Amatory Angel Teil 1

Autor: Zoe
veröffentlicht am: 20.07.2008




Hi, das ist meiner allererste Geschichte, ich bin also noch ein Anfänger. Ich hoffe ein paar von euch können sich trotzdem für meine Geschichte erwärmen. Ich bin für Verbesserungsvorschläge sehr offen und freue mich über jeden Kommentar =o) Ich wünsche viel Spaß und liebe Grüße Zoe

Woher kommen die Wunder, von denen man ständig liest? Wie sind die unerklärlichen Ereignisse zu erklären? Sind sie wirklich unerklärlich? Ja, das sind sie. Zumindest für die Unwissenden. Für die, die nicht an Wunder glauben. Für die, die Leugnen. Für die, die nicht erkennen, dass es Engel gibt.
Doch es gibt sie. Sind sie perfekt? Haben sie Gefühle? Können sie leiden? Kann man ihnen körperlichen Schmerz zufügen? Können sie sterben?
Nein, sie sind nicht perfekt. Sie haben genauso wie wir Gefühle. Sie können lieben, hassen, Mitleid, Neid und Eifersucht empfinden. Auch Zorn, Freude, Ärger, Trauer gehören zu ihren Emotionen. Sie sind wie wir. Genau wie wir. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie nicht für sich sondern für andere leben. Ihre Gaben haben sie um zu helfen.
In besonderen Fällen sind sie sogar mitten unter uns. Du erkennst sie an ihren Augen. Sie haben ganz besondere Augen. Schön, unvergänglich und viel sagend.
Ich möchte euch die Geschichte von einem ganz bestimmten Engel erzählen. Dieser Engel heißt Imogen. Imogen hat pechschwarzes, dickes, glänzendes Haar (ja Engel haben nicht immer blonde Locken), einen wunderschönen Körper, sinnliche Lippen und meeresblaue Augen. Sie lebt schon seit Jahrhunderten auf den Wattebauschwolken und hilft den
Menschen. Sie ist für die schicksalhaften Begegnungen zuständig. Hast du dich schon einmal gefragt, warum du einen besonderen Menschen an einem bestimmten Ort getroffen hast? Du kannst dir sicher sein, das war sie. Sie greift nur ein, wenn ein Mensch ihre Hilfe braucht. Wurdest du schon ein mal geschlagen, missbraucht, oder hast dich völlig nutzlos gefühlt? In solchen Momenten ist sie für dich da. Sie sieht dich. Sie fühlt mit dir, ist traurig, wenn du traurig bist und sie freut sich, wenn du dein Glück gefunden hast. Sie lässt dich niemals im Stich.

Mit flinken Flügelschlägen kam Apollo durch die Gegend gehopst und legte eine Vollbremsung hin.
'Imogen, da bist du ja! Ich suche dich den ganzen Tag!', er stampfte ungeduldig auf dem wolkigen Untergrund herum.
'Worum geht's?', Imogen hatte wortwörtlich ihren Kopf in den Wolken stecken.
'Jetzt guck mich doch gefälligst mal an! Hast du nicht dein Amulett blinken sehen? Der Chef erwartet dich.'
'Oh!', Sie setzte sich auf und holte ihre Kette hervor, 'tatsächlich!'
'Jetzt beeil dich! Er hat heute schon nicht so gute Laune!'
'Ist ja gut.', widerwillig stand sie auf, klopfte sich die letzten kleinen Wölkchen vom Kleid und flog mit ihren großen, schneeweißen Flügeln los zum Wolkenschloss. Apollo blickte ihr nur kopfschüttelnd nach. Dieses Engelchen war nicht zu verbessern. Unpünktlich und hibbelig. Dafür war sie aber auch herzlich und glaubte an das Gute in jedem Menschen, was Apollo zum Beispiel schon längst nicht mehr tat. Für ihn waren Menschen ein eigensinniges Pack Idioten, was ihn dazu veranlagte auf sein Engeldasein stolz zu sein.
Die goldenen Pforten öffneten sich und sie trat ein. Nach einem strammen Marsch durch die verwirrenden Gänge, war Imogen im Salon angekommen und klopfte zart an. Mit einem starken Windhauch, der ihre Haare nach hinten wehten, flogen die Türen auf.
'Komm rein!', ertönte eine raue Stimme aus dem Innenraum. Schuldbewusst schlich sie hinein. 'Das neulich am Büffet das war ein Missverständnis! Ich würde Ben niemals als Egoist bezeichnen! Er hat sich eben einfach vorgedrängelt. Ich habe wohl überreagiert, er ist aber auch immer solch ein-'
'Imogen!', stoppte er ihr Geblubber, 'darum geht es mir nicht. So etwas könnt ihr für euch klären. Mir geht es um etwas ganz anderes. Ich habe einen Auftrag für dich!', er zog seine Augenbrauen in die Höhe und ergänzte, 'auf der Erde!'
'Auf der Erde?', Imogen machte große Augen, 'Ich war seit…seit Jahrhunderten nicht mehr auf der Erde! Ist das aufregend! Erinnerst du dich? Damals sollte ich dem Mann helfen nicht-', sie senkte ihren Blick. Die Erinnerungen kamen wieder hoch. Ihr Auftrag damals war in einem Desaster geendet. Sie hatte versagt auf ganzer Strecke. Seit dem hatte sie keinen nennenswerten Auftrag mehr bekommen und hatte ihre Wolken nicht mehr verlassen dürfen. Dabei liebte sie es doch zu helfen! Immerhin war sie der hilfsbereite Engel der Liebe.'Weine diesem Mann nicht mehr nach, du warst ein Jungengel. Unerfahren. Du bist zwar mit deinen vierhundert Jahren immer noch ein junger Engel, aber das ist jetzt mal unwichtig. Du musst einem Menschen helfen. Sie heißt Tracy Hackney. Sie wird von ihren Eltern misshandelt, auf schlimmste Weise. Sie hat jeglichen Glauben an das Gute verloren. Sie wird immer aggressiver und lässt ihre Wut an Mitschülern aus. Ich bin mir sicher, dass sie im Inneren immer noch das liebe Mädchen von früher ist. Du musst ihr helfen einzusehen, dass ihr Verhalten falsch ist. Von diesen Eltern können wir sie wahrscheinlich nicht
wegbekommen, aber hilf ihr, das Gute in sich zu sehen. Wieder an sich zu glauben und an andere Menschen.'
'Warum ich?', Imogen war verwirrt. Dieser Auftrag klang noch schwerer und mit mehr Verantwortung verbunden als der alte.'Weil du ein großes Herz hast und ich der Meinung bin, dass keiner von den Engeln so viel Charisma und positive Ausstrahlung besitzt. Ich möchte, dass du in Tracys Klasse gehst. Also in die zehnte, Realschule. Sie ist siebzehn und hat bereits ein Schuljahr wiederholt, ihre Leistungen leiden unter den Missbrauchen.'
'Oh, nein, die Arme!', Imogen kamen fast die Tränen, als sie das nur hörte. Sie war doch viel zu emotional für so einen Auftrag!
'Du wirst in ihre Schulklasse gehen. Versuche ihr Vertrauen zu bekommen. Helfe ihr so gut du kannst. Verbring Zeit mit ihr. Sie muss unbedingt wieder an sich glauben.'
'Verstehe. Dieses Mal werde ich dich nicht enttäuschen!', versicherte sie.
'Was noch ganz wichtig ist, ist dein Eigenschutz! Virgil hat es immer noch auf meine Engel abgesehen. Wenn du auf der Erde bist, darfst du unter keinen Umständen deine
Engelfähigkeiten einsetzen. Egal was los ist! Denk dran, dein Leben ist wichtiger, als ihres. Setz es nicht aufs Spiel. Ich bitte dich. Ich weiß, dass du sehr mit deinen Schützlingen leidest, aber beschütze dich trotzdem. Wenn du auf die Erde fliegst, bleibe unsichtbar, bis du an einem Ort bist, wo dich keiner sieht. Deine Flügel darfst du nicht einsetzen, es wird gelaufen und dein Amulett immer versteckt halten. Hast du mich verstanden?!', er fixierte ihre blauen Augen, sie nickte nur stumm.
'Gut, wir haben dir eine Wohnung Sudentenstraße 28 bereits von Clark reservieren lassen. Er wird einmal im Monat bei dir vorbeisehen. Du wirst deinen Namen behalten. Imogen Harrison.'
'Also gut! Doch eine Frage habe ich, darf ich wenigstens wenn ich klein und unsichtbar bin bei ihr vorbeischauen, ich würde mir doch gerne ein Bild von dem ganzen machen.''Ja, doch. Das ist aber die einzige Fähigkeit, die du einsetzt! Mach dich erst unsichtbar, wenn du dir hundertprozentig sicher bist, dass dich keiner sehen kann, ja? Und sag niemandem, niemandem, dass du ein Engel bist! Also gut, dann mach dich auf den Weg und pass auf dich auf!'
Imogen wollte gerade den Salon verlassen und drehte sich noch einmal auf den Absatz herum. 'Und was ist mit den Arbeiten? Muss ich die mitschreiben?'
Der Chef verdrehte die Auge: 'Das bisschen Unterricht wirst du ja wohl noch
hinbekommen!'
Sie seufzte und ging aus dem Raum. Clark, er war einer der obersten Engel und für den Schutz zuständig, sozusagen also ein Engelsritter, wartete bereits auf sie.
'Hey Clark!', begrüßte sie ihn freundlich. Clark war unerreichbar, einfach…atemberaubend. Zumindest in Imogens Augen. Er war stark gebaut, hatte braune Haare und schöne Augen (was bei Engeln ja eigentlich nichts besonderes war). Das einzige was ihr nicht an ihm gefiel, war seine behaarte Mannesbrust. Da schüttelte sich in ihr alles.
'So Imogen, bist du bereit?'
Sie nickte entschlossen.
'So kannst du da aber nicht auftauchen!'
'wieso?!', sie sah an sich herab, da er mit seinem Zeigefinger auf sie zeigte.
'Du brauchst menschliche Klamotten!'
‚Och nö', Imogen gefiel ihr Kleid sehr gut. Es war hellblau und glitzerte. So einen Stoff, den es bei den Menschen überhaupt nicht gab. Das Kleid ging bis kurz über den Knien, hatte einen V-Ausschnitt und fünf Zentimeter dicke Träger.
'Hier.', Clark hielt ihr einen Stapel hin.
'Was ist das?'
'Das sollst du anziehen.'
Skeptisch nahm sie ihm den Stapel ab und sah sich an, was das war. Eine lange Röhrenjeans und ein simples Top. Eine Hose? Für einen weiblichen Engel? So etwas war ihr völlig neu. Bei Menschen sah sie das zwar täglich, aber selbst hatte sie noch nie eine Hose getragen. Erwartungsvoll wurde sie von Clark angestarrt, worauf er einen bösen Blick von ihr kassierte. Hörig drehte er sich um und sie wechselte die Klamotten.
'Und?', fragte sie, als sie fertig war.
'Sehr gut, du siehst fast aus, wie ein Mensch.'
'Fast?'
'Nur noch wesentlich schöner. Du bist wunderschön, Imogen.', sie lächelte ihn verlegen an. Hatte er gerade mit ihr geflirtet? Das hatte er sonst niemals getan!
'Dann komm mal mit.', Clark führte sie in einen Raum, in dem sie noch nie zuvor gewesen war. In einer Kugel, die zirka die Größe eines Medizinballs besaß, war eine Stadt abgebildet. Sie folgte ihm breitbeinig laufend, man waren diese Hosen unbequem!
'Du fliegst jetzt gleich da in diese Sackgasse, siehst du sie? Dort wird dich niemand sehen, wenn du wieder sichtbar wirst. Und vergesse ja nicht, die Flügel wegzulassen.'
'Ich bin ja nicht blöd!', feixte sie ihn an.
'Na, ich weiß ja nicht…', witzelte Clark.
'Ey!'
'Gut, hören wir mit dem Unsinn auf. Es wird Zeit für dich. Auf der Erde ist jetzt
Sonntagabend. Morgen musst du an die Schule in die Klasse 10B. Hier hast du noch ein Bild von Tracy. Sieh es dir genau an.'
Imogen blickte in das Gesicht eines siebzehnjährigen Mädchens mit blonden, schulterlangen Haaren, braunen mandelförmigen Augen und schmalen Lippen.
'Sie ist hübsch.', stellte Imogen seufzend fest und ließ ihre Flügel geknickt hängen. Sie konnte immer noch nicht glauben, was für ein trauriges Schicksal Tracy schon seit Jahren durchlebte.
'Die Welt da unten ist hart und grausam. Vergiss nicht wie man lächelt, das wäre schade um deine süßen Grübchen.', schmunzelte Clark ihr entgegen.
‚Was ist denn mit dem Heute los?', fragte sie sich selbst. 'Dann werde ich jetzt mal los fliegen.'
'Pass auf dich auf, Süße', er schloss sie in seine Arme. Imogen hatte seine haarige Brust im Gesicht. Jetzt wo sie ihm so nah war und er gar nicht mehr so unerreichbar für sie war, verlor sie den Blick für das, was sie immer so besonders an ihm fand.
'In einem Monat sehe ich nach dir und wenn etwas ist, schicke ein Signal mit deinem Amulett und ich bin sofort da.'
'Okey.'
Sie verließ das Schloss wieder und machte sich unsichtbar. Ohne Umschweife flog sie durch die Wolken. Kaum hatte sie die frische Atmosphäre der Wolkenwelt verlassen, kam ihr ein stickiger und vergaster Geruch entgegen. Im ersten Moment hatte sie das Gefühl zu ersticken, als wäre ihr Hals zugeschnürt.
In der Sackgasse angekommen hörte sie auf das, was Clark gesagt hatte, und lief sichtbar heraus. Sie stand direkt vor einer gut befahrenen Straße und staunte Bauklötze. Von oben war alles immer so gewohnt für sie gewesen, doch wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie keine Ahnung von der jetzigen Zeit. Als sie vor dreihundert Jahren auf der Erde gewesen war, war alles noch viel einfacher gewesen. ‚Toll, in welches Haus soll ich eigentlich ziehen?', fragte sie sich selbst und irrte verloren auf dem Bürgersteig hin und her. Zu ihrem großen Glück, kamen viele Menschen entgegen und sie entschloss sich einen zu fragen. Sie blickte sich um und erkannte einen Mann mit ordentlichen Anzug.
'Entschuldigung, könnten sie mir sagen, wo-', er beachtete sie gar nicht und trat einfach an ihr vorbei. ‚Was für ein Trampel, boar.'
Dann entdeckte sie eine Frau mit Kinderwagen, neben der noch ein kleines Kind lief. Imogen ging das Herz auf, sie liebte Kinder. Die waren so süß und knuffig. Noch einmal versuchte sie es: 'Hallo? Könnten sie mir sagen wo die-', sie überlegte eine halbe Sekunde, '-
Sudetenstraße ist?'
Die Frau blieb stehen. 'Ja, also da müssen sie die Straße bis zur nächsten Kreuzung durch und dann nach rechts, das ist sie schon.'
'Ach, so einfach? Vielen dank!'
Gut, war ja gar nicht so schwer! Ruck zuck war sie angekommen und das mit den
Hausnummern war nun wirklich auch kein Problem mehr. Das einzige Problem öffnete sich ihr, als sie ihre neue Bleibe entdeckt hatte. Ein baufälliges Haus im Plattenbaustil. Ein grauer, unfreundlicher Klotz. ‚Hätte Clark nicht ein süßeres Haus aussuchen können?', fragte sie sich innerlich motzend und lief weiter. Sie zog instinktiv an der Tür, die sich jedoch keinen Zentimeter bewegte. Was war denn jetzt schon wieder los? Sie zog kräftiger an der Klinke, immer noch nichts…
'Sie müssen drücken.'
'Was?', sie drehte sich irritiert um. Ein Jugendlicher mit eindeutigem Skater-styl stand vor ihr.
'Na ja, durch ziehen bekommt man diese Tür nicht auf.', er stellte sich neben sie und drückte dagegen, ohne weitere Zicken zu machen, ließ sich die Tür aufschieben.
'Oh…Danke.', etwas beschämt trat Imogen ein. So würde ja sofort auffallen, dass sie nicht von hier war.
'Warte mal!', hielt sie den Jungen auf, als er zu seiner Wohnung gehen wollte, 'ich weiß nicht, ich sollte hier eine Wohnung bekommen, nur…'
'Verstehe, warten Sie, ich gehe mit ihnen zum Hausmeister. Wie heißen Sie eigentlich? Also ich bin Martin.'
‚Freundlicher Kerl' 'Imogen.'
'Imogen? Noch nie gehört. Darf ich Sie Imey nennen?'
'Imey? Na ja, wieso nicht?'
Nun widmete Imogen endlich Zeit dem Innenleben dieses Gebäudes, während Martin die Schlüssel für sie holen wollte. Das Haus war wirklich kein Knüller. Von der großen Eingangstür verlief ein alter, dreckiger Läufer bis zur Treppe, die unbezwingbar schien. Licht drängelte sich nur durch die Glasscheiben der Tür, sonst war es eher düster. Rechts neben ihr war ein Raum, in den Martin gegangen war, war wohl die Hausmeisterstube.
Nach kurzer Zeit war er auch schon wieder da und drückte ihr ein paar Zettel und schließlich den Schlüssel in die Hand.
'Danke, Martin. Du bist lieb.'
'Nur an Sonntagen.', grinste er frech.
'Dann hab ich ja Glück gehabt.'
'Sieht so aus. Also, Adios!', er klemmte sein Skatebord unter die Arme, 'Ach so, Sie haben die Wohnung 339 die ist im siebten Stock, also ganz oben.'
‚Clark! Du kleines…'
'Oh…', kam nur noch Tonlos heraus. Sie war seit Jahrhunderten kaum gelaufen und jetzt sollte sie jeden Tag…au weia, sie ahnte Böses. Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen und nahm die ersten Stufen. ‚Ach, das geht schon', sie lief immer schneller und joggte schließlich. Kleine Zahlen an den Wänden verkündeten ihr den Stock, in dem sie sich gerade befand. 2, 3, 4…völlig außer Puste blieb sie stehen. ‚Komm nur noch drei Stockwerke!', wollte sie sich innerlich selbst motivieren, doch es war so anstrengend. ‚Na gut, ich lasse es langsam angehen', wieder mit gemäßigtem Schritt nahm sie Stufe für Stufe und kam schließlich laut schnaufend oben an. Was sich ihrem Auge nun bot wunderte sie völlig. Das Haus hatte nur den äußeren Anschein in sich zusammen fallen zu wollen. Nun war sie in einem breiten, hellen Flur. An der Decke waren riesige Glasplatten, wodurch sie zu ihren geliebten Wolken aufschauen konnte. Sie starrte auf ihren Schlüssel '339' und nun auf die Türen. 332, 333, 334…am Ende des Flures angekommen, war endlich die lang ersehnte Wohnung, und daneben? Ein Aufzug! Ihre Arme fielen erleichtert runter. Was ein Glück. Nicht jeden Tag diese abscheuliche Treppe! Ein wenig schämte sie sich ja, dass sie so wenig Ausdauer hatte, aber so etwas brauchte man im Wolkenreich einfach nicht. Außerdem hatte sie, wenn sie flog sehr viel Ausdauer, eigentlich unerschöpfliche Ausdauer. Vielleicht sollte sie doch immer die Treppe nehmen, um fitter zu werden? Hm…nein.
Von Neugierde gepackt steckte sie nun ihren Schlüssel in die 339er Tür. Diese ließ sich ganz leicht aufschieben. Eine angenehme Wärme strahlte ihr sofort entgegen. Sie trat ein und erblickte als aller erstes einen Flur mit Garderobe. Geradeaus war ein Wohnzimmer, schon komplett eingerichtet. Und wie! Eine Sitzecke aus zwei cremefarbene Couches und einem Sessel, die auf einem flauschigen weißem Teppich ihren Platz fanden. Dazu ein niedlicher, kleiner, buchenholzfarbener Couchtisch. Gegenüber war eine Kommode, auf der ein großer Fernseher ruhte. Dann entdeckte sie etwas noch interessanteres, eine Balkontür! Sofort stürmte sie hinaus und hielt erst an dem Geländer wieder. Der Balkon war leider nicht sehr groß, aber man konnte über die gesamte Stadt blicken. Sie atmete tief ein, um die frische Brise zu genießen, was jedoch in einem Hustanfall endete. Wie konnten die Menschen nur bei solch einer stickigen Luft überleben? Sie wussten wohl gar nicht, was es heißt, zu atmen!Kurz entschlossen, sah sie sich den Rest der Wohnung an. Neben der Kommode ging ein weiteres Zimmer ab, es war ein Schlafzimmer. Das Bett stand direkt unter dem Fenster, am Fußende ein kleiner Schreibtisch mit Schreibfläche und Computer. An der nächsten Wand ein Kleiderschrank, dessen Türen sie sofort aufschwang und die Klamotten durchforstete. Kaum Kleider. Hm, musste sie wohl doch Hosen tragen.
Ohne sich weiter aufzuregen führte sie ihre Führung fort. Wenn sie nun vom Flur im Eingangsbereich anstatt geradeaus zum Wohnzimmer nach links lief, waren dort nur noch zwei Türen. In der ersten, erblickte sie eine komplette Küche, mit Kochfeld, Anrichte, Tisch, Stühle. Alles. Hieß das für sie: selbst kochen? Das hatte sie wirklich noch nie getan. Alles war so neu.
Auf dem Tisch fiel ihr ein kleiner, weißer Umschlag in die Augen, welchen sie sofort aufriss. Er war von Clark:

'Imogen,
wie du wahrscheinlich schon gesehen hast, ist die Wohnung schon fertig eingerichtet. Ich hoffe, es gefällt dir. Na ja gut. Gegen das Wolkenreich ist das wirklich sehr arm. Doch wenn du erst einmal gelernt hast, das Haus mit Menschenaugen zu sehen, wirst du seine Schönheit erkennen. Es ist ein wirklich schönes Haus. Ich sehe es mit richtigen Augen. Und noch was: Tracy wohnt in der Wohnung gegenüber also Zimmer Nummer 338. Wenn du dich unsichtbar und klein machst, kannst du einmal ums Haus herumfliegen. So wirst du auf ihrem Balkon landen. Aber sei vorsichtig. Ich möchte nicht, dass Virgil etwas mit bekommt. Pass gut auf dich auf. Ich bin bald bei dir.
Clark'

Ohne sich große Gedanken darüber zu machen, legte sie den Zettel zurück und beendete ihre Rundreise im Bad. Dusche, Toilette, Waschbecken, Waschmaschine, Spiegel. Viel mehr war da nicht zu sehen. Aber alles blitzblank.
‚Was mach ich jetzt? Sollte ich jetzt schon mal anfangen zu arbeiten, oder leg ich mich aufs Ohr?', Ohne Umschweife entschied sie sich für letzteres mit der Ausrede 'Ist doch schon spät.'
Sie zog sich das Nachthemd an, was griffbereit auf ihrem Bett lag und kuschelte sich in die Decke. Doch sie war noch hellwach. Ihre Augen wanderten durch den dunklen Raum. Es war so unglaublich, sie hatte einen Auftrag auf der Erde. Und sie würde ihn gut machen. Ganz sicher!
Sie schloss ihre Augen. Das Schlafen fiel ihr jedoch schwer. Die ganze Nacht wälzte sie von einer Seite zur anderen. Schmiss die Decke von sich ab, um sie Sekunden später wieder bis unter die Nase zu ziehen. Schrecklich. Die Matratze war aber auch so hart!
Als sie es um vier nicht mehr aushielt, stand sie wieder auf und schlürfte in wuschelig weichen Pantoffeln auf den Balkon. Der Mond schimmerte blau-weiß und stand groß und rund über der Stadt. Ein wenig von seinem Glanz konnten die Häuser auffangen und leuchteten selbst ein wenig. Imogen war begeistert. So schön konnte man den Mond von zu Hause aus nicht sehen. Es gab ja nie etwas, was er anstrahlte. Aber hier. Es war unglaublich. Sie hielt ihre Hand entgegen, als könnte sie den Mond berühren, eine frische Nachtbrise strich durch ihre Haare und das Nachthemd schlug hohe Wellen. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen.







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