Liebe(skummer) und schachmatt Teil 6

Autor: key
veröffentlicht am: 15.08.2008




'Okay, machen wir so! Ich hab bei eurer Abreise gestern ganz vergessen zu fragen, wie du gespielt hast?'
'Naja, hab verloren, aber wie ich gehört habe, warst du ziemlich erfolgreich? Glückwunsch!'Und wieder Händeschütteln.
Mittlerweile empfand ich es schon nicht mehr so seltsam, wie am ersten Tag, als ich mich gefragt hatte, ob ich denn nun Hände schütteln sollte, durfte oder musste.
Denn nachdem ich gestern mein erstes Spiel gewonnen hatte, hatte ich endlich kapiert, wie das in der Schachliga so lief: Kaum hatte man gewonnen und rief sich einfach nur gut fühlend 'Schachmatt!' und reichte seinem Gegner daraufhin die Hand, um ihn mit einem 'Gut gespielt, wirklich schön!' aufzumuntern, stürzten sich alle Nachbarn und die Nachbarn der Nachbarn, egal ob sie einen nun kannten oder nicht, auf einen und 'schüttelten' einem unter beständigen Glückwünschen die Hand.
Naja oder schüttelten einen gleich so, dass man sich vorkam, als wäre man ein Presslufthammer.
Wenn man das endlich hinter sich hatte und man dann, nachdem man sich vom Dauerlächeln und Dauer-dankend-Nicken, als gewinnender Mensch dem Schiedsrichter mit dem komischen Klemmbrett und der Adlernase die Mitschriften der Partie übergeben hatte, stürzten sich auch schon alle Vereinskollegen und Ex-Gegner auf einen und man verwandelte sich wieder in einen Presslufthammer.
Aber dieses Händeschütteln war irgendwie anders, als andere Händeschütteln.
Matthews Hand war nicht so verschwitzt wie die derer, die mich gestern überfallen hatten.Matthews Hand war warm und weich und seine Nägel - wie mir auffiel - sehr gepflegt.Ich lächelte stumm in mich hinein.
Ich weiß auch nicht warum, aber ich spürte, dass ich lächelte.
Ich wagte es für einen kurzen Moment in Matthews Augen zu sehen, denn ich sah, dass sein Mund lächelte, doch ob ein Mensch wirklich lächelt, erkennt man, meiner Meinung nach, nur durch die Augen.
Böser Fehler!
Er lächelte und seine Augen strahlten mich an.
Blink, blitz, strahl!
Es war nur ein kurzer Augenblick, in dem ich versucht war, mich nach vorne zu beugen, hin zu diesen vollen Lippen, und meine Lippen darauf zu legen und abzuwarten, was passieren würde.
Doch ich hatte mich soweit im griff, dass ich es nicht tat. Wir ließen unsere Hände wieder los und redeten ganz normal weiter als wäre nichts passiert gewesen.
'Naja, damit hab ich mein Ziel erreicht: Mindestens einen Punkt haben und nicht letzter werden!', meinte ich, doch ich merkte, wie meine Stimme zitterte. Ich konnte Matthew nicht ansehen, denn ich wollte gar nicht wissen, ob er es auch bemerkt hatte.
Verdammt! Was war denn das grade eben??? Spinnst du jetzt ganz? Du bist so kurz davor gewesen, ihn zu küssen!!!! Du hast dich sogar schon leicht in seine Richtung gelehnt! Mann, reiß dich gefälligst zusammen, dir gehts wohl nicht mehr ganz gut!! Wie würdest du dich fühlen, wenn Aaron dasselbe grade in Australien mit einer Reisegefährtin tun würde?
Mann, liebes schlechtes Gewissen, reg dich doch nicht so auf, ist ja nichts passiert und ehrlich gesagt, wäre ich, glaub ich, sogar ziemlich erleichtert, wenn Aaron grade dasselbe
durchmachen müsste, wie ich hier!
Boah nee ey, nicht schon wieder Engelchen und Teufelchen. Kuscht euch, haut ab!!
Aber ich erschreckte vor meinen eigenen Gedanken. Ich wäre nie und nimmer erleichtert, wenn Aaron … ich wäre zutiefst traurig … und schockiert … und verletzt … oder etwa nicht?Matthew lächelte und setzte grade an, etwas zu sagen, als ein etwa 17 Jahre alter Junge sich vor mich hinstellte und meinte 'Oh, spielst du hier, dann muss ich noch mal nachsehen, dann bin ich hier am falschen Brett!'
Moment, ich saß ja auf dem Stuhl neben Matthew, also auf dem Stuhl meines Gegners, ergo: Das war mein Gegner!
'Nee, also wenn du Chase bist, dann bist du hier genau richtig, ich saß nur hier, um vor der Partie noch ein wenig zu plaudern!'
'Ah ja, bist du vielleicht Jolie, meine Gegnerin?'
'Jupp, ganz genau die … Also ich verschwind mal auf meine Seite vom Brett und dann können wir anfangen!!'
'Viel Glück!', meinte Matthew da noch und … wie könnte es anders sein … wir schüttelten uns schon wieder die Hände. In dem Moment lief auch Herr Strobel vorbei und gab mir einen Klaps auf die Schulter. 'Viel Glück und denk nach!'
Donnerwetter, war das nett von denen allen, mich so zu motivieren.
Und ich war dann vollends gerührt, als auch noch Freddy, Mary und Joan von ihren jeweiligen Brettern herüberwinkten, Daumen-hoch-Zeichen machten oder mir lächelnd zuzwinkerten. Gott, war das nett!
Das schien auch mein Gegner so zu sehen.
'Hammer, wie viele Leute hier sind und dich unterstützen und dir Glück wünschen!'
Ich sah zu Matthew rüber, der mich angrinste und mir zuzwinkerte.
Jupp, sah ich auch so.
Wir spielten also unsre Partie und ich war froh, als mein Gegner mit Remis bot, dass ich dankend und strahlend annahm, obwohl da für beide Seiten - vor allem für mich - noch einiges zu holen gewesen wäre. Doch während der ganzen Partie war mein Blick immer wieder zu Matthew abgeschweift und zu seinen Augen, denn er hatte was zwischen den Wimpern hängen und in mir war immer so ein Gefühl, dieses störende etwas zu entfernen, um den durch und durch perfekten Anblick wiederherzustellen. Aber das konnte ich ja auch nicht tun. Und mal ganz ehrlich: Lieber ein Remis, als am Ende wegen Unkonzentriertheit doch noch zu verlieren.
'Also, danke dir für die schöne Partie, echt gut gespielt!', meinte Chase da.
'Ja klar, du aber auch! Und man sieht sich bestimmt mal wieder auf einem Turnier!',
antwortete ich, während wir uns (mal was ganz was neues) die Hände schüttelten. Also was die beim Schach alle mit ihren Händen hatten war mir echt ein Rätsel.
3-2-1 und schon stürzten sich die Nachbarn auf uns beide. Hände wurden geschüttelt und Glückwünsche gemurmelt. Plötzlich spürte ich wieder ein alt vertrautes Gefühl. Matthews Hand schon wieder in meiner. Zufrieden lächelte ich und fand mich mit meinem Herzklopfen und meinem Bauchkribbeln ab. Konnte ich wohl nichts machen. War halt nun mal so. Also, warums sollte ich mich dagegen wehren? Heute noch und morgen und dann würde ich ihn sowieso für ein paar Monate oder so nicht mehr sehen. Höchstwahrscheinlich.
Und noch mal 3-2-1 und schon hingen auch meine Vereinskollegen auf mir.
HILFE!!! Mensch, Leute erstickt mich doch bitte nicht!!!!!
Danach ging ich mit Chase weg, um unsere Partie zu analysieren. Das machte man wohl ins Schachkreisen so, dass man sich hinterher mit seinem Gegner zusammensetzte, um die Partie zu diskutieren und festzustellen, wo man was besser hätte machen können.
Matthew sah mir mit einem Blick nach, den ich nicht deuten konnte.
'Ich komm später wieder, um dir zuzuschauen!', versprach ich leise flüsternd im Vorbeigehen. Er nickte und sah wieder aufs Brett.
Ich hatte mich mittlerweile damit abgefunden, dass ich mich gegen diese Augen nicht wehren konnte und dass mein Herz momentan nicht für Aaron allein schlug. Dahingegen hatte ich mich doch damit abgefunden, dass das mit Matthew wahrscheinlich nur eine kurzfristige Schwärmerei war, denn was wusste ich schon von ihm? Ich kannte ihn kaum!! Von Aaron hingegen wusste ich beinahe alles. Und wir unternahmen so viel miteinander, dass ich ständig neue Seiten von ihm kennen lernte, was mich total faszinierte. Und deswegen war ich mir ziemlich sicher, dass sich das mit Matthew spätestens nach Sonntag wieder im Sand verlaufen würde, denn dann hätte meine Schwärmerei keinen Anhaltspunkt mehr, um weiter zu wachsen oder gar bestehen zu bleiben. Deswegen wehrte ich mich nicht gegen das Gefühl. Denn ich wusste, dass ich stark genug war, zu widerstehen.
'Ist ja echt Wahnsinn, wie ihr euch alle gegenseitig unterstütz, ich kenn das von meinem Verein so gar nicht!', platzte Chase da gut gelaunt in meine Gedanken und wir setzten und in den noch relativ unbevölkerten Vorraum.
'Echt?! Also ich kenn das bisher nur so, auch auf der Schulschachmeisterschaft. Wir motivieren uns immer gegenseitig, auch wenn wir, rein theoretisch und auf dem Papier eigentlich Konkurrenten sind. Und es ist echt wahnsinnig wichtig für mich, weil es ja auch mein erstes Turnier ist und ich echt nicht weiß, wie ich es sonst schaffen sollte. Aber es ist halt echt schade, dass es bei euch nicht so ist!! Hast du eine Ahnung, woran das liegen könnte?'
'Nein, keinen Plan …'
Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über Gott und die Welt und unsre Partie und über den seltsamen Drang aller Schachspieler, ständig irgendwelche Hände schütteln zu müssen.Später sah ich Matthew - wie versprochen - zu.
Seine Augen blitzen auf, als er mich hinter seinem Gegner stehen sah und ich lächelte ihn an.Matthew hielt sehr souverän ein Remis, woraufhin ich mich als erste auf ihn stürzte - hehe - und ihm die Hand reichte.
Die zweite Partie gewann ich aufgrund eines dämlichen Fehlers meiner Gegnerin ziemlich sicher, obwohl Matthew auch diesmal wieder neben mir saß. Mann, ich sollte glatt mal mit dem Auslosungsprogramm des Computers reden, dass es mich nicht immer in solch schwierige Konzentrationsaufgaben brachte. Ich sah Matthew auch bei seiner zweiten Partie zu und wir lächelten uns die ganze Zeit gegenseitig zu. Ich fühlte mich wirklich gut. Es war zwar wirklich nicht fair Aaron gegenüber, aber daran dachte ich im Moment gar nicht. Im Nachhinein könnte man mich vielleicht sogar als egoistisch, narzisstisch und egozentrisch bezeichnen. Aber so dachte ich in diesem Moment gar nicht von mir. Es tat einfach gut, Aufmerksamkeit zu bekommen, ein Lächeln hier ein Zwinkern da. Von einem smarten Typen, der auch noch sechs Jahre älter war, als ich. Welches Mädchen hätte sich da nicht gut gefühlt? Vermutlich jedes, das in einer Beziehung mit ihrem absoluten Traumtyp war, um den sie über zwei Jahre gekämpft hat!, entgegnete ich mir selbst, in einem reuigen Moment.
Auch Matthew gewann seine zweite Partie ziemlich schnell, seine Vater verlor sie. Und da die anderen noch immer spielten, fragten sie erneut, ob sie mich nach Hause mitnehmen sollten. Ich nickte, verabschiedete mich schnell von den anderen und hatte eine wunderbare halbe Stunde Autofahrt vor mir, in der ich allerhand neues über Matthew erfuhr. Er studierte Businessmanagement, war 22 Jahre alt (was ich ja eigentlich schon wusste), las ziemlich gerne, hatte Haustiere und zwei Geschwister, etc. Was man halt beim Kennen lernen so alles erfuhr. Dann näherten wir uns unserer gemeinsamen Heimatstadt und ich fragte ihn, ob es Umstände machen würde, mich noch bis ganz nach Hause zu fahren, weil ich sonst quer durch die halbe Stadt und noch dazu einen drei Kilometer langen wirklich steilen Berg hinauflatschen müsste. Er und sein Vater sagten, des mache keine Umstände und sie fuhren mich nach Hause. Matthew - ganz der höfliche Kavalier, wie ich heute mehrmals festgestellt hatte, dass er war (er hielt mir die Tür auf, machte die Autotür für mich auf, stellte die Schachuhren für mich, holte Nachschub, wenn Trinken knapp wurde, trug meine Tasche zum Auto, etc.) - stieg mit aus, um mir meine Tasche, die wirklich nicht schwer war, in den dritten Stock zu unserem zweistöckigen Apartment zu tragen.
'Hey, du musst das wirklich nicht machen, ich schaff es auch alleine, wenn du nicht willst, ja?'
'Nein, nein, spar dir deine Kraft lieber für die letzte Partie morgen!'
So gingen wir lachend, scherzend und flirtend die drei Stockwerke hoch und ich friemelte meinen Schlüssel aus der Tasche und sperrte auf.
Dann überkam mich ein plötzliches, verdammt heftiges Verlangen, dem ich ohne langes Nachdenken nachgab:
Ich nahm Matthew sanft an den Schultern und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.







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