Liebe(skummer) und schachmatt Teil 11

Autor: key
veröffentlicht am: 25.08.2008




Es waren im Wesentlichen 3 Möglichkeiten, worüber ich nachdachte, was ich nun tun wollte:Möglichkeit a): Heulend auf den Stufen vor seinem Haus zusammensacken und abwarten, was passiert.
Möglichkeit b): Das Haus durch Dauerklingeln zum Einsturz bringen.
Möglichkeit c): Auf den Kirschbaum klettern und sein Zimmerfenster entern.
Von den Gefühlen her, die grade in mir tobten und sich einen Wettkampf darin lieferten, die Meere in meinen Augen zum Überlaufen zu bringen, fühlte ich mich am meisten nach Möglichkeit a), direkt dahinter kam Möglichkeit b).
Und aufgrund dessen entschied ich mich (un)logischerweise für Möglichkeit c). Naja, eigentlich tat ich das nur, weil ich genau wusste, dass er wusste, dass ich tierische Höhenangst hatte, und somit hoffte ich, dass er es zu schätzen wusste, wenn ich das extra tat, um die Sache klarzustellen. Ich ging also (besser gesagt ich schlurfte mit hängenden Schultern und einem Gesicht wie nach zehn Tagen Regen) in den Garten zu dem Kirschbaum und blieb direkt neben seinem Stamm stehen. Von diesem Standpunkt aus, sah ich nach oben in die Baumkrone und schon jetzt überrollte mich ein komisches Gefühl von Übelkeit. 'Hallo lieber Kirschbaum, ich weiß, wir waren noch nie so rechte Freunde und ich würde dich auch jetzt lieber absägen und zu Kleinholz verarbeiten, aber das brauchst du ja nicht unbedingt zu wissen!', dachte ich mir im Stillen, doch ich konnte nicht mal mehr über meine eigene Idiotie schmunzeln. Es war also schon ziemlich schlimm mit mir gekommen. Irgendwo in mir waren dann doch die Zweifel, ob ich wirklich auf diesen Baum klettern wollte, der sah nämlich verdammt hoch und verdammt wackelig aus, doch ein einziger Gedanke an Aaron, die Küsse am Strand, seine blitzblauen Augen und all das, was wir schon gemeinsam erlebt hatten, reichte, um diese inneren Zweifel einfach mit einem 'plopp' verschwinden zu lassen, beinahe so, als wären sie von einem Staubsauger aufgesaugt worden.
Ich begann also langsam und vorsichtig damit, auf den ersten, untersten Ast zu klettern. Als ich das geschafft hatte, arbeitete ich mich Stück für Stück weiter hoch und mir wurde immer mulmiger zumute. Doch ich sah nicht nach unten und dachte nur noch 'Den an Aaron, denk an Aaron, denk Aaron!' und deswegen funktionierte das ganze dann doch ganz gut. So lange, bis ich eben auf dem Ast angekommen war, der genau vor seinem Zimmerfenster hing. Danke liebes Schicksal, du hast mir einiges eingebrockt, aber das rechne ich dir hoch an!!!! Jetzt musste ich nur noch trotz dem atemberaubenden Gefühl in mir, mich jeden Moment übergeben zu wollen und die Angst, der Ast könnte brechen und ich könnte runterfliegen, den Ast entlang robben und sein Zimmer entern. Aber das war leichter gesagt als getan. Ich weiß nicht, ob einer von euch an Höhenangst leidet und sich vorstellen kann, wie ich litt, aber es heißt immer so leicht 'Alles ist gut, so lange du nicht nach unten siehst!'
Ja, das funktioniert auch wunderbar, du kannst dir nämlich so oft vorsagen 'Nicht nach unten sehen, nicht nach unten sehen, nicht nach unten sehen!' wie du willst, es klappt einfach nicht, denn irgendwann tust du es doch. So auch ich. Doch als ich das tat, war es mir, als würde sich alles um mich drehen und als hätte mein Magen sich umgedreht. Es war wie wenn eine Kamera her und wieder wegzoomen würde, mal kam der Boden näher, mal ging er wieder weiter weg. Ich kam mir vor als würde ich durchgeschüttelt werden wie in einer Fahrt in einem Auto ohne Stoßdämpfer auf einer Landstraße, die von Schlaglöchern nur so gespickt war. Ich schloss meine Augen und fühlte wie meine Hände und überhaupt mein ganzer Körper zitterten. Mein Herz ratterte wie eine Nähmaschine und einzig und allein die Angst, die in all meinen Knochen steckte, ließ mich die Körperspannung so weit halten, dass ich nicht runter fiel. Verdammt, warum tat ich das gleich noch mal??????
Ich wartete so lange mit geschlossenen Augen bis sich mein Körper wieder einigermaßen beruhigt hatte und kroch dann langsam weiter nach vorne. Endlich war ich so weit, dass das Zimmerfenster in meiner Reichweite war. Mist, blöd wie ich war, hatte ich unten natürlich nicht nachgesehen und saß jetzt vor einem geschlossenen Fenster. Ich klopfte mit aller kraft die ich hatte gegen das Fenster und biss dabei die Zähne zusammen. 'Nur nicht noch mal nach unten sehen!'
Da erschien Aaron auch schon mit einem mehr als nur verwirrten Gesichtsausdruck am Fenster und alle Angst war vergessen, da ich mich nur noch darauf konzentrieren konnte, diesen Moment für immer fest zu halten, die blauen Augen, seine blonden Haare, die wirr vom Kopf abstanden, seine unglaubliche Schönheit. Er öffnete das Fenster und fragte 'Was denn noch, ich dachte, ich hätte vorhin schon klar gestellt, was ich von dir halte!' Er sagte das so kalt, dass es sich anfühlte, als würde sich ein Dolch aus Eis durch mein Herz bohren und jeden Herzfaser einzeln zerfetzen. Ich hatte mir eher ein 'Oh mein Gott, was machst du denn da, du hast doch Höhenangst!' oder ein 'Oh Gott, so was tust du für mich?' erwartet, als das. Aber daran konnte man eben mal wieder erkennen, dass ich mich eben nicht in einem Liebesfilm mit Happy End befand, denn hier wäre es so gewesen, aber nein, ich war leider in meinem real life. 'Hör mal, kann ich reinkommen,?', fragte ich.
Entweder war ich ihm doch nicht so egal, wie er behauptet hatte oder aber der Gedanke, dass ich Zeit meines Lebens auf seinem Baum verbringen würde (weil ich nämlich absolut keinen Plan hatte, wie ich hier wieder lebend auf dem Weg, auf dem ich gekommen war,
herunterkommen sollte), erschreckte ihn zutiefst. Was auch immer, er trat einen Schritt zurück, doch seine Miene blieb dabei so hart wie Stein. Sollte mir recht sein, so lange ich nur endlich von diesem wackelnden Stück Holz runterkam. Ich hielt mich also mit den Händen am oberen Rahmen des Fensters fest und schwang mich hinein.
Ha, dachte ich mir stolz, wenigstens das hatte funktioniert und ich bin nicht total blöde auf der Fresse gelandet!
'Also, was willst du?'
'Dich!'
Klare Ansage, aber scheinbar nicht klar genug, denn er sah mich nur an und schüttelte den Kopf. 'Und wen noch?'
'Nur dich!'
Aber jetzt. Oder auch nicht, denn er setzte sich vor seinen PC und meinte 'Weißt du was, a) glaub ich dir das nicht und b) kannst du mich mal, es war alles viel besser, als wir nur Freunde waren. Aber dank dir geht jetzt nicht mal mehr das, du hast alles kaputt gemacht, herzlichen Glückwunsch dazu, da ist die Tür, du kennst dich ja aus und findest die Haustüre alleine oder willst du auf dem selben Weg gehen, wie du gekommen bist?!'
Nun köchelte langsam die Wut in mir hoch. Na toll, warum stieg ich hier seinetwegen wohl auf einen Baum? Nur um mir anzuhören, dass ich jetzt plötzlich an allem schuld war, nur weil dieser Arsch unfähig war zu erkennen, wann jemand eine Liebeserklärung nur spielte und wann nicht? Und dann sollte ich mich einfach so, ohne das, was ich eigentlich sagen wollte, aus seinem Zimmer werfen lassen? Nee, also nicht mit mir!!
'Ich wollte dir eigentlich nur erklären, dass das mit Francis alles andre als eine ernsthafte Liebeserklärung war, kannste Josh fragen, aber du würdest mir ja eh nicht glauben, weil du immer nur das siehst und hörst, was du sehen und hörne willst und weil du dir alles zurecht legst, wie du es gerade brauchst, aber nicht mit mir … mach doch was du willst und denk, was dir beliebt, aber komm da dabei ja nicht auf den Gedanken, darüber nachzudenken, warum ich für dich trotz meiner Höhenangst auf einen Baum geklettert bin, du eingebildeter, arroganter Arsch!'
Mit diesen Worten drehte ich mich um und ging durch sein Haus nach draußen, während mit die Tränen herunter liefen. Das war wieder so eine typische Situation gewesen, in der man Dinge sagte, die man eigentlich nicht sagen wollte und über die man sich hinterher nur selber ärgerte. Doch jetzt war es schon zu spät.
Ich ging also weinend durch die Straßen und nahm nichts, aber überhaupt rein gar nichts, um mich herum war, so tief war ich in meinen Gedanken versunken und damit beschäftigt, die Welle des Schmerzes noch so weit zurückzuhalten, dass ich nicht hier - mitten in der Stadt - zusammen brechen würde. Das konnte ich schließlich zu Hause immer noch tun!Die Tränen liefen mir in Sturzbächen herunter und jede einzelne hinter ließ eine feurig brennende Spur auf meiner Backe.
Plötzlich spürte ich, wie mich jemand an den Schultern festhielt und hörte eine Stimme fragen 'Hey Jolie, was ist denn mit dir los? Was ist denn passiert?'
Allein der Akzent, der norwegische Akzent, reichte, um meine innere Wut auf Aaron so weit anzustacheln, dass ich Matthew mit aller Kraft von mir schubste und ihn anschrie 'Ja, klar, weil dich das jetzt interessiert! Zuerst bezeichnest du mich als das allerletzte, aber kaum laufen ein paar Tränen, heißt es schon wieder, was ist denn mit dir los, soll ich dir mal was sagen? Auf dein Mitleid kann ich pfeifen, in deinen Augen zählt es doch eh nicht was ich mache, da bin ich doch eh nur die Schlampe, die mit deinen Gefühlen gespielt hat, lass mich doch einfach in Ruhe!'
Danach drehte ich mich um und rannte so schnell ich konnte. Rannte ohne Pause und lief immer schneller und schneller, denn ich hatte bemerkt, wenn ich lief, wenn ich rannte, konnte ich nicht über das, was ich getan und gesagt hatte nachdenken, ich musste meine ganzen Gedanken darauf konzentrieren, nicht zu stolpern und so lief ich, wohin auch immer meine Füße mich trugen, denn sie würden schon wissen, wo es besser für mich wäre, ich lief, bis mir die Lungen brannten, und selbst dann lief ich noch weiter bis zur Erschöpfung, bis ich nicht mehr konnte, bis meine Seiten so stachen, als hätte sie jemand mit einem Messer aufgeritzt und erst dann erkannte ich, wo ich war: Vor der Schwimmhalle. Verdammt, sollte dort heute nicht noch eine Nachfeier von gestern statt finden? Eigentlich war ich ja so gar nicht in der Stimmung irgendwas zu feiern, denn mir ging es verdammt dreckig. Andrerseits dachte ich mir, würde es mich ablenken, und ich hätte keine Zeit darüber nachzudenken, dass das, was ich zu Matthew gesagt hatte, wieder so ein Ausspruch war, für den ich am liebsten im Erdboden versunken war. Noch vorgestern standen drei heiße Typen auf mich und jetzt hatte ich zwei davon zutiefst beleidigt und verletzt. Wirklich prima!! Das konnte ich doch gleich feiern!!!
Ich checkte kurz im nächsten Fenster mein Aussehen, befand es für partytauglich, wartete dann noch ab, bis ich wieder atmen konnte ohne dass es aussah, als wäre ich ein läufiges Hundeweibchen und ging dann in den Raum. Kaum war ich da, hatte mich schon jemand angequatscht und redete wild gestikulierend auf mich ein. Es war gut für mich unter bekannten Leuten zu sein, die ich mochte und die mich ablenkten mit ihren Witzen. Ich wurde wieder entspannter und ich konnte zwar nicht vergessen, was in der letzten Stunde passiert war, aber ich konnte es in die winzigste, kleinste, unwichtigste Schublade meines Gehirns verbannen und andre Gedanken, die mir weitaus besser gefielen, darüber stapeln. Es war also alles gut, so weit es eben gut sein konnte, bis, ja bis, Aaron den Raum betrat. Und in mir kochte wieder die Wut hoch. Ich war nun wirklich stink sauer, was bildete der sich eigentlich ein und welche Meinung musste er von mir haben, wenn er mir wirklich zutraute mit so vielen Typen gleichzeitig was zu haben? Er sah mich an und ich drehte mich weg. Scheißegal, was die anderen jetzt denken würden. Ich sah es nicht ein, dass ich an allem Schuld sein sollte, dass unsrer gemeinsamer Traum wegen mit geplatzt sein sollte!! Eigentlich war es nur daran gescheitert, dass Aaron seinen eigenen Augen mehr vertraute, als mir. Wirklich klasse, herzlichen Dank für die Blumen. Ich war so wütend, dass ich, wenn ich nicht aufgepasst hätte, beinahe mein Glas in der Hand zerbrochen hätte. Fynn, neben dem ich stand, fragte 'Was ist denn los mit dir?', doch ich schüttelte nur den Kopf und verschwand im Gedränge, um so weit wie möglich von Aaron weg zu stehen. Ich würde nicht gehen, nein, denn ich sah es nun wirklich trotz aller verletzter Gefühle nicht ein, dass ich mich nicht mehr im selben Raum, auf der selben Party, wie er aufhalten können sollte. Ich klinkte mich also dort in ein Gespräch ein, wo ich den Raum im Überblick hatte. Doch ich war irgendwann trotz meiner kochenden Wut so sehr ins Gespräch vertieft, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie Aaron zum DJ gegangen war und mit ihm geflüstert hatte. Das merkte ich erst, als plötzlich die Musik ausging und durch alle Boxen und Verstärker um uns rum Aarons Stimme hallte 'Ich denke, es ist jetzt Karaoke Zeit und ich würde gerne mit dem Song 'Miracle' von Cascada beginnen und ich denke, Jolie, du weißt, dass der Song auf dich gemünzt ist!!!!'
Na herzlichen Dank aber auch. Reichte es nicht, mir weh zu tun, meine Gefühle zu verletzten, mir nicht zu glauben, mir solche Dinge anzudichten, die ich nie im Leben tun würde, musste er jetzt auch noch den ganzen Schwimmklub über unser Liebesleben aufklären????'Boy meets girl, you were my dream, my world, but I was blind you cheated on my from behind!', shall es da unglaublich melodisch und taktvoll aus dem Lautsprecher. Also singen konnte er.
Auch wenn ich wütend war, übersetzte ich mit:
Junge trifft Mädchen. Du warst mein Traum, meine Welt, aber ich war blind, denn du hast mich hinterrücks betrogen.
Okay, schon klar, er meinte Matthew. Er hatte das Lied also nicht ohne Grund ausgesucht, aber mal weiter zuhören, denn ich war noch immer geladen.
'So now I know, it's true: I'm still in love with you!'
Ja schön, freut mich wirklich für dich, dass du jetzt weißt, dass du immer noch in mich verliebt bist. Glaubst du mir gehts da anders, du aufgeblasener Affe? Es ist ja nicht meine Schuld, dass wir nicht mehr zusammen sind!
'I need a miracle'
Oh ja, das konnte er laut sagen, ein Wunder war das einzige, was ihm jetzt noch helfen konnte, denn mit weniger würde meine Wut wohl nicht verrauchen.
'I wanna be your boy!'
Ja, hier ersetzte er das Wort 'girl' durch 'boy' wirklich sehr interessant zu wissen, dass er mein Freund sein wollte. Bis vor zwei Stunden war er das auch noch gewesen. Selbst schuld!!Und so ging das munter fort: Zu allen Liedzeilen, die er sang, wusste ich einen blöden Kommentar und meine Wut vergrößerte sich nur noch und so war ich als das Lied am Ende war an dem Standpunkt angelangt, dass ich mit dem, was ich gesagt hatte, vielleicht doch recht gehabt hatte und dass es mir gar nicht mehr leid zu tun brauchte.
Plötzlich stand Aaron dann vor mir. 'Hör mal, es tut mir leid, ich hab Francis angerufen und ihn gefragt und er hat mir die ganze Sache jetzt erklärt!' Mit diesen Worten wollte er mich in die Arme nehmen und mich küssen, doch echt nicht mit mir. Er durfte mir also irgendwelche Unterstellungen machen und mit einmal singen war dann alles wieder gut??? Ne, echt nicht.'Freut mich für dich, wunderbar, aber das hättest du ja auch tun können, als ich dich darum gebeten habe, als ich vor deiner Haustür stand und dir gesagt habe, dass es nicht so ist, als ich extra wegen dir auf diesen scheiß vermaledeiten Kirschbaum geklettert bin, da hättest du dir das mal überlegen können, aber jetzt, jetzt ist es zu spät!!!!!'

Eine Woche später stand ich mit gepackten Koffern vor meiner Haustüre und wartete darauf, dass ich für den Norwegentrip abgeholt wurde. Die Sache mit Aaron konnte mich nicht davon abhalten, dorthin zu fahren, wäre ja noch schöner. Noch dazu, wo ich jetzt in der besseren Position war. Sicher tat es noch immer weh, aber längst nicht mehr so sehr, wie ich erwartet hatte, dass es weh tun würde. Und das mit Matthew tat mir mittlerweile richtig, richtig leid, was ich gesagt hatte, aber ich wollte mich auch irgendwie nicht entschuldigen, weil mir immer noch seine Worte vom Strand in den Ohren klangen.
Da kam also Herr Strobel schon angebraust und half mir beim Einladen. So fuhren wir zum Treffpunkt, unserem Trainingsheim, und nahmen unterwegs noch Freddy und Joan mit, Mary würde mit Aaron, Matthew und dessen Vater kommen.

'Hör mal, mir passt genauso wenig, wie dir, dass wir jetzt zusammen fahren müssen, aber es lässt sich nun mal nicht ändern, weil du die einzige bist, die keine Angst davor hat, Motorrad zu fahren, die anderen hatten ja alle Angst!!!', meinte Matthew, als ich ihm grimmig guckend gegenüberstand und er mir einen Motorradhelm zu warf.
Toll, ich hatte auch Angst, ich war nur zu langsam und zu verpeilt gewesen, da ich damit beschäftigt war, Aarons verletzten Blicken auszuweichen und mich selbst davon abzuhalten, Matthew anzusehen, um das rechtzeitig anzumerken. Und jetzt musste ich mit Matthew zu zweit allein auf dem Mottorad bis nach Norwegen in die Berge fahren. Wirklich klasse gelöst, nicht wahr? Zu allem Überfluss waren die anderen auch schon mit dem ganzen Koffern und dem restlichen Kram in einem großen Kombi um die nächste Wegbiegung verschwunden und da sich in meinem Koffer fast der gesamte Inhalt meines Kleiderschrankes befand, konnte ich jetzt auch nicht einfach umkehren. Na herzlichen Glückwunsch, da konnte ich mir jetzt echt auf die Schulter klopfen.
Ich stieg also auf und wusste nicht so recht, wo ich mich denn nun festhalten sollte. Ich meine, ich konnte doch nicht einfach …
'Auch wenn unser beider Motto ist 'jeden Körperkontakt vermeiden' wird dir nichts anderes übrig bleiben, als dich an mir festzuhalten!!!'
Okay, ich konnte also nicht nur, ich sollte sogar!!
Und schon fuhren wir los. Oh mein Gott, konnte so ein Motorrad schnell fahren und in den ersten paar Kurven wäre ich vor Angst fast gestorben. Ich schloss die Augen und klammerte mich so fest an ihn, wie ich konnte. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, nur konnte ich mich nicht so recht entscheiden, ob das an der Fahrt lag oder an Matthew, denn ob ich es mir eingestehen wollte oder nicht, er hatte immer noch Wirkung auf mich. Aber er war noch sauer auf mich, ich zwar nicht mehr auf ihn, aber entschuldigen wollte ich mich auch nicht und es ärgerte mich immer noch, was er am strand gesagt hatte, also von dem her, waren das doch die perfekten Voraussetzungen für eine harmonische Fahrt. (Ironie lässt grüßen)Doch mit der Zeit gewöhnte ich mich an das Fahren und ich glaube, ich nickte eine Zeit lang sogar ein, denn als ich meine Augen wieder öffnete, lag ich mit dem Kopf an Matthews Rücken gekuschelt und wir hatten das ständige grau in grau der Autobahn hinter uns gelassen und fuhren nun durch eine schöne Landschaft. Ich gähnte. Ob Matthew mich hören konnte, wenn ich jetzt was sagte???
'Matthew?', fragte ich also.
'Ja?', kam es da direkt neben meinen Ohren. Huch, ich erschrak so sehr, dass ich beinahe vom Motorrad gefallen wäre. 'Nicht erschrecken, die Helme sind über Funk vernetzt, so dass man auch während der Fahrt miteinander reden kann, was bei uns beiden zwar verschwendete Technologie ist, da du ja eh nicht mit mir reden willst, aber was wolltest du denn eigentlich?'Ja, hm, das wäre doch der perfekte Moment für eine Entschuldigung gewesen, denn es hörte sich nicht grade so an, als wäre er noch mordsmäßig sauer auf mich, aber ich wollte irgendwie doch nicht, wenn ich seine Augen gesehen hätte, hätte ich mich wahrscheinlich entschuldigt, aber seine Stimme allein reichte dafür nicht aus,
'Ähm ja, ich wollte …'
Was wollte ich denn gleich noch mal????
'Ich wollte wissen, wo wir denn sind, weil wir nicht mehr auf der Autobahn sind!!'
'Ach Gottchen, hast du aber lang geschlafen ... Wir haben die anderen mittlerweile überholt und kommen gleich an die Fährstation in Hirtshals in Dänemark, von wo aus wir nach Norwegen übersetzen werden. Allerdings werden wir weiterhin allein bleiben, da die anderen im Stau stehen und die nächste Fähre nicht bekommen werden, weswegen wir beide schon mal vorfahren und die Betten in der Berghütte herrichten sollen!!!'
'Was, wir sind schon in Dänemark, warum hast du denn nichts gesagt?'
'Och, ich konnte ja nicht ahnen, dass das zickige Dornrösschen gerne geweckt werden würde, wenn wir aus Deutschland raus sind.'
'Ja, passt schon …'
Tz, ich und zickig????
Die Überfahrt auf der Fähre verlief dann relativ ruhig und es kam zu keinen besonderen Zwischenfällen zwischen Matthew und mir, weil ich, wie sich herausstellte, seekrank war und deswegen ständig damit beschäftigt, mich zu übergeben, wobei mir Matthew stumm und wortlos eine Kotztüte nach der anderen reichte.
Eigentlich ja irgendwie wirklich lieb von ihm, doch ich war immer noch nicht in der Stimmung mich zu entschuldigen. Vermutlich lag es daran, dass es mir so verdammt mies ging.
Und kaum, dass wir drüben in Norwegen angekommen waren, waren wir auch schon ratzfatz in der Berghütte, da ich aufgrund der ganzen tollen Landschaft nicht dazu kam, mir Gedanken über die Zeit zu machen. Kaum waren wir oben und hatten das Motorrad verstaut und waren in der Hütte, die ich staunend bewunderte, was Matthew scheinbar sehr gut zu gefallen schien, fing es an zu schneien. Boah geil, Schnee im August!!!!!!
So fingen wir also an die acht Betten, die immer in Zweierzimmer aufgeteilt waren,
herzurichten. Das ging schnell und vor allem schweigen. Er sagte nichts. Ich sagte nichts. Und als wir fertig fahren schneite es noch immer und ich dachte darüber nach, nach draußen zu gehen und einen Schneemann zu bauen oder einen Schneeengel zu machen, aber die ganzen Winterklamotten waren in dem Koffer im Kombi und deswegen war das Momentan wohl keine so gute Idee.
Plötzlich klingelte das Handy und Matthew redete irgendwas auf Norwegisch. Ja super, hätte ich doch vor der Abfahrt zumindest noch ein paar Brocken gelernt. Aber nein, ich kletterte ja lieber auf Kirschbäume. Wirklich klasse.
Als Matthew aufgelegt hatte, wendete er sich mir zu und ich sah sein besorgtes Gesicht. Und mir wurde daraufhin ganz flau im Magen. Oh mein Gott, was war passiert?
'Matthew, was ist los?', fragte ich mit zitternder Stimme und ein Schauer Gänsehaut jagte über meinen Rücken hinunter.
'Es ist, nun ja, es schneit!'
Ähm … ja … toll … das seh ich selber,
'Ja und weiter?'
'Naja, das Problem ist, die Straße ist zugeschneit, das kommt öfters mal vor, aber der Wetterbericht hat gut gemeldet, also naja, die kommen nicht rauf und wir nicht runter!''Willst du mir damit sagen, dass ich jetzt MIT DIR hier auf dieser elenden Hütte festsitze?????'







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