Der Schutzengel

Autor: Ley412
veröffentlicht am: 15.05.2009




'Und wie ist ihr Leben so?'
Auf diese Frage hatte ich gewartet.
'Ähm… ja… mein Leben…äh!'
Ich hatte keinen Plan wie mein Leben war. Eigentlich ganz normal, dachte ich immer, aber wenn ich so recht überlege, gab es da ein paar Dinge, die nicht alltäglich waren.
Die Moderatorin schaute mich eine Weile an, räusperte sich und riss mich aus meinen Gedanken.
'Tut mir Leid. Also mein Leben… ja da fang' ich am Besten ganz am Anfang an:
Meine Mutter erwartete Drillinge und ich war eins davon. Die Schwangerschaft verlief, nach den Berichten meiner Eltern, super. Bis die Ärzte kurz vor der Geburt feststellten, dass die beiden anderen Babys und ich einen seltenen Gen- Defekt haben und wir die Geburt nicht überleben würden. Doch da meine Mutter damals schon sehr gläubig war, hatte sie keine Angst vor der Geburt.
Ich überlebte diese, wie durch ein Wunder, doch meine beiden Brüderchen starben wenige Minuten nach dem sie draußen waren. Meine Eltern brauchten eine Weile um das Unglück zu verkraften, doch mich vergaßen sie dabei nie.'
Die Moderatorin tätschelte meinen Arm und bat mich weiterzusprechen.
'Als ich ungefähr 4 Jahre alt war, fuhren wir nach Italien ans Meer. Wir waren jeden Tag am Wasser und ich konnte immer besser schwimmen. Doch als wir an einem sehr windigen Tag wieder schwimmen gingen, erfasste mich im Wasser eine Welle und trieb mich immer weiter raus. Nach ein paar Sekunden waren alle anderen Wellen verschwunden und das Meer war spiegelglatt. Ich sah' in weiter Ferne nur noch eine gelbe Linie, vermutlich der Strand, und Striche, die hin und her rannten.
Plötzlich spürte ich wie mich etwas hochhob: Eine weitere Welle! Doch sie brachte mich zurück an den Strand, genau dorthin wo ich vor ungefähr 2 Minuten noch mit meinen Eltern rumgeschwommen bin. Ich hatte schon wieder, wie durch ein Wunder, überlebt!'
'So ein Glück möchte ich auch haben!', murmelte die Moderatorin vor sich hin.'Ich und ich glaube unsere Zuschauer auch würden gerne noch mehr hören, aber wir haben leider keine Zeit mehr… Schalten Sie auch das nächste Mal wieder ein, wenn es heißt 'Claudia trifft…' Auf Wiedersehen!'

'Für wen ist denn das Autogramm?'
'Für meine Schwester Helena!'
Ich unterschrieb und gab die Karte dem Mädchen vor mir. Sie strahlte mich an, griff nach der Hand ihrer Mutter und zog diese mit sich.

Die Schlange, die sich vor mir bildete, endete außerhalb der Buchhandlung.
'Wow', flüsterte ich.
Der Mann, der gerade vor mir stand, schaute mich komisch an und ging weiter.
'Wollen Sie kein Autogramm?'
Er drehte sich um. Mir fiel erst jetzt auf, dass er ungewöhnlich attraktiv war.
'Das brauche ich nicht. Ich bekomme auch auf anderem Wege eines.'
Und ohne ein weiteres Wort verließ er die Buchhandlung. Mir lief ein kalter Schauer über die Schulter.
Ich blickte meinen Manager an, nickte ihm kurz zu und eilte in Richtung Lagerraum. Dort packte ich meine Sachen zusammen und hastete durch den Hintereingang raus.
Draußen hörte ich eine aufgebrachte Meute laut rufen.
Doch meine Hand tat von den vielen geschriebenen Autogrammen weh und ich war müde.Auf der Straße stieß ich mit dem Mann von eben zusammen und er kippte mir seinen heißen Kaffee über mein neues Top.
'Aua! Passen Sie doch auf!', motzte ich ihn an.
'Tut mir Leid. Ich habe Sie nicht gesehen.'
'Das habe ich gemerkt.'
Wütend stieß ich ihn zur Seite und stolperte zu meinem Auto.
'Warten Sie! Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen? Als Entschädigung?!'
Ich drehte mich langsam um und starrte ihn entsetzt an.
'Ich kann mich doch nicht in diesem dreckigen Top in ein Café setzen.', stellte ich fest.'Dann treffen wir uns in 30 Minuten wieder hier!'
'Aber…'
'Kein aber! Wir sehen uns in 30 Minuten wieder genau hier. Und jetzt beeilen Sie sich. Sie haben noch genau…' Er blickte auf seine Armbanduhr. '… 28 Minuten'
Er schubste mich leicht nach vorne und ich eilte zu meinem Auto.
Dort schnallte ich mich an und startete den Motor.
Ein lautes Klappern ertönte. Ich sollte mir mal einen neuen Motor leisten.
Nach ca. 10 Minuten schaltete ich mein Auto wieder ab, stieg aus, öffnete die Haustür und ging hinein.
Auf meinem Küchentisch, den ich von meiner Haustür aus sehen konnte, lag ein großer Strauß Rosen.
'Nicht schon wieder.', stöhnte ich.
Als ich die Rosen hochhob, fiel eine Karte auf den Tisch:

Für meine geliebte Maria.
Bitte verzeih' mir! So etwas wird NIE wieder vorkommen. Du bist und bleibst die einzige Frau in meinem Leben. Die andere Frau bedeutet mir nichts… Sie ist unwichtig. Ich liebe nur dich.
Bitte verzeihe mir.
Mark

'Das kann er sich abschminken.'
Wütend zerriss ich die Karte und warf sie zusammen mit den Rosen in meinen Papierkorb.
Kurze Zeit später stand ich frisch geschminkt und umgezogen wieder vor der Buchhandlung. Doch von dem fremden Kaffeeverschütter war weit und breit nichts zu sehen.
Auf einmal tippte mir jemand von hinten auf meine rechte Schulter. Erschrocken drehte ich mich um. Und da stand er. Seine braunen Haare glänzten im Sonnenlicht und sein Lächeln war magisch.
'Das Top, das Sie jetzt anhaben, gefällt mir viel besser, als das andere. Dieses', er zeigte auf mein Top. 'betont Ihre Augen.' Er schmeichelte mir.
'Danke!', brachte ich noch hervor, bevor ich mich komplett in seinen Augen verlor.'Ist alles ok bei Ihnen?'
Ich musste geschwankt haben. Ich schüttelte mich kurz und nickte ihm zu. Er griff nach meiner Hand.
'Äh ne danke. Kein Bedarf.' Ich entzog ihm meine Hand wieder.
'Oh, das tut mir leid.', entschuldigte er sich. 'Sie haben aber schöne weiche Hände. Welche Creme benutzen Sie?'
'Gar keine. Meine Hände waren schon immer so. Und die von meiner Mutter und meiner Großmutter auch. Ich denke mal, dass ich das geerbt habe.'
Diesmal legte er seinen Arm um meine Taille. Gemeinsam schlenderten wir zum Café.Dort angekommen setzten wir uns in die hinterste Ecke, bestellten beide einen Latte macchiato und beobachteten die Leute. Auf einmal fiel mir auf, dass ich den Namen von dem Herrn vor mir gar nicht kannte. Diese Erleuchtung kam mir so plötzlich, dass ich mich an meinem heißen Getränk verbrannte. Ich musste husten. Vorsichtig klopfte er mir auf die Schulter und mein Hustenreiz wurde augenblicklich besser.
'Schon gut. Ich habe mich nur verbrannt.' Ich wollte ihn beruhigen. 'Ich bin übrigens Maria.'
'Weiß ich doch. Ich habe Ihr Buch gelesen. Faszinierend. Sie müssen mir bei Gelegenheit noch mehr erzählen.'
Meine Wangen glühten. Vermutlich wurde ich gerade rot wie eine Tomate.
'Wie ist Ihr Name?', fragte ich neugierig.
'Ich heiße Taylor.'
Schöner Name.
'Ich würde vorschlagen', durchbrach er meine Gedanken. 'wir lassen das `Sie´ weg und ersetzen es durch ein `du´. Einverstanden?!'
'Prima Idee.', stimmte ich ihm zu. 'Was arbeiten Sie äh was arbeitest DU eigentlich?''Ich bin eine Art Schutzengel!'
'Ach du arbeitest beim ADAC?! Das ist ja spannend. Erzähl mir mehr!'
'Tut mir Leid!' Er entschuldigte sich schon wieder. 'Ich darf nichts erzählen.
Berufsgeheimnis!'

Wir redeten eine ganze Weile so, bis der Kellner uns bat, dass Café zu verlassen.
'Tut mir ausgesprochen leid, aber wir schließen jetzt.'
Taylor bezahlte.
Draußen war es schon dunkel und es regnete.
'Mist!', stöhnte ich. 'Ich habe meinen Regenschirm zu hause vergessen.'
'Stell dich unter meinen. Darf ich dich nach Hause begleiten?'
'Gerne, aber dann müssen wir in die andere Richtung gehen.'
Ich musste mir ein Lachen verkneifen.

Die Zeit verging viel zu schnell. Wir kamen gerade erst richtig ins Gespräch, als wir schon vor meiner Haustür standen.
Ich wühlte in meiner viel zu großen Tasche und zog meinen Schlüsselbund heraus.
'Also. Danke für die Einladung.'
'Nichts zu danken. Schließlich war ICH es, der dir den Kaffee übergeschüttet hat.'
'Da hast du Recht. Dann bist bald.'
Ich gab ihm schnell einen Kuss auf die Wange, drehte mich um und ging ins Haus.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als mein Wecker klingelte. Mit einem lauten Stöhnen setzte ich mich auf und schaltete das nervige Piepsen aus. Ich stand auf, zog mich an und machte mir mein Frühstück- wie jeden Morgen.
Danach setzte ich mich an meinen Schreibtisch und überprüfte meine Mails.
Keine neuen Nachrichten

Plötzlich klopfte es an der Tür.
'Maria? Bist du da? Deine Klingel ist noch kaputt! Maria!!!'
Die Stimme von Mark löste einen Schauer in meinem Nacken aus.
Ich öffnete die Tür einen Spalt und funkelte ihn zornig an. 'Was willst du?'
'Mit dir reden! Einfach nur reden.'
'Es gibt nichts mehr zu sagen. Es ist vorbei, Mark! Sieh das endlich ein Und jetzt gib' mir endlich deinen Schlüssel wieder. Ich möchte nicht, dass du noch mal bei mir EINBRICHST!'Er reichte mir den nachgemachten Schlüssel, den ich nur für ihn anfertigen ließ.
'Danke! Und jetzt verschwinde und lass dich hier NIE WIEDER blicken!'
Wütend knallte ich die Tür zu und es erfüllte mich ein erlösendes Gefühl.
Grinsend tanzte ich durch die Wohnung und hinterließ ein riesiges Chaos. Nur das Klingeln meines Telefons konnte mich unterbrechen. Ich rannte panisch umher und suchte. Kurz bevor die Person am anderen Ende der Leitung aufgelegt hatte, fand ich es und hechelte völlig außer Atem in das Telefon:
'Ja? Wer ist da?'
'Ich bin's'
'Taylor!', schrie ich voller Begeisterung ins Telefon. 'Taylor!', wiederholte ich es schon etwas leiser.
'Ja so heiße ich. Du kennst meine Stimme aber schon ziemlich gut.
`Ich kann den ganzen tag an nichts anderes denken. ´ Das hatte ich natürlich nur gedacht.'Maria? Bist du noch dran?'
Ich zuckte leicht zusammen und nickte, als ich jedoch merkte, dass er das natürlich nicht sehen konnte, bejahte ich seine Frage schnell.
'Du hast genickt, stimmt's?'
Ich musste lächeln.
'Du hast mich ertappt. Wieso hast du angerufen?'
'Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast mit mir nachher ins Kino zu gehen?'
Ich brauchte nicht lange, um mich zu entscheiden. 'Ja klar! Holst du mich in einer Viertelstunde ab?'
'Mir wäre jetzt lieber. Sonst müsste ich eine Viertelstunde vor deiner Tür ausharren…'
Kurz nachdem er das gesagt hatte, wurde meine Klingel betätigt. Ich legte auf und öffnete die Tür.
Ein Strauß weißer Lilien wurde mir ins Gesicht gehalten.
Ich nahm ihn entgegen und gab Taylor einen Kuss auf die Wange.
'Meine Lieblingsblumen.', seufzte ich.
'Wer mag Lilien nicht?!'
'Da hast du Recht. Wie immer. Ich hol' mir nur noch schnell meine Tasche und dann können wir los.'
Ich wollte mich gerade umdrehen, da packte er mich am Arm.
'Der Film fängt erst in 2 Stunden an. Wir haben noch genug Zeit.'
Er zwinkerte mir zu.
'Komm doch rein!'
Ich nahm ihm seine Jacke ab und kutschierte ihn in meine Küche.
'Kaffee, Tee, Wasser oder Bier?'
Ich schaute ihn fragen an.
'Wasser bitte.'
Er setzte sich an meine Küchentisch und ich holte die eiskalte Wasserflasche aus dem Kühlschrank.

2 Stunden später saßen wir im Kinosaal und aßen Popcorn. Unsere Schultern berührten sich leicht, so wie es normalerweise immer im Kino ist. Doch ich wurde auf einmal total nervös. Vermutlich lag es daran, dass wir in einem sehr romantischen Film saßen und es auf der Leinwand gerade heiß her ging. Plötzlich musste Taylor gähnen, streckte sich und legte seinen Arm um meine Schulter.







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