Die vier Farben des Districts

Autor: Riefie
veröffentlicht am: 16.05.2012


Hier ist nun meine neue Geschichte. Sie ist anders als die alte und viel länger. Ich hoffe sie gefällt euch auch. :)

Ich weiß es noch genau, es war ein kühler September Tag, als sich die großen hölzernen Türen hinter mir schlossen. Nein, ich bin nicht in ein Gefängnis gegangen, doch irgendwie, fühlte es sich fast so an. Ich kam mir vor, als wäre ich irgendwie im Harry Potter gelandet, nur dass ich weder zaubern konnte noch irgendeine Begabung hatte. Es war unheimlich, gleichzeitig aufregend und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich ständig beobachtet wurde.

Ein paar Wochen vorher.
Es war eigentlich ein ganz normaler, stinklangweiliger Sonntag gewesen. Es waren Ferien, doch meine Eltern waren Anwälte und wie es so kommen musste, bekamen sie kurz vor den Sommerferien einen mega wichtigen Auftrag. Seitdem sah ich meine Eltern eigentlich nur noch, wenn sie ins Bad gingen oder sich mal herabließen, mit mir zu Abend zu essen. Nicht, dass mich das störte, im Gegenteil. Immerhin konnte ich mit meinen 17 Jahren tun und lassen was ich wollte. Dennoch, meine Freunde waren alle im Urlaub und meine beste Freundin hatte sich irgendwie in irgendeinen Sunnyboy aus ihrem Ferienlager verknallt. Somit schien die besseres zu tun zu haben, als sich bei mir zu melden.
Naja, ich will ja kein Spielverderber sein. Zurück zur Geschichte.
Ich saß also ziemlich niedergeschlagen und deprimiert in meinem Zimmer und las, ach welch eine Ironie, zum 150. Mal den letzten Teil der Harry Potter Bücher. Ich war eine ziemliche Leseratte, hatte bestimmt schon gefühlte 500 Bücher gelesen, dennoch hatte ich irgendwie einen Narren an dem Buch gefressen.
Genervt musste ich allerdings feststellen, dass mitten im Todesfluch von Lord ach so fürchterlich Voldemort irgendein Depp es wagte, an die Haustür zu klingeln. Ich wusste, dass meine Eltern nicht aufmachen würden, also stieg ich die Stufen hinunter und öffnete widerwillig die Tür und bekam glatt einen Föhn. Da stand nämlich niemand! Ich wollte schon die Tür schließen, als mir ein Brief auffiel, der einfach vor unserer Tür lag.
„An Mrs. Emma Watson.“ Nein kein Scherz, ich hieß wirklich so. Dafür konnte ich allerdings sehr wenig und wenn es mal so sieht, war ich ja wohl zuerst da. Für meinen Nachnamen konnte ich nichts und als ich meinen Vornamen bekam, gab es Harry Potter noch nicht mal in den Träumen der Autorin. Genervt, wie ich nun mal an dem Tag echt nonstop war, öffnete ich den Brief und las die ersten Zeilen.
„Sehr geehrte Mrs. Watson. Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass sie an unserem Internat aufgenommen wurden.“ Internat, halt Stopp! Was war’n hier schief gegangen? Na, das sollten meine Eltern mir jetzt mal erklären. Also lief ich schnurstracks den langen Flur zum Büro meiner Eltern entlang. Riss die Tür auf und starrte in zwei verblüffte Gesichter.
„Könnt ihr mir mal erklären, was das hier eigentlich soll?“ Ich hielt meinem Vater den Brief unter die Augen. Seine Mundwinkel zuckten verräterisch. Der sollte sich jetzt mal trauen, zu grinsen. Ich hatte echt ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern. Trotz, dass sie Paragraphenheinis waren, waren sie immer für mich da und konnten auch normal reden. Gefühle zeigen und so. Aber das jetzt, setzte echt dem Fass den Boden aus, oder wie man das nannte.
„Liebes, setz dich mal zu uns.“
„So, nun ich sitze. Wieso Internat? Was überhaupt für ein Internat und wo soll das denn überhaupt sein?“ Mein Vater, David, hob beschwichtigend die Hände.
„Mach mal halblang, Emma. Also, wie du weißt, haben deine Mutter und ich diesen echt großen und wichtigen Fall bekommen. Wir werden lange Zeit nicht für dich da sein können und deshalb…“
„…deshalb schiebt ihr mich lieber ab?“
„Nein Schatz. Das wollen wir nicht. Wir hatten garnicht damit gerechnet, dass du einen Platz bekommen würdest. Das Lawson Internat ist sehr bekannt und nicht jeder bekommt da einen Platz.“
„Ich will ja da auch garkeinen Platz.“
„Aber es muss sein. Außerdem ist es ein Internat, wo man nach Fähigkeiten geht und nicht nach Reichtum, du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, dass du dort nur von reichen Schnöseln und arroganten Zicken umgeben bist.“
„Fähigkeiten? Reichtum? Also, was ist das denn jetzt?“
Entweder wollten die gerade testen, ob ich Reif für die Klappsmühle war oder die meinten das wirklich ernst.
„Also, du weißt doch, wenn du früher immer ausgerastet bist…“ Och nö, nicht die Geschichte wieder. Angeblich hatte ich dann immer die Hand gehoben und Stopp gerufen, woraufhin sich keiner mehr mir nähern konnte. Anfangs hatte ich das ja noch für eine schlechte Geschichte gehalten, aber meine Eltern schienen das wirklich ernst zu meinen.
„Theres, erklär du es ihr.“ Also wandte ich mich wieder meiner Mutter zu, die mir den Arm um die Schulter gelegt hatte.
„Schatz, wir wollen dich nicht abschieben. Nur, wir wollen auch nicht, dass du in diesem großen Haus praktisch alleine lebst. Wir werden viel rumreisen müssen. Immerhin geht es hier um eine riesige Steuerprüfungsfirma, die weltweit vertreten ist. Wir werden nonstop unterwegs sein. Deshalb dachten wir an dieses Internat. Es ist wirklich ein sehr modernes Internat. Man hört nur gutes davon und ich würde dich bitten, es wenigstens zu versuchen.“

So, nun hier war ich also. Meine Eltern hatten mich hergefahren und jetzt stand ich in einem großen Foyer.
„Von außen sah das Ding ja jetzt nicht wirklich modern aus.“ Meine Stimme halte an den hohen Decken wider und ich zuckte unwillkürlich zusammen, als eine Frauenstimme mir entgegnete.
„Nein, das stimmt.“ Um die Ecke kam eine zwar junge, aber durchaus ältere Frau als ich es war. Sie musste um die Mitte 30 sein, trug eine Brille mit dicken Rand und sah aber eigentlich irgendwie ganz nett aus.
„Aber du wirst schnell merken, dass es hier drinnen sehr modern ist. Ich bin Sophie, deine Vertrauenslehrerin, wenn du so willst.“ Ich nahm ihre ausgestreckte Hand entgegen. Ja, sie strahlte wirklich eine gewisse Vertrauensbasis aus und irgendwie mochte ich sie von Anfang an.
„Ich bin Emma, Emma Watson.“ Ich erwartete schon wieder eine Bemerkung über meinen Namen, als Sophie sie nur anlächelte.
„Hallo Emma. Dann Herzlich Willkommen. Ich werde dich jetzt zu deinem Zimmer begleiten. Du kannst mir ruhig einen deiner Koffer geben, sonst schleppst du dich ja zu Tode.“
Dankend nahm ich das Angebot an und lief hinter Sophie einen langen Gang entlang. Die hohen Decken, die anscheinend überall in dieser Burg waren, schienen kein Ende zu nehmen. Als ich das erste Mal draußen vor dem Ding stand, was ich jetzt einfach mal Burg genannt hatte, war mein erster Gedanke, dass meine Eltern mir Gott was weiß erzählt hatten. Doch es schien wirklich sehr modern zu sein.
„So, hier sind wir jetzt im großen Mittelbereich des Hauses.“ Pfft, Haus ist gut. Was war denn dann mein zu Hause? Eine Zwergenhütte?
„Wie du sicherlich schon weißt, ist das hier kein reines Mädcheninternat oder sowas. Nein, wir sind gemischt und ihr habt auch nicht getrennt Unterricht, sondern es ist alles normal gemischt. Wie du siehst geht hier eine große Treppe hoch, die sich rechts und links teilt. Nun rechts sind die Mädchenschlafräume und links die der Jungs. Keine Panik, ihr dürft natürlich sowohl in die Räume der Jungs, als auch umgekehrt. Nur ein gewisses Privatleben sollte euch bleiben.“
Ich kam mir irgendwie wie in die Schöne und das Biest vor. Links würde gleich das Biest die Treppe runtersteigen, rechts die wunderschöne Belle und in der Mitte gaben sich beide liebevoll die Hand und stiegen die letzten Stufen gemeinsam runter. Ja, um ehrlich zu sein stand ich manchmal auf so einen Kitsch.
„Emma?“ Oh, da war ich wohl wieder in meiner Welt.
„Ja, Entschuldigung. Es ist nur alles so neu hier.“
„Verständlich. Komm wir nehmen den Aufzug, immerhin hast du Gepäck dabei.“ Sie lief rechts an der Treppe vorbei und steckte einen Schlüssel in ein kaum zu erkennendes Schlüsselloch, worauf sich mit einem Ping die Türen öffneten und ein geräumiger Fahrstuhl wie aus dem Nichts erschien.
„Dein Zimmer ist im dritten Stock. Aber deine Zimmerpartnerinnen werden dir nachher alles zeigen.“
„Zimmerpartnerinnen?“ Bitte nicht solche blöden Zicken.
„Ja, ihr seid zu viert. Leonie und Martha sind schon seit letztem Jahr hier und dann kommt heute noch Pia, die auch das erste Jahr hier verbringt. Aber keine Panik, ihr habt sehr viel Platz.“
Na was die unter viel Platz verstand, wüsste ich auch mal gern. Immerhin hatte ich zwei XXL Koffer dabei und noch eine Sporttasche. Nein, ich hatte nicht so viele Klamotten und meine Koffer waren auch nicht pink, aber immerhin würde ich hier ein ganzes Jahr bleiben. Mit einem weiteren Ping schoben sich die Fahrstuhltüren auseinander und Sophie ging voran. Wir waren wieder in einem etwas langen Flur, mit weniger hohen Decken. Wir bogen am Ende des Ganges noch einmal nach rechts, als Sophie auch schon an eine Tür klopfte. Sicherheitshalber zählte ich die Türen nach. Es war die 3. Tür nach der Ecke. Sophie öffnete die Tür und überließ mir den Vortritt.
Ich staunte nicht schlecht. Ich fand mich in einem großen, hellen Raum wieder. In der einen Ecke stand ein großer Tisch mit vier Stühlen drum herum, in der anderen war eine große Sofaecke eingerichtet. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, als ich einen großen Flachbildschirm und jede Menge DVDs und Blurays in einem Regal daneben stehen sah. Apropos Regal, da wanderten meine Augen zur nächsten Ecke. Ein riesiges Regal, das bis zur Decke reichte und eine Leiter hatte, war vollgestopft mit Büchern. Vier schneeweiße Sessel standen vor einem Glastisch. Auf einem der Sessel saß ein nicht allzu großes, aber sehr hübsches Mädchen. Sie hatte eine Brille auf, die sie jetzt absetzte und sich erhob.
„Hey, ich bin Martha.“
Ich wollte ihr schon die Hand geben, als sie mich umarmte. Huch, was war denn hier los?
„Emma.“ Wir lächelten uns an und sie sah an mir herunter.
„Du bist ja auch größer als ich. Mann O Mann.“ Sie grinste. Ja ich war wirklich ein paar Zentimeter größer als sie. Sie hatte einen leicht dunklen Hautton und ihre Haare waren fast schwarz. Sie hatte große braune Augen und ihre Größe machten sie irgendwie sympathisch. Wir lächelten uns an als es auf einmal einen lauten Knall gab. Rumps!
„Oh `tschuldigung.“ Ein großes, schlankes Mädchen, die gerade die Tür zugeknallt hatte, kam mit hüpfenden Schritten auf mich zu. Mir stach sofort ein Detail in die Augen. Sie hatte orangene Haare, die ihr in sanften Locken auf die Schulter fielen.
„Na da ist ja unser Wirbelwind.“ Martha grinste mich vielsagend an.
„Achwas Wirbelwind. Ich nenne das emotional flexibel. Hey, ich bin Leonie und wir beide sind Zimmerpartnerinnen. Sofern du es mit mir aushältst.“ Sie grinste mich schief an und auch ist musste grinsen.
„Ich denke schon. Hey, ich bin Emma.“ Auch sie umarmte mich und Sophie wandte sich zum Gehen.
„So, ich werde mal nachsehen, ob unser letztes Mitglied auch schon da ist. Ihr scheint ja klar zu kommen. Zeigt ihr bitte alles ja?“
„Ja, Sophie, machen wir.“ Wir winkten ihr noch kurz zum Abschied, als sich Leonie auch schon bei mir einhakte.
„Willkommen in unserem bescheidenen Heim.“ Sie machte eine einladende Geste und ich musste unwillkürlich grinsen.
„Bescheiden ist gut. Ihr lebt hier ja wie im puren Luxus.“
„Ja, das finden wir auch. Also, wir teilen uns ein Badezimmer. Martha ist mit Pia in einem Zimmer und du mit mir. Falls du dich wunderst, wir haben zwar einen Kühlschrank, aber das ist keine komplette Küche. Essen gibt es in der Kantine.“ Sie deutete auf die letzte Ecke, die ich mir noch nicht angeschaut hatte. Eine Schrankecke, mit einem großen silbernen Kühlschrank hatte dort ihren Platz gefunden. Es war ein Doppeltürkühlschrank mit einem Eisfach.
„So, dass da drüben ist das Zimmer von Martha und Pia, dies hier ist unseres. Die Tür die du da hinten neben dem Tisch siehst“, sie deutete auf eine große Doppeltür, „führt zum Badezimmer.“
Sie zog mich hinter sich her und öffnete die Schlafzimmertür. Es war ein großer, heller Raum mit zwei großen Betten. Leonie hatte ihr Lager bereits an dem Bett aufgeschlagen, welches zu einer weiteren Tür führte.
„Ich dachte, vielleicht willst du lieber am Fenster schlafen. Aber wir können auch tauschen, wenn du das nicht magst.“
„Nein, das ist perfekt. Danke Leonie.“
„Nenn mich Leo.“ Leo stellte meine Sporttasche, die sie genommen hatte, auf mein Bett. Martha stellte den Rollkoffer neben mich und sagte: „Ich geh jetzt weiterlesen. Richte dich erstmal ein, dann können wir dir in Ruhe alles zeigen. Vielleicht ist dann auch meine Zimmerpartnerin da.“ Ich nickte ihr lächelnd zu und sie verschwand.
Leo hatte sich auf ihre Bett gesetzt und sah mich an.
„Du bist ziemlich hübsch.“ Verblüfft sah ich sie an. Wow, so eine Offenheit war ich garnicht gewöhnt. Aber irgendwie gab das ihrer Sympathie keinen Minuspunkt, eher im Gegenteil. Ich mochte Leute die offen das sagten, was sie dachten.
„Danke, du bist aber auch nicht von schlechten Eltern.“ Wir sahen uns einen Moment an und prusteten dann los. Ja, ich denke, ich würde es hier aushalten.
„Wohin führt die Tür?“ Ich deutete auf eine weitere große Flügeltür, die gegenüber der großen Fensterfront lag.
„Das ist unser Paradies.“ Sie grinste, nahm meinen Koffer den Martha neben mich gestellt hatte und öffnete die Türen. Automatisch gingen überall die Lichter an und ich fand mich, oh hoffe ich lebe noch, in einem riesigen begehbaren Kleiderschrank wieder.
„Das ist ja wie in Sex and the City.“ Leo grinste sie an.
„Ja, das hab ich auch gesagt. Dies ist meine Seite.“ Sie deutete auf die linke Seite und zeigte dann auf die Rechte. „Da kannst du dich ausbreiten wie du willst.“ Sie grinste und legte den Koffer auf eine gepolsterte Bank, die in der Mitte des Raumes stand.
„Zum Glück sind wir gleich groß. Welche Schuhgröße hast du?“
„38.“
„Perfekt. Also, nur wenn du magst, können wir uns unsere Schuhe teilen.“
Sie deutete auf die gegenüberliegende Wand, die komplett mit einem Regal für Schuhe ausgestattet war.
„Klar gerne.“
Die nächste halbe Stunde verbrachten wir damit, meine Klamotten einzuräumen und uns besser kennenzulernen. Wir sortierten unsere Schuhe nach Art, Saison bedingt und Farbe. Mann, war ich froh, dass ich keine pinken Pumps sah.
„Kein Pink. Gott sei Dank.“
„Ih, um Himmels Willen, nein!“ Wieder fingen wir an zu lachen.
„Wieso bist du eigentlich hier?“ Ich wandte mich Leo zu, die im Schneidersitz neben mir saß und gerade meine heißgeliebten blauen Chanel Schuhe ansah.
„Meine Eltern sind ziemlich angesagte Immobilienmakler. Nonstop unterwegs und so. Da kamen sie irgendwann auf die spontane Idee, dass ich hierher gehen sollte. Und du?“
„Meine Eltern sind Anwälte. Sie sind gerade an einem ganz wichtigen Fall dran und überfielen mich mit diesem Internat.“
„Ist aber garnicht so schlecht hier oder?“
„Nein, bis jetzt noch nicht.“
Wir hatten gerade die letzten paar Schuhe eingeräumt und die Koffer in eine Ecke gestellt, als Martha ihren Kopf durch die Tür steckte.
„Pia ist da, kommt ihr?“
Wir gingen hinaus in den Wohnraum, wie sie ihn nannten und ich sah ein ebenfalls nicht allzu großes Mädchen. Sie war fast genauso groß wie Martha, hatte dunkelblonde Haare und grüne Augen. Normalerweise konnte ich diese Art von Mädchen nicht ausstehen. Sie waren das genaue Gegenteil von mir. Ich hatte braune Haare, die sich immer leicht unten lockten und blau-graue Augen. Doch sie schien nett.
„Hey ich bin Emma.“ Ich streckte ihr die Hand hin und sie gab mir ihre.
„Ich bin Pia. Das ist ja echt mal ein hammergeiles Zimmer.“ Sie grinste.
„Ich bin Leonie, nenn mich aber ruhig Leo.“
„Freut mich, euch kennenzulernen. Wir sind ja echt mal eine geile Truppe.“ Mir fiel schnell auf, dass sie keine schüchterne Puppe war. Zum Glück, ich konnte mit solchen Mädchen nicht umgehen. Sie waren nett ja, aber irgendwie mochte ich es nicht, wenn sie nonstop rot wurden, nur weil man sie fragte, wie es ihnen ging.
„Stimmt. Alle Haarfarben vertreten.“ Wir sahen uns rundherum an und mussten lachen. Ja, wir waren wirklich eine spannende Zusammensetzung.
„Ich bring sie mal in unser Zimmer.“ Martha ging mit Pia zum gegenüberliegenden Zimmer und Leo und ich verschwanden wieder in unserem.
„Du kannst dich ja jetzt in Ruhe im Bad breit machen. Es ist so dermaßen viel Platz. Ich warte dann im Wohnraum.“
Ich nickte ihr zu, holte aus meiner großen Sporttasche meinen nicht weniger großen Kulturbeutel und ging zu der großen Doppeltür, die sie mir vorhin gezeigt hatte. Es war zwar etwas gewöhnungsbedürftig, ständig durch den Wohnraum dackeln zu müssen, aber das lag wahrscheinlich auch nur daran, dass ich zu Hause ein eigenes, angrenzendes Bad besaß. Doch als ich die Tür öffnete, verpasste dieses hammermäßige Bad meinen negativen Gedanken einen Tritt in den Hintern.
Vor mir lag ein weiteres Paradies auf Erden.
„Bad? Leo was erzählst du mir da von Bad? Das ist ein halbes Schwimmbad! Haben die das von Adam und Eva ausm Paradies geklaut oder was?“ Sie steckte den Kopf aus der Tür und grinste.
„Hammer oder?“
Ich nickte und verschwand in diesem atemberaubenden, verdammt nochmal mega geilen Bad. Es war ein riesiger Raum, der in schlichten weiß, grau und blau gehalten war. In der Mitte des Raumes war eine Insel mit vier Waschbecken, jeweils zwei sich gegenüberliegend. Links neben der Tür war ein langes, schmales Sideboard welches sich um die Ecke zog. Darüber an der Wand war eine riesige Spiegelfront. Ich ließ meinen Blick weiter wandern, an dem Sideboard vorbei zur hinteren Ecke links. Dort stand eine traumhaft große Badewanne. Eine große Glasfront war in die Wand daneben eingelassen. Ach perfekt zum spannen, darauf würde sie Leo nochmal ansprechen müssen. In der hinteren Ecke rechts war eine große begehbare Dusche, die mit grauem Naturstein ausgestattet war. Nur eine kleine Leiste kleiner, in verschieden Blautönen gehaltenen, zierte die Mitte der Wand rundherum. Der Boden bestand aus weißen Fliesen und hatte kleine LED Leuchten in den Fugen, die helles Licht verströmten. An der Decke waren kleine Runde Lichter eingelassen und zwei kleine, an der Wand über den Spiegel angebrachten Leuchten, spendeten zum Schminken optimales Licht. Rechts von der Tür war ein großes, graues, mit vielen quadratischen Fächern ausgestattetes Regal. Einige Fächer waren nicht verdeckt, darin lagen zum Teil blaue Handtücher, die nach Größe geordnet zu sein schienen. In anderen lagen wiederum Wattepads, Klopapier und in einem Fach sah sie vier gestapelte Bademäntel, blau, rot, grün und ein gelber lagen ordentlich übereinander gestapelt da. Andere Fächer waren mit Kisten aus Bambus ausgestattet. Ich ging hin, öffnete eines und fand daran Frauenkram wie Binden und Tampons. In anderen lagen Lockenwickler, Haargummis und kleine schwarze Haarspangen. Sachte klopfte es an der Tür und als ich mich umdrehte erblickte ich Pia.
„Darf ich reinkommen?“
„Klar, Hammer oder?“ Sie blickte sich um und grinste.
„Ein Mädchentraum oder?“
„Ja allerdings.“ Ich stellte meine große Kulturtasche von Luis Vuitton auf dem Sideboard ab. Meine Mutter hatte sie mir zum Abschied geschenkt, weil ich angeblich sowieso keine mehr hatte. Pia gesellte sich zu mir und wir stellten nach und nach unsere Schminkutensilien auf das Sideboard. Ganz links waren die von Martha, dann kamen Pias, dann meine und ganz rechts, kurz vor der Badewanne standen die von Leo.
„Wieso bist du hier?“ Ich sah Pias Spiegelbild an.
„Meine Eltern sind Anwälte und ziemlich beschäftigt. Bei dir?“
„Meine Mutter ist Staatsanwältin und mein Vater Richter.“
„Oh, Leidensgenossin.“ Wir grinsten uns wieder an.
Als wir auch hiermit fertig waren, gingen wir zurück in den Wohnraum wo Leo und Martha schon auf uns warteten.
„So, bereit unser Schloss kennenzulernen?“
„Klar, auf geht’s.“ Leo hakte sich wieder bei mir ein und zusammen gingen wir den Gang zurück, zurück zu dem Aufzug. Der Gang ging also wie ein „L“ und endete im offenen Treppenhaus. Vor uns lag der Aufzug, links von uns die Treppe. Ich schaute über die Brüstung und sah, dass die Treppe wie im Viereck ging. Sie machte in jedem Stockwerk praktisch eine Biegung und endete bei uns.
„Den Aufzug dürfen wir nur in Ausnahmefällen benutzen und müssen uns auch vorher noch bei Sophie den Schlüssel holen.“ Martha deutete auf den Aufzug und stieg dann die Treppe runter. Hier zweigte wieder ein Gang ab.
„Hier geht es zu den anderen Mädchenschlafzimmern. Aber wenn man es genau nimmt, haben wir das schönste Stockwerk.“
„Wieso das?“ Ich war verwirrt. Hatte man mir nicht gesagt, dass wir alle dieselben Zimmer hatten? Gott, bis ich mich hier zu Recht finden würde, würden wohl Monate vergehen.
„Weil wir den besten Ausblick haben. Unsere Fenster gehen nach hinten zum Wald und zum Sportplatz raus. Die anderen haben alle entweder den Innenhof oder die Straße vor der Nase.“
Wir konnten uns alle ein Grinsen nicht verkneifen und liefen die nächste Treppe hinunter. Wieder ein Gang und wieder Mädchenschlafzimmer. Als wir zu meiner Schöne und das Biest Treppe kamen, wie ich sie jetzt insgeheim nannte, erblickte ich eine große Tür, die mir vorher garnicht aufgefallen war. Sie war genau zwischen den beiden Treppen und genau an der gegenüberliegenden Wand des letzten Treppenabschnitts. Leo öffnete die Tür und zeigte ihnen einen ziemlich großen Raum, der wohl ein allgemeiner Aufenthaltsraum sein sollte. Überall standen kleine Sitzecken, und Regale, mit Spielen, Büchern und anderen verschiedenen Dingen herum. Ich erblickte noch einen Tischkicker und einen Billiardtisch. Irritiert blickte ich mich um und sah…niemanden. Keine Sau war hier.
„Sag mal, sind wir hier irgendwie alle alleine?“
„Nein, aber es sind ja noch eine Woche Ferien. Die meisten, die schon ihr wiederholtes Jahr hier sind, kommen erst einen Tag vorher. Es sind nur die da, die neue Zimmernachbarn bekommen.“
„Oh dann musstet ihr extra wegen uns eine Woche früher herkommen?“ Pia schaute Martha und Leo an.
„Ja, wenn man so nimmt. Aber wir haben uns auf euch gefreut. Ihr müsst euch vorstellen, wir hatten davor so eine, die war arrogant wie sonst was und die andere hat selten einen Ton rausbekommen.“
„Oh ja. Leo, Jennifer war echt schlimm.“
Leo hakte sich wieder bei mir ein und zog uns zu den Jungenschlafsälen.
„So, das ist das Testosteronviertel. Vorsichtig!“ Wir prusteten wieder los. Oh Gott, gab es hier jetzt etwa nur so blöde arrogante Spackos? Ich hatte echt keinen Bock mich nonstop anpöbeln zu lassen und Typen vor mir sitzen haben, die mehr auf ihr Aussehen achten als Jay-Z es von Beyoncé verlangt.
„Wie sind die Typen hier eigentlich so?“ Na da bin ich mal gespannt. Ich bin zwar noch nie jemand gewesen, der sich so stark für Jungs interessiert hat, aber man konnte ja mal hören. Nicht, dass es keine gab, die ich süß fand, aber meistens waren es Blödmänner, Arschlöcher, Schnösel oder irgendwelche Nerds.
„Also, wir haben hier eigentlich alles gemischt. Ihr müsst wissen, dass wir hier alle ziemlich im selben Alter sind. Natürlich gibt es hier auch welche die sich cooler fühlen als andere, aber es hält sich eigentlich in Grenzen.“
Leo schien Marthas Aussage irgendwie zum Lachen zu finden.
„Also Emma, die Jungs sehen eigentlich relativ gut aus. Natürlich gibt es die ein oder anderen die mehr wie Kumpels sind und nicht wie potenzielle Männer zum anbaggern. Aber was ihr wissen solltet, es gibt hier ein Zimmer, das ist wohl das, worüber die Mädels am meisten reden.“ Sie sah sie verschwörerisch grinsend an. Sag mal, wollte die mir jetzt allen Ernstes erklären, dass es hier ein Zimmer gab, mit vier Typen die praktisch wie Models aussahen? Ha! Das war ja gelacht. Wahrscheinlich spekulierte sie schon darauf, dass Pia und ich uns zwei angelten. Nicht mit mir. Ich bin doch keine läufige Hündin die sich jetzt sofort in einen vergucken würde. Das konnten die gerade mal wieder vergessen.
„Soso, wieso reden die denn über die?“ Oh Gott, Pia schien ja wirklich interessiert. Naja, wenn ich ehrlich bin, ein bisschen neugierig bin ich ja auch. Leo grinste und fuhr fort.
„Nun ja, weil sie alle gut aussehen und ziemlich beliebt sind.“
„Lass mich raten, vier mit Testosteron vollgepumpten Supermodels, die sich jedes Mädel krallen und es dann wieder fallen lassen?“
„Nein, eigentlich nicht. Die sind eigentlich super nett. Außer Dave, der ist ein ziemlicher Aufreißer.“
„Hey, hör endlich auf, auf Dave rumzuhacken. Er hat halt noch nicht die Richtige gefunden.“ Martha sah Leo böse an. Ui, da schien ja schon eine verknallt zu sein.
„Ja, Martha hat schon ein Auge auf Dave geworfen. Wenn ihr mich fragt, totaler Schwachsinn. Der Typ hat noch nicht mal was von Liebe gehört.“
Sie kassierte noch einen bösen Blick von Martha und fuhr unbeirrt fort.
„Also Dave ist sozusagen der Aufreißer, aber Martha hat keine schlechte Wahl getroffen. Der ist wirklich zum anbeißen. Groß, breite Schultern und schwarze Haare und Leute, der hat die knallgrünsten Augen die es gibt. Dann gibt es noch Jason, Finn und Nik.“ Wir waren weiter gelaufen und gingen die Treppen der Jungenschlafsäle hoch.
„Jason ist ein ziemlich ruhiger Typ. Blonde Haare, blaue Augen und eigentlich ziemlich nett. Man kann mit ihm so ziemlich über alles reden.“ Da wurde ich jetzt aber mal hellhörig. Man konnte mit ihm gut reden? Na, was lief denn da schon wieder? Woher kannten die die denn so gut?
„Du sag mal, woher wisst’n ihr so viel über die?“ Ich blickte beide schief grinsend an.
„Nun ja, wir haben das seltene Privileg, dass wir wie eine Clique sind. Martha und ich kommen ziemlich gut mit denen klar. Das liegt wohl daran, dass sie uns leider irgendwie nicht als potenzielle Freundinnen sehen.“
„Leider?“ Martha blickte mich an und lächelte. Mit einem Kopfnicken zu Leo sagte sie:
„Ich bin nicht die Einzige die ein Auge auf einen der Jungs geworfen hat. Leo schmachtet schon seit langem Finn an.“
„Ach anschmachten. Du übertreibst. Er ist ja anscheinend zu blind um es zu merken. Ich war noch nie gut, zu flirten. Aber Finn ist ja auch wirklich süß.“ Ach du meine Güte, war ich etwa echt mit zwei, in der Hinsicht schüchternen verliebten Mädels zusammen? Naja, gut. Daran könnte man doch sicherlich arbeiten. In meinem Kopf formte ich mir schon eine Strategie zu Recht, wie man die verkuppeln konnte. Ich würde ja sowieso niemanden dort finden.
„Und was ist mit diesem Nik?“ Ich musste ja schließlich alles berücksichtigen.
„Ah! Niklas Carter, genannt Nik. Er ist wohl der beliebteste von denen.“
„Noch arroganter als dieser Dave?“ Na Super!
„Nein, im Gegenteil. Nik sieht nicht nur dermaßen gut aus, nein der ist hilfsbereit und eigentlich zu jedem nett. Aber er ist der Einzige, der komischerweise noch keine Freundin oder Affäre hatte. Nicht, dass es hier keine hübschen Mädels geben würde und an Auswahl mangelt es ihm auch nicht. Irgendwie hat er kein Interesse.“
Das ist jetzt aber wirklich interessant. Ich mein, wann trifft man schon mal einen Jungen, der anscheinend dermaßen gut aussieht, aber kein Mädchen beachtet? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: er ist schwul oder aber er war eine Illusion aus irgendeiner Geschichte. Zumindest hab ich noch kein so ein Prachtexemplar von Mann gesehen. Aber ich war ja auch nicht hier um mich zu verlieben, sondern den anderen beiden zu helfen. Außerdem brauchte es noch mehr, als so ein Image mich zu überzeugen.
„Nik ist ungefähr ein Kopf größer als wir beide“, damit blickte sie mich an und redete weiter, „so wie eigentlich alle. Er hat hellbraune, relativ kurze Haare und die krassesten blauen Augen die ich je gesehen habe.“
Wir standen an der Brüstung und schauten hinunter. Wir sahen Sophie, die uns zuwinkte und rief:
„Hey, alles klar?“
„Ja, alles klar. Wir zeigen ihnen gerade alles.“ Leos Stimme hallte durch das Treppenhaus und Sophie hob den Daumen.
„Sehr gut, vergesst aber bitte nicht, ihnen die Regeln und die restlichen Gebäude zu zeigen.“
„Alles klar, machen wir.“ Sophie verschwand und ich schaute die anderen drei an. Sie waren wirklich alle nett. Besser hätte ich es ja nicht treffen können.






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