Dafür hasse ich ihn - Teil 11

Autor: Wolfskatze
veröffentlicht am: 19.09.2014


Dienstag Nachmittag. Ich liege angezogen auf meinem Bett und starre Löcher in die Luft. Seit der Sache im Eiscafe habe ich zu nichts mehr Lust. Ich müsste jetzt eigentlich trainieren oder lernen oder irgendwas anderes tun. Aber wozu? Ich kann mich einfach nicht motivieren aufzustehen und aktiv zu werden. Plopp. Ich gehe in Gedanken Kampftechniken durch. Plopp. Kurz danach nochmal: Plopp. Was ist das für ein Geräusch? Ich setze mich auf. Plopp. Aus den Augenwinkeln sehe ich eine Bewegung vor meinem Fenster. Plopp. Wirft da etwa jemand Steine gegen mein Fenster? Ein Blick hinaus schafft Klarheit. Da unten - unsere Zimmer liegen im zweiten Stock - steht jemand und winkt, als er mich sieht.
Ich schnappe mir die Schlüssel und laufe runter. Durch die milchige Eingangstür kann ich nicht erkennen wer das ist. Ich schließe auf und öffne die Tür. Und bereue es sofort. Es ist Finn. Ich will die Tür wieder schließen, aber er ist schneller und stellt einen Fuß in den Türspalt. "Verschwinde!" schnauze ich ihn an. Er drückt die Tür auf. "Warte doch mal, Kleines. Lass mich rein." Ich trete abwesend einen Schritt zurück und er kommt rein und schließt hinter sich die Tür. Ich schaue ihn nicht an. "Also, was willst du?" - "Mit dir reden. Aber vorher schuldest du mir noch einen Kampf." Muss er mich auch noch an unsere letzte Begegnung erinnern? Ich seufze lustlos. "Na dann komm mit."
Ich gehe voran zur Sporthalle. "Warte hier. Ich muss mich umziehen." Schon bin ich wieder verschwunden. Ich gehe in mein Zimmer, ziehe mich um und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht, um mich zusammen zu reißen. Langsam kehre ich zur Sporthalle zurück. Nun bin ich hochkonzentriert und bereit für den Kampf.
Finn lehnt lächelnd im Rahmen der offenen Tür und wartet auf mich. Als ich näher komme, gibt er den Weg frei und wir gehen in die Mitte des Raumes. Ohne ein Wort zu sagen stürzen wir uns gleichzeitig aufeinander.
Ich packe all meine Wut auf ihn und Claudia in meine Schläge und Tritte. Schnell gewinne ich die Oberhand und bin nicht zu bremsen. Mein Gehirn setzt aus, ich denke nicht mehr, sondern kämpfe nur noch. Wie eine wilde Bestie prügle ich auf Finn ein, der Mühe hat sich zu verteidigen.
Plötzlich schmecke ich Blut. Das bringt mich wieder zur Besinnung. Ich lasse von ihm ab und mache ein paar schnelle Schritte nach hinten. Keuchend breche ich zusammen und ringe nach Luft. Finn geht es nicht besser. Ein Blick zur großen Uhr an der Wand bestätigt mir das Unglaubliche. Wir haben fast vierzig Minuten gekämpft. Nur kann ich mich nicht daran erinnern. Ich setze mich auf und schaue zu ihm rüber. Er sitzt auf dem Boden und starrt ungläubig zwischen mir und seiner blutenden rechten Hand hin und her.
Ich rutsche zu ihm rüber und frage tonlos "Was ist passiert?" Finn antwortet nicht. Ich betrachte den Riss auf seinem Handrücken und taste unwillkürlich nach meinen Lippen. Ich bin unverletzt. Es muss also sein Blut gewesen sein, das ich geschmeckt habe. Anscheinend hat er sich an meinem Eckzahn verletzt.
Da die Wunde nicht aufhört zu bluten, hole ich den Erste-Hilfe-Kasten und verbinde sie.
"Finn?" Keine Antwort. "FINN!" Als er wieder nicht reagiert, hole ich aus, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Aber kurz bevor ich sein Gesicht treffe, wehrt er mich blitzschnell ab.
Ich war nicht darauf gefasst, also schaue ich erst verwirrt, dann erleichtert. Wir starren uns an, bis er das Schweigen bricht. "Wow, so kenne ich dich ja gar nicht. Wo kam das denn auf einmal her?" Ich deute auf seine Hand. "Das... äh, tut mir leid." Entschuldige ich mich unsicher. "Halb so wild. Aber es ist echt süß von dir, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast, Kleines." Sagt er mit seinem süßesten Lächeln, das mich sofort wieder aus der Fassung bringt.
Dafür hasse ich ihn.
Ich springe auf und sage bestimmt und drohend "Du gehst jetzt besser." Ich muss unglaublich böse geguckt haben, denn er steht sofort auf und geht. Ich vergewissere mich noch, dass er die Schule tatsächlich verlässt, als mich meine Vernunft packt und ich ihm hinterher rufe "Und geh damit zum Arzt!".
Dann ist er weg und ich brauche lange um das Geschehene zu verarbeiten.





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