The eyes of love are blind - Teil 2

Autor: josie
veröffentlicht am: 15.10.2011


Danke für eure Kommentare, schön dass es euch gefällt :) Tut mir leid, wenn es Verwirrungen mit dem Perspektiven-Wechsel gab. In meinem Kopf schien es logisch, aber das heißt nicht, dass es in euren auch logisch ist :D ich werde es zukünftig durch dieses Zeichen "<><><>" kennzeichnen. Wenn es trotzdem noch unverständlich ist, sagt mir bescheid. So und nun viel Spaß beim lesen, ich hoffe der Teil gefällt euch :)
ach ja, der erste Abschnitt ist jetzt wieder aus der Sicht von Julia... Es ist eigentlich immer abwechselnd...


Ich tastete mich langsam mit meinem Stock vorwärts. Ich stieß gegen irgendetwas, stolperte, lief weiter, bis ich irgendwann stehen blieb und unsicher ein „Hallo“ in den Raum rief. Es hörte sich mehr nach einer Frage, als einer Begrüßung an. Ich fühlte mich schrecklich. Ich wusste, dass hier 4 Jungs saßen, die mich anstarrten. Es war, vor allem hier in dieser fremden Umgebung furchtbar, ihre Gesichter nicht sehen zu können. Zu gern hätte ich auf ihnen abgelesen, was sie von mir hielten. Aber ich sah nichts. Wie immer war da nur diese tiefe Schwärze, die alles überdeckte. Also musste ich meine anderen Sinne einsetzten.
Ich hörte ein leises Rascheln von Papier. Das Summen eines Verstärkers. Ein Quietschen. Leise Atemgeräusche. Doch ich konnte nicht herausfinden, wo genau sich die Personen befanden. Also blicke ich wage in irgendeine Richtung, in der Hoffnung, dass es die richtige war.
Plötzlich hörte ich ein Räuspern. Es kam von links. Sofort zuckte mein Kopf, wie von selbst in die Richtung. Ein keiner Anhaltspunkt.
„Ähm… Also… Hallo“, sagte die Stimme, von der auch das Räuspern gekommen war. Die Stimme war tief, eindeutig männlich und klang etwas überfordert. Ich konnte es ihm nicht verdenken. „Hallo“, sagte ich nun fester. „Ich bin Julia. Julia Becker.“
„Ok. Julia… Ich bin Daniel, der Gitarrist. Am Schlagzeug spielt Fabi, Jonny ist am Bass und die kreative Ader unter uns ist der Lukas, am E-Piano. Er schreibt auch die meisten unserer Songs.“
Die Jungs begrüßten mich reihum. Nun hatte ich eine ungefähre Vorstellung, wer wo saß.
Links, wie schon gesagt, stand Daniel. Schräg dahinter musste wohl Jonny sein. Man hörte die ganze Zeit über leises Zupfen an seinem Bass. Er schien etwas nervös zu sein. Ständig hörte man irgendein Geräusch aus seiner Ecke. Er konnte nicht still sitzen. Seine Stimme bestätigte mir meinen Verdacht. Sie war hektisch, er verschluckte die Endungen und sprach etwas lauter, als gewöhnlich.
Mir gegenüber musste das Schlagzeug stehen, dahinter Fabi. Er saß wohl auf einem Hocker, der stetig quietschende Geräusche von sich gab. Seine Stimme klang etwas heißer. Ich stellte ihn mir als Rocker vor. Kurz geschorene Haare, grimmiger Gesichtsausdruck, vielleicht ein Tattoo auf dem Oberarm.
Und dann war da noch Lukas. Er saß rechts von mir, hinter seinem E-Piano. Er hatte es ausgeschaltet, doch konnte ich leise Tastengeräusche wahrnehmen. Er spielte wohl irgendeine Melodie, die Tastenfolge wiederholte sich immer wieder. Er hatte mich mit einer leisen, aber zugleich wunderschönen Stimme begrüßt. Wenn man lange Zeit so sehr auf sein Hörorgan angewiesen ist wird man feinfühliger und entwickelt einen gewissen Geschmack, was Stimmen angeht. Es gibt jene Stimmen, die ich nicht mag, sie sind rau, zu tief und kratzig. Und dann gibt es solche Stimmen, denen ich furchtbar gern zuhöre. Die weich sind, die sich sanft an meine Ohren schmiegen, die einfach genau richtig sind. Und Lukas hatte genau, so eine Stimme. Das hörte ich mit dem ersten Laut, den er von sich gegeben hat.
Wieder wünschte ich mir, sehen zu können. Ich wollte das Gesicht zu dieser wundervollen Stimme sehen.
„Ok. Am besten, du fängst dann mal an.“ Daniel holte mich wieder in die Gegenwart zurück, indem er einzählte und mich so dazu bewog, meine Stimme zu erheben.

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Sie sang. Und wie sie sang. Ihre Stimme war so klar, aber zugleich auch voller Kraft. Sie hatte etwas Einzigartiges. Das Gesamtpaket stimmte einfach. Sie hatte sich den Song „Empire State of mind“ ausgesucht. Der Titel war auch schon auf ihrer CD zu hören, doch hier war es noch mal was ganz anderes. Sie sang mit so viel Gefühl, legte alles in ihre Stimme und jagte mir damit eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken.
Ich schaute mich um. Den anderen ging es offensichtlich nicht anders. Daniel nickte immer wieder, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen mit dem Kopf. Fabi starrte sie mit offenem Mund an. Jonny wippte mit seinem Fuß im Takt mit und strich sich immer wieder gedankenverloren durch seine Haare.
Die letzten Töne verklangen. Sofort wurde Julia wieder unsicher. Ihre Wangen hatten immer noch diesen hübschen Rotton. Verlegen schaute sie uns der Reihe nach an. Ich fragte mich, woher sie wusste wo wir saßen.
Einen Moment herrschte Stille, dann erhob Daniel seine Stimme. „Ok. Vielen Dank, Julia. Wir setzten uns wieder mit dir in Verbindung.“
Sie nickte kurz und lief dann hastig zur Tür, wobei sie über ein Kabel stolperte und unsanft auf den Knien landete. Ich beeilte mich, ihr wieder auf die Beine zu helfen. „Alles in Ordnung?“ Es kam eine leise Zustimmung ihrerseits. „Komm, ich bring dich zur Tür.“ Ich nahm ihre Hand in meine und führte sie langsam zur Tür. Es war angenehm ihre Hand zu halten. Sie hatte eine zarte, weiche Haut. Nun, da ich direkt neben ihr war konnte ich viele, kleine Sommersprossen erkennen, die sich auf Nase und Wangen ausbreiteten.
Wir waren an der Tür angelangt. Ich öffnete sie und schob Julia sanft hinaus. Sie verabschiedete sich mit einem leisen „Danke“, dann war sie um die Ecke gebogen und aus meinem Blickfeld verschwunden.

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Als ich um die Ecke war, lehnte ich mich gegen die Wand und atmete tief durch. Ich hatte es geschafft. Ich hatte gesungen, ob gut oder schlecht konnte ich nicht beurteilen. Aber ich hatte es hinter mir. Das war die Hauptsache. Als ich mich auf den Weg zurück machte, ging mir dieser Lukas nicht aus dem Kopf. Dieser kurze Moment, in dem er ganz nah bei mir war, war unglaublich gewesen. Seine Stimme war von nahem noch bezaubernder. Außerdem roch er unglaublich gut. Und seine Hand auf meiner jagte mir kleine Schauer über den Rücken.
Plötzlich hörte ich ein lautes Kreischen und spürte, wie mich jemand umarmte. Mara.
„Erzähl. Wie war es?“
Wenig später waren wir wieder auf dem Weg nach Hause. Ich war mir sicher, dass ich von den Jungs nie wieder etwas hören würde. Mara war da optimistischer, doch ich hatte auch nichts anderes erwartet. Eine Sache interessierte mich jedoch noch brennend.
„Hast du die Jungs eigentlich schon mal gesehen?“
„Ja, ich habe mal ein Interviewe mit ihnen gesehen. Wieso fragst du?“ „Ach nur so. Ich versuche mir eben vorzustellen, wie sie aussehen.“
„Und da denkst du nicht zufällig an einen bestimmten?“ Ich konnte ihr breites Lächeln hören. „Nein.“ Ich versuchte unbeteiligt zu wirken, ohne Erfolg. „Julia, ich kenne dich. Also welcher ist es?“ Ich seufzte. Ja, sie kannte mich wirklich. Wir waren ja auch schon seit dem Kindergarten unzertrennlich. Und das hatte sich bis heute nicht geändert. Nicht einmal meine Erblindung konnte uns trennen. „Naja… Ich finde einfach, dass dieser Lukas… Naja, er hat einfach eine schöne Stimme.“
„Soso, eine schöne Stimme also.“ Ich konnte ihr breites Grinsen auf ihrem hübschen Gesicht vor meinem inneren Auge sehen. „Nun ja, ist ja auch egal. Also, du wolltest, dass ich sie dir beschreibe. Beginnen wir mit meinem persönlichen Favoriten – Daniel. Er ist wirklich unglaublich süß. Hat immer ein Lächeln auf dem Gesicht, ein hoffnungsloser Optimist, genau wie ich.“ Sie lachte schallend. Auch ich musste lächeln. „Offensichtlich bin ich nicht die einzige, die da Gefallen an jemandem gefunden hat.“
Sie überging meinen Kommentar. „Auf jeden Fall sieht er einfach verdammt gut aus. Er hat schwarze kurze Haare, einen muskulösen Körper und ein schönes Gesicht. Und sein Lächeln haut einen einfach nur um. Seine Augen strahlen dabei so intensiv…“ Einen Moment herrschte Stille, ich nahm an, dass Mara mit einem schwärmerischen Gesichtsausdruck ihren Gedanken nach hing. Ich räusperte mich dezent. Sie fuhr hastig fort. „Dann ist da Fabi, der Drummer. Er hat so einen typischen Rocker-Look. Eigentlich ganz passabel, aber für meinen Geschmack etwas too much. Er hat sehr kurze Haare, fast eine Glatze. Er lächelt kaum, ist aber glaube ich ganz nett. Er sagt nicht viel, aber wenn, dann meint er es auch so.
Als nächstes hätten wir den Jonny, der Bassist. Ein total nervöser Typ. Er hat immer irgendwas in der Hand, mit dem er rumspielt. Meistens ist es sein Bass. Er hat einen blonden Wuschelkopf, der nicht so recht zu ihm passt. Er hat einen relativ kleinen Kopf und seine Locken scheinen ihn fast zu erdrücken.
Und last but not least – Lukas. Nun… Er ist dunkelhäutig. Also nicht richtig schwarz, eher so ein braun. Weißt du? Wie… Bruno Mars. Ach, den kennst du ja nicht, tut mir leid. Dann eben wie Xavier Naidoo. Weißt du noch wie der aussieht? Naja also in etwa die Hautfarbe.
Dann hat er schwarze Haare, wenn er sie wachsen lassen würde, hätte er wohl Locken. Sie kräuseln sich jetzt schon etwas, obwohl sie relativ kurz sind. Ja und sonst… Er sieht nicht schlecht aus. Ich würde sogar sagen, er sieht gut aus. Der bestaussehendste von den Jungs – nach Daniel natürlich.“ Sie lacht wieder.
Da war ich ja gar nicht so schlecht mit meiner Einschätzung. Nur bei Lukas war ich überrascht, dass er dunkelhäutig war. Ich hatte nichts dagegen, im Gegenteil, das machte ihn für mich nur umso interessanter. Ich hatte es nur nicht erwartet.

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Als sie um die Eck verschwunden war lief ich langsam wieder zurück. Meine Gedanken waren immer noch bei ihr. Sie war einfach unglaublich gewesen. Sie hatte so eine intensive Ausstrahlung gehabt, total sympathisch und mit einer so einnehmenden Art, wie sie nur wenige haben.
Ich betrat wieder unser kleines Studio. Die Jungs saßen immer noch an Ort und Stelle. Ich ging wieder zu meinem Piano und ließ mich auf meinen Hocker sinken.
„Also ich würde sagen, wir haben unsere Sängerin gefunden“, sagte Daniel mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich stimmte ihm zu. „Ja, sie ist unglaublich.“
„Unglaublich, ja… Unglaublich blind.“ Fabi war wie immer knall hart. Er sagte immer was er dachte. „Na und?“ Ich wollte nicht, dass er etwas Schlechtes über sie sagte.
„Hört zu“, meinte er. „Ich habe absolut nichts gegen blinde. Und ich will Julia deswegen auch nicht diskriminieren. Fakt ist: sie hat ein unglaublich Stimme, die perfekt zu unseren Songs passen würde. Sie ist hübsch, scheint nett zu sein und hat etwas Einnehmendes an sich. Man kann sie eigentlich nur mögen. Aber Fakt ist eben auch, dass sie blind ist. Stellt euch doch mal vor, dass wir sie nehmen. Ich meine, wie soll das funktionieren? Sie kann keine Texte, keine Noten lesen. Ich kenne mich da nicht so aus, aber kann sie überhaupt irgendwo alleine hingehen? Muss immer jemand bei ihr sein? Ich weiß es nicht. Aber wenn wir es herausfinden wollen, kommt einiges an Arbeit auf uns zu. Und ganz zu schweigen von unserem Publikum. Ich habe keine Ahnung, wie es auf eine Sehbehinderte Sängerin reagieren würde.“
Nach dieser kleinen Ansprache schwiegen wir. Er hatte Recht. Es würde kompliziert werden. Sehr kompliziert. Aber warum sollte man sich es immer einfach machen?
„Also ich schlage vor, dass wir jetzt einfach weiter machen und wenn wir alle gehört haben müssen wir uns sowieso entscheiden, also wird eine Diskussion über Julia so oder so stattfinden.“ Wir stimmten Jonny zu und machten wie gehabt weiter. Ich ertappte mich jedoch immer wieder dabei, wie meine Gedanken abschweiften und unweigerlich bei Julia landeten.





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