Zwickmühle? Teil 1

Autor: Sonntagskind
veröffentlicht am: 02.05.2008




So, das ist meine neue Liebesgeschichte! Bin bei 'Auf den Weg gemacht' irgendwie nicht weitergekommen ;-) Viel Spaß beim Lesen, euer Sonntagskind

'Das Licht bitte heller! Jack, pass bitte auf!', schallte Linas Stimme über die Bühne. Sie probten den 2. Aufzug des Dramas schon zum zigsten Mal und immer wieder hatte ein Akteur seinen Auftritt verpatzt oder Techniker hatten ihren Einsatz verpasst. Zum erneuten Male setzte Sina, die Hauptrolle spielend, an. Lina, die Regisseurin, fasste sich abermals an ihren Kopf. Ihre Haare waren schon längst nicht mehr das, was sie vor dem Verlassen ihres Hauses am Stadtrand Berlins am frühen Morgen gewesen waren: Ordentlich geföhnt und gutaussehend.
‚Das gibt es doch nicht. Warum klappt das nicht', ärgerte sich die 36-jährige Regisseurin und verfolgte den Dialog zwischen Annabell und Thorben, der Prinzessin und dem Stallmeister des Stückes. Das Drama handelte von einem adeligen Mädchen und dessen Stallmeister, die vom Schloss vertrieben worden sind und nun versuchen, ihr Leben in ärmlichen Verhältnissen weiterzuführen und ein neues aufzubauen. Dann jedoch werden die zwei getrennt und auf unterschiedliche Kontinente verfrachtet, wo Thorben unschuldig eines Mordes angeklagt und zum Tode verurteilt wird und Annabell als Kindermutter arbeitet. Nach Jahren der Trennung, Thorben ist schon nach kurzer Zeit ermordet worden, begibt sich Annabell auf die Suche nach ihrem Liebsten. Sie wird aber nicht fündig und so sucht sich noch heute. Das Drama spielt im 15. Jahrhundert. 'So verging die.. die…' - 'ZEIT! So verging die Zeit! So schwierig ist das doch nicht!', rastete Lina abermals aus und wandte sich verzweifelt von der Bühne ab, als Thorben einen Texthänger hatte. Würden sie das Stück nicht endlich einmal richtig und komplett aufführen können, so könnten sie die Premiere im Berliner Stadttheater in einem Monat vergessen.
Sina und Aaron, der Thorben spielte, schauten sich nur genervt an und seufzten: Lange würden sie die Ausraster ihrer Chefin nicht mehr ertragen. Die Laune Linas war schon seit Tagen im Keller und hatte ihren Tiefpunkt am heutigen Dienstag erreicht. 'Ihr müsst euch konzentrieren!' , verzweifelte Lina. 'Hey, alles in Ordnung?' Eine warme Hand legte sich auf ihre Schulter. Es war Rolf, ihr Regieassistent. Er hatte schon seit längerer Zeit den Eindruck, als würden noch mehr Dinge auf den Schultern Linas lasten, als nur das Nicht-Vorankommen ihres Stückes. 'Ach, lass mich!', giftete die Frau ihn an und schüttelte seine Hand von ihrer Schulter. 'Entschuldige, ich wollte dir nur helfen!' Genervt wandte sich Lina von ihm ab. Wenn sie sich so weiter verhalten würde, dann hätte sie bald keine Freunde mehr. Lange lässt sich keiner so behandeln, wie sie es tut. Aber was sollte sie nur machen?

Ihr Freund, ihr LANGJÄHRIGER und große-Liebe-Freund, hatte sie schmählich im Stich gelassen, nachdem er erfahren hatte, dass er an Krebs leide. Um sein 'Leben noch so einmal richtig zu genießen' war er vor zwei Wochen nach Rio de Janeiro gegangen. Das war sein größter Traum, den er sich nun erfüllt hatte. Aber müsste sie sich dann nicht eigentlich für ihn freuen? Schließlich hatte er nicht mehr ca. 50 Jahre zu leben, wie sie. Schließlich würde er nicht mehr so viele Chancen wahrnehmen können wie sie. Aber seine große Liebe für einen einzigen Traum aufzugeben? 'Was hast du da bloß gemacht?' 'Was gemacht? Wir? Wir haben die Szene komplett gespielt und DU hast nichts gemacht, bzw. nicht zugeschaut!' Anklagend schauten die zwei Hauptpersonen die noch in Gedanken versunkende Lina an. 'Schluss für heute! Morgen um 8 Uhr geht es weiter!', schloss die Regisseurin und packte die Skripte in ihre Tasche und nahm sich ihre Jacke vom Haken neben der Bühne. Sie hätte eigentlich noch mit dem Techniker, der für die Höhe der Bühne zuständig war, sprechen müssen, verschob es aber auf morgen. Morgen war auch noch ein Tag. Für heute hatte sie genug Stress und würde es sich zuhause in der Badewanne gemütlich machen.Wie so üblich kam Lina auch heute im späten Berufsverkehr nicht gut voran, weshalb es dreimal so lang dauerte, bis sie mit ihrem Auto endlich vor dem Altbau parken konnte. Wie sie den Anblick des mächtigen Hauses nur liebte. Der olivgrüne Anstrich, die mit weißem Stuck verzierten Fensterrahmen und das rötliche Dach - ihr Zuhause. Seufzend nahm Lina den Blick vom Haus und stieg mit ihrer Tasche die kleinen Stufen zur Haustür hoch. 'Mist, wo ist er denn..?', kramte Lina in ihrer Tasche nach dem Schlüssel. 'Ah, DA ist er!' und ihre Fingerspitzen ertasteten das kalte Metall. 'Na, wie lange möchtest du hier noch stehen?', fragte auf einmal eine belustigte Stimme. Karl. IHR Karl. Ihr bester Freund, schwul und immer für sie da. 'Oh Karl, gut, dass du kommst! Meine Schlüssel verweigern heute ihren Dienst!' Lachend stieß der 29-jährige die schwere Haustür auf und hielt sie seiner besten Freundin auf. Im Treppenhaus angekommen, untersuchte Lina ihren Briefkasten auf Briefe und fand nur ein paar Rechnungen und Werbungen. 'Müll, Müll, Müll. Kann alles gleich in den Müll!', scherzte Lina und grinste Karl an.

'Wollen wir zusammen Pizza essen?', fragte Karl und zog eine Augenbraue in die Höhe, als Lina vor ihrer Haustür stand und jetzt bedauerlicherweise doch weiter nach ihren Schlüsseln kramen musste. Karl wohnte einen Stockwerk über ihr, im 3. Stock, womit er sie immer aufzog, da seine Freundin auch gerne unter dem Dach gewohnt hätte. 'In meiner DACHWOHNUNG?', schloss er und tippte seine beste Freundin an. 'Jaja, ok, in deiner DACHWOHNUNG!', stimmte Lina schmollend ein und die beiden Freunde stiegen noch die letzte Treppe zu Karls Wohnung hoch.

'Hast du einen neuen Auftrag ans Land gezogen?', fragte Lina und betrachtete die neuen Schwarzweißfotos, die Karl an Bindfäden, die sich in der ganzen Wohnung hin- und herspannen, befestigt hatte. 'Ja!', rief Karl aus der Küche, wo er gerade die Tiefkühlpizzen aus dem Ofen holte, 'ist ein ganz großer Fisch! Der Mann ist aber auch der Hammer!' ‚Mh, ja, der ist wirklich lecker', dachte sich Lina und bewunderte weiter die Aktfotos. Karl war Fotograf und dazu ein recht erfolgreicher. So hatte er schon manch Stars fotografiert und berühmte Schauspieler.

'Gefällt dir oder?' Zwei riesige Teller tragend, kam Karl ins kleine, aber doch gemütliche Wohnzimmer. 'Musst mal wieder einen Mann kennenlernen, Linchen!' 'Nein nein, brech dir bloß keinen ab bei denen Kuppelungsversuchen', antwortete Lina mürrisch und setzte sich an den kleinen, dunkelbraunen Buchentisch. Dieser stand an der Fensterseite des Raumes, eingeschlossen von einer Bücherwand und der Öffnung zur Küche. Lina liebte diesen Raum und war immer gerne bei ihrem besten Freund. 'Oh Mist, du hast mich erwischt!' Karl grinste sie an und hob das Weinglas. 'Auf die FREUNDSCHAFT?' 'Auf die Freundschaft!', prostete Lina ihm zu und genoss den Augenblick, als ihr die Weintropfen sanft durch die Kehle rannen.

'Mh', schmatze Karl, 'das gleiche habe ich auch gedacht! Ich meine, so kann das doch nicht sein oder?', fuhr er in empörtem Ton fort und genehmigte sich noch einen Schluck von dem Wein. Es war nun schon Mitternacht und immer noch saßen die beiden Freunde in der nun schon dämmerig gehaltenen Dachwohnung und redeten über dies und das, während sie sich noch nach den Pizzen Essen vom Chinesen und Salate haben kommen lassen. Im Moment ließ sich Karl über die Frechheiten mancher Bedienungen im Fotogeschäft ‚Dose' aus, die, obwohl Karl dort Stammkunde war und seine Filme und Fotozubehör seit Jahren dort kaufte, einfach sehr unhöflich waren und es nicht schätzten, kaufte man etwas bei denen. Lina fielen fast die Augen zu. Karl führte schon seit längerer Zeit einen Monolog, weshalb es sehr schwer war, wach zu bleiben. 'Oh tut mir Leid, Karl, aber ich kann nicht mehr. Morgen wieder?' '…und da meinte ich noch zu ihr - Oh, klar, ich bringe dich runter, sonst stürzt du noch!' Karl faste Lina unter den Armen und begleitete sie die Treppe hinunter zu ihrer Haustür. 'Gute Nacht, schlaf gut, meine Liebe!' und Karl küsste Lina kurz auf die Wange zum Abschied. 'Tschü..', murmelte Lina halb benommen und wankte in ihre Wohnung. Sie machte erst gar kein Licht an, sondern tappste im Dunkeln in ihr Schlafzimmer und ließ sich, angezogen wie sie war, einfach aufs Bett fallen, zog sich die Decke über und schlief sofort ein.







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