Wider der Vernunft - Teil 3

Autor: Caramille
veröffentlicht am: 07.06.2012


Damit hatte ich ihn erstmal zum Schweigen gebracht. Die Stunde verging noch langsamer, als der Tage bis dahin. Ich fühlte mich unwohl, weil ich David angestarrt hatte und er das wusste. Zusammen lasen wir also in meinem Buch und mussten uns abstimmen, wenn wir mit einer Seite fertig waren. Es war schon sehr zerlesen. Ich hatte Die Leiden des jungen Werther bestimmt 100 Mal gelesen und dementsprechend sah es auch aus, umgeknickte Seiten, zerschlissener Einband und hier und da eine Anmerkung am Rand. Und endlich das erlösende Läuten. Ich packte meine Sachen zusammen und wollte nur noch raus eine rauchen. David schritt neben mir her. Ich wunderte mich, warum er das tat und wagte einen kurzen Seitenblick, er wirkte nachdenklich. "Kann ich dich mal was fragen?" Erstaunen legte sich auf mein Gesicht und die Wut hatte nicht mehr die Oberhand. "Mhh ...klar." Mittlerweile standen wir schon vor dem Schultor und David sah mich an. "Die Anmerkungen in deinem Buch wirken sehr nachdenklich für eine Zwölftklässlerin ...die dazu noch ne riesen Party schmeißt." Ich versuchte mir eine Zigarette anzuzünden, doch mein Feuer streikte. David reichte mir seins. "Ähm? ... Das war keine Frage." Er guckte mich von unten an, mit seinen verführerischen Augen und nötigte mich trotzdem zu antworten. "Es ist eins meiner Lieblingsbücher, da macht man sich schonmal Gedanken. ... Und schließt sich das gegenseitig aus, sich Gedanken und Party machen?" Er guckte etwas verdutzt. Ich war in Streitlaune gekommen und nahm mir gleich vor einfach zu gehen bevor sie vollens aus mir herausbrach. David erwiderte allerdings nichts. Rauchend standen wir nebeneinander, ich dachte darüber nach, was er gesagt hatte. "So ich muss dann los" riss er mich aus meinen Gedanken.
"Aber wir haben doch noch eine Stunde"
" Die schenk ich mir heute. Hab noch was vor."
Mit den Worten ließ er mich stehen und schritt in Richtung Parkplatz und stieg auf seine Maschine. Ja na klar, das hatte noch gefehlt zu seinem Image, die Schule schwänzen und Motorrad fahren.
Die letzte Stunde überstand ich dann auch noch und machte mich auf den Weg nach Hause. Zum Glück noch keine Anzeichen von Isa und Maike oder einer tobenden Masse, die mein Haus für heute besetzen wollte.
Drinnen schmiss ich meine Sachen in den Flur, ging in mein Zimmer und drehte die Musik voll auf, um mich zu entspannen.
Mit einem Eis in der Hand tanzte ich durchs Haus. Ich vergass alles um mich herum und hörte nur noch Kurt, wie er die ersten Worte von 'Drain You' heraus schrie. In meiner Vorstellung war Kurt wieder lebendig, Nirvana spielte nur für mich und zwar live in meiner Wohnung. Es fühlte sich fantastisch an.
Genau das hatte ich gebraucht nach der anstrengenden Woche und dem seltsamen Tag. Nachdem ich entspannt war, drehte ich die Musik leiser, macht Beweisfotos von den Zimmern, stellte alle peinlichen Familienfotos weg, schloss das Arbeits- und das Schlafzimmer meiner Eltern ab und ging dann gemütlich duschen. Als ich genervt vor meinem Schrank stand, hätte ich alles dafür gegeben ein ordentlicher Mensch zu sein, der das findet, was er sucht. Es war zum Verzweifeln mit mir. Mein Lieblingstshirt war einfach nirgens zu sehen.
Und dann endlich nach 15 Minuten Suche erkannte ich es ganz hinten im untersten Fach. Ein Glück! Noch in meiner Jogginghose und einem viel zu großen Bandshirt stolperte ich zur Tür. Es war kurz vor 5 Uhr und da konnten es nur Maike und Isa sein.
"Hey!" riefen sie wie aus einem Mund.
"Kommt doch rein!"
"Ich pack schonmal das Auto aus. Isa und du könnt ja schonmal das Wohnzimmer ausräumen."
"Okay. Machen wir." und mich an Isa wendent sagte ich "Warum hast du mich im Stich gelassen?"
"Maike musste noch was abholen. Ist was passiert?"
Wir schoben schon die Couche zur Seite und rollten den Teppich ein.
"Na ja ...uff ... Ach is nicht so wichtig."
Ich sah Isa an, dass sie noch was sagen wollte, aber in dem Moment hiefte Maike schon eine Box durch die Tür und verlangte nach Hilfe.
"Sagt mal ...wie groß soll die Party eigentlich werden?" fragte ich, nachdem wir noch eine weiter Box reingeschleppt hatten.
"Na jedenfalls nicht klein." Wir lachten und dann drückte mir Maike eine Packung Luftballons in die Hand. "Fang schonmal an aufzupusten!" Ich guckte ganz schön doof aus der Wäsche "Ich dachte, ich muss nichts machen!?"
"Ach die paar Ballons ..."
Nach ungefähr 10 Ballons blieb mir die Luft weg, leise verfluchte ich die Zigaretten. Meine Rettung kam, ein paar Jungs aus meiner Klasse. Sie halfen dem DJ ( Einen Kumpel von Maike. Ich wette sie hat auch ihn mit ihrem Lächeln bezierzt. ) die Anlage auf zu bauen, die Bar fertig zu machen und letztendlich nahmen sie mir auch die Ballons ab.
Halb 8 gingen ich und Isa nach oben um uns umzuziehen und etwas aufzuhübschen. Zu meinem schwarzen Shirt kam noch eine schwarze Röhrenjeans, schwarze Pumps und eine lange Kette mit Eulenanhänger. Isa machte mir mit einem Lockenstab Locken in meine blonden langen Haare und dann fehlte nur noch ein bisschen Lidschatten. Und schon war ich fertig. Isa brauchte mal wieder ewig. Sie hatte ein dunkel blaues knielanges Kleid dabei. Bis dahin war es noch einfach, allerdings legten sich ihre schulterlangen dunkel braun gefärbten Haare nicht wie sie wollte. Letztendlich, kurz vor halb 9, klappte es dann doch und wir konnten runter zu den anderen gehen.
Maike und der DJ saßen gemütlich auf dem Sofa und es sah so aus, als flirteten sie miteinander. Isa und ich grinsten uns an und schon klingelte es. Nike und ihr Freund gesellten sich mit uns zu den Jungs in den Garten, den man durch eine große Glastür vom Wohnzimmer erreichte.
Um 9 legte der DJ den ersten Song auf und so langsam trudelten immer mehr Menschen ein. Maike und Isa ließen die Leute rein und ich konnte ganz relaxt daußen sitzen und mich mit Jan über Gott und die Welt unterhalten. Ich hatte viel Spaß und lachte viel. Irgendwann enterten wir die Tanzfläche. Mit Jan hatte man immer viel Spaß, es war seine Art, bei der man einfach keine schlechte Laune bekommen konnte. Ich wollte mir gerade ein Bier holen, als Isa mich auf die Toilette zerrte. Verwirrt setzte ich mich auf den Badewannenrand und blickte sie fragend an. Total nervös lief Isa vor mir auf und ab.
"Willst du mir sagen, warum du mich ins Bad entführt hast?" Nichts.
"Okay ...wie wärs erstmal mit was anderem?" Sie nickte.
"Schon gewusst das David ein Motorrad hat?"
"Nein ...woher heißt du denn das?"
Da erzählte ich ihr von der Deutschstunde und dem Gespräch danach.
"Aha!"
"Können wir jetzt über dich sprechen?"
Ein letztes Mal durchschritt Isa den Raum, ein kurzes Zögern und dann begann sie.
"Chris ist hier mit einer anderen."
"Wow ...ich dachte es läuft gut zwischen euch?!"
"Das dachte ich auch ...Und was mach ich jetzt?"
"Na ja ...ist es denn seine Freundin? Sag ihm doch erstmal hallo."
"Meinst du?"
"Ja, sonst machst du dich nur den ganzen Abend Sorgen, obwohl vielleicht nichts ist."
Ein mattes Lächeln konnte ich ihr entlocken und umarmte sie.
Vor der Badezimmertür hatte sich schon eine Schlange gebildet. Ich übernahm den Türdienst für Isa, damit sie mit Chris reden konnte. Isa war eigentlich ein ruhiger Mensch und ließ sich nicht so schnell aus der Fassung bringen. Sie war sehr hübsch, klein, ziehrlich, zielstrebig und intelligent. Isabell und ich kannten uns seit Jahren und waren schon fast genauso lange beste Freundinnen. Sie war wie eine Schwester für mich, die ich nie hatte.
Es klingelte und ich machte die Tür auf.
"Ahh!! ...Was machst du denn hier?"
Vor mir stand mein Bruder. Er war 5 Jahre älter als ich und studierte in Berlin Maschinenbau.
"Ich hab gehört du schmeißt ne Party und das wollt ich mir nicht entgehen lassen."
Ich fiel ihm um den Hals und freute mich riesig.
"Wie hast du denn von der Party gehört?"
"Isa rief mich an und fragte, ob ich als Überraschungsgast kommen will."
"Na das ist ihr ja gelungen. Na dann immer rein."
Wir schoben uns durch die Menschenmassen an die Bar und endlich bekam ich mein Bier. Ich nahm einen Schluck und sah mich um. Die Party war voll in gange, das Wohnzimmer randvoll mit tanzenden und gut gelaunten Menschen und der DJ legte richtig gute Musik auf. Dann sah ich David draußen auf der Terrasse. 'Wann is der denn gekommen? ...Das er überhaupt Zeit hatte zu kommen. ...Man seine verdammten Augen.' Ich ärgerte mich und wandte mich meinem Bruder zu. Jon hatte inzwischen ein paar Bekannte begrüßt. Wir quatschten eine Weile und dann ging ich wieder mit Freunden tanzen. Plötzlich fiel mir Chris auf, der sich mit irgendeiner in eine Ecke verdrückt hatte. Ich suchte sofort nach Isa, sah sie aber weder auf der Tanzfläche noch draußen im Garten. Die Toilette war auch frei, also ging ich nach oben, um sie da zu suchen. Das Bad war abgeschlossen, ich klopfte und fragte "Isa bist du da drin?" Ich hörte Geräusch und dann öffnete Jon die Tür. Verdutzt blickte ich ihn an.
"Hast du Isa gesehen?"
"Ja sie ist hier drin. Sie braucht ein wenig Ruhe."
Ich ging rein und da saß sie mit einem verheulten Gesicht, aber Lächelte schon wieder.
"Ich will nicht darüber reden. Jon versucht grad mich aufzuheitern." brachte Isa abgehackt heraus, als ich auf sie zukam und umarmte.
"Das tut mir leid." Wir saßen ein Zeit lang auf dem Boden und schwiegen.
"Schon gut. Geh ruhig wieder runter. Jon is ja da."
"Bist du dir sicher? Ich kann auch hier bleiben."
"Wir haben dich doch mit der Party überrumpelt, dann sollst du wenigstens auch Spaß haben."
"Na gut."
Einerseits hatte ich ein flaues Gefühl im Magen, aber andererseits war ich froh, dass Jon bei ihr war. Ich wollte gerade wieder runter, als ich Licht in meinem Zimmer sah.
'Häh? ... Nicht das sich zwei gefunden haben und sich jetzt in meinem Zimmer vergnügen.' Bei dem Gedanken lief es mir kalt über den Rücken.
Ich öffnete langsam die Tür und rechnete mit dem Schlimmsten.





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