Er hat keine Ahnung

Autor: shane
veröffentlicht am: 05.06.2008




Er hat keine Ahnung wie sehr seine Worte mich verrückt machen!
Verrückt? Oh, das ist wohl untertrieben! Es fühlt sich an, als ob man mir bei lebendigem Leib meine Eingeweide herausreißen würde. Als ob man mir Schlangengift verabreichen würde. Als ob man mich mit einem Maschinengewehr beschießen würde. Als ob man mich gefesselt und mit einem schweren Stein behangen ins tiefe Meer werfen würde - und ich trotzdem nicht sterben könnte. Als ob ich nur leben würde um all diese Schmerzen, diese großen stechenden Schmerzen, zu fühlen.
Er hat keine Ahnung wie sehr ich seinen Worten lausche!
Ich lausche ihnen und bekomme nie genug. Ich frage, frage weiter. Bohre, bohre weiter. Nur um noch mehr derartigen Wörtern lauschen zu können. Du denkst wahrscheinlich, diese Worte, die du von dir gibst, bedeuten mir genauso viel wie dir. Nämlich nichts. Doch ich nehme alle in mir auf und lasse kein einziges wieder los. Aber bevor ich sie aufnehme, lausche ich, angespannt, um jeden möglichen Unterton herausfiltern zu können. Und dann spiele ich das Gespeicherte immer wieder ab - und lausche von Neuem.
Er hat keine Ahnung wie sehr mich seine Worte am Leben halten!
Es ist wie eine Sucht. Ja, ich gestehe, ich bin süchtig. Süchtig nach deinen Worten. Und wenn sich deine Worte je ändern würden, ich will gar nicht daran denken, aber, wie sollte ich dann weiterleben? Ich würde noch immer deine alten Wörter gespeichert haben und jedes Mal von Neuem hoffen, derartige aus deinem Mund zu hören. Doch jedes Mal würde die Enttäuschung größer sein. Da wäre es fast noch besser du würdest schweigen. Denn mit dem Schweigen verblassen die Erinnerungen. Und nach und nach würdest du nur noch ein Schatten, ein Nebel sein. Doch selbst dies ist gefährlich, denn manchmal können die Erinnerungen wieder herausbrechen, wie ein Jaguar aus dem Gebüsch. Der Grund? Ein Foto, eine Geste, eine ähnliche Wortwahl, irgendetwas. Und dann, wenn die Erinnerungen wieder im Kopf herumschwirren, dann kannst du nur mehr beten und hoffen. Denn alte Wunden bluten am meisten!
Er hat keine Ahnung, wie viel mir seine Worte bedeuten!
Jedes einzelne lege ich auf eine goldene Waage. Und jedes Mal ist die Waagschale, auf der das Wort liegt, schwerer als die andere Schale. Ja, deine Worte haben Gewicht, mehr als mir lieb ist und sie lassen mich nicht frei fliegen. Sie hängen sich an meine Beine und ziehen mich nach unten. Sie kontrollieren meine Freiheit, meine Gefühle, mein Befinden. Sind sie schmeichelnd lassen sie mich rasant nach oben steigen. Doch sind sie unverblümt realistisch und ohne jeglicher positiver Gefühlsregung, bewirken sie einen Sturzflug und mein Leben geht den Bach runter. Nichts will mehr funktionieren. Weder in der Schule noch Daheim. Weder mit Freunden noch mit irgendwelchen anderen Bekannten/Verwandten. Ja, deine Worte kontrollieren mein Leben und auch meine Erinnerungen.
Denn egal wie viele Jahre noch ins Land ziehen werden, die Zeit mit dir werde ich nie vergessen.
Egal, wie viele Gesichter ich noch sehen werde, deines werde ich nie vergessen.
Egal, wie viele Menschen ich noch lieben werde, ich werde nie wieder so lieben.
Wenn du dir das Leben nehmen würdest, ich wüsste nicht, was ich auf diesem Planeten noch zu suchen hätte. Denn in Wahrheit hält mich nur die Hoffnung am Leben. Die Hoffnung irgendwann wieder deine Worte, deine Stimme, dein Aussehen zu vernehmen.
Er hat keine Ahnung wie sehr seine Worte verletzen und zerstören, wiederbeleben und am Leben erhalten, krank und gesund, fröhlich und traurig machen können.
Er hat keine Ahnung von der Bedeutung seiner Worte.
Er hat von nichts eine Ahnung.
Er weiß nichts, wird nichts wissen und hat nie etwas gewusst.
Er wird unwissend sterben - als ein weiteres Nichts.









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