Wider der Vernunft

Autor: Caramille
veröffentlicht am: 04.06.2012


Am Horizont konnte man schon die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne erkennen, die die dunkle einsame Nacht vertreiben sollten. Ich saß immer noch im Fensterbrett und las mithilfe einer Taschenlampe in Tolstois Anna Karenina. An den spannenden, mich innerlich hin und her zerrenden Stellen legte ich das Buch für einen Moment zur Seite und griff zu einer Zigarette. Ich weiß, dass Rauchen schädlich ist, doch konnte es einfach nicht lassen, wider meiner Vernunft. Ich liebe es, wie der Rauch langsam in nichts aufgeht. Fast genauso wie diese anschwellende Stille, kurz bevor der Morgenlärm losbricht. Die Sonne stieg immer höher und tauchte alles, sogar das trostlose Grau der Häuser in eine anmutige, aber nicht lang andauernde Wärme. Sie kitzelte mein Gesicht und ich wusste ich musste los. Ich schwang mich also in mein Zimmer zurück und schloss das Fenster noch bevor der Morgenlärm in mein Zimmer ziehen konnte. Ich erreichte meinen klingelnden Wecker, der mich morgen für morgen aus meinem Schlaf riss, noch bevor er seinen Höhepunkt erklomm. Hellwach, trotz der durchmachten Nacht streifte ich mir ein sauberes T-Shirt über, dass ich nur unter Anstrengungen aus meinem chaotischen Schrank gezogen hatte. Mich umguckend, wo meine Jeans war, fand ich sie da, wo ich sie zerknüllt am Vorabend fallen gelassen hatte. Ich versuchte sie zu glätten - vergeblich- und zog sie schließlich an, ohne mir weiter Gedanken darüber zu machen. Meine Haare waren da weniger widerspenstig und legten sich ordentlich. Wohl das einzige was ich unter Kontrolle hatte. Wie jeden Morgen quetschte ich meine Bücher in meinen Rucksack, schlang meine Cornflakes herunter und putzte meine Zähne, bevor ich das Haus verließ. Vor der Tür guckte ich nochmal an mir herunter, ob auch nichts fehlte. Aber alles war an seinem Platz, meine ausgelatschten Schuhe, meine knittrige Hose und mein Rucksack sah auch vollständig aus. Mit meinem Buch in der Hand trottete ich den gewohnten Weg zur Schule. Und wie gewöhnlich war ich in meiner eigenen Welt, heute führte ich ein ernstes Gespräch mit Anna über deren Unfähigkeit eine klare Entscheidung zu treffen und bekam nichts von den hektischen Menschen um mich herum mit.
Angekommen auf dem Schulhof begrüßten mich meine Freunde und holten mich zurück in die Realität. Ich merkte das irgendwas anders war doch so langsam machte sich doch Müdigkeit bemerkbar und so konnte ich nicht feststellen was anders war. Also ging ich mit meiner besten Freundin Isabell zur ersten Stunde. Ich sah zu ihr rüber und sie hatte so ein Grinsen im Gesicht. "Was is den heute morgen mit dir los du grinst so?" Ihr Lächeln wurde noch breiter und sie rückte mit der Sprache raus. "Chris hat mich gestern angerufen." Ein Freudenschrei kam uns beiden über die Lippen, aber gleich wurden wir von unserer Deutschlehrerin ermahnt, dass die Stunde doch schon angefangen hätte. So konnten wir erst einmal nicht weiter darüber diskutieren. 2 Stunden Deutsch das konnte ja was werden, glücklicherweise ließ uns Frau Knatz selbstständig einen Auszug eines Dramas interpretieren. Ganz vertieft in meine Arbeit erschrak ich mich, als plötzlich jemand neben mir stand und mich ansprach. Ich wär beinahe vom Stuhl gefallen. Wütend, weil ich quer über mein Blatt einen fetten Strich gezogen hatte, sah ich die Person an, die mich von Goethes Worten weggerissen hatte. Ich wollte eigentlich böse gucken, aber als ich ihn erblickte war ich total perplex und konnte ihn nur ungläubig anstaren. Diese leuchtend grünen Augen lenkten mich erneut so ab, dass ich seine Frage schon wieder nicht verstand. Isabell stieß mir ihren Ellenbogen in die Rippen und sah mich fragend an, als ich meinen Blick zu ihr wandte. Sie reichte ihm dann ein Buch von unserem Tisch, wonach er anscheinend gefragt hatte und setzte sich auf die freie Bank hinter uns. Die restliche Stunde war dahin, ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Da ich mich weder umdrehen, noch mit Isa sprechen konnte, um herauszufinden was gerade passiert war, kannte mein Gehirn nur noch einen Gedanken. Die strahlend grünen Augen von diesem Kerl. Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit verging bis die Klingel mich aus meinen Träumereien schupste. Im Bruchteil einer Sekunde wurde mir klar, dass dieser Kerl nur Ärger bedeuten konnte. Und zwar für mich und meine Aufmerksamkeit im Unterricht.
In der Frühstückspause erzählte mir Isa alles über ihr Telefonat mit Chris. Zu meiner Schande muss ich gestehen bekam ich nur die Hälfte mit. Doch allerdings noch genug um zu wissen, dass beide sich treffen wollten und sie unheimlich aufgeregt sei. Dann als es schon zur nächsten Stunde läutete ergriff ich meine Chance Isa zu fragen wer denn der Neue war. "Is ja mal wieder typisch, dass du nichts mitbekommen hast. ... Er heißt Dave. ... Is wohl zu cool für David, so wie ihn Frau Knatz die ganze Zeit nannte." Ich hörte da so einen Unterton in ihrer Stimme, der mir sagen sollte, dass sie ihn jetzt schon nicht leiden konnte. Sollte mir nur recht sein. Und gerade als sie auf meinen Totalausfall kommen wollte trennten sich unsere Wege. Ich schlenderte fröhlich zum Bio Unterricht und sie musste zu Chemie. Mir wär nie im Leben eingefallen auch nur ein weiteres Jahr Chemie zu belegen. Das wär wohl mein Untergang gewesen, vorallem wenn ich meine geliebte Isa nicht neben mir zu sitzen gehabt hätte. Sie hat sich immer schützend vor mich geworfen wenn ich eine Frage beantworten sollte und hat sich selbst gemeldet. Bio verlief ziemlich ruhig und nach einigen Minuten konzentrierte ich mich auch wieder auf den Stoff. Die nächsten Stunden verliefen ohne weitere Zwischenfälle.





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