Jeder nur nicht der!!! Teil 10

Autor: Sani
veröffentlicht am: 27.03.2008




Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Dafür gibt's dieses mal mehr^^ Lg Sani

Mmmmm.....
Müde öffnete ich meine Augen und blickte verwirrt meine Umgebung an.
Das Wohnzimmer? Was habe ich hier zu suchen?
Noch immer verwirrt blickte ich hinunter und fand mich in Daniels Armen. Wir lagen auf dem Sofa, ich auf ihm und, umschlungen.
Angestrengt versuchte ich mich an den gestrigen Abend zu erinnern.
Saw! Ich muss wohl eingeschlafen sein. Und er auch.
Ein wenig beruhigter als zuvor, sah ich ihn an. Sein Atem ging regelmäßig. Schüchtern berührte ich mit meinen Fingerspitzen, die Stelle an der ich sein Herz glaubte. Sofort breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus und ich schöpfte Mut und legte meine ganze Hand drauf.
Leicht spürte ich das regelmäßige Pochen seines Herzens.
Im selben Moment überkam mich, ein mir unbekanntes, Gefühl. Ein leichtes Kribbeln überfuhr meinen ganzen Körper. Meine Haut fing an zu brennen und gleichzeitig zu gefrieren. Meine Knie wurden weich und fühlten sich an wie Pudding. Um mein Herz breitete sich eine Wärme aus, die mich nicht verließ.
Von dieser angenehmen Wärme geleitet sah ich Daniel ins Gesicht.
Wieder mal standen seine Haare in allen möglichen Richtungen ab. Lächelnd wanderte mein Blick weiter und blieb bei seinen geschlossenen Augen stehen. Ich betrachte seine langen Wimpern und erinnerte mich an das Blitzen, das man manchmal in seinen Augen sehen konnte. Ich erinnerte mich auch an die Farbe. Blau-grau. So blau wie das Meer und der Himmel vereint, und doch so grau wie eine Wolke vor einem Unwetter. Ich hatte noch nie solche Augen gesehen. So geheimnisvoll und gleichzeitig so offen. Sie waren so intensiv und warm, und doch in einer anderen Art abweisend und kalt.
Noch immer starrte ich seine geschlossenen Augen an, und versuchte das Geheimnis zu lösen, dass sie verbargen.
Etwas an diesen Augen war anders als bei Anderen. Sie besaßen etwas, dass mich faszinierte und fesselte.
Nach einer Weile gab ich auf und sah mir sein restliches Gesicht an. Jeden einzelnen Millimeter erforschte ich neugierig.
Ich weiß nicht wie lange ich so da lag und ihn anstarrte, bloß das ich irgendwann erschöpft meinen Kopf zurück auf seine Brust sinken ließ und die Augen schloss.
Glücklich konzentrierte ich mich wieder auf meine Hand, die noch immer auf seinem Herzen platziert war. Ich spürte das dumpfe und rhythmische Pochen. Ein Kribbeln breitete sich über meine Handfläche aus und ich hörte leise dem Summen seines Herzens zu.
Vielleicht vergingen einige Minuten oder vielleicht sogar Stunden, ich wusste es nicht, ich hatte jegliches Zeitgefühl vergessen, bis Daniel sich bewegte.
Erschrocken hob ich meinen Kopf. Eindringlich sah ich ihn an. Doch er schien noch zu schlafen.
Er hat bloß geträumt.
Ich wollte meinen Kopf wieder senken, als mein Gesicht seines erblickte.
Engelsgleich lag er da und schlummerte vor sich hin.
Langsam und verunsichert legte ich meinen Kopf schief und sah ihn an.
Er sieht so unbeschreiblich schön aus, dachte ich mir heimlich.
Schüchtern, und immer wieder in der Bewegung innehaltend, hob ich meine Hand von seinem Herzen und führte sie langsam zu seinem Gesicht.
Zögernd berührte ich seine Haut. Eine kleine Geste. Meine Fingerspitzen strichen, kaum spürbar, über seine Wange. Sie fingen an zu glühen. Behutsam ließ ich sie weiterwandern. Ließ sie die Schatten unter seinen Augen nachziehen und sein Kinn nachzeichnen. Sanft berührte ich dann seine Lippen. Mit zitternden Fingerspitzen zog ich ihre Linien nach.Gerade als ich meine Finger von seinen Lippen weg zog, erschien auf ihnen ein Lächeln.Irritiert, ob das etwas zu bedeuten hatte, sah ich ihn an und stellte erschrocken fest, dass seine Augen mich wachsam anstarrten.
Panisch schluckte ich und biss mir auf die Lippen.
Peinlicher geht's echt nicht mehr, Lena. Super! Das schaffst auch nur du, in solche Situationen zu geraten. Und wie kommst du da jetzt wieder raus?
Er hat dich auf frischer Tat ertappt!
In meinem Kopf schwirrten tausende von Gedanken herum und ließen mich nicht in Ruhe.Immer noch war Daniels Blick auf mich gerichtet. Er sah mich neugierig und zugleich zärtlich an.
Aus dem Augenwinkel sah ich wie er seine freie Hand hob und sie meinem Gesicht näherte. Sanft berührte er mein Kinn. Kaum hatte er meine Haut berührt, breitete sich auf ihr auch schon ein Kribbeln aus, das mich beinahe in den Wahnsinn trieb. Langsam, ohne jede Eile, strich er mir vom Kinn zu meinem Ohr und zurück. Immer wieder wiederholte er diese Bewegung und ich ließ ihn dabei nicht aus den Augen.
Meine Haut bebte und fror gleichzeitig unter seinen Berührungen. Und mein Herz machte Freudensprünge.
Sanft zog er mein Gesicht zu seinem. Millimeter vor seinem Gesicht entfernt, hielt er Inne. Mit seinem Daumen strich er leicht über meine Unterlippe.
Ich sah in seine Augen und erkannte Zärtlichkeit. Es herrschte eine Stille, die zuckersüß war. Eine angenehme Stille. Nicht wie die Stille vor dem Sturm. Sondern wie die Stille vor dem Sonnenaufgang. Angenehm, süß und doch unerträglich.
Langsam näherte er sich mir, die Augen immer noch auf mich gerichtet.
Seine Lippen berührten leicht meine, als er wieder in der Bewegung inne hielt.
' 'Morgen, Darlin' ', flüsterte er an meinen Lippen, bevor sich seine an meine schmiegten.Kaum hatte er meine Lippen geküsst, war es schon um mich geschehen. Mein Gehirn setzte wieder aus. War zu keinem klaren Gedanken mehr fähig.
Instinktiv küsste ich ihn zurück. Meine Hände umfassten sein Gesicht. Ich kam kaum zu Atem.
Letztendlich musste ich den Kuss beenden, um zu Atem zu gelangen. Doch er ließ mich nicht weg.
Daniel hielt mein Gesicht nur einige Millimeter von seinem entfernt, sodass ich seinen Atem spüren konnte.
Wieder mal total verwirrt, sah ich ihn an und bemerkte dass seine Lippen ein Lächeln umspielte.
Scheiße! Er hatte es schon wieder geschafft.
Wütend sah ich ihn an. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre Mr.Oberflächlich-querstrich-ich-kann-alles-besser-als-jeder-andere-Mensch jetzt nur noch ein Stückchen Asche.
Verwirrt über meinen plötzlichen Stimmungswechsel, lehnte er seinen Kopf nach hinten und nahm seine Hände von meinem Gesicht. Ich tat es ihm gleich und versuchte aufzustehen.
Wie es so kommen musste, stolperte ich und stand nicht auf, wie ich es mir vorgestellt hatte, sondern plumpste zu Boden.
Fast so als wäre dieses peinliche Geschehnis meine volle Absicht, erhob ich mich hohen Hauptes von dem Parkettboden und stolzierte in die Küche.
Dort angekommen ging ich wütend auf und ab.
Dieser dumme eingebildete Schuft. Was bildet der sich ein? Ach Gott! Was musste ich sein Gesicht auch nur angreifen? Aber wie er da so lag. Als wäre er ein Engel, mit zusätzlichen Zubehör. Wieso, um alles in der Welt, hab ich mich hinreißen lassen? Als hätte ich nicht schon genug Probleme! Ich brauche keinen Freund, der sobald er auf die Straße ging von jedem weiblichen Wesen angeschaut und wahrscheinlich sogar angestarrt wurde. Ich braucht einen stink normalen Mann. Und Daniel war alles, wirklich alles, nur nicht stink normal.Immer noch stampfte ich hin und her und beschimpfte mich. Das kam in letzter Zeit ziemlich oft vor.
Was will der eigentlich von mir? Wie oft soll ich ihm den noch sagen, dass er aufhören soll?!?! Verdammt! Wieso passiert das immer mir? Zuerst Phillip und wenn ich jetzt nicht aufpasse, dann auch noch Daniel. Wieso such ich mir immer die Falschen aus? Kann ich denn nicht einmal einem normalen netten Mann finden, den ich nicht gleich verscheuche? Bloß ein einziges Mal? Nein, ich bin ja da um von allen Seiten verarscht zu werden. So oft es geht!Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf. Versuchte gar nicht erst, das was Wahr war von dem was ich mir zusammen spinnte, zu Unterscheiden. Es schwamm alles wie das Meer, in meinem Kopf auf und ab. Immer wieder. Bis ich Daniel im Türrahmen sah.
Mit rotem Kopf sah ich ihn an und man spürte förmlich wie die Funken aus meinen Augen sprühten.
'Was ist los?', fragte er vorsichtig und kam auf mich zu.
Automatisch ging ich einen Schritt zurück.
'Was soll denn los sein?', zischte ich wütend zurück.
Ich versuchte erst gar nicht, zu verstecken dass ich wütend war. Das würde, dass ganze nur noch schlimmer machen.
'Komm schon, Lena! Was hab ich diesmal schon wieder falsch gemacht?', fragte Daniel.'Was du falsch gemacht hast? Du hast mich geküsst, verdammt noch mal!', schrie ich zurück.'Was is' denn daran bitte so schlimm? In jeder Sekunde küssen sich Menschen! Sie machen sogar schlimmeres,' keifte er zurück.
'Aber du hast mich geküsst!'
'Um Gottes Willen! Ich hab dich geküsst?!?! Wer bist du denn? Die Königin von China? Was hätte ich denn sonst tun sollen? Was machen alle normalen Menschen, wenn sie Zuneigung zueinander empfinden? Sie küssen sich, stell dir vor! Was um alles in der Welt, hätte ich sonst tun sollen? Hätte ich dich anschreien sollen, so wie du mich jetzt gerade? Ist das deine Art Menschen zu zeigen, dass du tiefere Gefühle für sie hegst? Sie anzuschreien und sie andauernd abzustoßen? So wie du es bei mir versuchst? Ist das wirklich das, was du willst? Weißt du wenn du immer so reagierst, wenn dir irgendeiner nahe kommt, dann wundere ich mich nicht wieso du so wenige Freunde hast. Geschweige denn eine feste Beziehung! Bist du zu so was überhaupt in der Lage, Lena?', schrie er mit bebender Brust.
Ich war von ihm zurück gewichen und starrte ihn ängstlich an. Mit meiner ganzen Willenskraft, die ich im Moment besaß, hielt ich meine Tränen zurück. Ein Kloß, mit dem Durchmesser einer hundert Jahre alten Eiche, bildete sich in meinem Hals. Ich schluckte merkbar und wollte gerade an ihm vorbeigehen, als er mich am Arm festhielt.
'Das war alles nicht so gemeint, Lena.', flüsterte er an mich gewandt.
Ich sah ihn nur ausdruckslos an und spürte wie mir die Tränen immer näher kamen. Stur wandte ich meinen Blick ab und versuchte mich von seinem Griff los zu machen.
'Bitte, es tut mir Leid,' flüsterte er immer noch.
Auf seinem Gesicht war eine Maske der Bedauerung zu sehen. Langsam richtete ich meinen Blick wieder auf ihn, und brachte bloß leise heraus: 'Lass mich. Bitte, Daniel,' ich sprach noch leiser als er, und in meiner Stimme konnte man ganz genau heraus hören, dass ich den Tränen nahe war und dass es mich unglaubliche Beherrschung kostete, sie nicht vor ihm fließen zu lassen.
Unregelmäßig atmend, ging ich an ihm vorbei, direkt in mein Zimmer.
Ich ließ mich in mein Bett fallen und ließ meinen Tränen freien lauf. Sie suchten sich Wege über meine Wangen und machten sich Bahnen. Mein ganzes Gesicht war tränenverschmiert. Ich war froh, in dem Moment weinen zu müssen. Denn da fühlte ich mich nicht allein. Wenigstens diese Tränen, die mir am Ende ihres Weges an meinem Kinn hinunter auf die Bettdecke tröpfelten, waren da.
Betäubt von dem Inneren Schmerz in mir, den Daniels Worte verursacht hatten, lag ich da, in meiner Bettdecke eingerollt. Ich zitterte am ganzen Körper und konnte keine Ruhe finden. Mein Atem ging immer noch nicht im Takt und mein Herz hämmerte wie behämmert. Ich schluchzte
ununterbrochen und mir fiel es schwer damit auf zuhören. Erschüttert und ohne eine einzige Träne in mir, hörte ich auf zu weinen. Völlig leer lag ich nun da und versuchte einzuschlafen.Wieso hatte er das gesagt? Ich wollte ihn gar nicht abstoßen, das war keine Absicht. Verdammt, ich hab’s schon wieder vermasselt.
Ich versuchte wieder zu weinen, meinen Tränen freien lauf zu lassen. Doch es ging nicht. Alles das ich hatte, war schon raus. Also blieb ich, außer einem Wimmer ab und zu, beinahe geräuschlos.
Nach einer kurzen Zeit hatte ich mich endgültig beruhigt und sah gebannt an die Decke. Mein Herz jedoch, hatte sich alles andere als beruhigt. Immer noch arbeitete es nicht im Takt. Jeder Schlag schmerzte. Mit einem schmerzerfüllten Herz drehte ich mich zur Seite und umarmte mich selber.
Wenn nicht jemand anderes für mich stark ist, muss ich es eben selber sein, dachte ich verzweifelt.
Oft wurde ich im Leben enttäuscht und das nicht zu guter Letzt von meiner eigenen Familie. Immer wieder hatte ich erfahren was es bedeutet, innerlich zu bluten. Doch nichts von dem allem, nichts von all den verletzenden Erinnerungen, hatte mich daran gehindert ich selbst zu bleiben.
Schon immer war mir egal gewesen, was andere von mir hielten. Alle, außer Menschen die mir am Herzen lagen. Menschen die ich liebte und von denen ich dachte, dass sie mich auch liebten. Meine Familie schloss ich da sofort aus. Meine Freunde und vor allem Bina, waren ein großer Teil von diesen Menschen. Bina war es auch die ich in diesem Moment am Meisten vermisste. Doch Bina war nicht da. Was hieß, das ich wieder mal auf mich gestellt war, wie sooft in meinem Leben.
Gedanken verloren strich ich mit meiner Hand über mein Gesicht und merkte dass es nicht mehr nass war, sondern schon getrocknet ist.
Langsam stand ich auf und sah in den Spiegel.
So sieht wohl eine verzweifelte Frau aus!
Meine Haare standen in allen Richtungen und mein Gesicht war das reinste Verbrechen, für einen Kosmetiker. Wie so oft, hielt ich mein Gesicht schief und sah mich an.Ok, Lena. Wer ist dieser Daniel schon? Gott sicher nicht! Du musst dich nicht vor ihm rechtfertigen. Soll er doch denken was er will. Du bist nicht verzweifelt! Und schon gar nicht stößt du deine Mitmenschen ab! Und du hast viele Freunde! Und könntest tausende von Beziehungen führen, wenn du bloß wollen würdest! Genau, dieser Daniel ist einfach sauer weil du ihn nicht haben willst und nicht so leicht um den Finger zu wickeln bist!In Gedanken versuchte ich mir dies einzureden und mein Kopf hatte es sogar schon verstanden und diese Sicht des Ganzen akzeptiert, doch mein Herz wusste das es nicht so war. Im Inneren meines Herzens, wusste ich das Daniel Recht hatte und dass er mich durchschaut hatte.
Mit dem Gedanken angetarnt, diese Sache zu vergessen und den Tag zu retten, machte ich mich fertig. Ich zog mich um und schminkte mich, sodass man nichts mehr von meinen Tränen erkennen konnte und dem Schmerz, den er mir hinzugefügt hatte.
Mit geschauspielerter guter Laune stolzierte ich aus meinem Zimmer und ging in die Küche. Daniel war nicht zu sehen, also machte ich mir meinen üblichen morgendlichen Kaffee.Geistesabwesend zupfte ich an meinen Haaren und fragte mich, ob ich mir nicht die Haare schneiden lassen sollte.
Seit 1 Jahren immer derselbe Haarschnitt. Is’ irgendwie auch schon langweilig.
Ich musterte mich im Fenster, wo sich mein Kopf wieder spiegelte.
Ja, ein neuer Haarschnitt könnte nicht schaden.
Während ich meinen Kaffee trank, überlegte ich eifrig was ich mit meinen Haaren alles machen könnte. Nachdem ich meinen Kaffee leer geschlürft hatte, ging ich in mein Zimmer zurück und holte meine Tasche.
Immer noch war Daniel nirgends zu sehen und ich entschließ mich im einen Zettel zu hinterlassen.

Bin in die Stadt gegangen.
Bin gegen 17:00 Uhr wieder da.
Lena

Mehr kritzelte ich in meiner Eile nicht hin. Hastig legte ich ihn auf den Küchentresen und verlies die Wohnung.

Aufgeregt über den neuen Haarschnitt, den ich in einigen Minuten verpasst bekommen würde, saß ich in meinem üblichen Frisörsalon.
Schon seit meinem Teenageralter ließ ich mich hier bei Timo frisieren. Timo war, wie man es sich schon fast denken konnte, schwul.
Ich persönlich hatte nie etwas gegen schwule. Sie sehen gut aus (meistens), pflegen sich, sind nett und begrapschen einen nicht die ganze Zeit oder starren einem in den Ausschnitt.Schlicht und ergreifend waren sie die besten Freunde einer Frau, die im Leben genug Probleme mit sexgeilen Männern hatte.
Gespannt sah ich in den Spiegel und erblickte meine nassen gelockten Haare. Sie waren ziemlich lang und gingen mir bis in die Mitte der Schulterblätter. Außerdem hatten sie einen kastanienbraunen Farbton und einen geraden gewöhnlichen Schnitt.
Wie sooft in meinen Leben ging ich immer dann zum Frisör, wenn ich irgendwelche Probleme hatte oder einfach eine schlechte Zeit. Das letzte Mal, dass ich Timo hier besucht hatte, war vor einem Jahr als der Vorfall mit Philipp und meinen Eltern passierte. Damals hatte meine Lockenpracht mir bis zum Ansatz meines Hinterns gereicht. Früher hatte ich es für einen Segen gehalten diese Locken zu haben, heute verfluchte ich sie mehr denn je. Um Philipps Willen hatte ich mir die Haare wachsen lassen. Immer wieder hatte er mir gesagt wie sehr er meine Locken an mir liebte und mir geschworen dass ich durch sie, für ihn die schönste Frau auf Erden war. Noch am selben Tag, an dem ich Philipp und meine Eltern verlassen hatte, ging ich zu Timo und ließ mir meine Locken abschneiden. Damals hatte ich sie mir bis zu den Schultern schneiden lassen und sie mir jeden einzelnen Tag seitdem geglättet, außer wenn ich mal wirklich im Stress war oder einfach zu faul war. Immer wenn ich in den Spiegel sah und meine Locken entdeckte, erinnerte ich mich an Phil und hörte seine Schwüre.
„Du hast so wunderschöne Haare, Lena, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Ich liebe dich so sehr.“
Früher schmerzte diese Erinnerung sehr. Doch jetzt in diesem Augenblick, an dem ich an seine Worte dachte, wurde mir klar dass ich nie wieder Schmerz dafür empfinden könnte. Nur Trauer. Trauer darüber, wie blind ich selbst sein konnte um ihm all das zu glauben.„Hallo, Liebling,“ holte mich Timos Stimme zurück.
Lächelnd blickte ich in den Spiegel und antwortete: „Hallo.“
Grinsend stand Timo da und fuhr mir durch die Haare. Er hatte seine Augenbrauen zusammengezogen und blickte konzentriert drein. Er inspizierte meine Locken und schüttelte ärgerlich den Kopf als er meine Enden sah. Er hatte einen guten Geschmack, was es die äußere Erscheinung eines Menschen anbelangt, weswegen ich nie Angst hatte meine Haare in seine Hände zu legen. Denn ich wusste, ich würde solange er mein Frisör ist, den Salon immer besser verlassen als ich ihn betreten hatte.
„Ach Gott, Schätzchen. Was soll ich bloß mit dir machen? Sieh dir bloß diese Enden an,“ sagte er verzweifelt und hielt mir ein paar Enden meiner Locken hin.
Ich sah in nur verständnislos an und erwiderte: „ Ich weiß nicht was du hast, Timo. Die sehen doch ganz normal aus.“
Schockiert über meine Antwort, stieß er sich mit der Hand gegen die Stirn und sagte, mehr zu sich als zu mir: „ Vater im Himmel! Sie hat gerade gesagt, dass sie doch ganz normal wären. Kleines, ich weiß echt nicht mehr was ich anstellen soll, um aus dir eine Frau zu machen.“Verzweifelt sah er mich an und meine Lippen umspielte ein Lächeln.
Von wegen zur Frau machen!
Spitz antwortete ich: „Ich bin eine Frau, Timo. Nur beschäftige ich mich lieber mit der Uni und Freunden, anstatt vor dem Spiegel zu sitzen und mir meine Enden anzuschauen und dabei frustriert zu gucken.“
„Du hast doch immer eine Antwort parat, was?“, sagte er lachend und holte seine Schere heraus.
„Na klar,“ antwortete ich lächelnd.
„Also was ist diesmal passiert, Liebling?,“ fragte er und schnitt mir zu aller erst die fransigen Enden ab, die ihn eindeutig erschütterten.
„Ach, Timo. Ich weiß langsam echt nicht mehr weiter,“ seufzte ich.
„Was ist denn los?“, sagte er und sah von seiner Arbeit kurz auf.
Ich sah ausweichend weg.
„Lass mich Raten, Kleines. Es geht um Männer?“, bohrte er, wieder an seine Arbeit gewandt.„Um einen Mann,“ sagte ich.
„Ach, so ist das. Du bist nicht zufälligerweise verlie-.“
„Nein,“ schrie ich schnell.
Timo sah mich nur amüsiert an und murmelte: „Klar und ich bin nicht schwul.“
„Nein, das ist mein ernst, Timo.“
„Komm schon, Lena. Ich bin dein Frisör! Mir kannst du es doch sagen.“
„Ich würde es dir sagen, Timo. Aber da ist nichts. Wirklich!“
„Na gut. Also was genau ist dein Problem? Die Kummerkastentante hört.“
Eine Weile lang blieb ich still, bis ich zu erzählen begann. Ich erzählte ihm von unserer ersten Begegnung und allen Vorfällen, bis hin zum heutigen Tag und den Worten die er zu mir gesagt hatte.
„…Was bildet sich dieser Typ überhaupt ein? Er kennt mich erst sein ein paar Tagen und schon fängt er an meinen Psychiater zu spielen. Und dann diese Küsse! Ich weiß nicht was ich noch machen soll, damit er endlich damit aufhört. Soll ihm doch eine andere die Palme wedeln!“
„Die Palme wedeln?“, fragte Timo belustigt und entsetzt zugleich.
„Ja, ganz genau. Die Palme wedeln. Ich werde es nämlich auf keinen Fall machen. Was denkt der sich? Steht auf meiner Stirn etwa: Hier bin ich! Wer will mich?“
Erschüttert über meine kurze Rede und ihren Argumenten, ließ er von seiner Arbeit ab.
„Woher hast du nur immer diese Begriffe?“, fragte er interessiert.
„Welche Begriffe?“
„Die Palme wedeln?“
„Ach, so das. Weiß nicht.“
Er schüttelte leicht den Kopf und widmete sich wieder seiner Arbeit.
„Also, wo ist jetzt eigentlich das Problem?“
„Wo das Problem ist? Dieser Typ ist ein schwangesteuertes Monstrum! Das ist das Problem.“„Dann mach ihm einfach eine klare Ansage.“
„Hatte ich auch vor. Einmal war ich dann auch schon fast so weit, aber dann…“
„Ahh, verstehe. Er sieht wohl ziemlich gut aus, was?“
„Wenn’s nur das wäre. Du musst mal seine Augen sehen und seine Haare. Und wie er spricht. Und dann hat er mich auch einmal getröstet. Er war so nett und so zärtlich…“
Ich seufzte bei dem Gedanken und ärgerte mich sofort wieder.
„Wirklich? Dann versteh ich nicht wieso du ihm, wie du so schön sagst, nicht die Palme wedeln willst.“
Entsetzt sah ich ihn über den Spiegel an und sagte: „ Spinnst du! Soweit kommt’s noch.“„Du solltest dich echt entscheiden, Lena. Entweder du willst ihn nicht oder doch! Niemand ist perfekt.“
„Wieso sollte ich mich entscheiden? Er wohnt nur in der nächsten Zeit statt Bina in der Wohnung. Wäre er nicht Binas Bruder, hätte ich in dahin geschickt wo die Ratten leben, in den Kanal!“
„Jetzt komm schon!“
„Wenn du willst kannst du es doch machen. Ich mach das auf keinen Fall.“
„Wenn du mir ein Bild zeigst, haben wir vielleicht einen Deal.“
„Timo!“
„Was denn?“, fragte er ein wenig beleidigt.
„Ich fass es nicht! Wir reden hier gerade darüber, wie ich es schaffen könnte diesen Typen die nächsten Wochen zu überleben und du denkst an Sex?!?!“
„Nur weil du es nicht zu schätzen weißt, wenn ein Mann sich Mühe um dich gibt, muss es ja nicht gleich heißen dass ich denselben Fehler mache.“
„Wovon redest du bitte, Timo?“
„Ach Gott, Lena. Wie alt bist du? 14? Es ist doch eindeutig, dass du ihm gefällst oder?“
„Und wieso sollte das bitte eindeutig sein?“
„Weil er sich, nachdem was du mir gesagt hast, anscheinend mühe gibt dir nah zu sein.“
„Kann ich mir nicht vorstellen,“ sagte ich stur.
„Wieso fällt es dir so schwer einmal einzusehen, dass jemand anderer dich mögen könnte, Lena?“
Ich blieb stumm.
„Weil ich mich zuerst selbst mögen muss, bevor es jemand anderer tun kann,“ antwortete ich schwach.
Es entstand eine Pause und er wusste dass ich die Wahrheit gesagt hatte. Doch ganz Timo, überspielte er bewusst meinen Ernst.
„Das ist doch nicht dein ernst oder? Du willst doch nicht auf die Sache mit deinem Vater hinaus oder?“
Still zuckte ich mit den Schultern und hoffte dadurch, dieses Gesprächsthema begraben zu haben. Doch Timo sah das anscheinend anders.
„So, Lena, du hörst mir jetzt gefälligst zu. Das was ich jetzt sage, sage ich als Freund und als jemand der dich schon ziemlich lange kennt und nicht als dein Frisör. Die Sache mit deinen Eltern ist nicht deine Schuld. Und die Sache mit Phil, diesem dummen Etwas, ist erst recht nicht deine Schuld. Du bist das Opfer, Lena. Sie es einfach einmal in deinem Leben ein, dass du verletzt worden bist und nicht Schuld daran warst. Ich weiß das ist schwer für dich, und hättest du nicht so einen starken Charakter wärst du schon längst ein Wrack, aber versuch es einzusehen. Du bist ein wundervoller Mensch mit einer sehr starken Persönlichkeit und ich kenne keinen Menschen, der es mehr als du verdient hätte glücklich zu werden. Erst Recht, nach dem was dir widerfahren ist.“
Dankend sah ich ihn wieder durch den Spiegel an und antwortete: „ Danke. Und ich weiß dass du Recht hast. Aber ich brauch einfach Zeit.“
„Und das kann dir niemand verübeln, Liebling. Du hast alle Zeit der Welt.“
„Ja,“ antwortete ich schlicht und lächelte.
Ich hatte Zeit.
„So fertig, Kleines. Also was sagst du?“.
Lächelnd sah er mich an und ich hatte total vergessen, dass er die ganzen Zeit an meinen Haaren herumgeschnipselt hat.
Überrascht sah ich meine Haare an und erkannte die drastische Veränderung.
Meine Haare hatten ihre Länge behalten jedoch einen Stufenschnitt bekommen und meine Haardichte war um einiges dünner als vorher. Außerdem hatte ich nun senkrechte Stirnfransen, die nicht zu kurz waren.
„Es sieht wunderbar aus, nicht? Ich mach dir noch Strähnchen rein. Nicht überall und in großen Abständen und ohne jedes System. So hellbraun, also ein auf jeden Fall ein helleres als deins, sodass man es bei der Sonne schön sehen kann. Was hältst du davon?“
„Alles was du willst.“
Begeistert über meine Haare, schaute ich Timo dabei zu.
Nach einer weiteren halben Stunde war ich fertig. Timo hatte meine Locken nicht geföhnt, sondern sie trocknen lassen und war jetzt gerade dabei sie zu richten.
Das Ergebnis war wunderschön. Meine Haare fielen mir in Locken runter, die man sehen konnte und die Strähnchen sahen sehr gut aus. Der stufige Schnitt war zu bemerken und meine Haare sahen um einiges dünner aus.
Alles in allem, sah die Frisur besser als zuvor aus. Viel besser.
„Und was sagst du?“, fragte Timo neugierig.
„Du bist der Beste. Das sieht einfach super aus.“
„Ich weiß. Also, Liebling, was deinen Typen angeht. Lass es einfach auf die zukommen und fertig. Und mach dir nicht immer so viele Sorgen ja?“
„Ok, werd ich machen, Timo.“
Ich stand auf und umarmte Timo.
„Und besuch mich mal, ok?“
„Ja, versprochen. Machs gut!“
„Ja, du auch!“
Ich ließ ihn los, bezahlte und verließ den Salon.
Glücklich wanderte ich die Straßen entlang, bis in meine Wohnung.

Gut gelaunt öffnete ich die Wohnungstür und trat ein.
„Hallo? Is’ wer da?“, schrie ich durch die Wohnung.

Fortsetzung folgt, Glg Sani







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