Gestern, heute, morgen - Eine Liebe für die Ewigkeit - Teil 9

Autor: Raindrop
veröffentlicht am: 04.12.2012


Verzweiflung und Unsicherheit machten sich in mir breit.
Wie sollte ich mich aus dieser Situation jetzt retten?
“Also, Leo wollte dich unbedingt küssen.” - meinte Sean und wirkte dabei etwas verlegen. “Aber dann musste er ganz dringend auf die Toilette.” - sagte er weiter und streckte seinen Hals nach seinem Halbbruder.
“Wir können auf ihn auch warten.” - schlug ich vor und lächelte nervös.
“Okay.” - kam von Sean und wir standen uns jetzt gegenüber, nur ein Schild trennte uns jetzt vor einander. Ich nahm seinen Duft war und dieser vernebelte meine Sinne.
Mein Herz schlug laut und schmerzhaft gegen meine Rippen. Er war so nah, dass die Möglichkeit ihn zu berühren auf einmal ganz verlocken wurde.
“Geht es da vorne auch mal weiter?” - rief jemand aus der Schlange ganz hinten.
“Ja gleich.” - meine Stimme klang recht aggressiv und ich beschenkte den Schreihals mit einem vernichtenden Blick, sodass er sich sofort wieder einreihte.
Nervös sah Sean auf die Uhr, denn es waren bereits einige Minuten vergangen -für mich schienen es Stunden zu sein- aber Leo kehrte immer noch nicht zurück.
“Vielleicht sollte ich dich einfach küssen?” - schlug Sean vor und zuckte gleichgültig mit den Schultern. Diese Gleichgültigkeit tat mir weh. Er sagte es so, als müsste er gerade einen Frosch küssen. “Na dann.” - er beugte sich über den Tresen, der uns trennte und ich spürte seinen Atem auf meiner Wange.
“Ich habe meine Tasche vergessen.” - hörte ich plötzlich Milas Stimme und da kam mir blitzartig die Idee.
“Schichtwechsel.” - schrie ich und schob die verdutzte Mila auf meinen Platz.
“Was?” - mit zusammengezogenen Augenbrauen sah sie mich an. Auch Sean war sehr überrascht über diese unerwartete Wendung. “Oh, hi.”- sagte sie dann zu Sean und lief rot an. Erneut sah sie zu mir rüber und zwinkerte mir verschwörerisch zu. Sie dachte anscheinend, dass ich das nur getan hatte, weil sie Sean so toll fand.
Sean übergab ihr ein Los und küsste sie dann auf die Wange. Natürlich war das alles eher harmlos, aber trotzdem verspürte ich einen Stich und Tränen brannten in meinen Augen.
Wäre es doch nicht besser, mich von Sean küssen zu lassen? Diesen Gedanken verwarf ich sofort. Das wäre sein Todesurteil gewesen.
Gegen 18:00 Uhr machten wir dann Pause. Zu zweit standen wir am Würstchenimbiss von Milas Vater und schlangen je eine Wurst mit Senf und Ketchup runter.
“Hast du gesehen, wie er mich geküsst hat.” - schwärmte Mila und ihre Augen glänzten.
“Ja, zum 100sten Mal.” - sagte ich und verdrehte die Augen.
“Aber im Ernst, hast du es auch gesehen oder habe ich es nur geträumt?” - meinte sie und kicherte, wie eine Justin-Bieber-Fan.
“Soll ich dich zwicken?” - schlug ich ihr vor und sie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, dabei rieb sie eine rote Stelle an ihrem Oberarm, wo ich sie bereits vor wenigen Minuten gezwickt hatte.
“Es hat sich so wundervoll angefühlt. So warm …”
“So weich, so toll.” - fuhr ich fort. Die gleichen Worte hat sie bereits vor wenigen Augenblicke benutzt, um mir das Gefühl des Kusses zu beschreiben.
“Ja.”- hauchte sie und stutze ihr Kinn auf ihre Handflächen. “Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Sean mich geküsst hatte.” - sie schloss ihre Augen und seufzte. “Sag mal, Abby, hast du es auch gesehen?” - fragte sie und ich verdrehte genervt die Augen. “Ich bin nur so unglaublich glücklich.” - sie sah mich an.
Eifersüchtig stellte ich fest, dass Mila nicht nur dabei war, sich in Sean zu verlieben, sie war es bereits.
“Das war doch nur ein harmloser Kuss.” - ich versuchte sie wieder auf den Boden der Realität zu bringen. “Nichts besonderes.”
“Natürlich war es was besonderes.” - vorwurfsvoll sah sie mich von der Seite an. “Für mich auf jeden Fall.” - sie klang beleidigt.
“Ich meine nur, du sollst dir vielleicht nicht so viel einbilden.” - ich versuchte meine harten Worte von vorhin etwas zu besänftigen.
“Tue ich auch nicht.” - sagte sie, doch der Glanz in ihren Augen sagte was ganz anderes. “Es war der erste Kuss, den ich von einem Jungen bekommen habe, der nicht mit mir verwandt ist.” - erklärte sie mir und ließ ihren Augen auf den Boden nieder. Ich war eine miese Freundin. Eine echte Freundin würde sich mit ihr jetzt freuen und nicht alles runterspielen. Ein schlechtes Gewissen plagte mich, weil ich Mila ihre Freude genommen hatte.
“Ich weiß.” - sagte ich nur und legte meinen Arm um sie. “Erzähl mir noch mal, wie der Kuss sich angefühlt hat?” - bat ich sie und sie erzählte mir, vor Freunde jauchzend, wie schön und wundervoll sich Seans Lippen anfühlen.
Als ob ich das nicht wüsste?
Und obwohl ich ja ehrlich versuchte mich mit Mila zu freuen, sank meine Laune in den Keller, das wirkte sich auch auf meine “Arbeit” am Kussstand aus. Anscheinend sagte mein Gesichtsausdruck mehr als tausend Worte. Die Schlage vor dem Stand löste sich ganz schnell auf, als ich einen Jungen, der zwar ein Los hatte, aber zu schüchtern war um mich zu küssen, anmotzte.
“Noch nie ein Mädchen geküsst oder was?” - miesmutig sah ich ihn an. Sein Gesicht nahm eine rote Farbe an und er schüttelte mir dem Kopf. “Schon mal deine Oma geküsst?” - er nickte. “Ist nicht viel anders.” - meinte ich dazu und hielt ihm meine Wange hin.
“Dann will ich meinen Dollar zurück.” - sagte er dann. “Meine Oma küsse ich umsonst.”
Zuerst ganz schüchtern und dann frech werden.
“Hör mal zu, entweder du küsst mich jetzt oder du haust ganz schnell ab.” - riet ich ihm, als ich mich zu ihm rübergebeugt hatte. Seine Augen wurden ganz groß und er suchte ohne ein weiteres Wort zu sagen, das Weite.
Danach stand da keine mehr.
Ich stutzte meine Ellenbogen auf den Tresen und bettete mein Gesicht in meine Hände.
“Na, wie läuft es?” - Mila kam zur Ablöse wieder zurück.
“Gerade mal 3 Dollar verdient.” - beklagte ich mich, verschwieg jedoch, dass es auch an mir liegen könnte, dass unser Kussstand keine großen Erträge brachte.
“Na ja, du bist ja auf dem ganzen Fest berüchtigt.” - sie lächelte mich an und ich seufzte nur. “Jetzt kurbele ich mal unsere Einnahmen an.” - versprach Mila und krempelte die imaginären Ärmel hoch. “Einen Kuss für einen Dollar!” rief sie ganz laut, um die Menschen auf sich aufmerksam zu machen.
“Aber nicht von der da.” - meinte der schüchterne Junge, den ich gerade vertrieben hatte und zeigte auf mich.
“Hey.” - beschwerte ich mich und bevor ich richtig zur Sache kommen könnte, stellte sich Mila schon vor den Tresen.
“Nein, von mir.” - sie lächelte zuckersüß und der Junge kam an den Stand um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken.
Um 21:00 Uhr schlossen wir unseren Stand, bis dato übernahm Mila die Arbeit und ich saß nur daneben und langweilte mich.
“Bist du müde?” - wollte Mila wissen, als ich lauthals gähnte und mir die Augen rieb.
“Geh nach Hause.” - sie lächelte mich an.
“Aber ich wollte dir noch dabei helfen, den Stand deines Vaters sauber zu machen.” - erinnerte ich sie, obwohl ich jetzt gerne ins Bett gegangen wäre.
“Mein Vater ist doch da. Wir schaffen es schon.” - Mila umarmte mich. “Gute Nach, Abby.”
“Wir sehen uns morgen.” - verabschiedete ich mich mit dem Stich eines schlechten Gewissens, doch meine Müdigkeit überwog.
“Ich hole dich morgen gegen 10:00 Uhr ab.” - sagte Mila noch zum Abschied.
“Okay.”

Wie ein Uhrwerk stand sie am nächsten Tag vor meiner Haustür und wir machten uns auf den Weg zum Straßenfest. Den ganzen Weg lang, sagte Mila fast kein Wort -was alleine schon ungewöhnlich war- und dabei sah mich immerhin lächelnd von der Seite an.
“Was ist los?” - hielt ich ihre Geheimniskrämerei nicht mehr aus.
“Ich habe mir dich als Beispiel genommen und habe gestern war ganz -für mich- untypisches gemacht.” - sagte sie dann und ich schaute sie fragend an. “Ich habe gestern einen Jungen gefragt, ob er mit mir ausgehen will.” - sie kicherte.
Mein Herz blieb mir stehen und das Blut rauschte laut in meinen Ohren.
Nur ein Gedanke beschäftigte mich. Lass es nicht Sean sein! Lass es bitte nicht Sean sein!
Ich traute mich überhaupt nicht zu fragen, wer dieser Junge war.
“Willst du nicht wissen, wenn ich gefragt habe?” - sagte Mila dann.
“Doch, doch.” - ich sagte genau das Gegenteil von dem, was ich dachte.
“Es ist Sean.”
Ich fühlte, wie ich innerlich zusammenbrach und zerfiel.






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