Engelstochter - Teil 3

Autor: Nici
veröffentlicht am: 10.08.2012


2. Kapitel
Er verstand das nicht. In ihrer Nähe wollte sein wahres Ich hervorkommen, also musste er sich fern von ihr halten. Doch er konnte es nicht. Er fühlte sich zu ihr hingezogen. Als er mit ihr Tennis gespielt hatte, war es ihm leichter gefallen, bei ihr zu sein. Trotzdem war es leichtsinnig gewesen. Ihren Namen wusste er von ihrer Freundin. Kim. Sie war auf ihn zugegangen und hatte ihn und Patrick nach ihren Namen gefragt. So hatte er erfahren, dass das Mädchen mit den goldenen Augen Lilli hieß. Die andere Freundin hieß Elli. Diese Kim hatte sich wirklich mit allen Mitteln an Patrick herangemacht, doch er war zum Glück nicht darauf eingegangen. Als er gehört hatte, was Jeremia Lilli gefragt hatte, wäre er seinem Freund am liebsten an den Hals gesprungen. Doch glücklicherweise hatte sie abgelehnt. Jeremia durfte den Eid nicht brechen. Wütend ballte er die Fäuste. Jeremia würde nicht aufgeben. Er würde es wieder versuchen und Elijah traute ihm zu, dass er den Eid brechen würde. Er würde sie verführen, wenn sie nicht willig war. Das durfte er auf keinem Fall zulassen. Er musste sie beschützen. Er musste in ihrer Nähe bleiben. Obwohl es gefährlich war für ihn. Jeremia durfte keine Sterbliche ausnutzen. Nicht schon wieder.
In der Früh war Lilli immer noch müde. Sie hatte schlecht geschlafen, obwohl sie schon um 8 Uhr ins Bett gegangen war. Sie war alleine Zu Hause. Ihre Eltern waren beide in der Arbeit. Also machte sie sich etwas zu essen für die Schule und verließ das Haus. Sie holte ihr Fahrrad aus der Garage und radelte los. Sie dachte gerade über die bevorstehende Englischarbeit nach, als sie plötzlich zwei schwarze Augen vor sich sah. Erschrocken trat sie in die Bremsen. Ihr Rad kam zum Stehen, doch ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Was war nur los mit ihr? Hupend fuhr ein Auto an ihr vorbei. Eine Weile stand Lilli noch da, dann holte sie tief Luft und fuhr weiter.
In den ersten beiden Stunden wäre sie beinahe eingeschlafen. In der Pause fragten Elli und Kim sie, was los war.
„Ich bin müde. Ich geh‘ schnell frische Luft schnappen. Geht schon mal in die Mensa, ich komme gleich nach.“
Diesmal wollte Elli wiedersprechen, doch Kim zog sie hinter sich her. Vor Lillis Augen drehte sich alles. Sie taumelte mit letzter Kraft nach draußen. Dort lehnte sie sich an die Schulwand und schloss die Augen, um wieder ruhiger zu werden. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie direkt in zwei bernsteinfarbene Augen. In Elijahs Blick lag nicht dieser angsteinflößende Schimmer, sondern Wärme. Das war ihr nie zuvor aufgefallen. Er stand an eine Säule gelehnt und beobachtete sie. Obwohl sie ihm direkt in die Augen sah, wandte er den Blick nicht ab. Das beunruhigte Lilli, also blickte sie in eine andere Richtung und erschrak. Schwarze Augen funkelten sie aus einer Ecke an. Schnell sah sie wieder zu Elijah. Er hatte offenbar gemerkt, was sie erkannt hatte, denn er sandte grimmige Blicke in Jeremias Richtung.
Die Nackenhaare stellten sich ihr auf, als sie die Stimme hörte: „Hallo, Lilli.“ Jeremia stand dicht neben ihr.
„Ich…ich sollte wieder hinein gehen. Meine Freundinnen warten bestimmt auf mich.“
„Sie können bestimmt noch ein bisschen warten“, erstellte sich so hin, dass sie nicht weglaufen konnte. In seinen Augen war immer noch dieses Glitzern.
„Lass sie in Frieden, Jeremia“, hinter ihm stand Elijah mit gespreizten Beinen und geballten Fäusten. Da gongte es.
„Ich will doch nur mit ihr reden. Sie ist doch so ein reizendes Mädchen. Oder siehst du das anders?“, die ganze Zeit ruhte sein Blick auf ihrem Gesicht.
„Ich warne dich ein letztes Mal. Lass sie in Ruhe!“
„Wirst du eifersüchtig? Dieses Mädchen zaubert einem doch glatt ein Lächeln ins Gesicht.“
Elijah trat einen Schritt auf Jeremia zu: „Wage es nicht!“
„Und was wenn doch?“, kurz drehte er sich zu seinem Kumpel um, als er wieder zu ihr sah, lächelte er.
Sein Lächeln war kalt und jagte Lilli eine Gänsehaut über die Schulter. Da schrie Elijah auf und stürzte sich auf Jeremia. Lillis Herz raste, als sie die beiden Jungen am Boden kämpfen sah. Sie wollte um Hilfe rufen, aber sie konnte sprechen, da es ihr vor Angst die Kehle zuschnürte. Plötzlich tauchten Andreas und Daniel auf. Sie zogen mit aller Kraft die beiden auseinander. Jeremias Lippe blutete, doch Elijah ging es gut. Er versuchte sich aus der Umklammerung von Andreas zu lösen. Das gelang ihm aber nicht. Wütend beschimpfte er Jeremia. Dieser ignorierte ihn und starrte ungläubig zu Lilli. Dann drehte er sich um und ging zusammen mit Daniel ins Schulhaus. Als die beiden außer Sichtweite waren, lies Andreas Elijah los. Er stolperte ein paar Schritte nach vorne und starrte keuchend auf die Eingangstür.
Dann flüsterte er: „Er hat es wieder getan. Er hat den Eid gebrochen.“ Da drehte er sich zu Lilli um. In seinem Gesicht lag pure Trauer. Sie stand zitternd an der Wand und eine Träne lief ihr über die Wange. „Ich habe Angst“, ihre Stimme war fast nicht zu hören.
Doch Elijah schien es gehört zu haben, denn er starrte sie jetzt ungläubig an.
Auch Andreas wandte sich jetzt ihr zu: „Wie fühlst du dich?“ Er trat auf sie zu und fasste sie an der Schulter, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.
„Ich weiß nicht…“, ihre Knie wurden weich und sie stolperte nach vorne. Alles was sie noch merkte war, dass zwei starke Arme sie auffingen, dann wurde ihr schwarz vor Augen.
Als sie die Augen aufschlug, sah sie zuerst nur Konturen, doch schnell verschwamm alles zu einem klaren Bild. Stöhnend setzte sie sich auf und rieb sich den Kopf.
„Lilli?“, die Stimme klang besorgt. Es dauerte eine Weile, bis sie erkannte, dass sie Elijah gehörte. Er saß auf einem Stuhl neben dem Krankenbett in dem sie lag.
„Mein Kopf…“
„Tut er weh?“
„Nein…er schwirrt nur…“
„An was erinnerst du dich?“
Überrascht sah Lilli ihn an. In seinem Blick lag etwas seltsames, das sie nicht deuten konnte.
„Was meinst du?“
„An was von dem, bevor du ohnmächtig geworden bist, erinnerst du dich?“
„An alles, warum?“
„Erzähl mir, an was du dich erinnerst.“
Verwirrt sah sie ihn an. Doch er meinte es ernst. Also erzählte sie. Zuerst zögerlich, doch als sie merkte, dass er ihr interessiert und aufmerksam zuhörte, fiel es ihr leichter.
Die nächste Frage, wunderte sie noch mehr, als die zuvor: „Was fühlst du, wenn du an Jeremia denkst?“
Da spürte sie, wie sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht wich: „Angst. Er macht mir Angst.“
„Wie…“, das schien er zu sich selbst zu sagen. „Schau mich an.“ Zögernd sah sie ihm in die Augen. Da lächelte er. Sein Lächeln war nicht echt. Es war gespielt, das erkannte sie.
„Und was fühlst du, wenn ich lächle?“
Jetzt war sie komplett verwirrt: „Was…“
„Bitte. Bitte beantworte meine Frage.“
„Nichts. Es war ja schließlich auch nur gespielt. Aber kannst du mir bitte erklären, warum du mir solche Fragen stellst?“
„Wann anders vielleicht. Ich muss jetzt gehen. Gute Besserung.“ Schon stand er auf und war verschwunden.
Kaum eine Minute später erschienen Kim und Elli bei ihr: „Um Himmels Willen! Was ist passiert?“
„Ich bin umgekippt. Mir geht’s gut. Keine Sorge.“
„Es tut uns Leid. Wir durften nicht gehen, bis wir die Englischarbeit abgegeben haben“, Elli setzte sich auf den Stuhl, auf dem eben noch Elijah gesessen hatte, „Jetzt erzähl. Was ist genau passiert? Wir haben Elijah aus dem Zimmer kommen sehen. Was wollte er? Ist es seine Schuld?“
Lilli seufzte: „Nein. Er kann nichts dafür. Er hat mich nur aufgefangen. Ich bin wahrscheinlich umgekippt, weil mit meinem Kreislauf in den letzten Tagen etwas nicht stimmt. Mir geht’s gut. Ehrlich.“ Misstrauisch begutachtete Kim ihre Freundin: „Du sagst uns nicht alles. Aber wie du meinst. Du wirst es uns schon erzählen, wenn du willst. Wir haben jetzt Schule aus. Die sechste fällt aus, weil der Träger ja krank ist. Also kein Reli.“
„Ok. Danke. Ich sehe euch dann morgen. Und danke, dass ihr vorbei geschaut habt“, Lilli lächelte müde ihren Freundinnen zu, als sie gingen.
Dann stand sie auf, meldete sich bei der Krankenschwester ab und ging in den Fahrradkeller. Dieser wurde von den Neonleuchten nur schwach beleuchtet. Lilli wollte gerade den Schlüssel in das Kettenschloss stecken, als sie plötzlich gegen die Wand geschubst wurde. Erschrocken schrie sie auf, als sie die schwarzen Augen erkannte. Jeremia presste ihre Schultern gegen die kalte Betonwand. In seinem Blick lag purer Hass.
„Was bist du?“, er spuckte die Worte förmlich aus.
„Lass mich los!“
„Was bist du?“, diesmal wurde er lauter und presste sie so hart gegen die Wand, dass ihre Schultern schmerzten.
„Aua! Lass mich los! Du tust mir weh!“ Wütend zerrte er ihre Jacke von ihrer linken Schulter und riss ihr T-Shirt mit aller Gewalt auf.
„Hör auf!“, Panik lag in ihrer Stimme.
Entgeistert starrte er auf ihr Mal: „Du Miststück!“
Er stieß Lilli weg, sah sie noch einmal angewidert an und drehte sich dann um, um zu gehen. Als er verschwunden war, sackte sie weinend auf dem Boden zusammen. Mit ihrer rechten Hand, griff sie an ihre Schulter, wo das T-Shirt in Fetzen herunterhing. Warum wusste dieser widerliche Kerl von ihrem Mal?
„Lilli? Lilli, was ist los? Geht es dir gut?“, sie hörte wie jemand angerannt kam.
Bei der Stimme fühlte sie sich aus irgendeinem Grund wohl.
„Elijah!“, sie sah auf und blickte direkt in zwei besorgte bernsteinfarbene Augen.
Er ging vor ihr in die Hocke und legte seine Hand auf ihre linke Schulter: „Blutest du? Bist du verletzt?“
„Mir geht’s gut.“
Eine kurze Pause folgte.
„Wer war das?“, seine Stimme klang seltsam belegt.
Sie antwortete nicht, sondern starrte auf ihre Hände.
„Lilli, schau mich an.“
Zögernd sah sie auf.
„Wer war das?“
Leise murmelte sie: „Jeremia.“
Elijah seufzte. Es klang enttäuscht.
„Komm“, er stand auf und streckte ihr seine Hand hin. Sie ergriff sie und erhob sich. Da fiel ihr auf, dass Elijah gut einen Kopf größer war als sie. Sie traute sich nicht, ihm in die Augen zu sehen.
„Was wollte er?“, er klang ruhig und mitfühlend.
„Ich … ich weiß es nicht genau“, sie machte eine kurze Pause. Er wartete geduldig.
„Er hat mich immer wieder gefragt, was ich bin. Und dann hat er mein Shirt aufgerissen. Danach ist er weggegangen.“
Sie presste die Lippen aufeinander, um nicht wieder los zu schluchzen. Sie spürte wie er sachte mit der Hand die Fetzen von der Schulter schob. Ängstlich wartete sie auf seine Reaktion.
Nach einem Moment des Schweigens senkte er seine Hand und meinte mehr zu sich: „Ich hätte es mir denken können.“
Sie sah auf: „Was meinst du?“
„Kommst du mit mir, wenn ich dich darum bitte? Soweit ich weiß, wirst du erst in einer Stunde Zu Hause erwartet.“
„Wohin? Und warum?“
„Vertrau mir. Ich will dir nichts Böses. Ich will dir nur erklären, was hier los ist.“
Lilli wollte wirklich gerne wissen, was hier vor sich ging. Also nahm sie mit einem Seufzer die Hand, die er ihr hinstreckte und folgte ihm.






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