Die große Liebe, das große Glück Teil 5

Autor: Marissa
veröffentlicht am: 07.06.2007




Einen knappen Monat später - ich war doch wieder zur Schule gegangen, denn mein Abi konnte ich schließlich nicht komplett auf dem Trockenen sitzen lassen - und wie heißt es so schön: 'Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.' Nun ja, auf meine damalige Situation würde wohl eher zutreffen 'Nach der Arbeit noch mehr Arbeit - um keinen Gedanken an meine Verflossene zu verschwenden.' Ich hatte mir zwar einst vorgenommen, Mark keine Träne mehr nachzuheulen, doch so ganz hatte sich mein Vorsatz dann doch nicht erfüllen lassen. Die Beziehung mit Mark - und vor allem der schlagartige Schlussstrich hatten mein Leben und mich doch ziemlich verändert. Eine graue, undurchlässige und schwere Gleichgültigkeit machte sich in mir breit. Wann ich früher noch auf wilden Oberstufenpartys abfeierte, saß ich zu Hause und starrte eine leere Wand an - oder überflog ein zufällig aus dem Regal gezogenes Buch, wobei ich den Faden schon nach den ersten zwei Seiten verlor und es dann nur zuende las um mir selbst das Gefühl zu geben, etwas zu tun. Diese 'Beschäftigungen' pflegte ich zu diesem Zeitpunkt als meine 'Freizeit' anzusehen, denn es war auch das Einzige, was ich tat. Die übrigen 12 Stunden verbrachte ich dann in der Schule, im Aufenthaltsraum der Oberstufe mit lernen. Hin und wieder sah ich auch etwas fern. Meine Körperpflege ließ ich auch ziemlich schweifen, ich befand es nicht einmal für nötig, mir morgens das Gesicht zu reinigen und meinen Lidstrich nachzuziehen oder meine Tränensäcke abzuschminken. Nein, meine Beauty war mir vollkommen gleichgültig - so wie alles andere auch. Ich aß kaum noch etwas und trank nur mäßig - was relativ rasch dazu führte, dass ich oft Kopfschmerzen hatte und mich immer schlapp fühlte. Doch schlafen konnte ich auch kaum. Irgendwie war ich innerlich in eine Art frühzeitige Winterstarre verfallen. Ich würde eher sagen 'Mein Körper funktionierte gerade noch so ...'.

Nun, mein 'vor-mich-hin-Vergetiere' blieb natürlich auch meiner Freundin Leonie nicht verborgen. Während alle anderen bereits einen großen Bogen um mich machten, versuchte sie doch immer wieder, mich in meiner ehemaligen Clique unterzubringen. 'Komm doch einfach zur Party morgen. Die Anderen würden sich total freuen ...', meinte sie aufmunternd. 'Wer würde sich freuen?', meinte ich abweisend. 'Siehst du hier irgendjemanden, außer dir und mir? Aber wer, sagtest du noch gleich, würde sich freuen, wenn ich zu deiner Party kommen würde ...?' antwortete ich leicht abfällig. Leonie sah etwas betrübt zu Boden. Ich kam mir vor, wie beim Jugendgericht, wo der Angeklagte gerade ein Schuldgeständnis ablegte und ich war die Staatsanwältin, die die Anklage erhob. Stille, Schweigen, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte doch etwas auf meine Aussage erwidert, doch dieses Schweigen war einem Mordgeständnis gleichzusetzen. Ja, seit ich erst einmal gut zwei Wochen Schule geschwänzt hatte - und dann bei meiner wiederkehrenden körperlichen Anwesenheit, geistig eigentlich total abwesend war, war ich bei meiner Klasse unten durch. Leonie war wirklich die Einzige, die sich meiner annahm. 'Mensch Marissa, das kann doch so nicht weitergehen ...', brach Leonie die eisige Stille Minuten später. 'Du lässt dich total hängen. Und niemand weiß, weshalb. Erst kommst du ewig nicht, wenn du wieder da bist, reagierst du auf nichts, was man tut. Eigentlich machen sich alle Sorgen ... aber so, wie du im Moment rumläufst ... da traut sich keiner ... also ich meine ...', sie brach ab. Ich wusste genau, worauf sie anspielte, mein angsteinflößendes Äußeres und das dazugehörige Auftreten. 'Mensch, Marissa, du warst früher so beliebt, der Schwarm der halben Schule. Die Jungs haben sich darum geprügelt, wer mit dir ins Kino gehen darf. Und jetzt? Sieh dich doch mal an ... zerzauste Haare, verknitterte Klamotten, verschmiertes AugenMake-up. Wie sieht das denn aus ...', wieder brach sie ab. ... Die Diskussion ging dann noch eine Weile, wie Pingpong hin und her, wobei sich meine Beiträge zu diesem Gespräch auf einfaches Schweigen beschränkten. Schließlich ließ ich mich von Leonie doch überzeugen, mal wieder mit ihr shoppen zu gehen.Zugegeben, obwohl ich zuerst wenig Lust gehabt hatte, verspürte ich doch ein wenig Freude, als ich zu Hause ankam. Leonie hatte mir die Hand gereicht um mich auf dem tiefen schwarzen Loch zu ziehen, in welchem ich mich befand. Und endlich hatte ich wieder etwas zu tun. Ich suchte mir also ein schönes Top und eine süßen Mini heraus, holte mal wieder meine Lieblingspoems aus dem Schuhschrank und ging ins Bad - um dem nachzukommen, was ich schon ewig hätte tun müssen: Mich hübsch herzurichten. Ich badete erst einmal ausgiebig, machte ein Ganzkörperpeeling, rasierte mich und schmierte mich mit meiner Lieblingsbodylotion ein, die so schön nach Kirsche duftete. Anschließend wickelte ich meine Haare auf große Lockenwickler, zog mich um, föhnte meine Haare und schminkte mich. Das Ergebnis war eigentlich sehr zufriedenstellend: Ich sah ziemlich gut aus, fast so gut, wie früher.

Das fand auch meine Freundin Leonie, als wir uns wenig später trafen. Ich fühlte mich so gut, wie schon lange nicht mehr - ja, ich hatte sogar richtig Hunger. Nachdem wir in einem Café in unserem Lieblingskaufhaus zusammen 4 Sandwiches verspeisten, ging es von Laden zu Laden. Wir kauften so richtig schön ein, die Stimmung war wirklich super. Doch das sollte nicht so bleiben, denn meine Stimmung verfinsterte sich schlagartig, als ich im Aufzug ins 4. Stockwerk ausgerechnet Mark begegnete. Er trat in den Aufzug, drückte auf die '6' und blickte mich einen kurzen Moment lang eindringlich an. So, als wollte er in meinem Inneren wie in einem Buch lesen. 'Hallo Marissa.', meinte er schließlich und starrte zu Boden. 'Tag.', meinte ich einsilbig. Ich merkte, wie in mir wieder diese Wut entflammte, auf ihn, auf mich, auf diese Schlampe, die er sicher mehr als einmal gevögelt hatte. Sie breitete sich binnen weniger Sekunden in mir aus, wie ein Lauffeuer. 'Na, wo soll's hingehen?', meinte ich provozierend. 'Du bist doch bestimmt nicht allein hier? Wo hast du denn deine Schlampe gelassen? Oder hast du die auch schon wieder abgeschossen?!', versuchte ich meiner Wut etwas Luft zu machen. 'Marissa ...', erinnerte mich Leonie an ihre Anwesenheit. 'Das bringt doch nichts, komm ...', versuchte sich mich zu bändigen, doch ich hörte nur mit halben Ohr hin. Ich war vollkommen auf Mark fixiert. 'Ich glaube, der Sexshop ist im 3. Stock ... nur für den Fall, dass dir die Kondome ausgegangen sein sollten!', fuhr ich fort. Zum Glück hielt der Aufzug in diesem Moment auch schon im 4. Stock und ich stürmte hinaus - und ließ alle meine Einkaufstüten stehen. Leonie hatte Mühe, mit mir Schritt zu halten. Ich irrte noch ein wenig im 4. Stock herum, verabschiedete mich dann und ging heim.

Am nächsten Tag klingelte es unerwartet an meiner Tür. Ich überlegte, die Tür einfach nicht zu öffnen, doch es hatte ja keinen Sinn. Ich konnte mich nicht wieder vollkommen vergraben, nur weil ich Mark begegnet war. Tja, wenn man vom Teufel spricht ... Natürlich war es Mark, der da vor meiner Tür herumlungerte, bepackt mit meinen gestrigen Einkäufen. Irgendwie war sein Anblick schon ein wenig komisch - denn ich grinste ganz unbeholfen. 'Ja ... äh, hi Marissa.', meinte er und starrte vom einen zum anderen Arm, jeder mit mindestens 5 Tüten geschmückt. 'Ich hab deine Einkäufe hier ... du hast sie gestern vergessen. Also, du weißt schon ... im Sexshop ... also ich meine natürlich im Kaufhaus, also im Fahrstuhl ... ach egal, hier.', stammelte er und blickte mich mit seinen Hundeaugen an. 'Jaaa', sagte ich. 'Danke.', ich nahm ihm die Einkaufstaschen ab und stellte sie erst einmal ins Bad. Ich ging wieder zur Tür und meinte ganz spontan, ob er nicht schnell auf einen Kaffee reinkommen wollte. Er wollte und so schlürfte ich - so verrückt das klingen mag - am Samstagnachmittag mit meinem Exfreund Kaffee auf meiner kleinen Terrasse. Seinetwegen hatte ich mir wochenlang die Augen aus dem Kopf geheult - und mich komplett von der Außenwelt abgeschottet. Es war schon merkwürdig, wir redeten über Gott und die Welt und taten so, als sei nie etwas gewesen. Schließlich fragte er mich, was ich denn gekauft hatte. Ich schlug ihm vor, ihm bei einer kleinen Modenschau meine neuen Klamotten vorzuführen und so zog ich mich zwei Stunden lang alle 5 Minuten um. 'Chicke Sachen, aber dir steht ja alles ...', war dann sein Urteil. Na super, das klang gerade so wie 'Hey, für deinen schlechten Geschmack kannst du nichts, aber wenigstens siehst du gut aus.' Ich setzte mich wieder zu ihm und schenkte ihm Kaffee nach. Dann - obwohl wir das Thema bis jetzt so erfolgreich ausgespart hatten, streute er doch wieder Salz in meine unheilbare Wunde. 'Marissa, ich muss dir etwas gestehen ...', fing er an. Ich wurde sofort hellhörig, was nun wohl kam? 'Mir ist es ganz recht gewesen, dass du deine Sachen im Fahrstuhl vergessen hast. So hatte ich wenigstens einen Grund, dich mal wieder zu sehen.', sagte er leise, so als ob er mir ein Attentat auf den Bundespräsidenten beichten wollte. Ich musste wieder grinsen. 'Weißt du', fing ich an. 'Das war eigentlich kein Versehen. Ich wollte dich ein wenig provozieren. Dein Anblick macht mich immer noch total verrückt.', sagte ich und blickte nun ebenfalls zu Boden. 'Marissa, ich habe nicht mit ihr geschlafen.', sagte Mark - und ich wusste natürlich sofort, wen er meinte. Die ewig feuchte Schlampe von vor einem Monat. 'Ich war nur so wahnsinnig verletzt, dass du mich betrogen hast. Und wollte ... mir selbst beweisen ... dass ich auch jede haben kann. Das war falsch.', er blickte mir tief in die Augen. 'Ich wollte dich nie verletzten. Mir bekommt kein Alkohol, ich war total ...', weiter kam ich nicht, denn er unterbrach mich '... betrunken, ich weiß. Ich habe nachgedacht. Meinst du, wir können noch mal von vorne anfangen? Ich vermisse dich ...', sagte er. AUTSCH! Das tat weh. Ein riesen Stich tat sich in meinem Herzen. Aber nicht vor Trauer. Sondern zum ersten Mal seit langem vor Freude. Anstatt ihm zu antworten, fiel ich ihm um den Hals und wir verflossen in einen lang ersehnten, tiefen Kuss.

Fortsetzung folgt ... bald







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