Keiner ist perfekt... Nur das Leben ist es manchmal!

Autor: josie
veröffentlicht am: 23.09.2011


Diese Geschichte habe ich vor Jahren geschriebn und neulich wieder gefunden. Ich dachte ich schicke sie mal ein und frag nach eurer Meinung :) Also, was haltet ihr davon? Würde mich freuen, eure Meinung zu lesen :)



Es war still im Zimmer. Zu still für meinen Geschmack. Außer dem leisen Summen der Apparate war nichts zu hören.
Ich stand auf, ging zum Fenster und öffnete es. Angenehm kühle Nachtluft umfing mein Gesicht. Sie stellte einen guten Ausgleich zu den zurzeit sehr heißen Sommertagen dar.
Ich atmete noch einmal tief ein und kehrte dann zum Bett zurück. Ich zog meinen Stuhl näher heran und blickte in das Gesicht, das mir inzwischen so vertraut und doch noch immer fremd war. Die hohe Stirn, die von den braunen Locken fast vollständig verdeckt wurde, große, leicht schief sitzende Augen, deren Farbe ich nun, da sie geschlossen waren nicht sehen konnte, was ich ein wenig bedauerte, da es diese Augen waren, die mich von Anfang an fasziniert hatten. Die sonst stets roten Wangen waren nun blass und der perfekt geschwungene Mund war ausdruckslos, und wurde von keinem Lächeln geschmückt.
„Frau Sommer?“ Die Stimme der Nachtschwester schreckte mich aus meinen Gedanken. „Ist alles in Ordnung? Ich bin kurz für 10 Minuten auf der Nachbarstation. Aber Schwester Alina ist immer noch da, falls etwas sein sollte.“
Ich nickte und versuchte ein Lächeln, was aber nicht so recht gelingen wollte. Die Schwester sah mich besorgt an. „Ist wirklich alles in Ordnung mit ihnen? Sie sehen müde aus. Gehen sie doch nach Hause und ruhen sich dort etwas aus. Ihrem Mann geht es hier gut. Und wenn etwas sein sollte rufen wir sie natürlich sofort an.“
Ich zögerte einen Moment. Das Angebot, in meinem Bett schlafen zu können war verlockend, doch konnte ich ihn jetzt unmöglich alleine lassen. Außerdem fiel mir wahrscheinlich allein in diesem großen Haus seine Abwesenheit nur umso deutlicher auf und dann war an Schlaf nicht zu denken.
„Nein, Schwester Anja. Ich könnte ohnehin nicht schlafen, also kann ich auch hier bei ihm bleiben. Aber danke!“
Mit einem tiefen Seufzer verließ sie das Zimmer und ich war wieder allein. Ich nahm seine kühle Hand in meine.
„Lass mich nicht allein, hörst du? Du musst kämpfen! Für dich. Für mich. Für uns!“
Ich sah wieder in sein Gesicht. Wie schön er war. Das dachte ich immer, wenn ich ihn ansah, doch sah ich ihn nun mit anderen Augen. Jetzt, da ich ihm vielleicht nie wieder in die Augen blicken konnte. Jetzt, da sein wundervolles Lächeln vielleicht für immer ausgelöscht war. Jetzt, nach diesem Unfall ...
Doch ich mochte nicht daran denken. Das hatte ich in der letzten Woche schon zur genüge getan. Stattdessen erinnerte ich mich an den Tag zurück, an dem wir uns das erste Mal begegnet waren.
Auf den Tag genau vor 10 Jahren ...


Ich war spät dran. Wieder einmal. Das war für mich eigentlich nichts Ungewöhnliches. Aber, dass ich mich ausgerechnet heute verspätet, war, wie Katrin es ausgedrückt hatte „vollkommen unangepasst und absolut unakzeptabel!“
Dabei konnte ich nicht einmal was dafür. Ehrlich. Es ist, als ob sich die ganze Welt gegen mich verschwört, sobald ich das Haus verlassen will. So auch heute. Ich hatte die Türklinke schon in der Hand und wäre wohl nur mit einer 5-minütigen Verspätung zu der Verabredung mit meiner besten Freundin gekommen, wenn nicht in diesem Augenblick das Telefon geklingelt hätte. Ich war versucht es einfach zu ignorieren, aber schließlich siegte meine Neugierde. Also ging ich genervt noch einmal zurück, um den Hörer abzuheben. Dementsprechend unfreundlich hörte sich mein „Ja, bitte?“ an, dass ich in den Hörer sagte. „Du könntest ruhig etwas freundlicher sein, Leonora.“
Ich musste ein Stöhnen unterdrücken. Meine Mutter. Natürlich. Wer sonst würde mich mit meinem vollen Namen ansprechen?
„Tut mir Leid, Mama, aber ich hab gerade wenig Zeit. Können wir später telefonieren?“
„Bist du etwas schon wieder spät dran? Kind, du kannst doch nicht immer in deinem Leben zu spät kommen!“, wies sie mich tadelnd zu recht. Ich verdrehte die Augen. „Ja ich weiß und deshalb muss ich jetzt ja auch los. Also ich ruf dich heute oder morgen an ok?“ Ohne auf eine Antwort zu warten verabschiedete ich mich, legte auf, rannte zur Tür und die Treppen hinunter.
Es war ein angenehm warmer Abend. Ich freute mich auf das Treffen. Katrin wollte mir ihren neuen Freund vorstellen. Nicht, dass das etwas Besonderes wäre, sie stellte mir so gut wie jede Woche ihren neuen vor, doch diesmal, so beteuerte sie, war es etwas Ernstes. Deshalb war ich gespannt auf diesen Typen. Bis jetzt waren alles Idioten gewesen, denen ich schon auf den ersten Blick angesehen habe, dass das nicht werden wird.
Ich eilte die Straßen entlang und als ich einen Blick auf die Uhr warf fing ich an zu rennen. Eine halbe Stunde zu spät. Katrin würde durchdrehen. Ich bog mit einem ziemlichen Tempo um eine Ecke. Ich sah noch im Augenwinkel, dass jemand wohl das gleiche im Sinn hatte, dann lag ich auf dem Boden. Ich rieb meinen schmerzenden Hintern, als jemand mir eine Hand entgegen streckte, die ich auch ergriff. Dieser jemand zog mich schwungvoll hoch und ich sah plötzlich in zwei blaue Augen, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Die Farbe war so intensiv, dass ich einen Moment brauchte, um mich von ihnen zu lösen. Die Augen gehörten zu einem jungen, hochgewachsenen Mann, der mich von oben bis unten musterte und dann einen leisen Pfiff ausstieß. Ich war verärgert über so viel Dreistigkeit und meinte: „Wenn sie dann fertig mit Klotzen sind, wären sie so freundlich und würden sich entschuldigen?“ Ich reagierte vielleicht etwas über, aber wenn ich es eilig hatte und aufgehalten wurde, konnte ich für nichts garantieren. Der Kerl zog eine Augenbraue hoch und sah mich belustigt an. „Ich soll mich entschuldigen? Sie sind doch in einem Affenzahn um die Ecke gebogen.“ Ich stemmte meine Hände in die Hüften. Jetzt war ich richtig in Fahrt. Was fällt diesem Typen ein mich dafür verantwortlich zu machen? Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf, das zugegebener Maßen nicht viel brachte, bei meinen 1,59 m, beförderte meine feuerrote Mähne mit einer Kopfbewegung nach hinten und sagte: „Jetzt hören sie mir mal zu. Was kann ich bitte dafür, wenn die ihre Augen nicht aufmachen und mich umrennen? Ich würde wirklich liebend gern noch länger mit ihnen plaudern aber ich hab es eilig. Also entweder sie entschuldigen sich jetzt oder sie gehen beiseite, dass ich vorbei kann.“ Der Kerl starrte mich einen Moment an, bevor er grinste und einen Schritt zur Seite machte. Ich schritt wütend weiter. Als ich an ihm vorbei ging deutete er eine Verbeugung an und lachte laut auf. Der hatte Nerven. Mich auszulachen. Pah! Wenn ich nicht sowieso schon viel zu spät dran gewesen wäre, hätte der mich aber mal richtig kennengelernt. Aber Hallo. Aber so sah ich ihn nur noch einmal wütend an und ging dann weiter.
Wenige Augenblicke später stand ich vor der Bar, in der ich mit Katrin treffen würde. Ich atmete noch einmal tief durch und betrat dann die Bar. Es war ein großer Raum, rechts befand sich ein langer Tresen, links waren einige Sitzecken mit gemütlich aussehenden Sesseln. Auf einem davon saß Katrin. Als sie mich bemerkte stand sie auf und sah mich böse an. „Na endlich! Mensch Leo! Ich hab dir doch gesagt, dass du heute nicht zu spät kommen sollst.“ Ich ließ mich auf den Sessel neben ihr plumpsen und entschuldigte mich vielmals bei ihr. Sie sah zwar noch leicht sauer aus, aber ich wusste, dass sie mir schon verziehen hatte. Das war immer so. Sie konnte nie lang sauer sein. „Und? Wo ist er denn jetzt?“ Ich blickte mich suchend um, doch ihr Verehrer war nirgends zu sehen. „Er verspätet sich.“ Ich sah sie überrascht an. „Ich glaube der Typ ist mir sympathisch.“ Ich grinste sie an und auch sie musste lächeln. Augenblicklich strahlte ihr ganzes Gesicht. Sie hatte wirklich ein umwerfendes Lächeln. Auch so war sie total hübsch. Sie hatte lange blonde Haare, eine super Figur und weich, sanfte Gesichtszüge. Und wenn sie dann auch noch ihr strahlendes Lächeln aufsetzte, war es um die Männer geschehen.
Plötzlich quiekte sie vergnügt auf und meinte: „Er kommt.“ Sie stand auf und ging Richtung Eingang. Ich drehte mich um und erstarrte. Dieser Typ, der Katrin gerade freudestrahlend umarmte und ihr einen sanften Kuss auf den Mund hauchte war kein geringerer als der Idiot, mit dem ich eben zusammengestoßen bin.







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