Mein Angel

Autor: adamina
veröffentlicht am: 17.04.2009




Durch Bens und meine Balgerei, haben wir es geschafft noch einige der anderen ins Wasser zu bekommen, ich habe ein paar Leute kennen gelernt und verstehe mich ziemlich gut mit ihnen, auch wenn die meisten davon mich nicht hören. Naja letzten Endes, hat jeder sich in eine Gruppe integrieren können. Nach dem Nachmittag am Pool liegt natürlich unser erstes Atelier auf dem Programm. Unsere Gruppe wird mit drei anderen Gruppen in das 'Musik und Tanz' Atelier geführt. Am Ende des Zentrums gibt es eine große Party auf der wir dann aufführen was wir in der kurzen Zeit gelernt haben. 'Musik und Tanz? Soll das ein Witz sein? Mit tauben Nüssen wie die?' Alle hörenden Jungs lachen, sie kleben an ihr wie die Fliegen! Alain, ein lustiger, ganz netter Animateur, von etwa 26 Jahren, übernimmt diese unmotivierte Truppe. Er spricht gleichzeitig mit dem Mund und den Händen, in Gebärdensprache. Er bringt uns in den großen Tanzsaal des Schlosses, er ist wunderschön. Der Boden ist gekachelt und sieht aus wie ein Schachbrett, die Fenster sind riesig mit langen Vorhängen, sie tanzen im Wind der offenen Fenster. Die Decke ist hoch, und das einzige das hier modern erscheint sind die zwei Boxen in den Ecken des Raumes. Ich fühle mich fast wie Cinderella, drehe mich langsam im Kreis um alles sehen zu können. Und natürlich, stosse ich aus versehen gegen jemanden, ich drehe mich um und es ist Ben. Er will etwas sagen doch tut es dann doch nicht. Alain gibt ein Zeichen das alle auf ihn aufmerksam macht, er wedelt mit den Armen. 'So ihr glaubt vielleicht Musik sei nur für Hörende, da man Musik nur hören kann. Doch ich werde euch beweisen dass ihr euch irrt!' Während Alain nun einen Song aussucht, stellt sich Margaux in die Mitte , singt und tanzt den neusten Song. 'Sehr schön so motivierte Menschen zu sehen Margaux.' Lobt sie der Animateur. Ich versuche nicht eifersüchtig auf Margauxs Erfolg zu sein. 'So, erstmal legen wir uns alle auf den Boden, entspannen uns und schliessen die Augen. Sobald ich euch das Signal gebe steht ihr auf und tanzt einfach nur mal drauf los. Aber immer mit geschlossenen Augen.' Er beendet den Satz in Gebärdensprache und bringt uns schliesslich endlich zum liegen.
Gespannt lege ich mich hin und bevor ich die Augen schliesse lächelt Ben mich an 'Das mache ich zuhause immer.' Flüstert er unsicher. Ein Bassintro beginnt, es ist sehr laut, das stört aber nicht wirklich. Nun kommt eine Gitarre dazu , ich liebe ihren lauten Rhythmus. Ich spühre den Boden unter mir vibrieren, erst leicht, doch je länger ich mich darauf konzentriere spühre ich ihn mehr als dass ich ihn höre. Es ist ein wundervolles Gefühl den Körper so kribbeln zu lassen. Alain, berührt mein Bein, das ist das abgemachte Zeichen. Gehorsam stehe ich auf, und beginne mich langsam zu bewegen. Ich stelle mir ständig vor Ben sähe mir zu. Doch wenn ich an ihn denke sehe ich ihn nur lächelnd. Dieses Bild ermutigt mich, und Stück für Stück löst sich meine Beklemmung und ich tanze von ganzem Herzen.
Unterdrücktes Lachen und indiskretes Glucksen holen mich aus meinem Zustand. Ich öffne die Augen. Margaux und ihre Freunde sitzen am Boden zeigen auf mich und versuchen das Lachen zu unterdrücken. Alain der zur Musik gedreht ist, bekommt davon natürlich nichts mit. Die Anderen tanzen, und wie sie tanzen! Von ganzem Herzen und absolut glücklich. So würde ich mir wünschen sein zu können… 'Solche Idioten!' hören ich Margaux sagen, ich traue mich nicht zu wehren, ich sollte, ich will, aber ich bringe vor Scham kein Wort heraus. Erst als sie auf Ben zeigt und sich vor Lachen biegt werde ich so richtig sauer. Ich selbst finde dass er gut tanzt, er bewegt seine Hüften, und scheint nichts mehr um ihn herum wahrzunehmen. Dieses Mal kann ich nicht anders. 'Wisst ihr was? Ihr seid extremst scheisse!' sage ich laut genug damit sie es hören. Margaux hört auf zu lachen und sieht mich geschockt, verletzt doch auch ziemlich sauer an. Wortlos steht sie auf und kommt auf mich zu. Ich befürchte schon sie regt sich gleich tierisch auf, doch kurz bevor sich unsere Nasen berühren, so nah kommt sie mir, dreht sie, mich anblickend, ab und läuft an mir vorbei zu Ben. 'Unabsichtlich' schubst sie ihn leicht, er öffnet die Augen und lächelt. Dieses Lächeln versezt mir einen Schlag ins Gesicht. Sie nimmt genauso lächelnd seine Hand und fängt an mit ihm zu tanzen. Beide tanzen fröhlich zu dem Song der mir vorher so viel Freude gemacht hat. Jetzt hasse ich ihn. Alain hat sie auch entdeckt. 'Wunderbar Margaux! Wenn alle so offen wären wie du, würden die behinderten Menschen dieser Welt keine solchen Schwierigkeiten haben.' Sie lächelt leicht, bescheiden. Ben, halb-ernst, halb-belustigt, verbeugt sich vor ihr und küsst ihre Hand, wie vor einer Königin. Ich wünschte der Kronleuchter erschlüge die beiden! Wortlos drehe ich mich um und gehe, ich höre noch wie Alain mich ruft, doch ich bin schon weg. Im Zimmer lege ich mich ins Bett und weine.
Margaux kommt wieder, ich spühre sie wartet nur auf eine Gelegenheit zu streiten. Sie braucht nicht lange um eine zu finden: ich habe meinen 'Anti-Strees-Sack' auf ihrem Bett liegen lassen, als ich mit ihr heute Morgen nochmal einen Song von Angel gehört habe. Sie schnappt ihn und wirft ihn mir an, er landet schmerzhaft in meinem Gesicht. 'Behalt deinen Scheiss bei dir, hörst du?! Deine scheiss Sachen und deine Moralpredigten ebenfalls! Du bist doch nur hier um die Krankenschwester zu spielen und schön bei den Animateuren zu schleimen! Du bist total verklemmt und nur weil ich etwas Spass habe, versaust du es mir?! Was bist du nur für eine Freundin?!' Auf meinem Bett sitzend, hÖre ich mit gesunkenen Kopf alle Vorwürfe widerstandlos an, ich traue mich nicht sie jetzt anzusehen. Wie konnte ich nur diese Bemerkung machen? Ich bin doch sonst nicht so aufbrausend… Endlich schaffe ich es ihr zu antworten :' Entschuldige, ich war nur sauer weil ich dachte ihr lacht mich aus, und ich wusste nicht dass du es so aufnimmst. Es tut mir ehrlich leid.' Mein Ton muss ihr gefallen haben denn auf einmal sitzt sie neben mir . 'Ok kein Problem. Aber unsere Mission läuft sehr gut, ich glaube Angel Junior alias Bennyboy hat Gefallen an meiner Person gefunden. Für heute Abend habe ich den ultimativen Plan , der wird ihn hundert prozentig umhauen. Schau her…' sie wühlt in ihrer Handtasche, und holte triumphierend eine Plastiktüte raus. 'Das wird mein Lockvogel! Ich kenne keinen Kerl der dazu nein sagt, und los geht's für einen lustigen Abend!' Ich lächele tapfer: 'Das wird toll!'
In Wirklichkeit fühle ich mich hundeelend. Meine Kusine starb an einer Überdosis. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie halbtot in einem Krankenhausbett liegt und ganz weiss ist. Drei Stunden später war sie tot. Deshalb gibt es nichts dass mich mehr abstösst als Drogen, selbst Joints, bringen mich zum würgen. Bis jetzt konnte ich mich bei Freunden immer durchschummeln und ans offene Fenster sitzen, den Joint mal in der Hand halten und so tun als hätte ich schon genug. Doch dieses Mal muss ich mitmachen um Ben zu gefallen. Was soll ich bloss tun…
Margaux entschliesst sich , den Garten zu erkunden, und es bleibt noch Zeit bis zum Abendessen. Ich nehme meinen MP3, darauf ist ein Song von Angel, der heisst 'Triff deine Entscheidung.' Auf einmal spühre ich das riesige Bedürftniss ihn zu hören.
Mitternacht. Michèle hat einen letzten Blick ins Zimmer geworfen. Hier muss man spätestens um 12Uhr im Bett liegen, wie die Kinder. Wir liegen also im Bett und atmen ganz ruhig. Der Weg ist frei. 'Fertig?' flüstert Margaux. 'Bist du sicher dass das eine gute Idee ist?' Ich habe immernoch Zweifel. 'Willst du etwa kneifen?! Denk an den Moment in dem Angel dich mit offenen Armen in seiner Villa begrüsst!' Ich seuftze, Margaux hat recht, das wäre wirklich wundervoll… ich will mich grade anziehen, da flüstert sie dass wir keine Zeit dazu haben, ich solle doch so mit. Super. Ich trage eine sehr kurze Hose und ein Trägertop, echt super, sie hätte mich vorwarnen sollen. 'Sorry!' grinst sie. Wir durchqueren leise das Zimmer, dann den Flur. Durch die Fenster sehe ich den Himmel, den Vollmond und die Sterne. Es ist eine warme Nacht… 'Wach auf, das ist nicht der richtige Zeitpunkt zu träumen!' haucht sie. Vorsichtig stolpern wir über die Treppe, wenn uns jetzt jemand mit der Tüte erwischen würde… Ich will es mir gar nicht erst vorstellen! Auf einmal klopft Margaux an einer Tür, doch nicht an Bennys, schliesslich folgen uns drei weitere Gestalten vor Bens Zimmer. Margaux geht hinein und kommt einige Minuten später wieder heraus, mit Ben an der Hand! Ich kann es kaum fassen! Er scheint verwirrt , und ich glaube nicht dass er versteht was wir von ihm wollen. Margaux hält die Tüte hoch, doch en schüttelt den Kopf. Margaux macht ihren berühmten Schmollmund, natürlich gibt er nach. Er sieht mich auf einmal und lächelt schliesslich. Er streichelt mir über den Kopf, wie einer Fünfjährigen, ich bemerke auf einmal wieder seine Grösse, ausserdem ist er bestimmt älter als ich. 'Wie geht's?' Flüstert er mit seiner zittrigen Stimme. Ich nicke nur lächelnd, ich traue mich nicht zu sprechen, er würde mich sowieso nicht hören. Ich dachte wir würden wieder ins Zimmer gehen, doch Margaux führt uns alle hinaus. Der Schlüssel der Eingangstür knarrt im Schloss, doch dann sind wir endlich draussen.
Hinter dem Tennisplatz fliesst die Greuette, ein kleiner Fluss der irgendwo westlich von hier mit einem Zweiten zusammen in Wasserfälle aufgeht. Das werden wir uns später noch ansehen. Die Anderen rennen lachend los, sich auf den Abend freuend und bereits sehr aufgeregt.
Ich lasse den Abstand gerne grösser werden, ich habe es nicht eilig. Die Nacht ist wunderschön, die warme luft und das Gras kitzeln meine Haut.Ein warmer Wind weht durch meine Haare. Weiter vorne wartet jemand auf mich. Ben. Ich laufe schneller. Er sieht mich von oben bis unten an, ich fühle mich unwohl unter seinem Blick, denn kaum hebt er den Blick und sieht mir ins Gesicht kann ich nur entschuldigen die Hände ringen, ich traue mich nicht ihn anzusehen. Er zeigt auf mich und hebt den Daumen. Er hat mich verstanden, er legt den Arme um mich und wir laufen weiter. Ein Glück ist es dunkel sonst könnte er ja sehen wie rot ich bin. Ich beschliesse innerlich nicht zu hinterfragen warum er den Arm um mich dreht. Ich will es nicht wissen, ich habe Angst vor der Antwort. Wir versuchen nicht miteinander zu sprechen, es geht auch ohne. Beim Einholen der Anderen, werden wir mit kfeifen und Jubeln begrüsst. Nur Margaux wirft mir einen triumphierenden Blick zu. Sie sitzen alle im Kreis und rauchen bereits mit einem ernsten Blick und ohne ein Wort zu sagen. Das ist verrückt. Ben verzieht das Gesicht und berührt seine Nase, er hat recht,der Geruch verdirbt den schönen Abend. 'Komm.' Sagt er und hält mir seine Hand hin. Ich ergreife seine Hand und werde wie der rot. Was mache ich da nur, ich verliebe mich in den kleinen Bruder meines Traummannes. Da stimmt doch etwas nicht mit mir.
Wir entfernen uns von der Gruppe und setzen uns auf einen Felsen der ins Wasser ragt. Den Kopf nach hinten gelegt betrachten wir die Sterne. Er hält meine Hand immernoch ganz fest in seiner. Ich zittere und er spührt es wahrscheinlich. 'Ist dir kalt?' fragt er mich zögerlich. Ich nicke und er zieht mich so zu sich das ich mit den Rücken an seinen Brustkorb gelehnt zwischen seinen angewinkelten Beinen liege. Er reibt mir leicht die Arme. Mein Schlafanzug war wirklich nicht genug, doch durch Ben wird mir auf einmal richtig heiss. Ich war noch nie im Leben so rot, glaube ich. Er küsst meinen Nacken. Oh Gott, was mach ich nur? Ich drehe meinen Kopf soweit dass ich ihm ins Gesicht sehen kann, wir sind uns gerade sehr sehr nahe. Er beisst sich auf die Lippen, sieht verlegen zur Seite. Ich glaube er will etwas sagen, also berühre ich mit den Fingern meinen Mund um ihn zum sprechen aufzufordern. Er scheint auf einmal enttäuscht, er steht auf und lässt mich beinahe hinfallen. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Endlich artikuliert er langsam: 'Wenn du unbedingt mitrauchen möchtest geh doch zu ihnen!' Ich habe keine Zeit ihm alles zu erklären, denn schon dreht er sich um und geht. Ich rufe ihm hinterher : 'Ben warte!' Aber er hört mich nicht.







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz