Schatten des Mondes - Teil 8

Autor: Ai
veröffentlicht am: 24.10.2012


Keiner der Anwesenden konnte meine auffallend gute Laune richtig interpretieren. Außer meine Mutter, immerhin hatte sie mir diese Sprüche beigebracht. Ich war mittlerweile schon total weggetreten, der Glückszauber hatte es echt in sich. Meine Mutter schickte mich deshalb mit den Worten: „Möchtest du nicht ein bisschen in den Stall gehen?“ hinaus.
Warum in den Stall? Nun das hatte zwei Gründe. Erstens war ich somit für den Rest des Abends von der Gesellschaft abgeschnitten, bevor ich etwas Dummes anstellen konnte und zweitens wirkten Einhörner unheimlich beruhigend, wenn sie selbst ruhig waren. Diese Nacht war sternenklar, kein Windhauch durchfuhr die Blätter der Bäume und so waren die Pferde auch sehr gelassen.
So tapste ich also immer noch breit grinsend über den Hof zum Stall. Als ich die schwere Tür aufstemmte, begannen die Hörner der Tiere zu leuchten. Ich hatte ja schon erwähnt, dass Einhörner besonders empfindlich auf Magie reagierten und da ich gerade voller Magie war, reichte es schon nur in der Tür zu stehen, um ihre Magie auf mich wirken zu lassen.
Die geballte Beruhigungsmacht von drei Einhörnern wirkte auf mich ein, da konnte mir gar nichts Anderes übrig bleiben, als in den Stall zu taumeln, um dann wie ein nasser Sack umzufallen. Eigentlich hätte mein Aufprall hart sein sollen. Mit einem letzten verschlafenen Blick hatte ich noch den harten Steinboden auf mich zukommen sehen. Doch als ich wieder aufwachte, weil die Magie meiner Sprüche langsam verflog, lag ich, weich gebettet, in einem Haufen Stroh. Verwirrt betastete ich mein Gesicht, sicher, Schmerzen bei der Berührung meiner rechten Schläfe empfinden zu müssen. Aber nichts. Ich fühlte mich gut und hatte keine Schmerzen. Unsicher sah ich mich um. Die Tür war fast zehn Meter von mir entfernt. Niemals war ich selbst bis hierher gekommen. Es musste mich jemand getragen haben. Aber wer?
Ich lasse mich wieder ins Stroh fallen. Es dreht sich alles. Das ist wohl eine der Nachwirkungen, von denen Mama mal gesprochen hat. Blöd nur, dass sie mir nicht genau gesagt hat, was genau alles passieren kann, wenn die Zauber nachlassen. Langsam beschleicht mich der Gedanke, dass die Mischung zwischen den beiden Zaubersprüchen keine Gute war.
Der stechende Schmerz, der mir dann durch den Kopf fährt, bestätigt meine Vermutung. War ja auch irgendwie klar. Beide Sprüche verzaubern das Bewusstsein und dass ist einfach zu viel auf einmal. „Mist“, murmle ich. Die Schmerzen werden immer stärker und der ganze Stall beginnt sich um sich selbst zu drehen. Ich schloss meine Augen und hoffte, dass es dadurch etwas besser wird, aber es bringt kaum etwas.
„Hast du dich etwas erholt?“ Als ich die Stimme meiner Mutter höre, öffne ich langsam die Augen.
„Nein“, stöhne ich.
„Ach Schatz, warum hast du denn das gemacht?“ fragte sie besorgt und kniete sich neben mich ins Stroh.
„Weil ich nicht wusste, wie ich diesen Abend außerhalb des Wandschrankes sonst überstehen hätte sollen“, ich hielt mir den Kopf, jede Bewegung tat weh.
„Glaubst du, dass du fliegen kannst?“
„Ich kann nicht einmal richtig laufen.“
„Na dann“, seufzte Mama. „Musst du wohl hier übernachten.“
„Was!“ Mein Schädel brummte, schreien war gar nicht gut.
„Anders geht es wohl nicht, schlaf einfach hier im Stall. Es ist warm hier, das Stroh ist weich und Bony bringt dir bestimmt noch ein paar Decken. Außerdem kannst du bei den Einhörnern bestimmt am besten schlafen.“ Das klang zwar logisch, trotzdem wiederstrebte mir der Gedanke, am selben Grundstück wie Eric Marley zu schlafen.
Aber was blieb mir anderes übrig? Also war meine Antwort ein resignierendes „Ja“.
„Sehr gut“, Mama schien irgendwie erleichtert. „Dann sag ich nur noch Bony Bescheid.“ Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Bis Morgen mein Schatz.“ Und schon war sie verschwunden.
Ich ließ mich wieder ins Stroh zurück fallen und wartete auf Bony und die Decken. Früher, als Eric und ich noch befreundet waren, haben wir öfter im Stall übernachtet. Sogar im Winter. Es war nie richtig kalt hier, auch ohne Heizung oder Kamin. Wir machten uns ein Bett aus Stroh, warfen fünf Decken darüber und wickelten uns in mindestens noch einmal genau so viele ein. Dazu gab es Kamillentee oder heißen Kakao mit Bonys selbst gebackenen Schokokeksen. Diese Abende waren immer herrlich. Doch leider sind sie schon lange Geschichte.
Als sich die Stalltür öffnete, jemand hereinkam und einen Haufen Decken neben mich legte, öffnete ich nicht die Augen, sondern sagte nur: „Danke Bony.“
„Gern geschehen.“ Das war nicht Bonys Stimme. Oh nein, ganz und gar nicht.
Jetzt erst machte ich meine Augen auf, um zu sehen, dass nicht Bony, sondern Eric mir die Decken gebracht hatte. „Was willst du denn hier?“ schnaubte ich ihn an und dabei führ der schon fast verschwundene Schmerz in meinen Kopf ein, wie ein Blitz in einen Baum.
„Wonach sieht es denn aus?“ fragte er gehässig. „Ich hab dir deine Decken gebracht.“ Mit diesen Worten drehte er sich um, um wieder zu verschwinden.
Ich weiß beim besten Willen nicht, warum ich das in diesem Moment gesagt habe, vielleicht war es wegen den Nachwirkungen des Zaubers, oder meiner melancholischen Stimmung oder vielleicht war ich auch einfach nur dabei, verrückt zu werden. Auf jeden Fall sagte ich dann folgendes: „Bleib hier.“
Sofort blieb er stehen, aber er drehte sich nicht um. „Was?“ fragte er mit einem Hauch Unsicherheit in der Stimme.
„Bleib hier, lass mich nicht allein.“
Langsam drehte er sich zu mir um. „Veraschst du mich gerade?“
„Nein“, sagte ich entsetzt. Wie kam er nur auf die Idee, ich würde ihn in so einer Situation verarschen? Ich muss trotzdem sagen, dass ich eigentlich erwartet hatte, er würde irgendeinen dummen Spruch ablassen und sich dann in seine „Gemächer“ zurückziehen. Aber nein, er blieb.






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