Herz über Kopf - Liebe kennt keinen Verstand - Teil 5

Autor: Pumpernickelbrot
veröffentlicht am: 11.06.2015


Hallo Zusammen. Dies ist der VORLETZTE Teil von Liebe kennt keinen Verstand... hoffe er gefällt euch ;)



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Freitag, 13. Mai
Gedankenverloren durchquerte Sam den Uni-Flur und machte sich auf den Weg in die Mensa. Bevor sie eintrat vergewisserte sie sich dass Lisa nicht in Sichtweite war. Die ganze Woche hatte sie es schon geschafft ihr aus dem Weg zu gehen, dann würde sie es wohl die letzten paar Stunden auf der Uni auch noch schaffen. Sam wollte sich vor ihrer besten Freundin einfach nicht rechtfertigen müssen. Zumal sie ja selbst nicht wusste was zwischen ihr und David war. Seit dem Kuss war alles nur noch komplizierter. Seit sie am Sonntag Abend weggelaufen war hatte er zig Mal angerufen doch sie hatte keinen seiner Anrufe entgegengenommen. Sie wusste nicht was sie hätte sagen sollen. Ihn zum Aussteigen überreden? Und selbst wenn er aussteigen würde, was würde ihre Familie sagen? Was würde Ray sagen? Wenn noch nicht einmal ihre beste Freundin sie verstand, wer denn sonst? In Gedanken noch immer bei David bestellte sie sich ein Turkey-Sandwich um es vor der Uni auf einer Bank in der Sonne verspei sen zu können, doch kaum hatte sie ein leeres Plätzchen gefunden tauchte Lisa plötzlich auf.
"Was hast du dir nur dabei gedacht?" kam Lisa gleich zur Sache.
"Ich will nicht darüber reden. Lass mich in Ruhe essen."
"Samira, er ist ein Nazi!"
"Du weißt rein gar nichts über ihn"
"Doch! Ich weiß zu welcher Gang er gehört. Ich weiß dass dein Bruder ihn umbringt wenn er das erfährt. Ich weiß, dass es gefährlich ist sich mit solchen Leuten einzulassen"
"Du verstehst überhaupt nichts!" sie warf ihr unangetastetes Turkey-Sandwich in den Müll und sprang auf. Mit Tränen in den Augen rannte sie zu dem kleinen schwarzen KIA. Sie setzte sich auf den Fahrersitz, startete das Auto und umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen. Doch anstatt den Wagen auszuparken und wegzufahren drehte sie nur die Musik auf volle Lautstärke. Natürlich hatte Lisa recht! Solange David nicht aus seiner Gang austrat bestand für die beiden keine Chance. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zu getan. Sie liebte ihn. Dessen war sie sich nun bewusst. Aber er war nun Mal ein Nazi. Oder nicht? Nein ? das war er nicht. Sie kannte sein wahres Ich. Sie wusste wer er wirklich war. Sie wusste dass er sie auch liebte. Auch wenn keiner die Verbindung zwischen den beiden verstehen konnte. Während sie unbewusst die Melodie zu Ed Sheerans Lied 'thinking out loud', welches gerade im Radio lief, mitsummte, bemerkte sie erst das Klopfen am Fahrerfenster nicht. Sie erschrak
leicht als sie Lisa schließlich registrierte, die nun mit den Handflächen feste gegen die Scheiben trommelte.
"Sam es tut mir leid. Rede mit mir" hörte sie ihre beste Freundin verzweifelt rufen nachdem sie die Musik leiser gestellt hatte. In ihrem Blick zeichnete sich tiefes Mitgefühl und Reue ab. Sam rollte die Fensterscheibe herunter.
"Es tut mir leid" wiederholte Lisa und streckte ihren Kopf und ihre Arme durch das offene Fenster um ihre Freundin zu umarmen. Sam begann hemmungslos zu heulen. Mehrere Minuten verweilten sie Wortlos in dieser eigenartigen Position ehe Lisa schließlich die Umarmung löste und ums Auto herumging um auf der Beifahrerseite einzusteigen.
"Ich würde sagen wir schwänzen heute Nachmittag" sagte sie milde lächelnd.
"Danke" sagte Sam nur.
Es bedeutete ihr viel ihre beste Freundin an ihrer Seite zu wissen. Sie fuhren zu Sam nachhause. Ray und Steve waren zum Glück nicht da. Also erzählte Sam Lisa die ganze Geschichte:

Wie sie David zufällig im Park getroffen hatte und er sie gewarnt hatte. Wie sie mit ihm in seine Wohnung gefahren war, dass sie sich eine Zeit lang täglich 'zufällig' trafen. Sie erzählte ihr wie David sie, nach dem Zusammentreffen damals mit Fabian, Lisa und ihr, im Park vor Marius gerettet hatte. Davon, dass sie versucht hatten den Kontakt abzubrechen und sie sich fünf Wochen nicht gesehen hatten bis zu dem Vorfall beim Lagerfeuer am See. Sie erzählte ihr von letztem Sonntag, in dem es schien als wären sie ein ganz normales Paar. Und sie berichtete von dem Kuss und davon, dass sie danach weggelaufen war. Lisas Gesichtsausdruck wechselte während der Geschichte zwischen Verständnis, Entsetzen, Verwunderung und Mitgefühl hin und her.
"Du hast dich echt in ihn verknallt oder?"
"Jaah, ich glaub schon."
"Warum bist du weggerannt nachdem er dich geküsst hat?"
"Ich weiß nicht, ich war überfordert. Ich meine ich bin ja nicht dumm. Ich weiß mit welchen Leuten er abhängt und was er getan hat. Aber glaub mir, er ist nicht so! Sonst würde er sich wohl nicht mit mir treffen oder?"
Lisa setzte gerade zu einer Antwort an als es an der Tür läutete. Halb erwartete Sam, dass David nun vor der Tür stehen würde. Doch es war Amir um einige Bücher für Ray vorbeizubringen.
"Ich hab den KIA unten gesehen und dachte Ray sei schon zurück, ich hatte noch einige Bücher von ihm" erklärte er sein überraschendes Auftauchen.
"Wahrscheinlich sind sie mit Steves Auto unterwegs." sagte Sam als sie die Bücher von ihm entgegennahm und ging gleichzeitig einen Schritt zur Seite um ihn einzulassen "willst du einen Kaffee?"
"Ja gerne"
Die drei nahmen am kleinen runden Holztisch in der Küche platz und tranken einen Kaffee. Amir entging nicht dass die Mädchen wohl gerade in einem wichtigen Gespräch waren.
"Ihr schaut irgendwie aufgelöst aus... ich hoffe ich störe nicht!" er schaute fragend zwischen Lisa und Sam hin und her.
"Ach, Weiberkram" versicherte Lisa und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Amir erkannte sofort dass das ihm unbekannte Thema von vorhin ihn auch nichts anging und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung.
"Habt ihr heute Nachmittag noch Uni? Ich wollte eigentlich gerade runter zum See, ein paar Freunde von mir sind -" doch weiter kam er nicht weil Sam ihn unterbrach "zum See? Nach allem was letzten Samstag passiert ist?"
"Keine Sorge, um diese Uhrzeit ist die Hölle los am See, da werden diese Arschlöcher sicher nicht auftauchen" erklärte Amir "und falls doch habt ihr ja mich als Beschützer" fügte er hinzu wobei er Sam kurz zuzwinkerte. Diese war aber noch nicht überzeugt "ach ich weiß nicht" sagte sie nachdenklich.
"Ein bisschen Sonne würde uns sicher gut tun... macht den Kopf frei" stimmte Lisa Amir zu. Also gab Sam sich geschlagen. Sie konnte sowieso eine Ablenkung gebrauchen. Mit Cora im Schlepptau machten sich die drei Freunde mit Amirs Auto auf zum See wo schon einige Kumpels von Amir, darunter auch Oskar mit seiner Freundin Aishe, auf sie warteten.

Zum gefühlten tausendsten Mal wählte er nun schon Sams Nummer. Doch wie schon die ganze Woche über antwortete sie nicht. Auf seinem Handy wiederum befanden sich hunderte Anrufe in Abwesenheit die Hauptsächlich von Marius, aber auch von den anderen Gangmitgliedern stammten. Mehrmals hatte es an der Tür geläutet, doch auch ohne den Türspion war David sich sicher dass es sich um jemanden aus der Gang handeln müsse. Sam würde nicht Sturmklingeln und schon gar nicht zwanzig Minuten mit der Faust gegen die Türe hämmern. Außerdem hatte Sam keinen Grund unangemeldet vorbeizukommen. Bei ihr würde er ja ans Telefon gehen. Seine Gruppe allerdings hatte einen Grund. Er war zu keinem der letzten Treffen in Raimunds Garage erschienen. Man konnte die Gang nicht einfach so verlassen, das wusste er. Doch brauchte er Zeit zum nachdenken. Und er musste mit Sam reden. Er wusste nicht warum sie weggelaufen war und auch nicht warum sie nicht antwortete. Er wusste nur dass er sich in sie verliebt h atte. Unsterblich. Und egal was es für ihn bedeuten würde, welche 'Strafe' er von der Gang erhalten würde, für sie würde er sofort aussteigen. Sie müsste nur ein Wort sagen. Ihm zeigen dass eine Chance auf eine Gemeinsame Zukunft besteht, eine Chance darauf dass sie offiziell ein Paar sein könnten, eine Chance darauf dass sie so jemanden wie ihn lieben könnte. Und wenn es auch nur eine geringe Chance war. Im Moment fühlte er sich wie ein Monster. Eine abscheuliche Kreatur. Er schämte sich so sehr für all das was er und seine 'Clique' getan hatten. Er erinnerte sich an ein Gespräch dass sie vor ca. eineinhalb Monaten hatten nachdem er sie mit einem Veilchen am Auge von der Uni abgeholt hatte. Ihre Worte hallten in seinem Kopf wieder:
"Dann steig aus! Steig aus aus dieser verfluchten Gang, David, bitte! Das bist doch nicht du. Du bist doch nicht wirklich so!"
Er hatte ihr erklärt er habe keine Wahl. Dass man aus so einer Gang nicht so einfach aussteigen könne.
"Man hat immer eine Wahl!" hatte sie damals erwidert. Und verdammt, natürlich hatte sie recht! Er hoffte nur dass es noch nicht zu spät war. Er überlegte ob das der Grund sein konnte dafür, dass sie sich jetzt nicht meldete. Er hätte damals schon aussteigen sollen. Eigentlich viel früher. Bevor er überhaupt sein Tattoo bekommen hatte. Als er zum ersten Mal gemerkt hatte das diese Gruppe keine Gewalt scheut. Oder aber als seine Mutter ihn immer wieder anflehte. Wenn er so darüber nachdachte hätte es einfach nie soweit kommen dürfen. Dazu, dass er ein Mitglied wurde. Dass er die rechte Hand vom Anführer wurde. Ihm wurde schlecht wenn er daran dachte wie oft es seine Idee gewesen war einfach einmal eine Schlägerei aus ethnischen Gründen anzuzetteln. Als das Feuer des Selbsthasses ihn allmählich zu verbrennen drohte rang er sich dazu durch endlich Marius' zurückzurufen. Dieser hob wild fluchend und schreiend ab.
"Ich muss dich treffen. Nur wir zwei. In einer halben Stunde am Treffpunkt beim See" sagte David nur ruhig als das Geschimpfe des Ganganführers endlich abgeklungen war.

Marius war schon da als David am vereinbarten Treffpunkt eintraf. Tatsächlich war er alleine.
"Sag mir bitte, dass du hier bist weil dir nach Aktion ist. Ich hab die Negerschnitte vom Gericht und einige ihrer Freunde hinten am Strand gesehen" sagte der bullige Anführer mit falscher freundlichkeit.
"Nenn' sie nicht so" erwiderte David ruhig "und, wie du wahrscheinlich ahnst ist das nicht der Grund warum ich dich hergebeten habe."
"Natürlich nicht, sonst hättest du wohl nicht darauf bestanden dass ich alleine komme" die falsche Freundlichkeit war verschwunden, stattdessen war Marius' Zorn über Davids Regelbrüche und Unerreichbarkeit nun offen zu spüren. Auf Davids Maßregelung darüber wie er Sam genannt hatte ging er allerdings nicht ein.
"Ich trete aus" sagte David nach einigen Minuten des Schweigens knapp.
"Einfach so" ein fieses Grinsen zeichnete sich nun am Gesicht des überzeugten Nazis ab "und du denkst vielleicht auch noch das wird keine Konsequenzen für dich haben?"
"Ich kenne die Konsequenzen. Mein Entschluss steht fest."
"Du warst wie ein Bruder für mich David. Aber ich werde nicht versuchen dich zu überzeugen. Wir sehen uns bald. Aber das weißt du ja sicher!"
"Ich weiß" flüsterte David als Marius sich schon umgedreht hatte und sich von ihm entfernte.
Er wusste es nur zu gut. Man stieg nicht ungestraft aus. Es würde sicher nicht lange dauern bis ihm die Clique auflauern würde. Zur Polizei gehen brachte nichts. Selbst wenn er genug gegen Marius in der Hand hatte, so konnte er nicht allen der Gang Strafdaten nachweisen. Vermutlich würden sich seine ehemalige 'Familie' heute noch zusammensetzen um über das Ausmaß seiner Strafe zu reden. Er blieb noch einige Minuten an der Stelle wo Marius ihn zurückgelassen hatte stehen ehe er seine Gedanken von dem ausstehenden 'Treffen' mit der Gang wieder in die Gegenwart zurückholte.
"...ich hab die Negerschnitte vom Gericht und einige ihrer Freunde hinten am Strand gesehen" hatte Marius gesagt. Also war sie da. Sam war hier am Strand. Kurzerhand fasste er einen Entschluss. Wenn sie seine Anrufe schon nicht beantwortete dann würde er eben persönlich mit ihr sprechen!

"Das darf ja wohl nicht wahr sein" rief Amir zornig und sprang auf. Sam folgte, so wie alle anderen auch, Amirs Blick. Sie traute ihren Augen kaum. David! Er kam geradewegs auf die Freunde zu.
"Verschwinde" schrie Amir als er nur noch wenige Meter entfernt war. David antwortete nicht sofort.
"Ich will keinen Ärger" erklärte er als er Amir direkt gegenüberstand.
Mittlerweile hatten sich auch die anderen, inklusive Lisa und Sam die hinter Amir auf einer Picknick Decke gesessen hatten, erhoben.
"Was? Etwa weil dir gerade aufgefallen ist dass wir diesmal in der Überzahl sind? Willst du erst noch auf deine Freunde warten bevor du Ärger machst?" stichelte Amir.
"Ich will nur mit Sam reden"
Einen Moment lang verschlug es Amir die Sprache. Oskar setzte gerade an um David zu erklären dass Sam sicher nicht mit ihm reden wolle als diese sich an Amir vorbei zwischen die beiden schob.
"David... ich... was ? was willst du hier?"
"Sam? David? Was zur..." Amirs Blick glitt von Sam zu David und von David zu Sam. Die Verwirrung stand allen ins Gesicht geschrieben. Lisa machte große Augen und schien ebenfalls nicht zu wissen was zu tun war.
"Ich bin draußen" riss David das Wort schließlich wieder an sich. "Ich bin ausgestiegen!"
"Du.. was?"
"Sam was zur Hölle geht hier vor" mischte sich Amir wieder ein.
"Pssst" machte Lisa. David ignorierte Amirs Einwurf und fuhr fort, wobei er sachte nach Sams Hand griff.
"Ich bin nicht mehr in der Gang, Sam!" wiederholte er langsam.
"David... ich..." Sam war als wäre sie der deutschen Sprache nicht mehr mächtig. Die starrenden Blicke der anderen waren ihr egal. Alles war egal. David war ausgestiegen. Für sie. Ohne weiter darüber nachzudenken fiel sie ihm um den Hals und umarmte ihn. Erst als Amir sie an der Schulter zurückzog fiel ihr wieder ein dass sie ja nicht alleine waren.
"Sag mal spinnst du Sam?" der Junge mit den Schokoladenbraunen Augen, der mittlerweile ein guter Freund von ihr geworden war, musterte sie verständnislos. Doch gerade als sie dazu ansetzte sich zu rechtfertigen eilte ihre beste Freundin ihr zu Hilfe: "Ach lass die Beiden in Ruhe Amir, er hat doch gesagt er ist ausgestiegen!"
"Stellst du dich etwa auch auf seine Seite?"
David öffnete den Mund um etwas zu sagen doch Lisa kam ihm zuvor: "Nein nicht ich stelle mich auf seine, er stellt sich auf unsere falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Immerhin ist er für Sam aus seiner Gang ausgetreten!"
"Um das geht es doch nicht" fuhr er Lisa an ehe er sich zornig Sam zuwandte: "Seit wann läuft das schon? Weiß dein Bruder davon? Weißt du nicht mehr was er..." er nickte mit abfälligen Blick zu David "...deinem Bruder und Steve angetan hat? Hast du das vergessen? Weißt du nicht was er ist?"
"Doch ich weiß 'was' er ist! Er ist mein Freund!" giftete Sam zurück ehe David zu Wort kam. Plötzlich senkte sich Stille über die Stelle am Strand. Alle Augen ruhten auf David während dieser nur Augen für Sam hatte. Sie erwiderte seinen Blick. Noch immer hielt er ihre Hand. Wieder verlor sich die Welt um sie herum. Erst nach etlichen verstrichenen Sekunden Stille wurde sie erneut von Amir daran erinnert dass sie nicht alleine waren.
"Das meinst du doch nicht ernst Sam?"
"Doch meine ich. Ich denke es ist besser wir gehen jetzt."
Sie gingen zusammen mit Lisa am See entlang zu Davids Auto. Sams Hündin Cora, die David immer schon gemocht hatte, dackelte artig hinterher. Nachdem sie Lisa zuhause abgesetzt hatten grinste David bis über beide Ohren:
"Willst du nicht losfahren?"
"Ich bin also jetzt dein Freund, hm?"
"Etwa nicht?"
Anstatt zu antworten küsste David seine Freundin.





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