Schatten des Mondes - Teil 15

Autor: Ai
veröffentlicht am: 09.11.2012


Der Freitagabend kam viel zu schnell. Zum Glück war dieses Mal Bill und seine Familie nicht eingeladen. Dafür erwartete meine Mutter und mich eine ganz andere Überraschung. Als wir, ausnahmsweise einmal absolut pünktlich zum Anwesen der Marleys kamen, war das Haus hell erleuchtet. Aus nahezu jedem Fenster züngelten die Flammen. Mein erster Gedanke galt seltsamerweise Eric, mein zweiter den Pferden im Stall.
Ich rannte sofort am Haus vorbei in Richtung Stall. „Nein! Violetta!“ rief mir meine Mutter vergeblich nach. Ich ließ mich davon nicht zurückhalten.
Bei den Pferden angekommen, stellte ich erschrocken fest, dass der Stall bereits Feuer gefangen hatte. Außer dem Blechdacht bestand alles aus Holz, Stein und Stroh. Eine Brennkammer. Atemlos öffnete ich die schwere Tür. Das Feuer hatte sich durch die Holzwände schon bis ins Innere durchgefressen. Ich konnte kaum etwas sehen. Der schwarze Qualm versperrte mir die Sicht und brachte mich zum Husten. Nach wenigen Sekunden brannte mir die Lunge. Der Rauch war heiß und beißend. Ich versuchte auf dem Boden kriechend vorwärts zu kommen. Die Pferde hatten für mich oberste Priorität und ich konnte immer noch nicht erkennen, ob sie noch im Stall waren. Langsam robbte ich durch die dichten Rauchschwaden, doch bevor ich die erste Box erreichen konnte, verlor ich das Bewusst sein.
In den letzten Sekunden meines Bewusstseins dachte ich daran, dass es vielleicht doch gar nicht so schlecht war, jetzt zu sterben, bevor mein Leben noch komplizierter wurde. Im Nachhinein vielleicht ein dummer Gedanke, aber in diesem Moment, in dem mein Hirn schon ganz benebelt und ich kaum noch bei Bewusstsein war, erschien es mir als ein ganz guter letzter Gedanke. Doch bevor ich völlig weg war, kam mir noch Eric in den Sinn und dann war ich bewusstlos.
„Vio …“ Mein Kopf brummte. „Bitte Vio! Wach auf!“ Ich gab ein leises Murren von mir und öffnete blinzelnd die Augen. Bevor mein Blick sich klären konnte, würde ich schon von zwei Armen umschlungen und an jemanden gedrückt. „Oh Gott, Vio! Ich dachte schon, du würdest nie wieder aufwachen.“
Vio? Moment mal … langsam begann mein Verstand wieder zu arbeiten. „Eric?“ krächzte ich leise. Darauf folgte ein heftiger Hustenanfall. Ich spürte den heißen Rauch in meiner Lunge.
Eric ließ mich sofort los, sodass ich mich aushusten konnte. „Alles in Ordnung?“ fragte er besorgt, als der Husten endlich abgeflaut war. Er streichelte mir mit der Hand sanft über den Rücken, was mir eine Gänsehaut auf den ganzen Körper zauberte.
„Ja“, hauchte ich atemlos. Wäre ich doch nur gestorben. Dann kam mir wieder das Feuer in den Sinn. Die Pferde! „Ist mit den Pferden alles okay?“ fragte ich panisch und wollte aufstehen, doch Eric hielt meinen Arm fest und zog mich wieder zu Boden.
„Ja, ich hab sie aus dem Stall geführt, als es angefangen hat zu brennen.“ Sie waren also gar nicht mehr da, als ich in den Stall ging. Ich hatte mich völlig Grundlos in Lebensgefahr gebracht. „Als ich zurückkam, kam gerade mein Vater angerannt und teilte mir mit, dass du in den Stall gegangen bist.“ Oh Gott, Mama wir total aufgelöst sein! So ein Mist! „Ich hab dich nur noch bewusstlos auf dem Boden liegen sehen.“
Er hat mich gerettet. Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht erwartet hätte, dass Eric sein eigenes Leben aufs Spiel setzte würde, um meines zu retten. Natürlich hielt er als Vampir mehr aus, als ich, trotzdem hätte er genau so sterben können, wie ich.
„Danke“, presste ich hervor. Ich spürte ein hässliches Kratzen tief in meiner Lunge.
Unvermittelt drückte mich Eric an sich. Ich konnte seinen Atem an meinem Nacken spüren. Ein Kribbeln durchzuckte meinen Körper und ich versteifte mich. „Ich hätte es mir nie verziehen, wenn du gestorben wärst“, hauchte er in mein Ohr.
Oh Gott, was war das nur wieder für eine schreckliche Situation? Die Freitagabende wurden ja immer schlimmer.
Er löste seine Umarmung und sah mich eindringlich an. Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und strich dabei mit dem Daumen sanft über meine Wange. „Vio“ flüsterte er dabei, genau wie letzten Freitag und seine blauen Augen bekamen wieder diesen seltsam hypnotischen Schimmer.
Ich wollte mich zum wegsehen zwingen. Noch so eine peinliche Situation wie letzten Freitag musste unbedingt verhindert werden. Doch es gelang mir nicht. Das Funkeln in seinen Augen hatte mich schon in seinen Bann gezogen und ich konnte nur noch mit Mühe dem Drang, ihn zu küssen, wiederstehen. Doch bevor ich diesem Drang nachgeben konnte, waren seine Lippen schon auf meinen. Zuerst war ich erstaunt, doch dann entspannte ich mich und schloss die Augen. Er legte eine Hand in meinen Nacken, die andere an meine Hüfte und mit einem Ruck zog er mich näher an sich. Mich durchzuckte ein Gefühl wohliger Wärme. Es war wie letzten Freitag, nein, sogar besser, denn dieses Mal war ich nicht durch irgendwelche Zauber benebelt, nur durch seine strahlend blauen Augen. Was war das nur?
„Violetta?“ hörte ich die Stimme meiner Mutter aus der Ferne. Schnell löste ich mich von seinen Lippen. Erst jetzt registrierte ich überhaupt, wo ich war. Etwa zwanzig Meter vom Stall entfernt. Vom Stall selbst war nicht mehr viel übrig. Er war eingestürzt und nur mehr ein Haufen Bretter, die fröhlich vor sich hin brannten. Ich wandte meinen Blick zum Haus. Dort brannte nichts mehr. Es erinnerte nichts mehr an ein Feuer, außer die Brandspuren an den Fenstern. Sogar das Fensterglas war unversehrt und an seinem Platz. Das musste Mama gewesen sein. Nein, das konnte nur Mama gewesen sein. Und sie kam jetzt auch auf uns zugerannt, sie schlang die Arme um mich und drückte mich ganz fest an ihre Brust. „Oh mein Schatz, du lebst!“ ihre Stimme war euphorisch, aber etwas brüchig, da sie versuchte ihre Tränen zurückzuhalten.
„Mama“, schluchzte ich. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. „Es tut mir leid!“






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