Wenn sich das Leben verändert

Autor: Mautzi
veröffentlicht am: 26.04.2012


Müde schmiss sich Catherine auf ihr grosses Rindsledersofa. Sie arbeitete zwei Tage lang durch mit kleinen Schlafpausen und war total ausgelaugt. Sie hatte das Gefühl, sie hätte ihre kleine, aber stilvoll eingerichtete Wohnung, welche sie in hellen Farben hielt und mit ein paar farbigen Tupfern aufpeppte, seit Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sie liess ihren Blick schweifen. Nichts hatte sich verändert, es war alles so, wie als sie die Wohnung verlassen hatte. Mühevoll stand sie vom Sofa auf und ging durch den Flur ins Badezimmer. Am Waschbecken wusch sie sich ihr müdes Gesicht mit kaltem Wasser und guckte in den Spiegel. Zwei graue Augen starrten ihr entgegen und ihre kastanienbraunen Haare hingen ihr ins Gesicht. Sie seufzte und schlüpfte aus ihren engen, schwarzen Jeans und aus ihrem roten Pullover. Wieder schaute sie in den Spiegel, die Haut war weiss wie Schnee. Im Sommer hatte sie niemals die Gelegenheit an die Sonne zu gehen und mittlerweile war Winter. Und auch wenn es noch Sommer wäre, auch jetzt hätte sie keine Zeit um einmal ein paar Sonnenstrahlen zu tanken. Sie wandte den Blick ab, öffnete ihren BH und schlüpfte aus dem Slip. Langsam schlurfte sie unter die Dusche und drehte den Heisswasserhahn voll auf. Durch den Schlafentzug fror sie die ganze Zeit. Der warme Regen tat gut auf der Haut und wärmte sie. Wenn sie sich nicht 5 Minuten zuvor kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt hätte, wäre sie womöglich noch unter der Dusche eingeschlafen. Lustlos wurden die Haare einshampooniert und der Körper eingeseift und wieder alles abgewaschen. Bevor sie es doch noch in Erwägung zog unter der Dusche zu schlafen, drehte sie den Wasserhahn zu und stieg aus der Dusche auf den flauschigen Badzimmerteppich. Sie hüllte sich in ihren peinlichen, rosa Bademantel und lief zu ihrem Zimmer, wo sie sich erschöpft auf das Bett fallen liess und sekundenschnell einschlief.

„Dr. Flosk, bitte in die Notaufnahme, ich wiederhole, Dr. Floks, bitte in die Notaufnahme!“
Catherine Floks seufzte. Schon wieder ein Notfall. Schnell nahm sie noch einen grossen Schluck Kaffee und eilte ins Erdgeschoss in die Notaufnahme. Sie hatte drei Tage frei gehabt und schlief nur. Sie ass kaum und unternahm nichts. Die einzigen Strecken die sie zurücklegte waren die zum Kühlschrank, zum Badezimmer oder zu ihrem Bett. Als Notfallärztin und behandelnde Chirurgin ist man immer im Stress, aber so wie es in Wirklichkeit war, so hätte es sich Catherine niemals träumen lassen. Sie schüttelte die Gedanken ab und öffnete die graue Flügeltür zur Notaufnahme. Sofort ging der Trubel los, Assistenzärzte, Oberärzte, Stationsärzte, Angehörige und Patienten summten wie in einem Bienenstock nervös durcheinander. Zielstrebig ging Catherine auf eines der weiss bezogenen Metallgestelle, die sie im Krankenhaus Bett nannten zu, um den von bereits zwei Schwestern und einem Assistenzarzt umringten Patienten zu untersuchen. „Patient Aaron Lason, 28 Jahre, Kolission mit einem falsch entgegenkommenden LKW. Er hat ein Schädelhirntrauma und eine Fraktur der Clavicula. Bevor er eingeliefert worden war, war er bei Bewusstsein. Keine Situationsveränderung“, ratterte der Assistenzarzt herunter. Catherine nickte und gab Anweisungen für ein CT und schaute sich das Röntgenbild des gebrochenen Schlüsselbeins an, um zu entscheiden ob es operiert werden musste oder nicht. Es war sauber gebrochen und musste so nicht operiert werden. Auch das CT war in Ordnung. Wegen des Schädelhirntraumas und zur Beobachtung würde der Patient aber sicher noch eine Weile hier bleiben. Catherine ging zurück zu ihrem Patienten und machte noch ein paar Checks wie Hände drücken und Augenreaktionen testen. Dabei betrachtete sie Aaron Lason etwas genauer. Er hatte grüne Augen, so eindringlich Smaragdgrün, wie wenn er den Wald in voller Blüte in seine Augen aufgenommen hätte. Sein Haar war blutverklebt, aber man konnte erkennen, dass er dunkelbraunes Haar hatte. Wenn man von den Verletzungen absah, eigentlich ein attraktiver Mann. Schnell schüttelte Catherine diese Gedanken ab, sie musste sich aufs wesentliche konzentrieren, und das war nun mal ihr Job. Da hat man halt keine Zeit für ein ausgedehntes Privatleben.
Sie wandte sich nach den Checks, die alle in Ordnung waren, der Krankenschwester zu, die den Patienten betreut hatte, und ordnete ihr an, Aaron Lason als erstes für eine Nacht auf die Intensivstation zu bringen und danach für zwei Tage auf die normale Patientenstation. Bei der nächsten Visite würde Catherine entscheiden, ob er länger bleiben musste.
Die Krankenschwester nickte und befolgte die Anweisungen.

Auf dem Heimweg musste Catherine die ganze Zeit an die Smaragdgrünen Augen denken. Sie weckten in ihr ein Gefühl, dass sie vorher eher selten gefühlt hatte. Aber sie konnte nicht sagen was es war. Sie war total in Gedanken vertieft und merkte nicht, dass ihre Unachtsamkeit ihr zum Verhängnis werden wird. Alles was sie noch wahr nahm, war wärme, Licht und der Geruch nach verbranntem Gummi.






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