Secret Destiny - Teil 6

Autor: Noa
veröffentlicht am: 22.10.2012


Hey Leute, ich muss euch leider mitteilen, das dies das letzte Kapitel seien wird, bis ich nach 12 Tagen wiederkomme. Also bis dahin hört ihr auch nichts von mir. Aber anschließend schicke ich sofort den Nächsten ein.

Viel Spaß beim Lesen und ich danke allen Lesern, die meine Geschichten lesen und kommentieren. <3

Noa

Kapitel 6 – Janis

War das Janis oder verwechselte ich ihn mit jemand anderen? Aber solch eine freundliche und starke Stimme wie seine konnte es nur einmal geben. Ein Stein fiel mir vor Erleichterung vom Herzen. Dieses Mal hatte ich ihm wirklich viel zu verdanken. Die Angst hätte mich immer weiter verfolgt und am größten wäre sie zwischen all den anderen Freunden von Cailan gewesen.
„Du schon wieder! Was willst du hier?“, fauchte Cailan und ärgerte sich über sein Einmischen, das mich eigentlich eher aufatmen ließ.
„Dasselbe könnte ich dich fragen. Jule und ich waren verabredet. Geh allein zu deinen Freunden!“, konterte er und es breitete sich ein Grinsen in seinem Gesicht aus. Er verspottete Cailan auf eine ziemlich witzige Weise. Die beiden hassten sich tatsächlich.
Ich wagte einen Blick nach oben, um auch wirklich sicher zu gehen, dass es Janis war. Sein Charakter und Aussehen waren wirklich unverwechselbar.
„Tja, dann bis bald, Jule.“, verabschiedete er sich von mir und drehte uns beiden den Rücken zu. Zu mir schien er noch sehr freundlich zu sein. Woran lag das?
„Tut mir leid, dass ich dir das Treffen mit Cailan vermasselt hatte, aber als ich dich mit ihm gesehen hatte, war ein zurückhalten unmöglich.“
Ich schüttelte den Kopf und löste mich von seinem Arm. Mein Körper drehte sich zu ihm, damit meine Augen in seine blicken konnten.
„Nein, es ist schon okay. Ich hatte auch nicht wirklich vor mit ihm mitzugehen.“, sagte ich und durfte nicht Janis zum Dank verfallen. So ganz unschuldig schien er auch nicht zu sein. Denn etwas an ihm störte mich. Doch ich wusste nicht genau was es war.
„Hast wohl gestern meinen Rat zu Herzen genommen.“, bemerkte er und eine Schamesröte stieg in mein Gesicht. Wer würde sich keine Gedanken darüber machen, wenn jemand einem ins Gesicht sagte, dass er einem Perversling vor die Füße getreten war. Auch wenn Janis‘ Vermutung sich bewahrheiten könnte, ich misstraute ihm genauso wie Cailan. Immerhin entführte er mich gestern unter die Tribüne und hatte nicht einmal den Mut mir zu sagen warum. Nur weil Cailan gefährlich sei? Dahinter steckte mehr. Vielleicht fand ich auch die Wahrheit heraus, wenn ich mich besser mit ihm anfreundete. Cailan musste bestimmt auch Bescheid wissen.
„Welchen Rat eigentlich?“, fragte ich unschuldig.
„Die Wahrheit über Cailan. Du weißt genau was ich meine.“
Ich grinste. „Nehmen wir mal an, dass ich ihn befolgt habe, hätte ich dann nicht gleich zu Cailan gesagt, dass ich mit ihm nichts zu tun haben möchte? Warum soll ich dir denn vertrauen? Vielleicht hast du ja gelogen.“, neckte ich und hoffte auf ein Anzeichen von Nervosität zu finden.
Sein Lächeln verschwand zwar, aber er strahlte eher eine kühle, gelassene Fassung aus. Es gab keine Anzeichen auf eine Aufregung an ihm. Ob er wohl doch die Wahrheit sagte oder einfach nur ein unglaublich guter Lügner war?
„Hör mal, Jule. Ich sage dir nicht wem du glauben sollst und wem nicht. Mir ist das schnurz. Ich habe meine Gründe, was dich betrifft und du deine, was mich angeht. Wenn du mir misstraust, dann tue das ruhig.“
Diese Antwort hatte ich am aller Wenigsten erwartet. Ich dachte, er würde nun mit einer Kontranummer starten, aber das war wohl eher das Gegenteil. Anscheinend war er ein aufrechter Mensch und ein kleiner Zweifel entstand zwischen meinem Misstrauen ihm gegenüber. Selbst der erste Eindruck wirkte auf mich ehrlich und auch wenn ich Angst hatte, wusste ich er würde mir nie etwas tun. Bei Cailan hingegen erschrak ich mich erst einmal, da er sich an mich heran schlich wie ein Raubtier. Er sagte zwar freundliche Worte, kam niemals genervt herüber, aber vielleicht genau das beunruhigte mich an ihm. Er war zu nett, wie dasselbe Spielchen mit seinem zuckersüßen Lächeln. Die Zwei unterschieden sich schon auf die eine oder andere Art. Wem ich nun mehr traute, war wieder eine andere Frage.
„Soll ich dir mal was sagen?“, sprang ich ihn an und trat einen Schritt zurück. „Du und Cailan ihr seid irgendwie beide ziemlich seltsam.“ Zum Schluss konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Auch wenn es eine Beleidigung gegen ihn seien sollte, grinste er dennoch. Wie schon gesagt, seltsam.
„Da könntest du sogar Recht haben. Aber fass bitte auch an deine eigene Nase. Immerhin hast du Cailan verfolgt und ich habe dich dabei erwischt. Du bist ebenfalls nicht unschuldig.“
Da mochte er zwar Recht haben, aber sich jetzt darum zu streiten wer seltsamer war, war lächerlich.
Mich juckte auch noch ein anderer Gedanke. Zugern würde es mich interessieren, ob Janis tatsächlich im Café Louis Surprise arbeitete. Aber ihm solch eine Frage zu stellen, traute ich mich nicht wirklich und den Spaß an der Arbeit – falls es tatsächlich so sein sollte – werde ich sowieso nicht haben.
„Arbeitest du hier irgendwo?“, wechselte ich das Thema ohne Vorwarnung und er warf mir bloß einen misstrauischen Blick zu.
„Ja. In einem Café.“, antwortete er.
„Was machst du da genau?“
Er blickte nach oben und grübelte. Es dauerte eine Weile bis er die richtigen Wörter gefunden hatte.
„Ich bin kein Bediensteter. Sondern eher eine Art Hausmeister und leiste gerne den Kunden Gesellschaft. Ich tue nicht viel dort, da unser Chef unglaublich faul und unsympathisch ist. Warum fragst du?“
Auf diese Frage war ich schon gewappnet und schwieg einfach. Als er merkte, dass ich nichts mehr zu sagen hatte, lachte er bloß. Was war denn nun so witzig?
„Ok. Lass mich raten: Du arbeitest bei uns.“
Wie hatte er denn das herausgefunden? Ob er ein guter Menschenkenner war? Es war wirklich unglaublich. Es verblüffte mich sehr, dass er so schnell den Tatsachen ins Auge sah. Das war ja schon beinahe unheimlich.
„Okay. Du kannst sehr gut raten.“, seufzte ich. „Dann hatte ich mir wohl den geeigneten Arbeitsplatz ausgesucht.“ Der letzte Satz war natürlich ironisch gemeint, was er auch sofort verstand.
„Mir macht das überhaupt nichts aus. Ich arbeite schließlich nur mit Mädchen zusammen, dazu gehört auch meine Schwester, Liv. Du hast sie bestimmt schon kennengelernt.“
„Ja, das habe ich. Aber eigentlich meine ich etwas anderes. Mir wäre eine Arbeit lieber gewesen ohne seltsame Typen wie euch beide. Aber anscheinend habe ich nun keine andere Wahl und es sind nur fünf Wochen die ich durchhalten muss.“
„Okay!“, rief er plötzlich und er klang etwas wütend. „Ich habe verstanden dass du mich nicht leiden kannst! Keiner zwingt dich im Café zu arbeiten. Such dir doch einen anderen Arbeitsplatz, die Chance hast du zumindest noch. Aber jammere mir nicht die Ohren voll, weil jemand im Café arbeitet, der dir noch nie etwas getan hat und du ihn aus einem unverständlichen Grund nicht magst.“
Die Worte trafen ins Schwarze und anscheinend schien er nun noch erzürnter zu sein, bevor er zu predigen begonnen hatte. Wenn ich mich an meine vergangenen Worte erinnerte, hatte ich tatsächlich nur an ihm herumgenörgelt, obwohl er mich vorhin vor Cailan gerettet hatte. Ich bin wirklich ziemlich egoistisch und temperamentvoll geworden. Aber das war erst seit dem Tag, als Tanja mir von meiner Adoption erzählte. Wie konnten nur die kleinen vier Wörter; Du bist adoptiert worden, mich wegen so etwas prägen? Zu diesem Entschluss bereute ich meine Aussage.
„Tut mir leid,...wirklich.“, entschuldigte ich mich. Es fiel mir zwar ein wenig schwer, zögerte auch zuvor, aber im Endeffekt tat Janis mir noch nichts und warum sollte ich ihn dann schon verabscheuen? Ich konnte es mir nicht leisten in dieser Stadt mir schon Feinde zu machen. Manchmal würde ich mir gerne selbst auf die Wange schlagen. Aber das gehörte zu mir dazu, zuerst handeln, dann Nachdenken, was in dem Sinne falsch war.
Janis atmete lange aus und lief an mir vorbei, ohne ein weiteres Wort. Ich blickte ihm nach, konnte es nicht fassen, dass er wieder verschwinden wollte. Aber dieses Mal hielt ich ihn wirklich auf.
Meine Schritte verfolgten ihn und am Brunnen, mitten auf dem Marktplatz, legte er seinen kleinen Rucksack ab und setzte sich erschöpft auf die Bank. Ich nahm neben ihm Platz. Unsere Blicke kreuzten sich.
„Du lässt wohl nicht gerne locker, oder?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Also schön.“, seufzte er und legte seine Arme ausgestreckt auf die Rückenlehne. Seine Hand berührte meine Haare.
Die Sonne schien in mein Gesicht und brannte auf meiner Haut. Janis entspannte es jedenfalls.
„Gibt es noch Fragen?“, neckte er und schloss beide Augen.
„Jede Menge. Allerdings wirst du sie mir nicht beantworten. Deswegen frage ich erst gar nicht. Aber eine Antwort könntest du mir geben. Wie sieht Cailans Bruder aus? Und wie heißt er? Ich möchte nur Bescheid wissen.“
Janis fuhr seine Arme wieder ein und beugte sich nach vorne. Nun hingen seine Hände zwischen seinen Beinen und er blickte erneut in meine Augen.
„Tja, er ist sein eineiiger Zwillingsbruder. Ich hasse ihn genauso wie Cailan. Aber vor dem würde ich mich wirklich in Acht nehmen. Der Unterschied sind nur ihre Haare.“, erzählte er und seine Mimik wurde dabei eiskalt. Seine Augen verdunkelten sich und eine Gänsehaut durchfuhr meinen Körper. Was könnte denn noch schlimmer als Cailan sein? Sein Tonfall wurde immer ernster. „Vor wenigen Monaten wurden mehrere Leute ausgeraubt, eine Frau verschwand für wenige Tage und man entdeckte sie in einem Müllcontainer, nackt. Auf unerklärliche Weise lebte sie noch, nur blaue Flecken und Ergüsse waren an ihr zu finden. Sie hatte keinerlei Erinnerungen der letzten vier Tage.“
„Was hat das mit Cailans Bruder zu tun?“, fragte ich verblüfft.
„Ganz einfach. Ich verdächtige diesen Typ. Er hatte auch einmal Liv im Café belästigt, bis ich beinahe handgreiflich werden musste. Diese zwei Brüder machen nichts als Ärger.“
„Aber du kannst doch nicht deine Feinde für so eine schlimme Tat verantwortlich machen. Das waren bestimmt irgendwelche gestörten Jungs, die nicht klar im Kopf sind. Solche gibt es in Berlin haufenweise. Aber nur weil die Stadt so unglaublich riesig und eng ist.“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Das sind nicht die einzigen Fälle. Cailan und sein Bruder haben eine Geschichte, die bei Leuten wie mir eine Runde dreht. Besonders auf der Schule wissen viele über die Zwei Bescheid. Hier in Lauscha ist beinahe zu perfekt dafür. Es gibt hier nicht einmal anständige Polizisten, sondern sie nennen sich Stadtwächter. Die scheren sich einen Dreck um die Ordnung. Meiner Meinung nach wären sie die letzten auf der Welt, die ich um Hilfe bitten würde.“
Den Stadtnamen hatte ich beinahe verdrängt. Mir fiel es schwer einen Neuen anzunehmen.
„Du hinterlässt nicht gerade den besten Eindruck der Stadt.“, kicherte ich und er musste selbst lachen.
„Ja, sorry, du hast Recht. Sie ist nicht schlecht, aber immer gibt es irgendwelche Banausen, die meinen sie müssten Unruhe stiften. Vor allen Dingen, weil das Gymnasium so unglaublich überhäuft ist und jeder kleine Grüppchen bildet, die gut oder auch schlecht seien können.“
Janis verschränkte seine Finger ineinander und ließ sich zurückfallen. Seine Augen glänzten im Schein der Sonne wie ein grüner Diamant. Man erkannte dass sie nicht ganz grün waren, ein hellblauer Ring umgab die Iris.
„Cailans Gruppe ist am Größten.“, fügte er hinzu.
„Als ich das erste Mal mit ihm sprach, wollte er dass ich mit ihm die Pause verbringe, zusammen mit seinem Bruder.“
Seine Augen rollten zu mir. „Und? Wirst du?“
Ich verzog meine Mundwinkel und wusste nicht wirklich was ich antworten sollte.
„Ich denke eher nicht. Mit wem bist du denn in der Pause?“, returnierte ich.
„Liv, Sam und noch ein paar anderen.“
„Ist Sam auch einer deiner Geschwister?“, lächelte ich. Er zog eine Augenbraue hoch. In dieser Stadt hatte jeder einen Zwilling oder einen Geschwisterchen. Wahrscheinlich wurde man schon verachtet, wenn man ein Einzelkind war. Jedenfalls hörte es sich so in meinen Ohren an.
„Nein. Er selber hat auch keine. Er ist einer meiner besten Freunde. Ich kenne ihn seit wir beide krabbeln konnten. Ein echter Sandkastenfreund.“
„Aber weißt du denn warum es hier so eine hohe Kriminalrate in letzter Zeit gibt?“, fragte ich und lenkte vom Thema ab, da mich es beängstigte in einer Stadt gelandet zu sein, bei der Personen verschwinden und bestohlen werden.
„Naja, in letzter Zeit werden wieder viele ehemalige Kriminalstraftäter aus dem Lauscha Gefängnis, auch River genannt, entlassen.“, antwortete er und blickte gegen die Sonne.
„Hier gibt es auch noch ein richtiges Gefängnis?“, verblüffte mich diese Stadt immer mehr.
„Sogar eines der dritt größten von Thüringen. Allerdings steht es etwas abseits. Das war mit Absicht so, denn bei einem Ausbruch können die Flüchtlinge sich nirgends verstecken. Um das Gefängnis herum befindet sich nur flaches Grasland. Doch in letzter Zeit gibt es Mangel an Sicherheitskräften. Etwas stimmt im Moment nicht und das beunruhigt mich.“, versank er zum Schluss in seine Gedanken, ohne sie mit Absicht laut aussprechen zu wollen.
„Sind dort schlimme Sträflinge?“
Janis lachte auf. „Was bezeichnest du denn als schlimm?“
„Mörder.“, gab ich Antwort.
Sein Blick fiel zum Boden. Er kratzte sich an seinem Kinn und allmählich wurde ihm das Gespräch zu heiß. Er gab Sachen preis, die er vielleicht einer Fremden nicht erzählen sollte. Was wusste er denn schon über mich? Es könnte doch gut sein, das einer meiner Freunde zufällig im Gefängnis saß und ich versuchte aus ihm wichtige Informationen herauszubekommen. Natürlich war das nicht der Fall, aber statt seinerseits wäre ich lieber vorsichtig.
„Tja, Mörder, Vergewaltiger, Diebe, Stalker, Serienkiller. Eigentlich alles.“, sagte er und lächelte kurz auf. Im ersten Moment dachte ich wirklich, er scherzte, aber anscheinend war jedes Wort ernst genommen.
„So, ich werde Liv nun abholen und dann nach Hause fahren.“
„Fahren?“, fragte ich verwundert.
„Ja, ich wohne nicht wirklich in dieser Stadt. Sondern hinter einem kleinen Berg, mindestens dreizehn Kilometer weiter entfernt.“
Er stand auf und lief der Sonne entgegen. Bevor er endgültig verschwand, drehte er sich noch zu mir um.
„Bis dann, Jule. Wir sehen uns auf der Arbeit.“, verabschiedete er sich grinsend und kehrte zurück zur kleinen Gasse.
Als er hinter der Ecke verschwand, machte ich mich auch auf den Weg nach Hause. Die ganzen kriminalen Taten über die Vorfälle hier, machten mir eine Heidenangst. Ich meine, eine Frau die nackt in einem Müllcontainer aufgefunden wurde? Das klang doch völlig krank und absurd. Ob er mir auch nur Angst machen wollte? Aber aus was für einem Grund? Dass er Cailan und seinen Bruder verdächtigte, veranlasste mich zum weiteren Blocken von Cailans Angeboten. Der Gedanke war so absurd und ekelerregend von jemandem angefasst zu werden, an Stellen, die ... Nein! Ich musste mir dies aus dem Gedächtnis streichen. Trotzdem hasste ich Janis dafür, dass er ausgerechnet mir solche Dinge erzählte. Der wollte mir bloß Angst einjagen, damit ich hoffentlich wieder die Stadt verlasse. Pah! Ich werde doch vor solchen Märchen keine Angst zeigen. Der kann sich auf etwas gefasst machen. Es wäre doch leicht herauszufinden, ob Cailan ein Perversling war oder nicht. Er meinte, er wollte am Sportplatz mit seinen Freunden Fußball spielen. Wenn sie tatsächlich dort waren, log Janis und falls nicht, dann musste es Cailan wohl beabsichtigt haben mich dorthin zu locken.
Bei diesem Gedanken lief ich aus der Stadt hinaus, zur Pension. Meine Beine waren so schnell, das nur mein Schatten an der Haustür kleben blieb und ein Windzug an der Wand vorbeischlitterte. Zwischen den Büschen musste ich meinen Körper vorbeidrängen und von weitem waren schon Stimmen zu hören. Eigentlich hatte ich vorgehabt, wie bei einem Überraschungsangriff, aus dem Busch zu springen und Cailan zu erschrecken, aber als meine Augen Janis entdeckten, wunderte ich mich. Die wichtigste Frage war, wie konnte er so schnell am Sportplatz sein und er selber hatte auch gelogen. Er wollte wahrscheinlich gar nicht nach Hause, sondern sich nur dem vorherigen Gespräch entziehen. Die Zweitwichtigste war, warum kam er ausgerechnet hierher?
Meine Augen versuchten den Ort zu analysieren. Auf der Mauer vor den Tribünenplätzen saß ein junges schwarzhaariges Mädchen. Ihre Beine baumelten an der Mauer entlang. Sie trug einen grauen Kapuzenpullover und eine schwarze Hose mit dunkelblauen Stiefeln.
Als nächstes fiel mein Auge auf einen jungen Mann, der einen Fußball unter seinem Arm hielt. An seinem Oberkörper befand sich ein schwarzes enges Shirt, das sehr gut zu seinem muskulösen langen Körper passte. Über seine Beine war eine lässige kurze Sporthose gezogen mit den passenden Schuhen. Seine Haare waren dunkelbraun. Ob das Cailans Bruder war? Die Statur schien mit ihm einzustimmen. Janis meinte auch, dass die beiden sich bloß in ihrer Haarfarbe unterschieden. Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir den Typen mit blonden Haaren vor und es hätte wirklich Cailan seien können. Wahnsinn! Aber konnte man das dann als eineiige Zwillinge bezeichnen? Vielleicht gab es bei seinem Bruder oder ihm einen Fehler bei der Geburt und seine Haare wurden dunkel, beziehungsweise hell. Ein Stückchen weiter stand Cailan und unterhielt sich mit Janis. Knapp hinter ihm lauschte Liv ihren Worten. Über was Sprachen die Drei da? Der Dunkelhaarige schien sich nicht wirklich dafür zu interessieren und lief zum Mädchen auf der Mauer herüber. Sie lächelte ihn an. Nun waren die Gespräche in zwei Gruppen aufgeteilt, allerdings schäkerten das Mädchen und der Junge miteinander und die anderen Drei schienen ein ernstes Gespräch zu führen.
Ich kniete mich zu Boden und versuchte wenigstens nur Anschlüsse oder vereinzelte Wörter zuerkennen, aber der Wind brauste, die Blätter raschelten und ich stand viel zu weit weg. Es machte mich wütend und trotzdem konzentrierte ich mich auf die Stimmen der Drei. In meinem Kopf spielte ich ihre Tonlagen ab und versuchte damit irgendetwas herauszuhören. Außerdem versuchte ich die passiven Geräusche um mich herum auszuschalten. Mit geschlossenen Augen lief es besser und plötzlich hörte ich Tonlagen, aber verstand noch kein wirkliches Wort. Als ich all meine Gedanken ihnen widmete, mir vorstellte welche Mimiken und Gestiken sie verwendeten zu den passenden Stimmen, wurde das Bild immer schärfer. Meine Ohren konnten tatsächlich ein zwar undeutliches, aber interessantes Gespräch mitbekommen.
„So langsam habe ich deine Spielchen satt, Cailan. Lass die Finger von ihr.“, drohte Janis ihm.
„Ach so. Verstehe. Hör mal, ich werde mich bestimmt nicht zurückziehen, jetzt wo wir sie endlich gefunden haben ... schwach, aber es reicht aus ... ich weiß wie ich es auf hundert Prozent heraus- ... sind wir viel stärker und in der Überzahl ...“, hörte ich aus der bedrohlichen Ansage von Cailan heraus. Es klang ziemlich ernst zu sein. Ob es wohl um Liv ging? Janis erzählte, dass er und sein Bruder ständig Ärger bereiten würden. Zwischen ihnen herrschte ja eine wirklich große Anspannung.
„Jetzt ist Schluss!“, schritt Liv ein und legte jeweils eine Hand auf ihre Brust, um die beiden voneinander zu trennen, bevor der erste Faustschlag fiel. „Wir kennen die Regeln, Cailan. Aber selbst du ... auch wir in der Lage sind ... Shera gehört niemanden und es ist ihre freie Entscheidung für wen sie sich entscheiden wird.“ Ihr Blick fiel zu Cailan, der schon aus Wut seine Zähne fletschte. „Ihr wollt ... das ist skrupellos und falsch.“
Die beiden Männeraugen blickten sich immer noch mit einem zornigen Ausdruck an. Also ging es um eine Person namens Shera. Es handelte sich bestimmt in dem Streit um eine Frau. Aber was meinte Liv mit den Regeln? Und wer war diese Shera? Das alles klang schon ziemlich mysteriös. Aber wenn meine Augen zu den anderen beiden vielen, die miteinander immer noch herumalberten, konnte es nun auch wieder nicht so wichtig sein. Meine Schritte liefen immer weiter rückwärts, da ich Angst hatte aufzufallen und schlich mich zu meinem Haus. Vor der Tür steckte ich den Schlüssel ein und verschwand nach drinnen. Natürlich war niemand da, wahrscheinlich nur Liana, die sich oben am Fernseher vergnügte.
In meinem Zimmer ließ ich mir die Wörter der Drei durch den Kopf gehen, stellte andere Theorien auf, aber keine passte wirklich.
Auf dem Schreibtisch suchte ich in der Zwischenzeit nach meinen ganzen Unterlagen, Lebenslauf, Zeugnisse und eventuell eine handgeschriebene Bewerbung. Aber meine Gedanken schienen wichtiger zu sein.
Bestimmt handelte es sich um etwas total Harmloses. Die unnötigen Sorgen, die in mir aufstiegen, waren wahrscheinlich umsonst. Auch der Glaube an Cailans angebliche perverse Absicht senkte sich allmählich. Janis hatte mir nur etwas vorgemacht, damit ich mich höchstwahrscheinlich auch gegen ihn stellte. Er und sein Bruder waren gewöhnliche Jungs, die auf ein Gymnasium gingen und ihr Leben lebten. Janis log wahrscheinlich auch in der Sache mit der Stadt und den vielen Vorfällen. Trotzdem verstand ich immer noch nicht, warum das alles? Der vertraute Ausdruck in seinen Augen, als ich ihn das erste Mal sah und die unvorhersehbare Sicherheit, die er mir mit jeder Berührung schenkte. Eines stand fest. Ich wollte fiel mehr über die beiden herausfinden und meine erste Regel bestand darin, vertraue niemanden.






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