Schatten des Mondes

Autor: Ai
veröffentlicht am: 28.09.2012


Der Wind ließ die Regentropfen gegen die Fensterscheiben klatschen. Der Mond versteckte sich hinter dicken Regenwolken. Die Nacht war düster und stürmisch. Eine Nacht, in der man besser nicht vor die Tür ging. Die einzige Lichtquelle waren Blitze, die ab und an über den Nachthimmel zuckten, gefolgt von einem tiefen Donnergrollen.
Ich saß am Kamin, die Arme über die angewinkelten Beine geschlagen, und sah in die Flammen. Der Kamin befand sich im Salon, meine Mutter, die andern Gäste und die Gastgeber saßen noch im Esszimmer und tranken Kaffee. Es war ein langweiliges Ritual, das freitägliche Dinner bei den Marleys. Aber es ist schon so, seit ich mich erinnern kann, also ertrage ich es. Es ist nicht einmal die Tatsache selbst, dass ich jeden Freitag von fünf bis neun Uhr abends in diesem Haus eingesperrt bin, nein, es sind Draco Marleys arrogante Kinder und seine divenhafte Frau, die diesen Abend zu einem absoluten Horror machen.
Da ertrage ich doch lieber meinen Vater, seine neue Frau und meine vier reizenden Halbgeschwister, die auch jeden Freitag zu Gast sind. Ich kann Daisy, meine Stiefmutter, noch besser ertragen als Dracos Familie.
Zum Glück sind auch Fiona und Salam jeden Freitag da, sie bringen etwas Ruhe in diese Ungleiche Runde. Ihre Tochter Kaschmir ist zwar auch nicht meine beste Freundin, aber sie ist mir immer noch lieber als Dracos Kinder.
Dieses Dinner wurde zum ersten Mal veranstaltet, als meine Eltern aus Dracos Haus auszogen. Eigentlich ist das Haus eher eine Villa als ein Haus, deshalb hatten dort auch meine Eltern, Fiona und Salam und natürlich auch Draco und seine Frau Platz. Ich habe nie gefragt, wie es dazu kam, dass sie alle in einem Haus wohnten, aber meine Eltern zogen aus, noch bevor ich geboren wurde.
Irgendwann sind dann auch Fiona und Salam ausgezogen, ich vermute mal, als Kaschmir unterwegs war.
Ein Blitz zuckte über den bewölkten Himmel. Die Pferde im Stall wurden unruhig. Ich konnte ihr Wiehern hören. In diesem Tal gab es öfter Stürme, der Regen hielt auch mal über Wochen an, aber so ein starkes Gewitter hatte ich schon lange nicht mehr erlebt. Der Stall war auf diesem Grundstück neben dem Kamin, der einzige Ort, an dem ich mich gerne aufhielt.
Langsam erhob ich mich vom Feuer, ich ging zum Esszimmer hinüber und lehnte mich an den Türrahmen. Mama diskutierte Gerade mit Salam über irgendetwas, Papa versuchte gerade Torand, meinen jüngsten Halbbruder davon abzuhalten, über den Tisch zu krabbeln. Kaschmir saß mit einer Tasse Tee etwas abseits und laß ein Buch, Draco unterhielt sich mit Fiona und Samantha, Dracos Frau, war schwer damit beschäftigt, gut auszusehen. „Mama“, sagte ich vorsichtig, um nicht unhöflich zu wirken. Meine Mutter hob eine Hand um Salam zu deuten, er solle kurz aufhören zu reden, drehte sich dann zu mir um und hob fragend die Augenbrauen. „Ich schau zu den Pferden. Sie sind unruhig wegen dem Sturm.“
Mama nickte. „Sei vorsichtig.“
Durch die Küche ging ein Weg in den Hof und vom Hof aus waren auch die Pferdeställe zu erreichen. Der Regen prasselte auf meinen Kopf, ich zog mir die Kapuze über, aber auch die war innerhalb von Sekunden durchnässt. Als ich den Stall erreichte, war ich bis auf die Unterwäsche nass. Das Tor war schwer und glitschig. Nur mit Mühe drückte ich es einen Spalt breit auf, sodass ich hindurch schlüpfen konnte. Im Sommer verbrachte ich viel Zeit bei den Pferden. Auch wenn nicht Freitagabend war, war ich oft hier. Ich durfte auch ausreiten, wenn ich wollte. Aber heute war ich nur hier, um den scheuen Fluchttieren etwas Ruhe zu bringen.
Insgesamt waren hier vier Pferde eingestellt. Zwei Hengste und zwei Stuten. Wobei ein Paar das Elternpaar war und das andere Paar waren die Kinder. Langsam ging ich zur ersten Box. Es war Silver Diamanths Box. Sie war das jüngste Tier im Stall und mein persönlicher Liebling. Ich war zwölf Jahre, als sie geboren wurde und hatte auch noch das Glück, bei ihrer Geburt dabei gewesen zu sein. Jetzt war sie vier Jahre alt und das schönste Pferd, das ich je gesehen hatte.
Behutsam legte ich meine Hand auf ihre Nüstern. Ich konnte ihren hektischen Atem spüren. Sie war nervös und jeder Windstoß, der den Regen gegen das Blechdach prasseln ließ, machte sie noch nervöser. Aber ihr Atem würde langsamer, als ich meine Hand ganz sanft über ihren Kopf gleiten ließ. Sie vertraute mir, als wäre ich eine von ihnen. Sie würde mit mir ohne zu zögern bei diesem Wetter ausreiten, weil sie wusste, dass ich nur das Beste für sie wollte. Und allein diese Tatsache beruhigte sie etwas, trotz des fortwehrenden Donnergrollens. Ich ließ meine Hand auf ihrer Stirn ruhen und flüsterte ihr etwas zu. Sie schnaubte unsicher.
„Schon gut, meine Süße. Es ist alles gut“, flüsterte ich ihr zu.
Ich hatte noch nie versucht, die Pferde zu verzaubern, aber dieser Sturm schien mir eine gute Gelegenheit, um einen Beruhigungszauber auszuprobieren.
Silver wurde sichtlich entspannter. Das Elfenbeinfarbene Horn auf ihrer Stirn begann zu leuchten. Das war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie sich wohl fühlte. Der Zauber hatte also funktioniert. Ich konnte mir ein freudiges Kichern nicht verkneifen.
In der zweiten Box stand Rackoon, Silvers Bruder. Er streckte sofort den Kopf aus der Box, als er mich sah. Einhörner waren im Bezug auf Magie noch feinfühliger, als normale Pferde. Rackoon hatte bemerkt, dass mein Zauber seiner Schwester geholfen hatte und damit wollte er mir sagen, dass ich dieselbe Magie auch bei ihm anwenden sollte.
„Schon gut, mein Großer“, ich legte meine Hand auf seine Stirn.
Nachdem ich den Zauber geflüstert hatte, begann auch sein Horn zu leuchten und er schnaubte mich zufrieden an. Black, die Mutter der beiden, wartete ebenfalls schon auf mich. Danach fehlte nur noch Thander. Er war zwar kein Einhorn, trotzdem konnte er die Magie spüren. Als auch er mich zufrieden anschnaubte, hörte ich plötzlich ein Geräusch hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um.





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