug. Doch das konnte mein Gegner ja nicht sehen. Dafür konnte er umso mehr sehen, wie sehr meine Hand zitterte, als ich sie ihm reichte und dann die Uhr vor dem ersten Zug drückte. Und er konnte hören wie sehr in meiner Stimme die Aufregung mitschwang, als ich wie in Trance und halb benommen 'Schöne Partie' in meinen nicht vorhandenen Bart murmelte.Das konnte er sehen und das tat er auch … aber er sagte nichts.
Besser für ihn.
Und für mich.
Weil ich mit meinem losen Mundwerk sonst wieder irgendeinen blöden Kommentar gemacht hätte.
Ich konzentrierte mich nun jedoch lieber aufs Spiel. Ich war aufgeregt. Mein erstes Schachturnier. An dessen Ende ich meine erste DWZ (Deutsche Wertungszahl [danach wird die Stärke eines Schachspielers gemessen]) bekommen sollte. Ich hatte Zeit, eine Menge Zeit. Und diese Zeit nutzte ich auch zum Nachdenken und mit der Zeit legte sich meine Aufregung und ich fand Spaß an der Sache.
Kaum zu glauben, dass es einem Spaß machen kann mit 299 anderen Leuten in einer stickigen Turnhalle voller Schachbretter und Schachuhren zu sitzen, zu schwitzen und sich Maximum 5 Stunden am Stück auf eine einzige Partie zu konzentrieren?
Nun, mir macht das eben Spaß.
Auch wenn mein erster Gegner mich schon nach knapp 2,5 Stunden zusammengefaltet und matt gesetzt hatte. Egal. Ich war zufrieden. Hey, ich hatte 2,5 Stunden überlebt. Außerdem ging es den Anderen auch nicht besser.
So und was sollte ich jetzt die restlichen 3 Stunden bis zur nächsten Partie tun? Außer mir war noch keiner von den Anderen fertig. Mist aber auch! Also strich ich ziellos in dem Saal hin und her und guckte mal hier und mal da bei meinen Vereinskollegen zu. Wo ich jedoch am längsten verweilte war bei Matthew.
Aber nicht unbedingt weil die Partie soooooooooooo interessant gewesen wäre.
Sondern wegen seinen Augen.
Hä???
Ja, das hab ich mir auch gedacht, als mir dann endlich - nach etwa 3-4 Minuten - aufgefallen war, dass ich nicht das Brett, sondern ihn angestarrt hatte. Naja, zur Verdeutlichung: Mir war grade eben aufgefallen, dass Matthew die allergrünsten, allerstrahlendsten Augen mit den allerlängsten Wimpern der Welt hatte. Und wie er da unter den locker in die Stirn hängenden pechschwarzen Haarsträhnen aus diesen Augen konzentriert auf das Brett sah, war das ein Anblick von dem ich mich kaum losreißen konnte.
Verknallt?
Ich?
In Matthew?
Nein!
Mir war er ehrlich gesagt noch nie so wirklich vorher beim Training aufgefallen. Um noch ein Stück ehrliches zu sein: Ich wusste bis heute morgen, als ich auf der Teilnehmerliste nachgesehen hatte, gar nicht, wie er mit Vornamen hieß. Dass es ein englischer Name war und ich englische Namen total mochte, war dabei nur zufällig. Aber ich glaube, dass war jetzt ein Stück zu viel Ehrlichkeit. Egal!
Tja, genau in dem Moment machte er seinen Zug, drückte die Uhr und sah dabei hoch. Mir direkt in die Augen. Grün trifft grün! Strahl! Er lächelte, stand auf (man darf während seiner Partie einfach so aufstehen und jederzeit mit anderen Leuten quatschen (das fand ich total seltsam), über jede beliebige Partie, außer über die eigene, natürlich). Dabei sah er mir immer noch direkt ins Gesicht. Und das Lächeln blieb.
Meinte der mich?
Ich drehte mich um und blickte suchend über meine Schulter.
Er meinte mich!
Es sei denn er lächelte den leicht verschrumpelt aussehenden, ziemlich alten Mann, der hinter mir vor seinem Brett saß, an. Was ich zu bezweifeln wagte.
Da stand Matthew auch schon vor mir und fragte mit seinem höchst interessanten, irgendwie charmant klingenden norwegischen Akzent 'Und, wie hast du gespielt?'
Ähm ja ... unser erstes Gespräch und ich kann gleich mit einer Niederlage anfangen, kommt ja echt suuuuper.
Ach ja, unser erstes Gespräch.
Unser erstes Gespräch?
Was sollte ich denn jetzt sagen?
Vor allem, weil er mir immer noch direkt in die Augen sah und ich mich auch von den seinen nicht losreißen konnte. Nun gut, er sah mir ja auch in die Augen, alles andere wäre vermutlich unhöflich gewesen, also konnte das schon nicht so viel ausmachen.
Moment bitte!
Stopp!
Ich dachte also grade darüber nach, ob es peinlich/unhöflich/unpassend war einem mehr oder weniger fremden Jungen aus dem eigenen Verein beim ersten Gespräch in die Augen zu sehen?!
Ich bin wirklich seltsam!
Und das einzige, was an der Sache wohl peinlich, unhöflich und unpassend war, war wohl allein die Tatsache, dass ich ihn wohl eine halbe Minute angestarrt hatte, ohne irgendetwas zu sagen. Okay ... Los, denk nach, sag was intelligentes.
'Ich hab verloren, ABER ich hab 2,5 Stunden durchgehalten!'
Er lächelte.
War das ein zustimmendes Lächeln?
Oder ein 'Ich-lach-mir-grade-innerlich-den-Arsch-über-deinen-blöden-Gesichtsausdruck-und-deinen-blöden-Kommentar-ab'-Lächeln?
Oder ein 'Nur?!?!?'-Lächeln?
Oder einfach nur ein Lächeln?
Ach, zum Teufel, ich sah hinter jedem netten Lächeln eine Bedrohung oder eine Peinlichkeit? Ja, ok, DAS ist wirklich seltsam.
'Dein Vater steht ziemlich gut!', fügte ich hinzu, um das Gespräch wieder einigermaßen zum Laufen zu bringen. Denn es war irgendwie komisch wie wir das standen und uns nur anschauten, ohne irgendwas zu sagen. Jeder in die grünen Augen vom anderen.
Aber nicht unangenehm komisch, sondern anders komisch, kribbelig komisch.
HALLO?
Komm mal wieder runter hier! Da ist ein Junge, den kennst du seit 3 Jahren und auf den stehst du seit gut 2 Jahren und du hast alles erdenkliche n Blödsinn unternommen, dass er möglicherweise unter Umständen irgendwann einmal mehr als nur einen guten Kumpel in dir sehen könnte. Und jetzt verfällst du irgendeinem Typ mit norwegischem Akzent und einem smarten Lächeln, nur weil er grüne Augen hat? - Nun ja, verdammt geile grüne Augen?Nein, ich verfalle hier niemandem, ich unterhalte mich bloß!
Okay, manchmal kamen mir wirklich Zweifel, ob ich nicht auf eine besondere Art schizophren war.
Ich sah wieder hoch. Matthew sah mich erwartungsvoll an. Gut, er hatte also irgendwas gesagt. Ich hatte es nicht verstanden, weil ich meinen eigenen, seltsamen Gedanken nachgehangen war. Was also tun?
Ich setzte ein - hoffentlich - liebenswürdiges Lächeln auf (das aber vermutlich mehr an das 'Ja-Oma-ich-liebe-auch-das-376000-Paar-Socken-zu-Weihnachten-so-wie-alle-anderen-Paare-auch-obwohl-ich-lieber-was-anderes-hätte'-Lächeln) und nickte einfach mal aufs Geratewohl.
Was, wenn er gefragt hatte 'Fahren wir nach Las Vegas und heiraten?'?!?!?
Ach, egal, dann würde ich halt eben mal schell heiraten, war ja nix dabeiIn dem Moment machte sein Gegner einen Zug und Matthew begab sich mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck zurück hinter sein Brett.
Gut so.
Nicht, dass ich ihn nicht nett finden würde, nur mir was es irgendwie nicht geheuer, wie sehr ich in seiner Gegenwart über mein Verhalten nach- und vor allem, was für peinliche Dinge ich dachte. Das ganze musste ich erst mal verkraften. Ich weiß nicht warum, aber auf irgendeine komische Art und Weise hatten sein nettes Lächeln, seine grünen Augen und sein sanfter Dialekt ein gewisses Art von - nun, ich nenne es einfach mal … Interesse - in mir geweckt und ich brannte nur so darauf, ihn näher kennen zu lernen. Mehr von ihm zu erfahren. Wo er zur Schule ging? Wie lange er schon in Deutschland wohnte? Was er mal werden wollte? Wie lange er schon Schach spielte? Warum er so selten Freitag abends zum Training kam?
Hm, wie alt er wohl eigentlich war?
Ich schätzte ihn jetzt einfach mal so auf 16.
'Hey, hörst du mir überhaupt zu?', beschwerte sich nun mein Trainer.
'Nein, ich hab noch nicht mal bemerkt, dass Sie überhaupt vor mir stehen!', antwortete ich ganz ehrlich. Und fügte ein 'Und, wie läufts bei Ihnen so?' hinzu. 'Ach ja, es geht ganz gut. Deine Partie war ziemlich schön, du hast dich gut gehalten …' 'Jepp, bis zu dem Augenblick ab dem er mich zusammengefaltet hat!' 'Ähm, ja … ist doch egal!' 'Wenn Sie meinen …!'

Die ganze Begegnung mit den grünsten Augen der Welt ließ mich einfach nicht los und ich musste sofort Recherche anstellen, denn wenn Leute es schafften, mich sprachlos zu machen, wollte ich sie unbedingt näher kennen lernen.
Piep.
Mein Handy.
Gut, dass ich im Vorraum und nicht im Turniersaal war.
Hallöle, wie gehts dir so, ich fahr morgen in den Urlaub und dachte mir, ich schreib dir noch mal, dass du mich nicht vergisst und wollte bloß mal fragen, ob du heute noch was mit mir unternehmen willst, wo ich dich doch so lange nicht sehen werde! Hdgdl
Tja, das war ne SMS von Aaron. Dem 'Seit-3-Jahren-kennen-und-2-Jahren-auf-ihn-stehen-Typ!'
Hdgdl?
Das waren ja ganz neue Seiten?!
Verwirrung.
Mal überlegen, wofür könnte das ganze noch stehen, außer für 'Hab dich ganz doll lieb?'Hab dich gedisst du Loser!
Halt dei Gosch, du Luder!
Hol dir gleich dein Leberwurstbrot!
Heiraten doch gleich dort lieber!
Hm, nee …
Also schön, der Typ von dem ich seit zwei Jahren was will, schreibt in einer plötzlichen mir unerklärlichen Wandlung, dass er mich lieb hat und mich vor seiner Abreise noch mal sehen will.
1. Ist er betrunken?
2. Wenn nein, bin ich es? Weil wo bleibt die Freude über die plötzliche Wendung? Wo bleibt dieses Gefühl, die ganze Welt umarmen zu können, das sonst schon immer einsetzt, wenn ich nur seinen Namen höre? Wo bleibt das BUMM-BUMM-BUMM, das mir immer zeigt, wie sehr er mich um den Verstand bringt? Wo bleibt das 'Oh-mein-Gott-er-könnte-schon-viel-zu-lange-auf-eine-Antwort-SMS-warten!'-Feeling? Wo das 'Gott-was-schreib-ich-nur-möglichst-sinnvolles-zurück'-Fragezeichen, das sonst immer in meinen beiden Augen aufleuchtete?
Fragen über Fragen.
Und hier saßen zwar massig intelligente Leute mit einem Verstand, der so scharf war, dass man sich daran schneiden könnte, herum, aber keiner erklärte sich helfend bereit, meine Gedanken zu lesen und mir auf jede Frage eine logisch klingende Antwort zu geben.Mist aber auch!

Also wenn ihr bis hier her gelesen haben solltet, dann schreibt mir doch bitte, wie ihr es findet und ob ich überhaupt weiter schreiben soll. Auch kreative Verbesserungswünsche nehme ich gerne zur Kenntnis.
Bis denne!







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz