Crystal - Teil 8

Autor: Yana328
veröffentlicht am: 06.07.2013


Hey ihr Lieben:)
Tut mir leid, dass es dieses Mal etwas länger gedauert hat. Ich hatte leider die letzten Tage überhaupt keine Zeit :/
Aber nun der nächste Teil. Ich freue mich auf Kommentare und Kritik und ich hoffe, ich habe die gröbsten Fehler beim Lesen gefunden und korrigiert!:)

6. Kapitel
Die erste Leute trudelten gegen achtzehn Uhr ein. Meine Eltern, Paul und Sarah waren in die Stadt, in ein schickes Restaurant gefahren, wo sie auch den restlichen Abend verbringen würden – bis tief in die Nacht hinein. Miriam selbst würde erst eine Stunde später aufkreuzen, denn sie musste noch ihre Koffer auspacken und duschen.
Es sollte eine richtig fette Party werden. Ich hatte die gesamte Oberstufe unserer Schule eingeladen – selbst diejenigen, mit denen ich nichts zu tun hatte.
„Hast du die ganze Stadt hierher bestellt?“ Jason tauchte neben mir auf und musterte amüsiert wie sich eine Gruppe von zehn Jungs im Garten verteilte und nach Getränken Ausschau hielt.
„Nicht ganz“, entgegnete ich und zupfte das Kleid zurecht, das ich trug. Es war schulterfrei und endete über meinen Knien. Vom Dekolleté bis zur Hüfte war es weinrot und mit Spitze verziert, und fiel dann in einem weißen, weichen Stoff locker hinab. Jason selbst trug schwarze, enge Jeans und ein weißes Hemd.
„Ich habe lediglich meinen Jahrgang, den Jahrgang darüber und den darüber eingeladen“, erklärte ich.
„Lediglich“, wiederholte er und hob eine Augenbrauen. „Das sind doch locker an die dreihundert Leute.“
„Genau.“ Ich grinste und sah aus dem Augenwinkel, wie ein Junge auf uns zu lief.
„Hey“, sagte er. „Tut mir leid, dass ich euch unterbrechen muss – ist quasi ein Notfall“, er entblößte eine Reihe weißer Zähne. „Du bist sicherlich Catherine?“, fragte er.
„Ja, was gibt’s?“, unauffällig musterte ich den Kerl. Er hatte braune Korkenzieherlocken, die wild um seinen Kopf hingen und seine Ohren bedeckten. Zudem trug er einen leichten drei-Tage-Bart, eine schwarze Lederjacke und schwarze Jeans. Auf mich wirkte er recht sympathisch, doch an unserer Schule hatte ich ihn zuvor noch nie gesehen – und ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihn nicht eingeladen hatte.
„Ähm... erst einmal: Ich bin William“, stellte er sich vor. „Meine Kumpels da“, er deutete in Richtung drei weiterer Kerle, die ebenfalls allesamt Lederjacken trugen, „die haben mich mitgenommen. Ich hoffe das geht in Ordnung?“
„Klar“, erwiderte ich.
„Super“, er grinste erleichtert und ließ seinen Blick zu Jason schweifen, der mit verschränkten Armen neben mir stand. Er schaute nur eine kurze, fast unmerkliche Sekunde zu ihm, und wollte sich gerade wieder von ihm abwenden, als seine Augen zurück in seine Richtung schnellten und ihn zusammengekniffen abschätzig von oben bis unten musterten. Anschließend rümpfte er die Nase, als hätte er einen unangenehmen Geruch wahrgenommen. „Und wer bist du?“ William klang nicht gerade freundlich oder gar erfreut.
„Jason“, bellte dieser kurz angebunden. Gleichzeitig richtete er sich weiter auf und machte sich neben mir groß, als wollte er mich vor William beschützen.
„Soso.“ Der Typ in Lederjacke lachte kurz und leise auf, als hielte er den Jungen neben mir für eine Witzfigur. Als mein Blick zu Jason wanderte, sah ich, dass sich auf seiner Stirn an der rechten Schläfe eine Vene abzeichnete, die deutlich hervortrat. Auch seine gesamte Körperhaltung wirkte angespannt. Da ich quasi zwischen den Jungs stand, war die beunruhigte Spannung zwischen den Beiden kaum zu übersehen. Ihre Blicke hatten sich ineinander verhakt und es schien, als würden sie sich im Stillen duellieren.
„Da bist du ja!“ Melindas hellblonder Schopf tauchte neben Jason auf. Sie hakte sich bei ihm unter. „Ich hab ewig nach dir gesucht. Ich hatte schon Angst, du hättest dich verzogen um dich vor der Party zu drücken.“ Sie musterte William freundlich, schenkte ihm allerdings keine weitere Beachtung. „Komm, Schatz, wir holen uns was zu essen.“ Sie zerrte ihren Freund ungeduldig mit sich.
Ich war froh, dass Melinda Jason mit sich genommen hatte, denn es schien, als wären er und der fremde Typ beide nicht sonderlich erfreut über die Bekanntschaft des anderen.
„Die Getränke sind wo?“, fragte William schließlich.
Ich hielt einen Moment inne und entgegnete: „Warte, ich zeig es dir.“ Ich dackelte in das Gartenhaus, in dem die Getränke verstaut waren.
„Scheint, als würden du und Jason euch gegenseitig nicht sonderlich leiden?“ Ich versuchte die Frage möglichst beiläufig klingen zu lassen.
„Ich kenn ihn nicht“, wisch William aus und warf einen Blick in den Kühlschrank.
„Und trotzdem hat sich deine Freude über eine neue Bekanntschaft sichtlich in Grenzen gehalten“, löcherte ich weiter. So schnell wollte ich mich nicht abwimmeln lassen.
„Mhm“, brummte er nur und zog ein Bier heraus und musterte es kritisch.
„Ihr habt euch mit Blicken förmlich durchlöchert“, fuhr ich fort.
„Gut möglich.“
Ungeduldig tappte ich von einem Fuß auf den anderen. „Kennt ihr euch von irgendwoher?“
„Verdammt nochmal!“ Erschrocken zuckte ich zusammen, als William die Bierflasche zu Boden fallen ließ und mit zornig blitzenden Augen zu mir herumfuhr. „Schonmal von dem Sprichwort 'einen anderen nicht riechen können' gehört?“, zischte er. „Genau das trifft wohl zu, okay?“ Wütend stampfte er an mir vorbei nach draußen.
Verwirrt starrte ich auf den Scherbenhaufen vor mir. Der Geruch des verschütteten Biers stieg mir in die Nase und ich schüttelte fassungslos den Kopf. Was war das denn für ein cholerischer Kerl?
Ich machte mir nicht die Mühe, die Sauerei aufzuwischen – das war sicherlich nicht das letzte Getränke, das heute Abend noch zu Bruch gehen würde – und schnappte mir stattdessen selbst ein Bier, öffnete es mit einem herumliegenden Feuerzeug und stürzte die ersten Schlücke gierig hinunter.

Die nächste halbe Stunde verbrachte ich bei verschiedenen Leuten aus meinem Jahrgang, die nach und nach in kleinen Grüppchen eintrudelten. Das Ereignis im Gartenhäuschen tränkte sich mehr und mehr in den Hintergrund und meine Laune erheiterte sich mit jedem Schluck, den ich trank, und mit jeder Minute, die verstrich und mit der Miriam immer näher kam.
„Ich bin so unendlich froh, dass die Schule erst einmal für drei Monate vorbei ist! In Mathe habe ich gar nichts mehr verstanden und meine Konzentration war durch die Hitze sowieso schon seit Wochen verpufft“, redete Susan, ein Mädchen aus meinem Jahrgang gerade auf mich ein. Neben Mathematik hatte ich auch den Englischkurs mit ihr zusammen belegt. Wir verstanden uns eigentlich ziemlich gut – sie war eher das Gegenteil von mir. Sie war der sportlich lässig angezogene Typ, mit braunen, kurzen Locken, kleinen, braunen Augen, die von kurzen, ungeschminkten Wimpern umgeben waren. Sie trug oft eine Kappe auf dem Kopf und rauchte eine Schachtel Zigaretten täglich – mindestens.
Ich hörte ihr noch einige Zeit zu, nickte immer mal wieder zwischendurch und nippte an meinem Bier. Währenddessen schweifte mein Blick immer wieder durch den Garten, in der Hoffnung, Miriam bald irgendwo entdecken zu können.
„Entschuldige mich kurz“, unterbrach ich Susan schließlich und kämpfte mich durch die Menschenmassen. Da Jason mir nachmittags geholfen hatte die Musikanlage aus meinem Zimmer zu tragen und im Garten anzuschließen, redeten alle wild und laut durcheinander bei dem Versuch, die scheppernde Musik zu übertönen.
Als ich endlich wieder in Ruhe Luft schnappen konnte und freien Blick auf das Haus hatte, entdeckte ich Miriam, die gerade eintrudelt. In mir stieg eine unbändige Freude und ein warmes, glückseliges Gefühl auf. Meine beste Freundin hatte mich auch schon entdeckt und anders als ich ließ sie ihren Emotionen freien Lauf, jauchzte fröhlich, quietschte auf, warf die Arme in die Luft und fiel mir um den Hals, als hätten wir uns Monate nicht mehr gesehen.
„Ich hab dich so vermisst!“, schrie sie mir ins Ohr und schob mich ein Stück von sich, um mich ausgiebig zu mustern. „Ist das Kleid neu?“ Sie strahlte. „Es sieht wunderschön aus. Steht dir wirklich ausgezeichnet! Wie geht es dir? Hast du die letzte Woche gut ohne mich überstanden? Oh, ich muss dir noch so wahnsinnig viel erzählen!“ Sie hüpfte aufgeregt auf und ab. „Weißt du noch, dass ich dir von Jake erzählt habe? Den Jungen den ich dort kennengelernt habe. Er ist einfach der knaller, Catherine!“, sie legte die Hände an ihre Wangen und starrte verträumt Löcher in die Luft. „Wir waren die restlichen Tage nur zusammen, waren tanzen, schwimmen, die Sonne genießen.. Meine Mutter war natürlich nicht sonderlich begeistert. Ich habe ihr gesagt, sie solle sich doch auch mal nach einem neuen Mann umschauen, ein bisschen Spaß habe und so, weißt du? Hatte sie dann aber nicht so viel Bock drauf. Aber zurück zu Jake, weißt du, ich glaube er könnte der richtige sein!“ Ich runzelte die Stirn und wollte etwas erwidern, doch sie überging mich und erzählte einfach weiter. „Es war alles so perfekt, Catherine, das kannst du gar nicht glauben! Ahhhh...“, sie seufzte und verdrehte die Augen. „Und küssen kann er, das kann ich dir sagen. Ich vermisse ihn jetzt schon so schrecklich. Aber natürlich freue ich mich auch, dich endlich wieder zu sehen. Du hast mir so unglaublich gefehlt!“
Ich lächelte und umarmte sie. „Du mir auch.“
„Und weißt du was?“, ihre Augen leuchteten. „Du kennst mich ja. Du weißt, dass ich normalerweise alles langsamer angehen lasse, mich nicht jedem Typen sofort an den Hals schmeiße... Aber er hat mich einfach um den Verstand gebracht, ich konnte gar nicht anders.“
„Was hast du gemacht?“, fragte ich misstrauisch, überzeugt davon, dass sie irgendeinen Mist verzapft hatte.
Sie lehnte sich zu mir vor und senkte die Stimme. „Ich habe mit ihm geschlafen.“
Ich fuhr zurück und starrte sie geschockt an. „Du hast was?“
Bei jedem anderen Menschen hätte ich einfach nur mit den Schultern gezuckt und es wäre mir egal gewesen. Doch Miriam selbst hatte noch keine längeren, intimen Beziehungen zuvor gehabt. Es war ihr erstes Mal gewesen, und dass sie ihre Jungfräulichkeit irgendeinem dahergelaufenem Typen geschenkt hatte, konnte ich nicht verstehen.
„Ich habe...“ Sie wollte sich wiederholen, doch sie wurde von jemandem unterbrochen, der sich uns von der Seite aus näherte.
„Hey, Mädels.“ Während ich Miriam weiterhin begaffte, als hätte sie den Verstand verloren, wandte sie ihren Blick von mir auf den Störenfried, der unsere Unterhaltung unterbrochen hatte. Sie riss bereits den Mund auf, um loszulegen und ihn in Grund und Boden zu schimpfen, ihm klar zu machen, dass das hier ein Gespräch unter Frauen war, und das von größter Wichtigkeit und dass er gefälligst Leine ziehen sollte. Doch aus ihrem Mund kam kein Ton, sie starrte einfach weiter.
Ich schüttelte den Kopf und widmete meine Aufmerksamkeit der dritten Person zu und erkannte in dem schwachen Licht, dass es William war.
„Was willst du denn?“ Meine Frage klang böser als ich beabsichtigt hatte.
Er zuckte verlegen mit den Schultern. „Ich wollte mich eigentlich nur kurz entschuldigen, dass ich vorhin eine Bierflasche zertrümmert habe und so grob zu dir war. Du hast mich auf dem falschen Fuß erwischt.“
Ich winkte ab, da ich keine Lust hatte mir darüber noch Gedanken zu machen. „Schon vergessen“, entgegnete ich. „Darf ich vorstellen: Miriam, das ist William. William, das ist Miriam.“
Ich schaute zu ihr rüber und erkannte, dass sie sich immer noch nicht regte und ihn nur mit aufgeklappter Kinnlade anstarren konnte. Beiläufig trat ich ihr auf den Fuß.
„Autsch“, stieß sie fluchend aus und funkelte mich böse an.
„Willst du nicht hallo sagen?“, zischte ich und nickte zu dem Kerl in Lederjacke rüber.
„Äh...“ Einen Moment schien sie noch verstört zu sein, doch dann schien sie sich halbwegs zu fassen. „Hey“, brachte sie hervor. Selbst in dem schlechten Licht konnte ich sehen, wie sie rot anlief. Was war denn mit ihr los?!
„Hey.“ William grinste über beide Ohren. Scheinbar war ihm Miriams Reaktion nicht entgangen und schien sich prächtig darüber zu amüsieren. „Möchtest du was trinken?“, fragte er. Sie konnte nur schweigend nicken. „Warte hier“, sagte er und schwirrte ab.
„Erde an Miriam!“ Ich wedelte ihr mit der Hand vor dem Gesicht herum, bis ich ihre Aufmerksamkeit erlangte.
„Wer war das denn?“
„William“, wiederholte ich genervt.
„Der ist ja verdammt süß!“
„Das ist nicht dein ernst, oder?“ Fassungslos glotzte ich sie an. „Du hast mir vor zwei Minuten erzählt, dass der Typ aus Florida der eine sein könnte und dass du sogar mit ihm GESCHLAFEN hast“, bei diesen Worten musste ich wiederholt verständnislos den Kopf schütteln. „Und jetzt hechelst du diesem wildfremden Typen hinterher, mit dem du noch keine zwei Worte gewechselt hast!“
„Ja, aber... aber...“, stammelte sie. Zum ersten Mal sah ich sie wirklich sprachlos.
„Manchmal bist du mir wirklich ein Rätsel für dich, Miriam. Aber wir reden über alles morgen. Ganz in Ruhe. In Ordnung? Und von William lässt du am besten die Finger.“
Sie lächelte mich zuckersüß an und nickte.
Eine knappe halbe Stunde später sah ich sie auf dem Schoß dieser besagten Person sitzen und mit dieser wild rum knutschen.
Na prima. Ein wenig verärgerte leerte ich den letzten Schluck meines Bieres. Langsam merkte ich, dass der Alkohol mir zu Kopf stieg.
„Möchtest du deine beste Freundin mit deinen Blicken erdolchen?“, ertönte eine bekannte Stimme dicht an meinem Ohr.
„Ja“, sagte ich sarkastisch. „Ihr Verhalten ist unter aller Sau.“
„Wäre die Person, mit der sie sich vergnügt, nicht William, dann würde ich sagen, dass du ihr ihren Spaß lassen solltest.“
Ich wandte mich zu Jason um, sodass ich dem Spektakel nicht mehr zuschauen musste. „Was hast du gegen ihn?“
Er zuckte mit den Schultern. „Er gefällt mir nicht.“
Ich hob eine Augenbraue und lachte. „Du kennst ihn nicht einmal, oder?“ An seiner Reaktion sah ich, dass ich ins schwarze getroffen hatte. „Wie kann man jemandem, von dem man nichts weiß, mit dem man bisher kaum Worte gewechselt hat, so ablehnend gegenüber stehen? Meinst du nicht, dass er vielleicht ganz in Ordnung ist?“
„Vielleicht“, sagte er schlicht und trank einen Schluck aus der Flasche, die er in der Hand hielt.
„Ich kann schon verstehen, dass es Menschen gibt, die man mehr und die man weniger leiden kann“, fuhr ich fort, gewillt dieses eigenartige Rätsel von Jason und William zu lösen. „Aber ihr habt ausgesehen, als wärt ihr euch am liebsten an die Kehle gegangen, als wäre William in dein Territorium eingedrungen und du müsstest es verteidigen. Wie bei Löwen, weißt du?“
Doch Jason belächelte meine Vermutungen nur. „Du übertreibst.“
„Mhmpf“, brummte ich und knabberte am Rand meiner leeren Bierflasche.
„Bevor du anfängst zu schmollen“, sagte er, „gehen wir dir am besten noch etwas zu trinken beschaffen. Das ist deine Party, wäre schade, wenn du diese nicht genießen würdest.“
Gesagt getan. Wir plünderten den Kühlschrank und bummelten etwas abseits der Partymasse nebeneinander am Waldrand entlang.
„Du bist nicht so der Partymensch, oder?“, fragte ich, als die Musik weit genug entfernt war, sodass ich nicht mehr schreien musste.
„Das hast du bemerkt?“, fragte er.
Ich lachte. „Das ist kaum zu übersehen. Meistens stehst du bei Melinda, tanzt nicht, trinkst nicht ein Bier nach dem anderen und siehst dazu hin und wieder ziemlich gequält aus.“
„Und ich dachte, ich hätte meine Mimik gut unter Kontrolle“, er lächelte und als ich zu ihm rüber schaute konnte ich erkennen, dass er mit den Gedanken abschweifte.
Ich wurde ernst und irgendwie ein wenig traurig. „Nein“, sagte ich. „Hast du nicht.“
Er horchte auf als er den Nachdruck in meiner Stimme erkannte. „Nicht?“, fragte er.
„Du schweifst mit den Gedanken ab und das sieht sogar ein Blinder“, erwiderte ich.
Entschuldigend zuckte er mit den Schultern, doch dann blitzten seine Augen spitzbübisch auf.
Misstrauisch beäugte ich ihn, überzeugt davon, dass er noch irgendetwas antworten würde oder dass er irgendeine Gemeinheit ausheckte, doch er lief einfach nur seelenruhig weiter.
Eine Weile gingen wir einfach nur schweigend nebeneinander her.
„Dir ist kalt“, sagte er plötzlich und erst jetzt merkte ich die Gänsehaut auf meinen nackten Armen und Beinen. „Ich würde dir ja gerne eine Jacke anbieten...“, sagte er und ließ den Rest des Satzes offen, da er auch nur spärlich begleitet war. Er blieb stehen und wandte sich mir zu. „Wir sollten zurückgehen. Dort ist es wärmer als hier am Waldrand.“
„Mhm“, entgegnete ich nicht gerade begeistert und trank den letzten Schluck meines Getränks. Ich merkte, wie das Kribbeln in meinem Kopf stärker wurde und die größer werdende Wirkung des Alkohols auf meinen Körper verkündete. Ich kicherte.
„Was ist so lustig?“, fragte Jason amüsiert.
„Ich trink nicht so oft“, erklärte ich. „Und da ich noch nicht so viel gegessen habe, zeigt der Alkohol bei mir gerne schnell seine Wirkung.“ Ich gluckste wieder auf und verlor kurz das Gleichgewicht.
„Vorsicht“, Jasons Hand fuhr in einer blitzartigen Reaktion nach vorne und schloss sich um meinen nackten Arm, um mich vor einem Sturz zu bewahren.
Als nackte Haut auf nackte Haut traf durchfuhr mich nicht wie das letzte Mal ein gewaltiger Schlag, sondern nur ein starkes, aber angenehmes Kribbeln, das bis zu meiner Schulter hochfuhr und schließlich seine unsichtbaren Finger ausstreckte, um sich in meinem ganzen Körper auszubreiten. Im Inneren verspürte ich eine angenehme Wärme, meine Beine wurden zittrig und ich fühlte mich unglaublich zu diesem Mann hingezogen. Ich konnte meinen Blick nicht von seinen Augen wenden, die sogar in dem schwachen Licht des Mondes seltsam hell und grün leuchteten, als würden sie das Licht reflektieren – so wie bei einem Hund oder einer Katze. Seine schwarzen, dichte Haare schimmerten silbern und luden dazu ein, Hände darin zu vergraben. Bilder tauchten vor meinen geistigen Augen auf, wie ich seinen Kopf näher an den meinen heranzog, sich unsere Gesichter langsam immer näher und näher kamen und ich die Lider schloss. Der Wunsch, meine Lippen auf seinen verführerischen Mund zu legen wurde immer größer. Ich wollte seine Hände auf meinem Körper spüren, wie sie jeden Winkel erforschten, wollte ihm nahe sein, mich an ihn schmiegen...
Erschrocken riss ich die Augen auf und stolperte einige Schritte zurück, sodass ich Jasons Atem nicht mehr auf meinem Gesicht spüren konnte. Ich hatte nicht gemerkt, dass wir uns so nahe gekommen waren, dass uns nur noch einige wenige Zentimeter getrennt hatten. Es war, als wäre Realität und Wunschbild von jetzt auf nachher miteinander verschmolzen, als wäre langsam das Wirklichkeit geworden, was ich mir in diesem kurzen Moment der Berührung so sehnsüchtig gewünscht hatte.
Ich war verwirrt. Verwirrt über diese Unmengen an Emotionen, die ich alle auf einmal in mir gespürt hatte, die mich überrumpelt, überrollt hatten und immer wieder in mir auf und ab gefahren waren, die mir jeglichen vernünftigen Gedanken gestohlen und mein Gehirn vernebelt hatten. Die mich Dinge haben fühlen lassen, die ich zuvor noch nicht gekannt hatte, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass man so etwas fühlen konnte, und es fiel mir ausgesprochen schwer, diese Dinge mit den ihnen gerecht werdenden Adjektiven zu beschreiben. Jeglicher Versuch wäre wahrscheinlich eine Beleidigung und eine Schande dessen gewesen, was sich wirklich in mir abgespielt hatte.
Ich war verwirrt. Das war eine Sache. Verwirrt sein war in Ordnung. Es deutete daraufhin, dass ich menschlich war, dass ich mir Gedanken machen konnte. Gedanken darüber, dass das nicht in Ordnung war, dass irgendwie alles nicht so stimmte. Dass ich so nicht fühlen durfte.
Das war in Ordnung.
Doch Jason... ich konnte es ihm ansehen. Er hatte meinen Arm losgelassen und starrte mich einfach nur an. Ruhig mit ausdruckslosen Gesichtszügen, als wäre seine Haut aalglatt, als hätte er darunter keine kleine Muskeln. Kein Zucken verriet, was er dachte. Doch als ich mich traute, erneut in seine Augen zu schauen, sah ich diesen seltsamen Ausdruck, diese Fassungslosigkeit, diesen schwarzen Schatten, der sich auch langsam über seinem ganzen Gesicht ausbreitete.
Ich blinzelte. Einmal, zweimal, mehrmals – nur um sicherzugehen, dass mir meine Augen keinen Streich spielten, dass ich mir diesen düsteren Hauch nicht einfach einbildete. Und als ich die Lider nur für einen kurzen Moment gesenkt ließ, und sie schließlich wieder hob, war Jason einfach verschwunden und ich stand alleine da. Er war nirgends zu sehen.
Er hatte mich stehen lassen.





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