Secret Destiny - Teil 8

Autor: Noa
veröffentlicht am: 09.11.2012


Hier kommt der 8. Teil. Ihr müsst mir am Schluss mal sagen, ob ich übertrieben habe mit der heftigen Reaktion von Jule gegenüber von Cailan. Aber ich wollte schon immer in einer Geschichte eine Ohrfeige einbauen :D
vlg Noa


Kapitel 8 – Cailans Spielzug

Ich dachte ich hätte mich verhört. Es erklang jedoch ein zweites Mal und vorsichtig spitzte ich mich ans Fenster. Eine Person stand mit dunklen Augen unten. Aber die hellen blonden Haare ließen mich erkennen, dass es Cailan war. Was zum Teufel tat der Kerl da? War der lebensmüde? Ich war stinksauer. Was erlaubte er sich eigentlich?
Ich warf ihm einen wütenden Blick zu und er wank mich zu sich. Der kann etwas erleben!
Mit leisen Schritten schlich ich mich nach unten und wollte aus der Tür gehen, als ich wieder den neuen Rezeptionisten im Nacken spürte.
„Wohin denn schon wieder, wenn ich fragen darf?“
„Ich brauche frische Luft, äh...“
„Lukas“, vervollständigte er meinen Satz. „Ok. Dann bis gleich. Sei aber vorsichtig. Wenn ich ehrlich bin, finde ich es ziemlich unheimlich an einer alten Schule ... so abgeschnitten von der Stadt.“
„Ja, ja...“, murmelte ich und verschwand aus der Tür. Cailan stand an der Ecke und wank mir zu. Ich war richtig wütend, sodass mir der Kragen beinahe platzte. Eigentlich hätte ich nicht hinunter gehen dürfen und seine Steinchen weiter ignorieren sollen. Aber einfach an ein fremdes Fenster Steine zu werfen, war unerhört. Meine stampfenden Füße schlugen mit Wucht auf den Boden. Als ich vor ihm stand, hob ich meine Hand und sie schliff laut klatschend an seiner Wange vorbei. Meine Fäuste ballten sich, am liebsten hätte ich mit der anderen noch hinterherschlagen sollen.
„Sag mal, spinnst du?“, keifte ich und unerwartet bildete sich ein mir unverständliches Lächeln auf seinem Gesicht.
„Wow...“, meinte er und rieb sich an der erröteten Wange. Sein gequetschtes Lächeln verschwand nicht, was mir Angst bereitete. „Das war ein ganz schön harter Schlag.“
„Ist das alles was du zu sagen hast? Was willst du Cailan? Es ist spät und ich wollte gerade schlafen gehen“, fauchte ich ihn weiter an.
„Ja, Entschuldigung. Wir haben zwar erst halb neun und von Dunkelheit kann man noch nicht sprechen, es dämmert“, beschwerte er sich und ließ nicht von seiner Wange locker. Ich glaubte der Schmerz hatte wirklich gesessen. Er hatte es verdient!
„Was willst du?“, fragte ich ungeduldig und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Nur mit dir reden und das du eventuell mit mir ein bisschen spazieren gehst.“
Mein Magen verzerrte sich. Mit Cailan allein? Das wäre mir viel zu gruselig, aber ich kann mich nicht noch einmal drücken. Dann würde ich auffallen und ich hatte mir geschworen auch mehr über ihn und seinen Bruder herauszufinden. Janis jagte mir mit seinen Geschichten eine Menge Angst ein, aber das Risiko musste ich einfach wagen, falls seine Aussagen wahr waren.
Ich seufzte kapitulierend.
„Also schön.“
Cailan drehte sich einfach um und lief voraus. Ich folgte ihm und er rieb noch immer an seiner Wange. Ich ignorierte es einfach.
„Hab gehört du arbeitest jetzt im Café Louis Surprise“, begann er und ich konnte mir denken auf was er hinaus wollte. Ihm gefiel es anscheinend nicht, dass dort Janis und Liv arbeiteten.
„Ja, und?“, konterte ich.
„Ich habe da auch mal gearbeitet“, sagte er und verzog schmerzverzerrt sein Gesicht, als er die Hand aus seinem Gesicht nahm. Aber diese Antwort hatte ich nicht erwartet. Ob dort schon Janis und Liv arbeiteten? Waren sie damals doch Freunde gewesen? Janis meinte er und Cailan kannten sich schon seit der Kindheit, aber ich erschloss diese Aussage eher aus einer ewigen Feindschaft.
„Warum arbeitest du da nicht mehr?“, fragte ich und ließ dummerweise meine Maske fallen. Er hatte meine Neugierde entdeckt und grinste.
„Du hast bestimmt schon mitbekommen, dass Janis und ich uns nicht wirklich verstehen. Deshalb kündigte ich und beschloss woanders zu arbeiten.“
„Ach, ihr habt euch nicht immer gehasst?“
Wir kamen auf dem Sportplatz an und er lenkte mich in Richtung Tribüne. Die großen Scheinwerferlaternen erhellten die komplette Wiese und durch das Dach über uns, erreichte es nicht die Sitzplätze. In einer der obersten Reihen setzte er sich endlich hin, worauf ich folgte.
„Nein. Janis war einer meiner besten Freunde gewesen. Aber durch eine kleine Meinungsverschiedenheit hassen wir uns nun.“
Das hatte ich nicht gewusst! Janis‘ Aussage klang eher so, als ob er Cailan schon immer verachtete. Seltsames Gefühl, das die beiden einmal Freunde gewesen waren. Es war schon beinahe schade, dass sie sich nicht mehr vertrugen. Janis erzählte, das Cailan ihm etwas wegnahm. Ob er damit die Meinungsverschiedenheit meinte? Irgendetwas war an den beiden Aussagen falsch. Ich denke, es ging um sehr viel mehr, als bloß ein kleiner Streit. Denn beste Freunde hassten sich nicht wegen etwas Kleinem. Ich sprach aus Erfahrung.
„Was musst du denn eigentlich im Café alles machen?“, fragte er neugierig und schaute in meine Augen. Was an Cailan auch sehr merkwürdig war, das ich beim intensiven Betrachten seiner Visage merkte, das er unglaublich schön war. Dabei musste mehr im Spiel sein. Solch eine Schönheit, so makellos und rein konnte doch nicht existieren, oder doch? Janis war zwar auch bemerkenswert, aber er schien natürlicher und lebendiger zu wirken. Cailan hingegen war beinahe schon unnatürlich schön.
„Ich helfe Janis. Ich wurde als Hausmeisterin eingestellt. Ich bin seine Gehilfin. Louis hatte mich zu ihm geschickt.“
„Ach ja, damals musste ich die gleiche Drecksarbeit machen. Hat aber irgendwann trotzdem Spaß gemacht. Janis und ich waren die Einzigen, die etwas auf dem Kasten hatten. In Reparaturen waren wir unschlagbar.“
Wie konnte Cailan das nur sagen? Der Rohrbruch schien doch kein Problem für Janis zu sein. Ich verzweifelte immer mehr an dem Glauben zu gewinnen. Das Dinner rückte mir auf die Pelle.
„Rohrbrüche auch?“
Cailans warf mir einen misstrauischen Blick zu. Natürlich war es eine komische Frage, aber er tat so, als ob er keine Hintergedanken vermutete.
„Ja. Alles. Verstopfung von Toiletten, Rohren und anderen Dingen. Wir waren auch für den Müll zuständig und eben alles was ein Hausmeister tat.“
„Oh, okay.“ Es beruhigte mich das nicht die Frage: Warum fragst du, auftauchte. Ich musste mir eben mit der Ohrfeige den Respekt erworben haben. Der Vorteil meines temperamentvollen Charakters bestätigte mir jedes Mal, dass sich in der Schule einige Leute von mir fern hielten. Respekt musste man sich eben verdienen. Allerdings hatte ich trotzdem Angst und fürchtete mich abends auf dunklen Straßen umherzugehen. Besonders in Berlin schaute ich, das ich spätestens schon gegen zehn Uhr im Haus war. Außer, wenn ein Ausgang anstand, dort war ich mit meinen Freunden unterwegs und fühlte mich sicher.
Zu Beginn hatte ich Angst mit Cailan allein zu sein, aber er war nicht anders wie Janis, auch wenn er ein wenig lässiger mit Situationen umging.
„Mit wem hängst du eigentlich meistens ab?“, fragte ich auf eine kumpelmäßige Art.
Er lachte und es freute ihn, dass ich mich endlich für ihn interessierte.
„Mit meinem Bruder Dayan und Vire.“
„Ich glaube deinen Bruder habe ich schon mal gesehen. Obwohl ihr eineiige Zwillinge seid habt ihr dennoch unterschiedliche Haarfarben. Wie kommt das?“
„Ich habe eine Pigmentstörung und helle Haare bekommen. Sozusagen ein halber Albino. Aber man merkt es mir nicht an. Sieht aus wie ein normales Blond“, sagte er und meine Vermutung hatte recht behalten.
„Und Vire ist eure Freundin? Ziemlich ungewöhnlicher Name, finde ich.“
„Ja, das ist sie. Sie ist mit Dayan zusammen. Das V am Anfang wird wie ein W ausgesprochen und hört sich wie ein geschwollenes “fire“ an. Sie mag es nicht, wenn ich ihn manchmal verhätschle. Ihre Herkunft ist mir leider unbekannt und ja, er ist sehr seltsam.“
Mein Blick wandte sich zum dunklen Rot am Himmel. Umso düsterer es wurde, umso unheimlicher wurde der Sportplatz. Unter der Tribüne, als Janis mich entführte, spürte und sah ich teilweise den Staub und den Dreck. Hier wurde schon sehr lange nichts mehr gemacht und mich würde es nicht wundern, wenn Obdachlose diesen Ort aufsuchten.
„Geht Janis eigentlich auch in deine Klasse?“
Cailan nickte, aber am liebsten würde er ihn wahrscheinlich rausschmeißen wollen, damit der Unterricht ertragbarer wurde. In meiner damaligen Klasse waren auch einige Jungs und Mädchen, die ich hätte erwürgen können. Umgekehrt dachte es sich Janis bestimmt genauso.
„Wechsel doch.“
Er lachte und schaute mich an. „Was denn? Zu dir?“
Ich schluckte schockiert. So hatte ich es nicht gemeint.
„War ein Witz!“, kicherte er. „Du müsstest mal dein Gesicht jetzt sehen.“
Wenn Cailan lachte, konnte ich meine Mundwinkel nicht still halten und musste mitgrinsen. So übel war er gar nicht. Er schien, trotz Janis‘ Warnung, schwer in Ordnung zu sein.
Ich klatschte mit den Händen auf die Beine und erhob mich vom Sitzplatz.
„Ich werde wieder zurückgehen und mich schlafen legen. Morgen wird es wieder ein Haufen Arbeit geben“, begann ich und Cailan erhob sich ebenfalls.
„Alles klar.“
Er begleitete mich noch zur Haustür, worüber ich eigentlich ganz froh war, da selbst der kleine Rückweg zum Fürchten war.
Meine Augen wanderten zu seinem Gesicht, die Wange war noch immer sehr rot und schien ganz leicht angeschwollen zu sein. Der Schlag war womöglich sehr schmerzhaft gewesen.
Beschämend fasste ich nach meinem Arm und drückte mit meinen Zehenspitzen den Boden ein.
„Ach, Cailan, tut mir leid, das mit der Ohrfeige“, entschuldigte ich mich und senkte mein Gesicht nach unten.
Er warf mir ein glückliches Lächeln zu. „War gar nicht so schlimm wie es aussieht.“
Ich kicherte.
„Tja, dann gute Nacht“, sagte ich.
Er nickte, drehte sich um und verschwand hinter der Ecke wieder.
Als ich an der Rezeption vorbeilief, hielt mich erneut Lukas auf.
„Ich weiß zwar nicht wie viel Luft du geschnappt hast, aber es scheint dich ja ziemlich glücklich gemacht zu haben. Ich urteile nur nach deinem Ausdruck.“
Das war mir nicht aufgefallen. Meine Gedanken hatten nun mal um Cailan gekreist und es war eine Erleichterung ihn nicht als Perversling abzustempeln. Er war wirklich ein vernünftiger Kerl, was sein Bruder bestimmt auch sein musste.
„Gute Nacht, Lukas“, beendete ich das Gespräch und bemühte mich keine Antwort zu geben. Ich lief lieber schleunigst die Treppe hinauf. Ich verschwendete nicht einmal einen Blick an den kleinen Jungen.
Im Bett genoss ich die Ruhe, schweifte grob über den vergangenen Tag und schloss meine Augen. Auf morgen freute ich mich seltsamerweise. Ob es wieder an Janis lag?
Der Schlaf kam mir wie ganze fünf Minuten vor. Augen zu und wieder auf. Jedoch stand ich mit einem breiten Grinsen, einer guten Laune und einer mir unvorstellbaren Motivation im Zimmer. Ich fühlte mich zum aller ersten Mal in diesem Haus wohl. Mein Vater hatte recht gehabt, ich gewöhnte mich schon nach eine knappen Woche ein.
Heute zog ich aber etwas Bequemes und Altes an. Ich konnte von Glück reden, das mein Blazer gestern noch ohne einen Fleck davon kam. Janis würde auch mit der Reparatur am Rohrbruch beginnen und laut Cailans Aussage, konnte ich schon mal die Kleider für das Dinner zusammen suchen.
Ich seufzte und lief in die Küche, um dort zu frühstücken. Am frühen Morgen hatte ich meine Mutter oder meinen Vater erwartet, aber keine der beiden schien überhaupt die Küche betreten zu haben. Ob sie verschlafen hatten?
Ich schüttelte den Kopf, schaltete das Radio an und genoss mein leckeres Marmeladenbrot.
Nach knappen zwanzig Minuten lief ich nach draußen, merkte dass Lukas nicht mehr an der Rezeption stand, sondern niemand und schloss die Tür hinter mir.
Im Café lief ich natürlich durch die Hintertür und überraschte Liv und Kimberlys Zwillingschwester Janina. Es war schön von den beiden freundlich begrüßt zu werden. Ich fühlte mich schon ein Teil dieses Lokals, obwohl es erst mein zweiter Arbeitstag war. Mein Glücksgefühl wäre am liebsten aus mir herausgeschossen. Normalerweise war ich nicht der Typ um fröhlich zu sein, aber irgendetwas hatte gestern, dieses in mir unerklärliche Feeling freigesetzt.
Draußen im Hof wartete ich geduldig auf Janis, aber er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Das ungeduldige Warten senkte meine Freude.
Nach guten zehn Minuten riss Janina die Tür auf.
„Ach, Jule, wenn du auf Janis wartest, müsstest du bist zur Mittagspause warten. Er hat gerade eben angerufen und gemeint er kommt erst später. Du musst leider ein paar Stunden alleine sein. Falls etwas ist, Liv und ich sind da“, rief sie und schloss die Tür mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
Wie ein Schlag ins Gesicht vernichtete es meine gute Laune. Janis war nicht hier? Sollte ich denn ganz allein arbeiten?
Ich hatte keine andere Wahl. Es gab noch einige Stellen die mit Unkraut besetzt waren, aber aus Frust und Langeweile kratzte ich sie mit einer dumpfen Sichel heraus. Die Minuten wurden zu Stunden und am liebsten hätte ich alles hingeschmissen. Warum war denn meine gute Laune plötzlich weg? Was geschieht hier? Lag es an Janis, so wie ich mich gestern schon auf ein Wiedersehen mit ihm freute?
Nein!
Ausgeschlossen. Bestimmt zog mich die Langweile hinunter. Aber wieso empfand ich dann zusätzlichen Frust? Es war doch nichts passiert. Das Zerschneiden meiner Gefühle entstand in dem Moment, als Janina mir berichtete, dass Janis für einige Stunden weg war. Offensichtlichen musste das Stichwort allein mir einen Schlag verpasst haben. Genau, denn jetzt durfte ich all die Arbeit alleinweitermachen. Ich bin nur wegen der Wahrheit an Janis interessiert. Dachte ich jedenfalls.
Nach knappen einsamen vier Stunden schlürfte ich noch immer auf den Pflastersteinen umher. Die Rillen waren nicht nur vom Unkraut befreit, sogar von der Erde. Mit einer Handschaufel und einem Feger wischte ich die Reste weg.
Nach meinem erschöpften Seufzer hörte ich die langersehnte Stimme in meinen Ohren.
„Du bist aber fleißig“, lobte er mich und ich drehte meinen Kopf zu ihm um.
Er trug eine schwarze Jogginghose, die am Fußknöchel mit einem Gummi zusammen gebunden war. Das hautenge dunkelgraue T-Shirt betonte seine Brust- und Armmuskeln. An seinem Handgelenk trug er ein silbernes glänzendes Armband, das mir zum ersten Mal auffiel. Es war mindestens einen Finger schmal und funkelte matt in der Sonne.
Sein verwirrter Blick verriet mir jedoch, dass sein vorheriger Satz reine Ironie war. Denn meine Beine lagen ausgestreckt am Boden, meinen Oberkörper stützte ich durch die Arme, die ich hinter mir platziert hatte und streckte mein Gesicht der Sonne entgegen.
„I-Ich...“, stammelte ich und erkannte nicht den Grund für mein plötzlich seltsames Verhalten. Ich spürte wie mein Magen kribbelte.
„Schon okay. Ohne mich bist du eben aufgeschmissen“, sagte er scherzend und setzte sich zu mir herunter. Ich musste kichern, als er sich in der gleichen Position wie ich hinsetzte.
„Du willst mich wohl ärgern, oder?“, fragte ich und petzte ein Auge zu, als die Sonne mich blendete.
„Nur ein bisschen“, scherzte er. „Du darfst es ja. Das ist deine wohlverdiente Pause. Auch wenn du die Erde zwischen den Pflastersteinen nicht auskratzen brauchtest, sieht es dennoch ordentlich und gepflegt aus.“
„Soll das etwa heißen, dass ich meine Arbeit gut gemacht habe?“, fragte ich neckend und blickte ihn mit einem breiten Grinsen an.
„Für eine Frau...“, er verzog die Mundwinkel überlegend. „...war es ganz gut.“
Ich musste lachen. Janis gab wohl nicht gerne zu, dass auch andere Personen, sogar eine Frau, gut im handwerklichen Bereich sein konnte.
„Was machen wir nun?“, fragte ich und zupfte mir einen Fleck von meiner alten Jeans.
„Ich will doch mein Dinner haben“, sagte er und erhob sich vom Boden. „Deshalb werde ich mich gleich an den Rohrbruch hängen.“
Bevor er wieder ins Café gehen wollte, packte ich seinen Arm und er drehte seinen Kopf zu mir.
„Was ist mit mir?“
„Du wirst schön mitkommen. Ich brauche doch Zuschauer bei meiner Profiarbeit.“
Zuerst rollten sich meine Augen nach oben und anschließend nickte ich einverstanden.
Wir durchschritten das Lokal, überflogen die Theke und die Küche, sodass wir im Flur vor einer mir unbekannten Tür standen.
„Hier geht es zum Keller. Es wird ein wenig rutschig sein. Außerdem ist die Lampe nur sehr schwach und es ist ziemlich finster“, warnte er mich vor und öffnete die massive Metalltür. Er trat einen Schritt hinein und hielt sich mit der rechten am Geländer fest. Der Boden war aus Beton und tatsächlich feucht. Ich schluckte erst einmal. Allein die Vorstellung den Schmerz zu verspüren, wenn man die Treppe hinunterfiel, war so grauenvoll, das es mich hemmte. Janis war schon beinahe unten und ich setzte einen Fuß auf die bewässerte Stufe.
„Halte dich gut fest. Louis ist schon hinuntergefallen“, rief er und schaute gespannt zu mir hinauf.
„Gut zu wissen“, lächelte ich ironisch. Vom Betrachten der Stufen sah es völlig harmlos aus. Aber die Bauart der Treppe schien ein wenig misslungen worden zu sein. Die Abstufungen waren nicht im neunzig Grad Winkel, sondern verliefen ein wenig schräg nach unten. Das machte das Begehen nicht leichter. Dadurch dass Dreck und Wasser sich vermischten, schien mir das Begehen der Treppe wie eine Schneebahn mit Skiern zu sein.
Nach wenigen Sekunden landete ich unten bei Janis und er lief in den Raum hinein. Eine kleine Glühbirne brannte in dem - an den Wänden überfüllt mit Rohren - Raum. Auf der anderen Seite verlief ein Gang in den nächsten bewässerten Bereich. Er war stockdunkel und Janis wollte hineintauchen. Ich blieb angewurzelt stehen und versuchte die Spinnennetze und Löcher in den Wänden zu ignorieren. Der Raum sah aus, als hätte er den zweiten Weltkrieg miterlebt oder wäre ein Opfer der Trümmer geworden. Auch ein kaum wahrnehmbarer kalter Windzug schlitterte an meinen nackten Armen vorbei.
Ich blieb stehen, in der Hoffnung, dass hier eine weitere Glühbirne hing, aber die Decke schien leer zu sein.
Als Janis merkte, dass er allein weiterschritt, streckte er mir seine Hand entgegen. Seine grünen Augen, die selbst in der Dunkelheit wie Diamanten funkelten, musterten mich.
„Komm! Es ist nicht mehr weit“, sagte er und ich griff nach seiner Hand. Als ich sie spürte, die Wärme, fühlte ich mich wieder so sicher wie in der Nacht, als er mich entführte. Auch alle Gefühle sprangen in mir hoch, Aufregung, Angst und Geborgenheit. Ich wusste nicht was an diesem Kerl so besonders war, aber wenn ich in seiner Nähe blieb, wollte ich nie wieder weg.
Wir liefen in der Dunkelheit weiter und er drückte einen Schalter, den er ohne das Abtasten der Wand sofort entdeckte. Dieses Mal landeten wir jedoch in einem Raum, der voller Röhren war und wichtige Leitungen beinhaltet. Der Boden stand mindesten fünf Zentimeter unter Wasser. Meine Schuhe waren klatsch nass.
Janis hob einen roten, verrosteten Werkzeugkasten hoch und stellte ihn vor meine Füße. Es war so aufregend daran zu denken, ob ich jetzt tatsächlich ein Dinner mit ihm hatte oder nicht






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