Sour and Sweet - Teil 3

Autor: little Lion
veröffentlicht am: 14.05.2013


Die leuchtend, gelben Buchstaben auf ihrem Handy zeigten 20:50 Uhr. Als sie die dicke, knarrende und wahrscheinlich schon von hunderten von Menschen angegrabschte Tür öffnete, war sie in einer Kneipe gelandet, die sie eigentlich für größer gehalten hatte. Im "Old Dragon". Ein Geruch nach Zigaretten und Schweiß stieg ihr in die Nase. Es war ein kleiner Raum mit einem Holztresen und fünf kleinen Tischen. Die Wände waren mit irgendwelchen Rockzitaten und Songtexten vollgekritzelt und eine Rauchschwade erfüllte das gesamte Zimmer. Es liefen alle möglichen Rock- und Metalsongs, die Sherry nicht kannte. Die meisten waren wahrscheinlich in der Allgemeinheit weniger bekannt als in dieser Szene. Es wirkte alles sehr vertraut und die Menschen die hier waren unterhielten sich angeregt und lachten. Zweidrittel der hier anwesenden waren vermutlich Stammgäste. So ein Laden war typisch für ihren Bruder, dachte sie und ein Schmunzeln begleitete ihre Gedanken. Die meisten Menschen hier drin trugen Sachen aus Jeans oder Leder und viele von ihnen hatten Tattoo's oder Piercings. Also hatte sie Glück was ihre Kleiderwahl betraf, das beruhigte sie ein wenig. Da sie wusste, das es noch etwas dauerte bis ihr Bruder kam und sie nicht angestarrt werden wollte, weil sie dumm am Eingang rumstand wie ein ängstliches kleines Reh, beschloss sie sich an den Tresen neben ein paar Männer zu setzen die gerade dabei waren wahrscheinlich schon ihre zehnte Zigarette an diesem Abend zu rauchen und jeder einen Krug Bier tranken. Eine Kellnerin bediente die Gäste, bei manchen Besuchern brachte sie schon neue Bestellungen ohne überhaupt danach zu fragen. Sherry's Vermutung schien also richtig zu sein. Diese Menschen mussten öfters hierher kommen. Es dauerte einige Augenblicke bis die Kellnerin mit den Kurzen braunen Haaren sie bemerkte. Sie hatte große Brüste, die sie mit einem großen Ausschnitt zur Schau stellte. Das war nicht zu übersehen und bei diesem Anblick zog Sherry skeptisch ihre Augenbrauen nach oben. Auch die gut gebaute Frau schien sich über Sherry's Anwesenheit zu wundern. Ihre Stimme klang verraucht und belustigt. >> Na Kleines, ist es nicht etwas spät um noch draußen alleine rum zu laufen? Suchst du jemanden? << Sherry fühlte sich angegriffen und beleidigt. Aber natürlich wollte sie sich keinesfalls unterbuttern lassen von dieser..., ihr viel kein passendes Wort ein das diese sich selbst überschätzende Motorradbraut beschreiben würde. Mit Selbstbewusstsein und einer Hand am Kinn antwortete sie >> Ach, wissen sie, in meinem Alter hat man jetzt, besonders als Single die Zeit jemanden kennen zu lernen. Desto älter man wird, desto Schwieriger wird es. Aber das sollte sie ja besser wissen als ich, nicht wahr? << Hämisches Grinsen breitete sich über ihr Gesicht aus. Die Bedienung war rasend vor Wut, wollte sich allerdings auch keine Blöße geben, und fragte mit erröteten Wangen und gereiztem Ton >> Wollen sie was trinken? Oder gehen sie gleich wieder? << Sherry war klar, dass es eine Andeutung sein sollte, dass die Kellnerin sie nicht hier haben wollte. Ein Triumph für sie. >> Ich hätte gern ein Bier. Ich erwarte noch jemanden. << Widerwillig knallte die Bedienung ein Glas auf den Tresen, so fest, das der Schaum überschwappte und auf die Holzplatte rann. Ohne noch ein Wort mit Sherry zu wechseln drehte sie sich um und wendete sich wieder den andern Gästen zu. Ein genervtes Schnauben entfuhr Sherrys Kehle. Sie war froh das diese unfreundliche Kuh sie nicht mehr beachtete, jetzt fehlte nur noch ihr Bruder. Wo war Clay? Sie wagte einen Blick auf ihr Handy. 21. 15 Uhr. Gelangweilt und entnervt nippte sie an ihrem Glas. Sorgen machten sich in ihrem Inneren breit. Wo steckte er nur? Es wird doch nichts passiert sein? Ein mulmiges Gefühl füllte ihre Magengegend und besorgte Falten legten sich auf ihre Stirn. Sie malte sich tausenden von Sachen aus die ihrem Bruder hätten passiert sein können. Sie hatte gar keine andere Wahl, denn nichts war hier, dass sie hätte ablenken können. Ihre Augen wanderten über die Gäste, bis ihr eine seltsame Frau auffiel. Sie sah nicht schlecht aus, keinesfalls. Aber sie passte nicht hier rein. Sie trug ein schwarzes Cocktailkleid und rote Highheels. Ihre Haare waren in einem hellen Wasserstoff- blond, so als hätte sie sie frisch gefärbt. Ihre Wimpern sehr lang und wirkten wirklich sexy. Und ihre Lippen waren in einem tiefen Rotton geschminkt. Viele Männer starrten sie an, sie war der Hin-gucker des Abends. Sherry schüttelte den Kopf, denn diese Frau nervte sie, mit ihrem übertriebenen Aufzug, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen. Gerade als sie wieder an ihrem Getränk nippen wollte, schaute die mysteriöse Frau kurz in ihre Richtung und ein Schauer durchfuhr ihren ganzen Körper. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Als ihr Blick sie traf spürte sie nicht nur Unbehagen, sondern auch ein widerstreben ihres Körpers gegen diese Person. Ihre Augen waren leuchtend Grün. Sie wirkten so, als wären sie aus purem Gift. Plötzlich spürte Sherry wie ihr richtig heiß wurde. Ihre Haut hatte angefangen zu glühen und sie wusste nicht wieso. Eine Schweißperle rann über ihre Schläfe. Die Frau schien sie nicht direkt angesehen zu haben, es war eher ein prüfender Blick. Ob sie jemanden gesucht hatte? Ein Mann betrat die Kneipe. Er trug einen langen schwarzen Trenchcoat und einen Hut. Er wirkte genauso fremd und unpassend wie sie. Ohne sich die Mühe zu machen seinen Mantel oder den Hut aufzuhängen hob er den Kopf und ging geradewegs zu der Frau. Ein erneuter Schauer durchfuhr Sherry, so als hätte sie einen elektrischen Stoß erhalten. Die Mimik des Mannes war kalt. Kein einziger Muskel bewegte sich in seinem Gesicht und seine Augen waren von dem selben Gift wie die ihre. Sie schluckte. Wer waren die beiden? Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht und das spürte sie ganz deutlich. Nervosität ließ ihre Hände zittern als sie ihr Bier an den Mund führte. Aus irgendeinem Grund verspürte sie den Wunsch unauffällig zu wirken. Diese beiden Personen machten ihr Angst. Auch wenn sie nicht wusste warum. Sie schaute wieder auf ihr Telefon. 21.27 Uhr. Noch nie hatte sie sich so sehr gewünscht das ihr Bruder hier war. Doch auch wenn sie Angst vor diesen beiden hatte, schaute sie in einem Augenwinkel zu ihnen herüber. Er schüttelte ihr nicht die Hand, er stand einfach nur vor ihr und während er irgendetwas, mit einer ausdrucklosen Miene zu ihr sagte, grinste sie verräterisch und teuflisch. Es wirkte nach einem Racheplan. Als die Blicke der beiden wieder in ihre Richtung schweiften, drehte sie den Kopf schnell zu ihrem Bier um und trank einen kräftigen Schluck. Verdammt, dachte sie, was sind das für Gestalten? Aber eines Spürte sie ganz genau, es waren Verbrecher. Ob Diebe, Mörder, was auch immer, aber Verbrecher waren sie auf alle Fälle. Das spürte Sherry, ohne dafür einen Beweis zu brauchen. Auf einmal Schoss es ihr durch den Kopf wie ein Blitzschlag: Was wenn sie jemandem etwas an tun wollten? Jetzt? Hier? Heute Nacht? Sie würde sich schuldig fühlen wenn sie einfach nur da saß und nichts unternahm. Wenn sie morgen in der Zeitung lesen würde das diese Menschen jemanden auf dem Gewissen hatten und sie es wusste, und nichts unternommen hatte? Dann wäre sie genauso mit eine Mörderin wie sie. Schuldbewusste Gedanken rangen mit ihrem Gewissen. Es war beschlossene Sache, sie würde etwas unternehmen. Denn sie würde es sich nie verzeihen, wenn sie mit Schuld an so einem Verbrechen hatte, egal auf welche Art und Weise. Ihr erster Schritt würde sein, möglichst unbemerkt, herauszufinden was sie vorhatten. Ein tiefer Atemzug in ihre Lungen sollte sie wieder mit Mut erfüllen. Sie nahm ihr Bierglas fest in die Hand und trank mit festen Schlucken alles aus, was sich noch darin befand. Inständig hoffte sie, dass ihr das Kraft geben würde, stellte das Glas leise auf den Tresen, schob den Stuhl nach hinten und stand auf. Der Alkohol ihres Getränks pulsierte durch ihre Adern und ließ ihre Wangen leicht glühen. Ihr Weg führte in Richtung Toiletten, die sich direkt hinter den beiden Gesprächspartner befanden. Sie war nervös, ihre Beine fühlten sich an, als würde sie sich auf wackeligen Stelzen fortbewegen und ihr Atem ging schneller als beachsichtig. Wobei sie sich nicht ganz sicher war ob das vom Alkohol oder ihrer Anspannung kam. Wahrscheinlich beides. Sie konnte ihren Puls in ihrem Kopf pochen hören. Wie ein Mantra wieder holte sie in ihren Gedanken immer wieder den Satz: "Ich schaffe das. Ich schaffe das. Ich schaffe das." Ihr Fuß blieb an einem Nagel, der aus einer der Bretter am Boden hin, stecken und unglücklicher Weise wurde so ihr Versuch unauffällig zu sein, zu Nichte gemacht. Scheiße, dachte sie, das war's jetzt töten sie mich auch. Doch bevor ihr Körper den schmutzigen Wirtschaftsboden erreichte half ihr eine feste Männerhand wieder auf die Beine. Ein kräftiger, verschwitzter Kerl mit rostfarbenem kurzen Haar und ungefähr einem Pegel von mindestens 1,5 Promille. Mindestens. Er lallte mit einem schiefen Lachen, das wohl eigentlich freundlich wirken sollte. >> Na Kleinesch, ischt all-lles i Ordnun - nung? << Ihre Knie waren weich, aber sie war diesem Typ dankbar das er ihr sozusagen das Leben gerettet hatte. Sie sah ihn in diesem Moment als Chance der Aufmerksamkeit der beiden Verdächtigen zu entkommen, auch wenn sie nicht wusste, ob sie sie beobachteten. Ihr war nämlich klar, das es dumm war jetzt einen Blick zurück zu werfen, dass würde sie sofort verraten. Beschämt lächelte sie den kräftigen Mann an. >> Ja, danke. Ich hab den losen Nagel im Boden nicht gesehen. Ich wollte eigentlich nur zur Toilette. << Der Mann legte seine verschwitzte Hand auf ihre Schulter und ein Gefühl von Ekel stieg in ihren Hals empor. >> Wiiiir kön -nen jah gleisch wasch zusammän trink- ken Süh-hüsche. << Eine Anmache von einem betrunken und nach Schweiß riechenden Kerl puschte jetzt nicht gerade ihr Ego, aber auch so passte es ihr gerade gar nicht in den Sinn. Sie versuchte ihn abzuwimmeln, ohne das es zu offensichtlich rüberkam, in seinem Zustand würde er es sowieso nicht bemerken. Mit einer zaghaften Geste nahm sie seine Hand von ihrer Schulter her runter. >> Ich werde es mir überlegen. Bis gleich. << Bevor Mr. Hangover noch etwas erwidern konnte drehte sie sich um und ging in Richtung Toiletten. Ihr Blick starr auf die Tür mit einem goldenen W gerichtet. Ihr Atem stockte eine Sekunde, als sie die weiche Frauenstimme heimtückisch reden hörte. >> Er trifft sich mit uns in der Seitengasse neben dem kleinen Einkaufsladen einen Block weiter. Der kleine weiß noch gar nicht was ihn erwartet. Aber ich werde Spaß daran haben ihm die Kehle aufzuschlitzen. << Ihr Herz blieb für eine Sekunde stehen. Dann betrat sie ohne auch nur einen Blick zurück zu werfen die Frauentoiletten.










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