Mit dir, ohne dich - Teil 8

Autor: sunny
veröffentlicht am: 05.10.2011


Vielen Dank für eure Kommentare, ihr Lieben!! Ich hoffe, in diesem und dem nächsten Teil wird einiges klarer und nachvollziehbarer :) Bitte weiterhin um Tips und Verbesserungsvorschläge!


***



Acht
Zwischenspiel

„Jaden?“
„Hmm…?“
„Danke.“ Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln.
Überrascht sah er von der Zeitschrift auf, in der er geblättert hatte. „Wofür?“
Ich zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Für alles. Dass du am ersten Tag hier gewartet hast…“
„Oh, das!“ Jaden lachte und wurde rot. „Das war, wie ich gestehen muss, eher Zufall.“ Er schloss die Zeitschrift und legte sie beiseite. „Weißt du, ich war an dem Tag ziemlich fertig…“ Das konnte ich mir lebhaft vorstellen, kein Zweifel. „Und weil du wolltest, dass ich mitkomme, bin ich halt erstmal mit rauf gekommen. Doktor Pentragon hat gesagt, ich solle hier warten… eigentlich wollte ich mich nur kurz ausruhen, wissen, ob du durchkommst, und wieder von hier verschwinden. Aber dann… bin ich wohl eingeschlafen.“ Verlegen grinste er mich an. „Mich hat ehrlich überrascht, dass du an dem Tag noch die Kraft hattest, aufzustehen und zu mir zu kommen; und das nur, um mich a u f z u w e c k e n!“
Ich zuckte die Schultern. „Du hast mir so Leid getan, da musste ich dich wecken. Und anders ging’s nicht.“
Jaden runzelte die Stirn. „Trotzdem, mit deinen ganzen Verletzungen…“
Ich musste kichern. „Ich war so vollgepumpt mit Schmerzmitteln, ich hab kaum was gemerkt. Hat sich nur alles ziemlich wattig angefühlt.“
„Das erklärt einiges.“ Grinsend wandte Jaden sich wieder seiner Zeitschrift zu, aber ich unterbrach ihn noch einmal.
„Jaden?“
„Hmm…?“
„Auch für alles andere. Ich bin dir ziemlich dankbar, dass du dich so um mich kümmerst, obwohl wir… uns ja im Grunde… gar nicht kennen.“
Verschmitzt lächelte er mich an. „Naja, mit der Aktion am ersten Tag hast du mich neugierig gemacht. Außerdem… brauchte ich eh Ablenkung.“
Den letzten Satz hatte er ziemlich leise gesprochen. Eine Weile schwiegen wir, bis ich mich traute zu fragen: „Und jetzt?“
„Was?“ Fragend sah Jaden auf.
„Brauchst du… jetzt immer noch Ablenkung?“
Er grinste und schüttelte den Kopf. „Jetzt hab ich ja dich. Du bist Aufregung genug.“
Ich runzelte die Stirn ob dieser Aussage, dann verzog ich vorwurfsvoll das Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust.
„So schlimm bin ich doch gar nicht!“, protestierte ich beleidigt.
„Nein!“ Jaden lachte. „Schlimmer!“
Bevor ihn mein Kissen treffen konnte, hatte er sich schon weggeduckt.
„Idiot!“, schimpfte ich und schlug nach ihm, während er lachend aus meiner Reichweite floh.
„Na warte…“ Ich zog die Decke beiseite und machte Anstalten, aus dem Bett zu steigen, aber da kam Jaden schon lachend zurück, die Hände beschwichtigend ausgestreckt. „Ist ja gut!“ Er deckte mich wieder zu. „Ist gut. Es tut mir Leid. Ich bin auch ganz schön froh, dass du dich mit mir abgibst.“ Er zwinkerte mir zu.
Besänftigt legte ich mich wieder zurück. „Echt?“
Er nickte. „Echt.“
Kurz dachte ich nach. „Und ich bin dir nicht zu kindisch?“
„Kindisch?“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Wie kommst du denn darauf?“
„Keine Ahnung“, gab ich mit gerunzelter Stirn zu. „Irgendwie hatte ich im Hinterkopf, dass andere mich immer kindisch finden…“
Nachdenklich musterte Jaden mich. „Du solltest mal wieder mit Herr Lange reden“, schlug er vor. „Deine Erinnerungen kommen wieder.“
Da hatte er vermutlich recht, aber ich mochte diese Psychologengespräche nicht. Ich fühlte mich dann immer so… durchschaut, und auf die Probe gestellt. Und irgendwie immer angespannt, als würde ich erwarten, jeden Moment bei etwas ertappt zu werden. Bei was denn bitte?! An mein Leben vor dem Unfall konnte ich mich nicht mal erinnern. Und alle Missetaten, die ich danach begangen hatte, waren Herr Lange schon bekannt. Mal ganz davon abgesehen, dass es ihm sowieso nicht zustand, in irgendeiner Weise darüber zu urteilen. Warum also wurde ich immer so nervös?!
Aber noch bevor ich mein Gefühl irgendwie in Worte fassen konnte, öffnete sich die Tür.
„Jaden? Oh, ich hab euch gefunden!!“
Es war ein Mädchen, eine junge Frau, etwa so alt wie Jaden, recht klein und zierlich. Verblüfft beobachtete ich, wie sie freudestrahlend in die Hände klatschte, bevor sie einfach in den Raum stürmte und Jaden um den Hals fiel.
„Nick…“, krächzte er hilflos unter ihrer Umarmung, „Was machst du denn hier…?“
Das Mädchen lächelte. „Ein ernstes Wörtchen mit dir reden, was sonst?“
Sie wirkte völlig fröhlich und unbeschwert, während sie sich von ihm löste, einen Stuhl heran zog und sich direkt neben ihn setzte.
Jaden blickte nervös von mir zu ihr und wieder zurück. „Nick, ehrlich – muss das…“
„Nick“ schnalzte missbilligend mit der Zunge und hob einen Zeigefinger. „Du lässt mir keine andere Wahl, mein Freund.“ Wieder lächelte sie ihn an. „Und das weißt du auch.“
Zum ersten Mal wandte sie sich mir zu, schenkte mir ein ebenso strahlendes Lächeln wie Jaden, streckte mir eine schmale Hand entgegen und erklärte: „Hi, ich bin Nick.“
Nick… der Name sagte mir etwas, ich kam nur noch nicht dahinter. Überrumpelt nahm ich ihre Hand und schüttelte sie. „Äh, hi, ich… hab leider keine Ahnung wer ich bin. Aber alle nennen mich Joelle“, stellte ich mich vor, worauf sie lachen musste. „Ich weiß!“
„Nick!“, zischte Jaden und stieß ihr seinen Ellenbogen in die Seite. Seufzend erklärte er mir: „Joelle, das ist Nicola, unsere Stylistin.“
„Aber alle nennen mich Nick“, fügte sie hinzu.
Ich nickte nur. „Okay.“
Nick wandte sich wieder Jaden zu, und es schien, als wollte sie ihn mit ihrem Blick durchbohren. „Jaden, ich meine es ernst.“
Unruhig wand mein bester Freund sich auf seinem Stuhl. „Ich weiß, aber ich…“
„In einer Woche ist euer nächstes Konzert, und ich will, verdammt nochmal, dass du dort hingehst. Verstanden?“
Nervös huschte Jadens Blick zwischen uns beiden hin und her. „Ja, ich weiß, aber…“
„Ob du das v e r s t a n d e n hast, Jaden!“, unterbrach sie ihn erbarmungslos.
Jadens Hände ballten sich zu Fäusten, das war das erste, was ich wahrnahm. Dann sprang er auf, und seine Augen sprühten Funken. Ich hatte ihn noch nie dermaßen aufgebracht erlebt.
„VERDAMMT!“, brüllte er so laut, dass auf dem Gang hinter der noch immer halb geöffneten Tür einige Leute stehen blieben. „ICH WEISS DAS ALLES, KLAR! UND JETZT LASS MICH, VERFLUCHT NOCHMAL, ENDLICH DAMIT IN RUHE!!!“
Er war dermaßen laut gewesen, dass in diesem Moment schon eine Schwester in der Tür erschien, um nachzusehen, was los war. Aber Jaden warf ihr bloß einen Funken sprühenden Blick zu und stürmte an ihr vorbei nach draußen.
„Tja“, seufzte Nick, „Das lief nicht ganz so, wie ich es mir erhofft hatte.“ Sie lächelte mich an. „Ich fürchte, ich werde andere Maßnahmen ergreifen müssen.“
„Äh…“, mischte die verdatterte Schwester sich ein, „Ist alles in Ordnung bei Ihnen?“
Ich nickte bloß und winkte ab. Endlich ließ sie uns wieder allein.
„Nick“, bat ich meinen überraschenden Besuch, „Könnten Sie wohl die Tür schließen?“
Nick lachte, während sie meiner Aufforderung nachkam. „Du kannst mich ruhig duzen, Schätzchen.“
Mir fiel etwas auf. „Warum sprichst du eigentlich so gut Deutsch?“
„Oh, das!“ Sie ließ sich wieder auf dem Stuhl neben mir nieder. „Mein Vater war Österreicher.“
„Hm.“ Ich runzelte die Stirn. „Müsstest du dann nicht eigentlich Österreichisch sprechen?“
Nick schüttelte den Kopf. „Er achtete sehr darauf, Hochdeutsch mit uns Kindern zu sprechen.“
„Aha.“ Echt komisch, dass sich so viele deutschsprachige Leute in dieser Band befanden; jetzt waren es schon drei. Andererseits… vielleicht hatten sie sich gerade deswegen kennen gelernt.
„Egal.“ Mit einer Handbewegung wischte ich diese unwichtigen Gedanken fort. „Es geht um Jaden.“
„Ja.“ Seelenruhig schlug Nick die Beine übereinander. „Es geht immer um Jaden. Worüber genau willst du denn sprechen?“
Ich konzentrierte mich auf das, was ich zu fragen vorhatte. „Die Konzerte.“
Nick zog die Augenbrauen hoch. „Ja?“
„Es ist… ihr habt… schon welche abgesagt, oder?“
Aber Nick schüttelte den Kopf. „Verschoben, aber das war lange vor dem Unfall.“ Sie zwinkerte mir zu. „Du hast dir nichts vorzuwerfen; das heißt, falls dieser sture Esel sich endlich dazu durchringen kann, seine Termine wahrzunehmen.“
Es war unglaublich. Trotz dieser ernsten Themen hörte sie nicht auf zu lächeln. Sie lächelte einfach immer weiter! Ich fand Nicks Lächeln schon geradezu unheimlich.
„Diese Konzerte sind wichtig für euch, nicht wahr?“, hakte ich nach.
Nick lachte. „Natürlich, Dummerchen! Die Fans haben dafür bezahlt!“
„Hm.“ Ich nickte. „Wie viele… Leute arbeiten denn an so einem Konzert?“
Nick warf mir einen interessierten Blick zu, bevor sie sich zurücklehnte und aufzuzählen begann. „Nun, zunächst einmal natürlich die Band; das sind Kay, Mike, Luke und Jaden.“
„Sind sie sehr beliebt?“, unterbrach ich sie neugierig.
Nick legte den Kopf schräg. „Du hast bestimmt schon gemerkt, dass niemand Jaden einen Wunsch abschlägt, hm?“
Ich dachte an die Szene oben auf der Intensivstation, als ich zu Clara wollte, und daran, dass jeder Jaden mit seinem Namen ansprach. Daran, dass er mich immer besuchen konnte, ganz egal, ob es nun während der Besuchszeit war oder nicht.
Ich nickte.
„Siehst du, und in England ist es noch viel schlimmer. Die Jungs können sich kaum auf offener Straße sehen lassen, ohne von ihren Securityleuten beschützt zu werden. – Die sind übrigens natürlich auch von so einem Konzert betroffen. A n t a r c t i c a hat eine feste Crew von insgesamt zehn Leuten, die abwechselnd Dienst haben, und natürlich noch wechselnde Angestellten von derselben Firma, die für Konzerte und Ähnliches engagiert werden. Solche Aufgaben übernimmt übrigens der Manager, Josh Martin. Momentan hat er mit den Jungs alle Hände voll zu tun.“ Sie lächelte. „Besonders natürlich mit Jaden. Jaden ist immer ein Spezialfall…“ Sie schüttelte kurz den Kopf und fuhr fort, bevor ich nachhaken konnte. „Dann gibt’s natürlich noch den Produzenten, der an allen Konzerten seine Anteile hat. Bei A n t a r c t i c a ist das Ralph Newton von S t a r R e c o r d s, wir versuchen ihn aber aus den kleinen Krisen wie dieser hier so gut es geht raus zu halten.“ Sie fuhr sich mit der Hand durch ihre hellbraunen Locken, die wirklich ein überwältigendes Volumen aufwiesen. Komischerweise sah das an Nick aber echt gut aus. „Dann gibt’s da noch den Choreographen, Xavier, ein Franzose – Jaden gerät mit ihm regelmäßig in Streit – und seine Assistenten, Lauren und Isabel M.. Sie wird Isabel M. genannt, weil es unter meinen Assistenten – ich bin ja die Stylistin von diesen Chaoten – auch eine Isabel gibt, Isabel S.. Na, wie dem auch sei; in meiner Crew sind wir vier, mit mir fünf Leute, und glaub mir, das ist auch nötig. Außerdem gibt’s natürlich noch die Technikleute, das sind… keine Ahnung, wie viele, viele jedenfalls. Ich kenn bloß Valerie und Norman mit Namen, die haben die Leitung für diese Abteilung.“ Sie schwieg kurz, fuhr dann aber rasch fort: „Ach ja, und natürlich Joshs Assistentin Theresa und ihre beiden Laufburschen Chuck und Stan.“ Kurz überlegte sie, bevor sie mich ansah und – natürlich – erneut lächelte. „Ich glaube, das waren alle.“
„Das sind ganz schön viele Leute“, stellte ich mit großen Augen fest.
Wieder lachte Nick. „Natürlich! Es sind ja auch große Veranstaltungen.“
Langsam nickte ich. „Okay. Es… ist also unbedingt nötig, dass Jaden zu diesen Konzerten geht.“
Nick hob die Schultern. „Das wäre wünschenswert, ja.“
„Hm.“ Ich nickte gedankenverloren. „Ich muss mit den Jungs sprechen – könntest du dafür sorgen, dass Luke mit, äh… Kay und Mike?“
Nick nickte bestätigend.
„Ja, also könntest du dafür sorgen, dass sie vorbeikommen? Möglichst heute noch.“ Entschlossen sah ich sie an. „Und danach muss ich mit Jaden sprechen.“
Mit hochgezogenen Brauen sah Nick mich an. „Nichts für ungut, Joelle, aber ich denke, das…“
„Einen Versuch ist es wert, oder?“, unterbrach ich sie. Fest bohrte sich mein Blick in ihren, bis sie wieder lächelte und mit einem beruhigenden Unterton, der mich schier wahnsinnig machte, erklärte: „Meinetwegen, ich schicke die Jungs her.“
„Wer kommt her?“, fragte eine strenge Stimme von der Tür her.
Nick und ich wandten gleichzeitig den Kopf nach ihr. Ich erkannte Doktor Penny und konnte ein Seufzen nicht unterdrücken.
„Doktor Penny, das hier ist wirklich wichtig, okay?!“
Aber sie verschränkte bloß die Arme vor der Brust. „Ich habe Ihnen schon mal gesagt, Joelle, dass dies hier ein K r a n k e n h a u s ist, in dem sich selbst aufmüpfige Patientinnen wie Sie an die Regeln zu halten haben. Und das bedeutet, sie werden weder Ihre Krankengymnastin noch Ihren Psychologen sitzen lassen, geschweige denn das Abendessen verpassen, haben Sie mich verstanden?“
Ich verzog das Gesicht. „Aber Doktor Penny, das widerspricht doch nicht…“
„Ob Sie mich verstanden haben“, unterbrach sie mich streng.
Stöhnend verdrehte ich die Augen. „N a t ü r l i c h, Doktor Penny.“
„Gut.“ Sie lächelte mich an. „Dann zeigen Sie mal Ihr Bein her, junge Dame. Ich will sehen, ob es sich vom Ihrem letzten wagemutigen Abenteuer wieder erholt hat.
Seufzend schlug ich die Bettdecke beiseite, winkte Nick aber nochmal kurz näher.
„Schick die Jungs her“, flüsterte ich ihr zu, als sie sich zu mir vorbeugte.
Nick nickte und stand lächelnd auf. „Dann will ich mal nicht weiter stören. Auf Wiedersehen, Frau Doktor, war nett, Sie mal kennen zu lernen.“
„Jaja“, brummte Doktor Penny, die schon ganz mit meinem Bein beschäftigt war, „Ganz meinerseits.“
Erst, als Nick schon aus der Tür verschwunden war, blickte sie auf und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wer um Himmels Willen war das denn schon wieder, Joelle? Wo lernen Sie nur all diese Leute kennen, wenn Sie doch eigentlich nur hier sind?“ Kopfschüttelnd machte sie sich daran, den Verband zu lösen, der mein Bein umschloss. Fasziniert betrachtete ich die bunten Verfärbungen meiner Haut, die darunter zum Vorschein kam.
„Das war Nick“, erklärte ich Doktor Penny. „Und das mit dem Kennenlernen ist ganz einfach – die Leute kommen zu mir!“ Gelassen lehnte ich mich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Sehen Sie jetzt ein, dass ich gar nichts dafür kann?“
Doktor Penny schnaubte. „Na klar. Joelle, das Unschuldslamm.“
Dann ging die Tür auf und Schwester Hanni entschuldigte sich für die Verspätung.






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