Ron Wood

[Aus "The Rolling Stones" erschienen zur ´98 Tour]


Ron Woods Bestimmung schien sehr früh geklärt zu sein. Bereits als 13, 14jähriger begab er sich nach London, um in die dortige Musikszene einzutauchen und um das zu tun, was er einzig und alleine wollte. Gitarrespielen. Nichts anderes kam in Frage. Er hing einem Kindheitstraum nach, der an den harten Realitäten hätte platzen können. Solche Schicksale gibt's schließlich haufenweise. Bei Ron Wood wird man den unterschwelligen Eindruck jedoch nicht los, dass bei ihm gar nichts platzen konnte, obwohl er nicht unbedingt der talentierteste Saitenzupfer unter der Sonne war und bis heute auch nicht geworden ist. Es gibt scheinbar Menschen wie Wood, denen das Schicksal wohl gesonnen ist, die dank eines angeborenen Gottvertrauens das schaffen, was sie wollen.

Ron Wood spielte zunächst bei den "Birds" und traf dann einen gewissen Rod Stewart. Wood und Stewart waren zwar vom Feeling des Swinging London Mitte der 60er Jahre fasziniert, aber beide blieben undogmatische Individualisten, die gar mancher Extravaganz frönten. Dazu zählten u.a. ihre unverwechselbaren Ananasfrisuren und auch die ausgedehnten Zechtouren durch gutbürgerliche Londoner Kneipen sowie eine aus der Art schlagende Begeisterung für Fußball letztere mehr bei Stewart, der eigentlich Profi werden wollte. Das seltsam beschwingte Paar lief wiederum Jeff Beck über den Weg, einem Vogel, der nicht minder durch Macken aller Art auffiel, der aber im Gegensatz zu Stewart und Wood durch seine Gitarrenarbeit bei den Yardbirds bereits einen klangvollen Namen hatte. Dieses hochbrisante Trio entschloss sich kurzerhand, die englische Musikszene aus den Angeln zu heben. Die Jeff Beck Group mit Stewart als Sänger, Beck an der Leadgitarre und Wood am Bass u.a. stellte ein wahrlich explosives Gemisch dar. Die Spannungen entluden sich in zwei phantastischen Alben - "Truth" (1968) und "Beck-Ola" (1969), die für alle Zeiten als Meilensteine in die Rock – Blues - Geschichte eingegangen sind. Kurz darauf entluden sich die Spannungen, wie bei Beck üblich, in Zoff. Wood und Stewart suchten das Weite und heuerten bei den "Small Faces" an, die sich ob der personellen Veränderungen fortan schlicht "The Faces" nannten. Mit Stewart und Wood ging bei den "Gesichtern" die Post richtig ab. Sie avancierten zu einer Topband, deren explosive Liveshows in die Popannalen eingingen. Die Faces erinnerten in vielerlei Hinsicht an die Stones und sie schickten sich an, zu einer Supergruppe zu werden. Doch schon bald kam Sand ins Getriebe. Stewart fand zunehmend Gefallen an einer Solokarriere und konzentrierte sich immer unverhohlener darauf.

Wood wusste nicht recht weiter, also begab er sich 1974 daran, ebenfalls eine Soloscheibe einzuspielen. Eine wahrlich illustre Gilde an Gastmusikern half ihm, das Soloprojekt einzuspielen, so u.a. auch Mick Jagger und Keith Richards, die zwei Songs für Wood schrieben und wesentlich zum Gelingen beitrugen. Der Titel der LP war nicht ohne Ironie gewählt worden: "I've Got My Own Album To Do" (Ich hab' mein eigenes Album in Auftrag gegeben). Aus dieser konkreten Zusammenarbeit mit Jagger, aber vor allem auch mit Richards entwickelte sich eine Art Freundschaft, die alsbald ihre besondere Bedeutung erlangen sollte. Wenige Monate nach den Sessions im Hause Wood überraschte Mick Taylor mit seiner Ankündigung, die Stones nach fünf Jahren wieder zu verlassen. Für Richards war sofort klar, wen er anzurufen hat, um den idealen Ersatz zu finden. Jagger sah das zunächst anders, wollte abwarten, andere Gitarristen testen. Richards wollte also sofort, Wood wusste nicht was er tun sollte, und Jagger zögerte. Wood hing emotional an den Faces, er liebte die Band, wollte sie erhalten, sah aber die Probleme. Auf der anderen Seite bot sich bei den großen Stones die Gelegenheit einzusteigen, und so was lehnt man nicht ab, wenn man nicht ganz behämmert ist. Wood war immer schon stonesbegeistert. Vor dem Hyde Park-Konzert traf er sie zufällig als normaler Fan, der auf dem Weg zum Konzert war und wünschte ihnen viel Glück. Wie er berichtet, dachte er sich damals schon: "Mein Gott, wenn ich bei denen spielen könnte, das wäre das Allergrößte!" Nun war die Chance da und sie wurde nicht am Schopf gepackt! Er begleitete sie auf der 75er USA-Tournee, die nicht zuletzt dank ihm ein voller Erfolg wurde, und danach ging er gleich wieder auf USA-Tournee, nur diesmal mit Rod Stewart und den Faces. Er hoffte, dass die Faces wieder zusammenkommen, merkte aber nach Abschluss der USA Reise, dass es keinen Zweck mehr hat. Er signalisierte Richards seinen Willen, ganz einzusteigen und dieser setzte bei Jagger endgültig durch, dass er 1976 offiziell als neues Mitglied der Rolling Stones präsentiert wurde.

Wood aufzunehmen war das Allerbeste, was die Stones machen konnten. Er revitalisierte die Band fast von Grund auf. Plötzlich war wieder Leben in der Bude. Mit Richards verstand er sich auf Anhieb blind. Beide haben eine fast identische Auffassung von Gitarrenarbeit, pflegen einen ähnlichen, rhythmusbetonten Stil. Doch damit nicht genug. Noch wichtiger war die menschliche Seite. Der introvertierte Taylor hatte mit dafür gesorgt, dass sie als Band immer weiter auseinander drifteten, sich nichts mehr zu sagen hatten, alle Initiative nur noch von Jagger und manchmal von Richards ausging. Echtes Rock'n Roll - Feeling zog wieder ein. Wood versuchte sich nicht an komplizierten Solis, sondern gab Gas. Weniger ist oft mehr. Auf "Black And Blue" hatte er noch nicht entscheidend mitgewirkt, aber zwei Jahre später, als "Some Girls" rauskam, erlebte man die Stones so frisch und auf den Punkt spielend wie seit Jahren nicht mehr.

Wood als Luftikus zu bezeichnen, der alles auf die leichte Schulter nimmt, ist zu kurz gegriffen. Es ist eher so, dass er sehr rasch sah, wo es bei den Stones im Argen liegt, entsprechend ging er ans Werk. Sein Witz half ihm dabei natürlich. Es ist erstaunlich, mit welchem Geschick er sowohl mit Jagger als auch mit Richards klarkommt. Jagger ließ Wood zwar jahrelang immer mal wieder spüren, dass er nichts zu sagen hat, aber Ron Wood hat sich seinen Respekt bei ihm erarbeitet, und das läuft nicht mit netten Jokes. Als Mitte der 80er Jahre die Band fast auseinandergebrochen wäre, legte er ein solches diplomatisches Geschick an den Tag, dass er am Ende Jagger die Aufgabe seiner Solopläne regelrecht schmackhaft machen konnte.

Vom Typ her passt er sicherlich eher zu Richards. Richards ist regelrecht in seinen Woody vernarrt, er braucht ihn auf der Bühne und auch kommt er ohne ihn nicht aus. Wood kann vermutlich genauso viel Alkohol in sich hineinschütten wie Old Keith, er raucht mindestens so viel wie er und er kann vor allem die Nacht zum Tag machen, fast nach Belieben. Das sind gewichtige Pluspunkte, die nicht jeder zu bieten hat. Im Gegensatz zu Richards scheinen ihm Exzesse dieser Art nicht im geringsten äußerlich zuzusetzen. Seit über 20 Jahren sieht Wood nahezu unverändert aus, was einem Wunder gleichkommt. Gegenüber Watts, der für ihn undurchschaubar geblieben ist, besteht so was wie ein Vater/Sohn-Verhältnis. Wood hat bei Watts Freio, darf sogar mal einen Witz auf seine Kosten machen.

Für Ron Wood sind Konzerte keine Arbeit, sondern eine Art Lebenselixier. Er braucht den Tourneestress genauso wie Richards. Befinden sich die Stones weder im Studio noch auf Tournee, sieht sich Wood genötigt, sich alleine zu beschäftigen. Mit Musik, versteht sich. Im Laufe der Jahre hat er eine ganze Latte an Soloplatten veröffentlicht, wobei sein Erstlingswerk "I've Got My Own Album To Do" Maßstäbe setzte, die er zum überwiegenden Teil anschließend nicht mehr erreichte. Seine Stimme ist gewiss erträglicher als das Gekrächze von Richards, aber ihm ist es auch zu eigen, brauchbare Ansätze im Verlauf eines Songs hoffnungslos versickern zu lassen

Gerade jetzt, zeitgleich mit der "Bridges To Babylon"-Tournee, wartet er erneut mit einem Solowerk auf, das sich wohltuend von den Vorgängerscheiben unterscheidet. Irgendwer muss ihm gesteckt haben, dass Rhythmuswechsel und Breaks einem Song verdammt gut tun können. "Slide On This" heißt seine aktuelle CD und sie befleißigt sich, druckvoll und abwechslungsreich rüberzukommen. Wood hat für die Aufnahmen zu "Slide On This" offenbar viel telefoniert, denn unzählige Gastmusiker haben mitgewirkt, fast wie bei seinem Debüt. Unter anderem mischte "The Edge" von U2 mit, aber auch lan McLagan, sein Kumpel aus Faces - Tagen, Bad Company - Drumer Simon Kirke und auch Charlie Watts und Bernard Fowler standen zur Seite.

Ronnie Wood hat seit geraumer Zeit seine zeichnerischen Aktivitäten weiter entwickelt. "Slide On This" liegt ein sehr schön gemachtes, 52seitiges Booklet bei, das seine Malereien reproduziert. Der Mann hat Talent, soviel ist sicher.


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