Liebe(skummer) und schachmatt Teil 13

Autor: key
veröffentlicht am: 30.09.2008




Ich stöhnte. Alles tat mir weh. Ich spürte jeden einzelnen Knochen im Leib. Und alles war dunkel und kalt. Ich konnte mich nicht bewegen und mir war total schlecht. Ich konnte nicht mal die Augen öffnen. Das einzige was ich wahrnahm war eine Stimme ganz weit weg, so als würde jemand mir etwas über eine weite Strecke hinweg zu rufen, doch der Gegenwind trug die Worte und ihren Inhalt fort - zu anderen Ohren. Doch mit der Zeit wurde die Stimme immer lauter, so als würde dieser jemand näher kommen und ich fühlte etwas Kaltes auf meiner tauben Haut. Doch mit jedem Herzschlag pochte ein unglaublicher Schmerz durch meinen ganzen Körper, der Schmerz pulsierte in mir. Ich fühlte mich so elend, dass ich mir wünschte, ich würde sterben. Hier und jetzt. Ich konnte kaum atmen, denn es lag so ein Druck auf meinem Brustkorb, als hätte jemand ein 50 Kilogramm schweres Gewicht achtlos darauf abgestellt und später vergessen, es wieder mitzunehmen.
Ich hatte keine Ahnung wo ich war oder wie ich dorthin gekommen war, denn ich konnte ja nicht einmal meine Augen öffnen. Und nur vereinzelt blitzten Bilder in mir auf, die ich nicht zuordnen konnte. Eine Art weiße Wand. Ein Stück Gestein.
Ich zwang mich weiter ein und aus zu atmen, auch wenn es mir schwer fiel, weil bei jedem Atemzug jeder Muskelfaser, jedes Stück Knochen, jeder Nerv, jede Gehirnzelle vor Schmerz zu verbrennen drohte.
'Jolie, hörst du mich?'
Endlich konnte ich verstehen, was die Stimme sagte und mit einem mal schärften sich all meine Sinne.
'Bitte … du darfst nicht sterben!!'
Die weiße Wand war ein Schneegestöber und das Gestein die Wand, an der ich mir den Kopf angeschlagen hatte.
Es blitzten immer wieder neue Bilder auf, von schwarzen Haaren und grünen Augen, von einem Paar auf einem Sofa in sechs Decken gehüllt aneinander gekuschelt.
Und Wortfetzen aus meiner Erinnerung mischten sich mit denen von jetzt!
' Mich hat vorher auch niemand nach meiner Meinung gefragt, ob es mir garde in den Zeitplan passt, dass du mir den Kopf verdrehst …'
'Jolie, bitte wach auf!'
'Hey Mary, willst du dich nicht neben mich setzen?'
'Verdammt noch mal, lass mich nicht allein!'
'Und diese Nummer, die du hier abziehst, ist echt das allerletzte!'
'Komm schon, wach auf!'
'… ich habe schon einmal einen Menschen verloren, der mir wichtig war, und ich will es nicht ein zweites mal riskieren …'
'Ich weiß, dass du das schaffen kannst! Mach die Augen auf!'
'… aber du könntest mich ja kennen lernen …'
'Komm schon!! Nicht sterben!'
'… empfindest du noch was für mich?'
'Ja!', röchelte ich. Mehr als dieses eine Wort kam mir nicht über die zitternden, rissigen und vor Kälte höchstwahrscheinlich blau gefrorenen Lippen. Ich würde kämpfen. Ich hatte nicht vor, in dieser Felsspalte zu erfrieren. Und erst recht nicht wollte ich es riskieren, dass Matthew wegen mir hier unten saß und auch noch draufging. Diese Verzweiflung in seiner Stimme. Die Angst. Ich konnte das nicht zulassen. Ich atmete ein und aus. Drückte mit meinem Brustkorb das Bleigewicht nach oben und ließ zu, dass es dennoch schwer auf mir liegen blieb. Ich versuchte die Augen zu öffnen, doch alles verschwamm, als hätte man seine Brille nicht auf. Ich konnte einen schemenhaften Umriss erkennen, der mit viel Fantasie zu einem Menschen gehören konnte.
Mein Kopf dröhnte. Und mir war so kalt, dass ich nicht mal mehr zittern konnte. Doch ich musste mich wehren. Ich musste dem Tod aus seinen langen, knochigen Fingern, die er schon Besitz ergreifend nach mir ausstreckte, entfliehen. Ich durfte nicht einfach so aufgeben. Mir tat alles weh. Na und? Ich konnte kaum atmen. Na und? Ich war wahrscheinlich kurz davor zu erfrieren oder zu verbluten. Na und? Matthew war bei mir …
Matthew war bei mir … Matthew war bei mir … Matthew war bei mir …
Dieser eine Gedanke hallte immer wieder in meinem Kopf nach.
Warum war er hier … ich dachte …
Ich schloss die Augen wieder.
'Nicht, bleib bei mir!!! Du musst wach bleiben!'
Ich spürte, wie mein Körper geschüttelt wurde. Doch dieser Körper fühlte sich gar nicht mehr an wie mein Körper.

'Nicht, bleib bei mir!! Du musst wach bleiben!', flüsterte ich mit heiserer Stimme. Ich konnte nicht mehr. Verzweiflung und Angst schüttelten mich gleichermaßen. Ich atmete kaum aus Angst einen weiteren ton von ihr zu verpassen. Ich konnte es nicht ertragen, ihren zierlichen, schönen Körper, der vor Kälte schon ganz blau war, vor mir zu sehen. Konnte es nicht ertragen, dass sie gerade die Augen - die wunderschönen grünen Augen - geöffnet und etwas gesagt hatte und jetzt wieder kurz davor war, mich zu verlassen. Vielleicht für immer. Abzutreten in eine andere Welt, in der sie nichts und niemand mehr erreichen könnte. Allein der Gedanke daran versetzte meinem Herz einen Stich. Ich durfte das unter keinen Umständen. Die einzige Lösung war …

… wach bleiben. Ich musste unter allen Umständen dagegen ankämpfen, dass mein Gehirn wieder die Versorgung kappte, weil es meinte, es würde Energie sparen. Ich hatte noch so viele Fragen an ihn. Ich wollte noch so viel von ihm wissen. Und ich wollte ihm sagen, dass ich ihn liebte. Zumindest das wollte ich noch tun. Vorher konnte ich unter keinen Umständen sterben. Basta!! Ich würde mich schlicht und ergreifend weigern. Ich konnte nicht sterben, bevor ich einmal noch diese grünen Augen gesehen hätte und die Verwunderung, die sich in ihnen spiegeln würde, wenn ich ihm sagte, dass ich ihn liebe.

Und das alles wäre meine Schuld. Ich hätte sie nicht gehen lassen dürfen. Ich hätte sie davon abhalten müssen. Oder sie begleiten. Aber nein, aus Erinnerung an eine Tote würde es bald wieder eine geben.
STOPP!
Daran durfte ich erst gar nicht denken. Es gab noch Hoffnung, doch dazu musste sie wach bleiben. Sonst würde sie jämmerlich erfrieren. Ich fühlte mich so hilflos und klein angesichts dieser Situation. Ihr Lächeln, auf dem vor wenigen Stunden noch ihr Lächeln hing. Ein Lächeln das verblasst war. Und wenn ich nicht bald was tat, für immer.
Ich beugte mich über sie, legte meine klammen, tauben Finger auf ihre eisig kalten Wangen.'Komm schon!!! Was hast du gemeint?? Worauf hast du 'Ja' gesagt?'

'Komm schon!!! Was hast du gemeint?? Worauf hast du 'Ja' gesagt?'
Ich spürte wie etwas mein Gesicht berührte.
Endlich gelang es mir, die Augen noch mal aufzuschlagen und alles war gestochen scharf. Wie ein Foto. Eine Momentaufnahme. Ein Porträt. Aber nicht, wie die Wirklichkeit. Und ich sah Matthew, wie er über mich gebeugt war und wie sich etwas wie eine Mischung aus Erleichterung und Verzweiflung aus Hoffnung und Angst auf seinem Gesicht breit machte.Stöhnend und ächzend richtete ich mich so weit auf, dass ich mich an die Felswand lehnen konnte und keuchte vor Anstrengung. Das ganze war einfach zu viel für meinen Körper. Aber ich hatte wieder die Kontrolle. Und die würde ich jetzt um keinen preis mehr hergeben. Egal, wie sehr mir alles weh tat. Jetzt würde alles wieder gut werden, denn ich nur endlich das aussprechen könnte, was mir auf der Zunge lag.
'Ja, du hattest recht. Ja, ich empfinde noch was für dich. Ja, der Kuss hat mir was bedeutet. Ja, ich war eifersüchtig auf Mary. Ja, ich … ich … ich liebe dich!'
Es kam mir so vor, als würde mein letzter Satz überall von all den Felswänden widerhallen.… liebe dich … liebe dich … liebe dich …
Ich sah ihn erwartungsvoll an, als sich wieder alles drehte und die Welt in ein schwarzes Loch gesaugt wurde. Und mit meiner Sicht war es, wie in einem Film, bei dem sich die beiden schwarzen Balken zu einem kompletten schwarzen Bildschirm aufweiten. Und dann kam 'the end'. Doch bei mir blieb alles schwarz.

Ich hörte noch, wie sie mit klarer Stimme sagte 'Ich liebe dich!' und sah dann, wie sie zusammenbrach und seitlich wegkippte. Nein, verdammt, das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Ich merkte, wie meine Knie schwach wurden und wie auch mir die Beine den Dienst versagten. Und dann kippte ich einfach um. Wie eine Statue, die jemand versehentlich geschubst hatte. Und alles wurde schwarz.

Als ich wieder wach wurde, brannte grelles Licht, wie es nur aus Neonröhren stammen konnte, über mir und zwang mich dazu, meine Augen wieder zuzukneifen. Alles um mich herum war wohlig warm. Die Kälte war verschwunden, nur noch der Schmerz blieb. Ich musste wohl in einem Krankenhaus sein. Doch was war mit … Ich konnte den Gedanken gar nicht zu Ende denken, so schrecklich war er. Ich richtete mich auf und öffnete wieder die Augen. Diesmal war ich schon auf das Licht vorbereitet und konnte mich so zwingen, sie offen zu halten. Ein Blick zu beiden Seiten. Da!! Wunderschöne grüne Augen!!!

Ich sah mitten in seine grüne Augen.

Der Blick aus ihren Augen traf mich, wie ein Pfeil.

Mein Hinterkopf schmerzte noch immer, doch das war mir ganz egal, als ich seine Stimme hörte. 'Jolie, du lebst!'
'Ja …', flüsterte ich und fühlte mich so frei und unbeschwert wie schon lange nicht mehr.'Und das habe ich nur dir zu verdanken!! Oder war das in der Felsspalte nur ein Traum?''Nein …', flüsterte auch er.
Keine Ahnung, warum wir flüsterten. Vermutlich, weil es das einzige war, was jetzt zur Situation passte.
'Nein … das war kein Traum. Aber ich glaube, ich hatte schon Halluzinationen.'
'Wie kommst du darauf?'
'Ich hab mir eingebildet, dass du gesagt hast, du liebst mich!'
'So, wie ich sehe, sind unsere beiden Patienten in einem außerordentlich guten Zustand. Sie haben sich prächtig erholt, für das, was Ihnen zugestoßen ist und Ihre Körper haben unglaubliches vollbracht. Ich kann mir das nicht erklären. Aber wissen Sie was, es ist mir auch vollkommen egal, wie Sie das gemacht haben, Hauptsache, Sie sind gesund und leben. Ich würde sagen, noch zwei, drei Tage hier zur Beobachtung und dann sind Sie wieder topfit!', platzte da ein Mensch im langen weißen Mantel mitten in unser Gespräch mit einem grausamen, bruchstückhaften Englisch. Verdammt, hau ab, du Arzt, konnte man heutzutage nicht mal mehr in Ruhe eine Liebeserklärung machen? Mann!
Der Arzt laberte noch ein paar weitere Romane vor sich hin, die aber alle spurlos an mir vorübergingen, weil Matthew und ich uns die ganze Zeit über in die Augen sahen und sich ein bekanntes, wohliges Gefühl in mir breit machte.
Endlich dampfte der Arzt wieder ab und ich sagte
'Nein, das hast du dir nicht eingebildet.'
Er wollte etwas sagen, doch ich antwortete
'Später, sag mir bitte zuerst, was denn passiert ist!'
'Als du weg warst, hatte ich einfach keine Ruhe mehr, also bin ich dir nachgefahren, so lange ich deine Spuren noch finden würde. Dann hab ich dich in der Felsspalte gefunden und bin runtergeklettert. Du bist für einen kurzen Moment aufgewacht und dann wieder weg gewesen. Da dachte ich schon, dass es aus mit dir wäre. Ich hatte solche Angst um dich, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Dann hast du gesagt, du liebst mich, dann bist du umgekippt. Und ich gleich hinterher. Dann bin ich hier aufgewacht und es hat sich herausgestellt, dass die Straßen wohl doch befahrbar gewesen waren, jedenfalls waren die anderen oben und höchst beunruhigt, als sie festgestellt hatten, dass wir inklusive zwei Snowboards weg waren, sodass sie die Bergwacht angerufen haben. Das gute an der Sache ist: Unsre Snowboards sind mit GPS-Sendern ausgestattet, die auch bei minus 30 Grad noch funktionieren, was es wesentlich einfacher gemacht hat, uns zu finden. Und jetzt sind wir hier …'
'Ja, jetzt sind wir hier …'
Ich kam mir irgendwie blöd vor, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich hatte alles gesagt, was er wissen musste. Jetzt war er dran. Dran damit, mir zu erklären, dass er mich mochte, aber nur als Kumpel. Zu sagen, dass ihn das, was passiert ist, zu sehr verletzt hat. Dass eine Beziehung zwischen uns keinen Sinn haben würde. Etc.
'Jolie, hat's du gehört?'
'Was nein … tut mir leid, sag's noch mal!'
Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass er überhaupt etwas gesagt hat.
'Ich sagte: Ich liebe dich auch!'
Was hat er gesagt?
'Was hast du gesagt?'
'Du hast ganz richtig gehört!'
'Aber du hast doch gesagt, du bist darüber hinweg!'
'Weil ich deine Freundschaft nicht verlieren wollte. Außerdem hast du das auch gesagt!''Aber erst nachdem du es gesagt hast!'
'Wollen wir uns jetzt weiter darüber streiten oder können wir mal zum eigentlichen Thema zurückkommen?'
Das eigentliche Thema? Ach ja, da war doch noch was. Zum Beispiel, dass er mich liebte. Moment … das würde ja bedeuten. Ich liebte ihn. Er liebte mich. Hey, was saßen wir hier eigentlich noch rum?
'… aber du könntest mich ja kennen lernen …', spukte mir da wieder durch den Sinn.'Mh, erinnerst du noch, was du mir beim Turnier gesagt hast, an dem Tag, nachdem ich dich geküsst hab?'
'An jedes Wort … und …'
'Psst, ich hab mir doch so was schönes, poetisches überlegt … ich glaube, ich würde dich gerne kennen lernen!'
Auf diese Worte hin strahlte er mich an, kam zu mir herüber, ich rutschte ein Stück zur Seite. Dann sahen wir uns an, er nahm mich in die Arme und sein Kopf kam meinem immer näher, doch er küsste zuerst meine Stirn, meine Schläfen, meine Nase, meine Wangen bevor sein Mund endlich den meinen fand.

ENDE

Naja, abschließende Kommentare wären auch sehr wünschenswert. Wenn ihr wollt: ich hab sogar schon eine Idee für eine Fortsetzung, aber die ist noch nicht ganz ausgereift. Sagt mir halt, wie ihr die Geschichte gefunden habt, ob das Ende gut ist, was ich beim Schreiben noch beachten könnte. Etc.
Danke!!!







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