The eyes of love are blind - Teil 3

Autor: josie
veröffentlicht am: 18.10.2011


Hier der nächste Teil. Ich hoffe er gefällt euch. Für Kritik und Verbesserungsvorschläge bin ich immer offen :)


„Dad? Ich bin wieder zu Hause.“ Ich hängte meine Jacke an die Garderobe und stellte meinen Stock daneben. Hier im Haus brauchte ich ihn nicht. Ich ließ Lilly von der Leine, die sofort davonflitzte, vermutlich folgte sie ihrer Nase in die Küche. Ich ging ebenfalls in die Küche. Ich hörte es brutzeln und zischen und ein wunderbarer Duft erfüllte die Luft. Mein Vater war wohl gerade am Kochen. „Dad?“
„Ach Julia, na endlich. Wo warst du denn so lange? Das Essen ist gleich fertig. Kannst du bitte mal den Tisch decken?“ Ich lief zum Schrank und öffnete ihn. „Wie viele sind wir?“
„6.“ Ich stockte. „6? Erwarten wir Besuch?“ „Das habe ich dir doch erzählt. Ich habe doch einen Kollegen mit seinem Sohn eingeladen.“
„Ach, das war heute“, murmelte ich, während ich mit den Tellern zum Tisch lief. „Und wieso dann 6? Wenn ich richtig zähle sind wir dann 5.“ „Dein Bruder möchte uns heute seine Freundin vorstellen.“ Ach stimmt, Tobi hatte so etwas erwähnt. Ich war wirklich gespannt auf sie. Bisher war keine seiner Freundinnen so besonders gewesen, dass er sie uns vorgestellt hätte. Es musste also etwas ernstes sein. „Julia, könntest du dich bitte etwas beeilen?“ Ich verdrehte etwas genervt die Augen. Sollte er es doch selbst machen!
Ich stellte hastig die restlichen Teller auf ihren Platz und verteilte dann das Besteck. Anschließend ging ich noch kurz ins Badezimmer, um mich etwas zu Recht zu machen. Lustlos fuhr ich mir mit meinen Händen durch die Haare. Ich hatte keine wirkliche Lust auf diese Veranstaltung heute Abend. Es war jedes Mal das gleiche. Mein Vater lud irgendwelche Kollegen ein, mit denen er sich Stunden unterhielt und ich saß daneben und langweilte mich. Aber heute war wenigstens mein Bruder dabei. Er tat sich solche Abende schon lang nicht mehr an. In diesem Moment klingelte es. Ich glättete hastig meine Haare, in der Hoffnung, dass sie in Ordnung aussahen und lief dann zur Tür. Ich öffnete sie und wurde sofort von 2 starken Armen umarmt. Zweifelsohne mein Bruder. „Tobi!“, seufzte ich und drückte mich fest an ihn. Seit er studierte, sahen wir uns nur noch selten. „Julia!“ Er schob mich auf Armeslänge von sich und ich spürte seinen Blick, der über mich glitt. „Du siehst gut aus.“ Ich lächelte leicht. „Du auch!“
Wir lachten beide laut auf und er drückte mich noch einmal an sich, bevor er mich schließlich los ließ. „Darf ich dir vorstellen? Das ist Hanna, meine Freundin. Hanna das ist Julia, die bezauberndste Schwester, die man sich vorstellen kann.“ Ich lief leicht rot an und lächelte Tobi dankend an. „Hallo Julia. Schön, dass wir uns mal kennen lernen. Ich habe schon viel von dir gehört.“ Ihre Stimme klang fest. Sie war ungewöhnlich tief für eine Frau, aber nichts desto trotz angenehm. Ich blickte in ihre Richtung und streckte ihr meine Hand entgegen, die sie sofort ergriff. „Die Freude ist ganz meinerseits.“ Ich schenkte ihr ein Lächeln, dann trat ich zur Seite, um die Beiden rein zu lassen. Ich folgte ihnen in die Küche, in der mein Vater schon ungeduldig wartete. „Hallo Dad.“ Tobis Stimme klang leicht unterkühlt. Die beiden hatten noch nie ein gutes Verhältnis gehabt, doch seit Tobi studierte war es besonders schlimm. „Tobias.“ Auch die Stimme meines Vaters hatte schon mal herzlicher geklungen. In diesem Moment klingelte es wieder. Da keiner der anderen Anstalten machte, zu öffnen, ging ich noch mal zur Tür. Dieses Mal war es mir deutlich unangenehmer. Ich kannte den Kollegen nicht, ich wusste nicht, wie er auf meine Blindheit reagieren würde.
Ich hasste solche Momente einfach.
Ich atmete noch einmal tief durch, setzte ein Lächeln auf und öffnete die Tür. „Ach hallo, du musst die blinde Tochter sein, von der dein Vater erzählt hat.“ Ich versteifte mich augenblicklich. Der Mann klang überheblich, fast arrogant. Er war mir jetzt schon unsympathisch. „Nun, schön dich zu sehen. Wobei das natürlich nicht auf Gegenseitigkeit beruht, also du kannst mich ja nicht sehen. Aber das ist ja nicht so schlimm, oder?“ Er lachte schallend, als ob er einen sehr guten Witz gemacht hätte. Haha, ich lache mich tot.
„Dad!“ Die Stimme kam von etwas weiter links. Sie klang wütend, entsetzt und auch peinlich berührt. Doch das war nicht der Grund, warum ich zusammenzuckte. Ich kannte diese Stimme. Ich hatte seit heute Mittag fast nichts anderes mehr im Ohr. Das war eindeutig Lukas. Ich hörte Schritte. Ich spürte, wie sich der Vater an mir vorbei drückte und hörte wie Lukas sich mir näherte. „Hallo Julia.“ Seine Stimme klang sanft, wie eine Melodie. Ich konnte aber auch etwas Unbehagen heraus hören. „Hallo Lukas.“ Es war mehr ein Flüstern. Ich war einfach noch zu überrascht. „Das mit meinem Vater eben tut mir leid. Er kann manchmal sehr unsensibel sein. Genau genommen ist er es immer.“ Er lachte grimmig.
„Ach, ist schon ok.“ „Nein, ist es nicht“, wiedersprach er mir. „Aber ich fürchte ich kann nichts daran ändern.“ Ich wusste nicht, was ich darauf hätte antworten sollen. Also wechselte ich das Thema. „Ich bin ehrlichgesagt überrascht, dich hier wieder zu treffen.“ „Glaub mir, mir geht es nicht anders. Ich hatte keine Ahnung, dass hier die begnadete Sängerin wohnt, die uns heute Mittag so fasziniert hat.“ Ich konnte sein Lächeln in der Stimme hören. Mal wieder lief ich rot an und schaute zu Boden, dann fiel mir jedoch was Dringendes ein: „Bitte, sag heute Abend nicht, dass wir uns schon vom Casting kennen. Mein Vater würde ausflippen.“
„Julia! Wo bleibt ihr denn?“, hörte ich da seine Stimme rufen. Wir machten uns also auf den Weg zur Küche. Bevor wir eintraten hielt ich Lukas noch einmal am Arm fest. „Also kann ich mich darauf verlassen?“ „Meine Lippen sind versiegelt.“ Ich atmete erleichtert aus und mit einem leisen „Danke“ betraten wir die Küche.

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Die Küche grenzte direkt an das Wohnzimmer an. In der Mitte stand ein großer Esstisch, an dem die anderen bereits Platz genommen hatten. An den jeweiligen Enden saßen mein Vater und Julias Vater. Sie fühlten sich sichtlich wohl. Auf der einen Längsseite des Tisches saßen ein junger Mann mit kurzen schwarzen Haaren und eine Frau, deren blonden Haare ihr über den Rücken fielen. Beide waren etwas älter als ich. Ich vermutete, dass das Julias Bruder und seine Freundin waren. Gegenüber den beiden waren noch 2 Plätze frei, auf die wir uns nun setzten. Was nun folgte war ein sehr langer, zäher und öder Abend. Ich fragte mich, weshalb ich überhaupt zugesagt hatte. Das nächste Mal weiß ich es besser. Aber andererseits hätte ich, wenn ich nicht mitgekommen wäre, Julia nicht wiedergesehen. Und das wäre wirklich schade gewesen, denn nun da ich sie etwas besser kannte, war ich mir hundertprozentig sicher, dass sie die Richtige für die Besetzung war. Jetzt musste ich nur noch die Jungs überzeugen.
„So“, sagte mein Vater, als das Essen sich dem Ende neigte. „Du wolltest mir doch noch dein neustes Projekt zeigen.“ „Na dann komm mal mit.“ Die beiden Männer erhoben sich. Tobi und Hanna waren bereits gegangen und so saßen Julia und ich noch als einzigen am Tisch. Auf halben Weg aus der Küche drehte sich Julias Vater noch einmal um und sagte: „Ach Julia, du kannst dann abspülen“ Er drehte sich wieder um und lief, gefolgt von meinem Vater aus dem Raum.
Ich sah zu Julia. Sie schaute angestrengt zu Boden. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch ich sah ihr an, dass ihr die letzte Bemerkung ihres Vaters ganz und gar nicht schmeckte. Ihr Unterkiefer zuckte verräterisch, ihre Nasenflügel waren leicht geweitet.
Ohne Vorwarnung erhob sie sich plötzlich und sammelte das Geschirr ein. Ich beeilte mich ihr zu helfen. „Du musst mir nicht helfen. Du hast bestimmt besseres zu tun.“ „Im Moment? Nö. Mein Vater wird so schnell bestimmt nicht fertig und solange ich warte, kann ich dir genauso gut helfen. „Na wenn das so ist… Danke.“ Sie lächelte leicht. Doch es war kein richtiges Lächeln. Es erreicht nicht ihre Augen. Es bildeten sich weder Lachfältchen unter den Augen, noch Grübchen auf den Wangen. Ich war etwas wütend auf ihren Vater, da er der Grund ihres falschen Lächelns war.
Sie drehte sich um und begann das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Dabei saß jeder ihrer Handgriffe perfekt. Nicht ein einziges Mal zögerte sie. Sie benahm sich wie eine sehende. Währenddessen ließ ich Wasser in die Spüle laufen und begann die Töpfe abzuspülen.
„Wie machst du das?“ Ich hatte nicht nachgedacht, als ich das gefragt hatte. Es interessierte mich einfach. Sie schreckte hoch und sah mich an. Aber nicht direkt in die Augen. Sie schaute etwas zu weit nach links und einen halben Zentimeter zu weit nach unten. „Was meinst du?“ Ihre Stimme klang etwas misstrauisch. Ich beeilte mich, es zu erklären. „Naja, ich meine das alles hier. Wie kannst du einen ganz normalen Alltag bewältigen? Wie schaffst du es zum Beispiel die Spülmaschine einzuräumen ohne dass du irgendetwas falsch machst?“
Jetzt lächelte sie leicht, diesmal war der Ansatz eines Grübchens zu sehen. „Durch Übung. Es braucht nichts weiter als sehr viel Übung, Geduld und Leute, die einem helfen.“ Einen Moment war es still. Ich wollte gerade etwas darauf erwidern, als sie weiter sprach. „Am Anfang war es natürlich schwer. Weißt du, ich bin nicht von Geburt an blind, sondern erst seit meinem 13. Lebensjahr. Das macht es einerseits schwerer für mich, da es für mich nicht normal ist. Ein Mensch, der noch nie sehen konnte ist es gewohnt sich auf seine anderen Sinne zu verlassen. Er kennt es ja nicht anders. Aber ich musste das erst erlernen. Mir wurde erst danach bewusst, wie sehr unser Leben von unseren Augen beeinflusst wird. Ich habe Jahre gebraucht, bis ich mich im Alltag zurechtgefunden habe und auch heute brauche ich bei vielem noch Hilfe.“ Sie stockte kurz, schien über etwas nachzudenken und fuhr dann fort: „Andererseits bin ich froh darüber, dass ich erst später erblindet bin. Von Geburt an blinde fragen mich oft Dinge, die für andere ganz normal sind, z.B. wie die Sonne aussieht. Ich weiß es, stelle es mir in Gedanken vor und dann ist es fast so, als ob ich es richtig sehen könnte. Mir bleiben meine Erinnerungen an die Dinge, andere haben das nicht.“
Sie wandte sich von mir ab, nahm ein Geschirrhandtuch und trocknete die Töpfe ab. Ich war noch ganz in ihren Erzählungen versunken, dass ich mich erst einmal sammeln musste, bevor ich mit dem spülen fortfuhr. „Aber“, ich sah sie von der Seite aus an. „Wenn du weißt wie die Dinge aussehen, du eine genaue Vorstellung hast… Dann vermisst du es doch noch mehr, oder? Wie du schon gesagt hast, von Geburt an blinde können ja nicht wirklich etwas vermissen, weil sie es ja gar nicht kennen.“
„Ja, das fragen die Leute mich oft. Aber es ist nun mal so. Natürlich vermisse ich es, keine Frage. Aber ich kann mir die Dinge immer noch vorstellen. Wenn du jemandem zum Beispiel die Farbe Gelb erklärst, der das vorher noch nie gesehen hat, dann kann er sich zwar aus deinen Erklärungen eine Vorstellung zusammenreimen, aber es ist eben was ganz anderes, es mit seinen eigenen Augen zu sehen.“
Ich nickte. Das klang logisch. „Da hast du wohl Recht.“ „Klar hab ich Recht“, lachte sie. Und da war es. Ein richtiges Lachen. Ihre Mundwinkel zogen sich nach oben, die kleinen Grübchen erschienen und diese süßen Lachfältchen ließen ihr Gesicht strahlen. Unwillkürlich musste ich bei diesem Anblick auch lächeln.
Eine Weile schwiegen wir und arbeiteten vor uns hin. Dann fiel mir eine Sache ein, die ich noch wissen wollte. „Wie ist das denn passiert? Also deine Erblindung?“ Ich merkte sofort, dass ich etwas Falsches gesagt hatte. Sie versteifte sich, wurde blass und wandte sich von mir ab. „Das ist eine lange Geschichte.“ Ihre Stimme zitterte leicht. Ich schlug mir gedanklich auf die Stirn. Warum musste ich, Idiot auch danach fragen? Ich hätte mir doch denken können, dass damit keine angenehme Geschichte zusammenhängt. Aber nein, ich muss ja genauso unsensibel, wie mein werter Herr Vater sein. In diesem Moment hörte man Schritte näherkommen und schon stand mein Vater an der Küchentür. „Lukas? Wir gehen.“ Seine Stimme ließ keinen Wiederspruch zu. Ich trocknete also meine Hände an einem Handtuch und folgte meinem Vater zur Tür, wo wir unsere Jacken anzogen. Julias Vater verabschiedete sich von uns beiden. Julia reichte meinem Vater die Hand, dann ging er ungeduldig, wie er war schon mal voraus zum Auto. Nun reichte Julia auch mir ihre Hand, die ich beherzt ergriff. Sie blickte mich an, ich versuchte aus ihrem Gesichtsausruck zu erkennen, ob sie mir meine Bemerkung von eben noch übel nahm. Ich konnte jedoch nichts erkennen. „Tja dann…“ Ich heilt ihre Hand immer noch in meiner. Ich empfand es als äußerst angenehm.
„Tja dann…“, sagte auch sie. „Ich melde mich wegen“, ich senkte meine Stimme. „dem Casting.“ Sie nickte lächelnd, dann ließ ich ihre Hand los und ging hinaus in die Kälte.





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