Der Geiger von Dunrobin Castle Teil 9

Autor: Kati
veröffentlicht am: 25.01.2008




'Was im Ernst?!'
Alle begannen ihre Sachen zu kontrollieren und auch Basti prüfte alles sorgfältig. Plötzlich fiel ihm auf, dass seine Medikamente verschwunden waren.
Eine innere Unruhe stieg in ihm auf. Jetzt hieß es auf jeden Fall vorsichtig sein. Nichts ansehen, was irgendwie einen Anfall auslöste. Eigentlich musste er auch seine Tabletten nehmen. Doch nicht nur die Tropfen, sondern auch die Tabletten waren weg. Entsetzt kniete er sich hin und überblickte den Strand. Niemand sah in irgendeiner Weise verdächtig aus und so ließ er enttäuscht den Kopf sinken.
'Fehlt bei jemandem was? Also bei mir ist noch alles da.'
'Bei mir auch!' antwortete Isa.
'Ja, bei mir ist auch alles in Ordnung. Und bei dir? Basti? Basti???'
'M-meine Medikamente sind weg.'
'Was?!'
Tyler sprang auf und blickte sich nach einer verdächtigen Person um. Schließlich kniete er sich neben Basti.
'Was sind das denn für welche?'
'Gegen meine Epilepsie. Sie sind wirklich wichtig. Ich muss gleich eine Tablette nehmen. Der Plan darf sich nicht verschieben!'
'Du bist Epileptiker?'
Leicht nickte Basti ihm zu.
'Schlimm?'
Wieder ein Nicken.
'Dann gehen wir jetzt besser erstmal zurück ins Schloss. Nicht, dass die Sonne einen Anfall auslöst. Mach dir mal keine Gedanken. Ich will später Arzt werden und arbeite ehrenamtlich bei den Sanitätern, wenn Ferien sind.'
Sie packten alle ihre Sachen zusammen und liefen zurück zum Schloss.
Auf dem Weg stellte Tyler ihm ein paar Fragen.
'Hast du noch eine Ersatzpackung in deinem Zimmer?'
'Nein, meine Eltern meinten, dass es eine Schulärztin gäbe, die die mir auch geben könnte.''Wer ist denn so blöd und klaut Medikamente, lässt aber Handy´s, Geld und Uhren zurück?'Isa und Anni blickten sich an. Einstimmig bekam Tyler seine Antwort.
'Charly!'
'Was denn? Dieser kleine Spinner von vorhin?' fragend blickte er Basti an.
Der nickte und senkte den Kopf. Schon allein bei dem Gedanken, dass er einen Anfall bekommt und ihm niemand helfen kann, stieg eine unermessliche Angst in ihm auf. Schließlich erreichten sie das Schloss und baten sofort um einen Termin bei Miss Anderson, der Schulärztin. Nach ein paar Minuten öffnete sich eine Tür und alle wurden von ihr herein gebeten.
'So, um was geht es denn?'
Verstohlen und beschämt über seine eigene Dummheit blickte Basti zum Fenster heraus.'Wir waren am See,' begann Anni das Geschehene zu schildern. 'dann sind wir ins Wasser gegangen und als wir wieder an unseren Platz kamen, bemerkten wir, dass jemand an unseren Klamotten war.'
'Also wenn euch etwas geklaut wurde, bin ich nicht die richtige Ansprechpartnerin. Soll ich Miss Arnold informieren?'
'Nein warten Sie!' Tyler sprang kurz auf, setzte sich aber gleich wieder.
'Man hat Basti seine Medikamente aus dem Rucksack geklaut. Sie sind wichtig.'
'Oh!' Sie blickte ihn an und bemerkte rasch, dass er eigentlich nur körperlich anwesend war.'Sebastian?'
'Hmm?'
'Sebastian also... Was für Medikamente nimmst du denn?'
'Diazepam und Lamotrigin.'
'Ach, dann bist du der Junge mit der Epilepsie? Miss Arnold hatte mich schon darüber in Kenntnis gesetzt. Nun, dass du gleich am zweiten Tag Medikamente brauchst, hatte ich nicht ahnen können. Ich muss auch ehrlich gestehen, dass ich sie noch nicht hier habe. Allerdings kann ich es ja austauschen.'
'Ich glaube, dass ist keine so gute Idee. Ich bin mit meiner Medikation recht gut zu recht gekommen, bisher.'
'Das ist doch nur für den Übergang. Wenn die neuen Medikamente da sind, bekommst du natürlich wieder das, was du sonst auch bekommen hast.'
Sie drehte sich um und durchstöberte in ihrem Medikamentenschrank die Regale. Schließlich wurde sie fündig und drückte ihm etwas anderes in die Hand.
'Davon nimmst du zwei mal täglich eine und das hier ist zur Akutbehandlung. Zehn Tropfen sollten da genügen.'
'Na gut.'
Nicht wirklich begeistert nahm er die Medikamente entgegen und stand auf.
'Wann soll ich denn die anderen Tabletten holen?'
'Die sollten Morgen Nachmittag da sein. Komm einfach nach dem Unterricht zu mir.'
'Ist gut.'
Schließlich verließen alle das kleine Sprechzimmer und klopften ihm auf die Schulter.
'Das ist doch nur bis morgen. Mach dir deswegen keine Sorgen, Basti.'
Kurz zog dieser die Augenbrauen zusammen und blickte Tyler an.
'Ich hatte die hier schon mal. Die helfen nicht mal halb so gut, wie meine.'
'Das wird schon gehen. Schone dich einfach ein bisschen und gut.'
'Dann gehe ich jetzt auf mein Zimmer.'
'Und was machen wir?'
Basti lief los und ließ die anderen hinter sich zurück. Anni blickte ihm nach.
'Irgendwie tut er mir schon Leid. Da ist er nun schon so krank und Charly, dieser Idiot klaut ihm auch noch die Medikamente.'
'Naja, wir wissen ja nicht, ob er es war.' stellte Isa fest und runzelte die Stirn.
'Stimmt!' bekräftigte Tyler ihre Aussage. 'Wenn jemand spitz gekriegt hat, dass er solche Medikamente nimmt, dann waren es vielleicht auch irgendwelche Drogenheinos, die meinen, sich mit dem Zeug die Birne zu dröhnen zu müssen.'
'Hmm...' Unschlüssig schlürfte Anni mit dem Fuß über den Boden.
'Er hockt jetzt ganz allein da oben. Wollen wir nicht lieber zu ihm gehen?'
'Und diesen herrlichen Tag im Schloss auf unseren Zimmern verbringen? Bist du verrückt?!'Wie Isa ihren Satz ausgesprochen hatte, erntete sie von Tyler einen missbilligenden Blick und auch Anni war über diese Aussage nicht gerade begeistert.
'Also, ihr könnt ja zurück zum See gehen. Ich gehe hoch. Bis später.'
'Aber Anni...'
Doch die hatte sich schon über das Geländer geschwungen und rannte die Treppen hoch. Plötzlich kam ihr Charly entgegen und lachte so merkwürdig. Ein ungutes Gefühl beschlich sie und veranlasste sie dazu, noch schneller zu laufen. Hastig riss sie Basti´s Zimmertür auf und erblickte ihn, wie er sich gerade wieder aufrichtete.
'Hey Basti? Was ist los?'
'Nichts, alles ist in Ordnung.'
'Du siehst blass aus? Was ist denn los?'
'Es ist nichts!' giftete er kleinlaut.
'Tyler!' Anni rannte zur Tür und brüllte durch das gesamte Schloss. 'Tyler komm schnell! Mit Basti stimmt was nicht!'
Hastig kamen nun auch Isa und er die Treppen hoch gelaufen und stürmten in sein Zimmer.'Was ist los?'
'Ich weiß nicht. Er sagt es mir nicht.'
'Geht mal beide raus.'
'Aber...'
'Los, jetzt geht schon.'
Enttäuscht schlossen die Mädchen die Tür und Tyler blickte zu Basti.
'Also, schieß los. Was ist los?'
'Es ist nichts!' Schmerzerfüllt rieb er sich den Hinterkopf.
'Zeig mal her.'
Mit sanfter Gewalt warf er Basti auf das Bett und blickte auf seinen Kopf. Da wuchs inzwischen schon eine große Beule heran.
'Was hast du denn gemacht? Hast du dich gestoßen?'
Doch er erhielt keine Antwort. Als er Basti ins Gesicht schaute, stellte er verblüfft fest, dass er einfach eingeschlafen war. Er stand wieder auf und öffnete die Tür.
'Und? Was hat er?'
'Keine Ahnung. Er schläft.'
'Hä?! Der war doch eben noch hellwach?!'
Anni drückte die Tür auf und entdeckte ihn, wie er schlummernd auf dem Bett lag.'Wie kann man denn einfach so einschlafen?' Ungläubig blickte Isa in sein Zimmer.'Ich weiß es auch nicht.'
'Charly kam mir auf der Treppe entgegen und hat total doof gegrinst. Vielleicht hat er ihn vergiftet oder so?'
'Na, nun mal den Teufel mal nicht an die Wand.'
Tyler zwinkerte ihr zu und Anni zuckte ratlos mit den Schultern. Schließlich warf sie ihren Rucksack auf den Boden und setzte sich neben sein Bett.
'Also ich weiß ja nicht, was ihr jetzt macht, aber ich für meine Begriffe bleibe bei ihm und warte, bis er wieder aufwacht. Und wenn er mir dann immer noch nicht sagt, was los ist, dann kitzle ich ihn so lange, bis er keine Luft mehr kriegt.'
Anni verschränkte die Arme und zog einen Schmollmund.
'Dann lass uns auch hier bleiben Isa. Ich hab noch ein nettes Spiel, das könnten wir spielen. Na? Was sagst du?'
Isa runzelte die Stirn.
'Also gut.'
Sie warf ihren Rucksack neben den von Anni und setzte sich zu ihr.
'Dann gehe ich schnell in mein Zimmer und hole das Spiel. Nicht weg laufen.'
Er grinste breit und schloss dann die Tür hinter sich.
'Ist er nicht süß?'
Isa´s Augen glänzten.
'Bist ja richtig verschossen, was?'
'Und wie.'
'Und wie willst du ihn für dich gewinnen?'
'Keine Ahnung. Vielleicht mag er mich ja gar nicht. So, wie er mich vorhin angesehen hat...'
'Na du hast aber auch echt einen saublöden Spruch abgelassen.'
'Na was denn? Hockst du bei so einem Wetter etwa gerne freiwillig im Schloss?'
Anni´s Blick raste zu Basti und wieder zurück zu Isa.
'Sorry. Du scheinst aber auch etwas an ihm zu finden, was?'
'Er ist lieb. Nicht so ein Proll, wie Marc. Als ich die Nachricht erhielt, in der das mit der Melissa stand, war er für mich da. Er hat nicht irgendwelche blöde Fragen gestellt, sondern einfach nur neben mir gesessen.'
'Also warst du gestern wirklich bei ihm?'
'Hmm...'
'Habt ihr euch geküsst?'
'Was? Nein! Hallo?! Marc hat gerade erst mit mir Schluss gemacht. Ich bin doch keine Schlampe.'
Sachte strich sie mit ihrem Finger über seine Hand. Seine Augen rasten unter seinen Lidern immer wieder von links nach rechts und zurück.
'Meine Mutter hat mir mal erzählt, wenn jemand bei schlafen so doll die Augen bewegt, dann träumt derjenige gerade etwas.' murmelte Anni vor sich hin.
'Mach dir doch nicht solche Sorgen. Wenn wirklich was ist, dann haben wir doch Tyler, der kann ihm dann helfen.'
'Schon... Sag mal, wie lange steigst du dem eigentlich schon hinterher? Zwei Jahre?'
'So ziemlich?'
Isa lehnte sich nach hinten und starrte an die Decke.
'Aber bisher war er ja vergeben. Vielleicht habe ich ja auch mal Glück und er fängt was mit mir an.'
'Ihr wart schon so häufig alleine unterwegs, du kannst mir nicht erzählen, dass da noch nichts gelaufen ist?'
'Aber wenn ich es dir doch sage! Ich schwöre, dass da noch nie etwas war. Leider...'
Plötzlich ging die Tür auf und Tyler betrat den Raum. In den Händen hielt er zwei Schachteln und wieder grinste er breit.
'Ich schlage vor, wir spielen zuerst eine Runde Karten und wenn unser Dornröschen dann aufgewacht ist, spielen wir das andere Spiel. Das macht zu viert nämlich mehr Spaß.''Ist gut.'
'Ok.'
Nachdem Tyler die Karten verteilt hatte, spielten sie drauf los. Nach einer Stunde warf sich Anni gelangweilt nach hinten und starrte an die Decke. Es war gerade mal kurz nach halb zwei und eigentlich war es wirklich viel zu schön draußen, um im Schloss zu hocken. Schließlich könnte man ja noch einmal versuchen Basti zu wecken.
Zart strich sie ihm durch das Gesicht und es zeigte Wirkung. Langsam schlug er seine Augen auf und blickte alle verschlafen an.
'Na Dornröschen? Bist du aus deinem hundertjährigen Schlaf erwacht?'
Tyler grinste ihn breit an und auch Anni und Isa lächelten ihm entgegen. Es war gerade der zweite Tag und schon veränderte sich sein Leben komplett. Er hatte plötzlich drei Freunde, die sich scheinbar um ihn sorgten. Schließlich stand er auf und streckte sich müde.
'Was war denn los mit dir, Basti? Du bist einfach eingepennt.'
'Ah ja?'
Ungläubig blickte er allen ins Gesicht. Plötzlich hatte Tyler einen Geistesblitz und kniff die Augen zusammen.
'Kann es sein, dass du einen Anfall hattest?'
'Wa...?! Nein, ich... es war nicht so...'
'Hmm...' Immer noch blickte er Basti prüfend an. So recht mochte er seine Antwort nicht glauben.
'Es stimmt, wirklich. Es ist alles ok. Ich hatte keinen Anfall und es geht mir gut. Basta.'Basti lief durch sein Zimmer und entschloss sich kurzerhand ins Bad einzuschließen. Nach Minutenlangem Rufen und klopfen, gaben schließlich alle auf und zogen ab. Er saß auf dem Klodeckel und weinte stille Tränen. Natürlich hatte er einen Anfall gehabt Und wie gerne hätte er es in die Welt hinaus geschrien, wer ihm das angetan hatte. Und noch immer brummte sein Kopf, von dem derben Aufschlag auf die Bettkante. Er war so wütend auf sich selber. Wieso hatte er nicht ab und zu nach seinem Rucksack geschaut? Dann wäre ihm sicher auch aufgefallen, dass sich jemand daran zu schaffen gemacht hat. Und seine Medikamente wären dann auch noch da. So war er Charly hilflos ausgeliefert, als dieser plötzlich in seinem Zimmer stand und mit einer Taschenlampe in seine Augen leuchtete. Nur ein paar Mal musste er mit ihr hin und her wackeln und schon lag er wie ein strampelndes Baby am Boden. Doch was wollte Charly damit erreichen? Irgendwie war ihm das nicht so richtig klar.
Er ahnte ja nicht, was ihm am nächsten Tag erwartete. Schon im Speisesaal blickten ihn wieder mal alle komisch an und tuschelten. An seinem Tisch war alles wie gewohnt. Anni und Isa redeten ganz normal mit ihm und lachten. Sogar Tyler hatte sich zu ihnen gesetzt und lachte herzhaft mit. Doch die anderen benahmen sich irgendwie merkwürdig. Nachdem sie die ersten vier Stunden geschafft hatten, klingelte es zur großen Pause und alles stürmte auf den Pausenhof. Und dort traf die vier fast der Schlag. Überall flogen Flugblätter herum. Basti bückte sich und sammelte eines auf.
'Neuerdings werden psychisch kranke Freaks in die Schule gelassen' stand als dicke Überschrift auf dem Zettel. Basti stockte der Atem, als er das Foto darunter entdeckte. Es zeigte ihn selber, in seinem Zimmer, wie er am Boden liegt, den Schaum vor dem Mund, die Augen wild verdreht. Alle gafften ihn an und tuschelten. Unter dem Bild noch ein Text der besagte: 'Nehmt euch in Acht. Er ist gefährlich!' Anni riss ihm den Zettel aus der Hand und blickte entgeistert auf das Foto und dann zu ihm, dann wieder auf das Foto und wieder zu ihm. So ging das eine ganze Weile, bis er sich plötzlich aus seiner Steifheit löste und ins Schloss zurück stürmte.
'Basti! Basti warte!'
Tyler lief ihm nach und schon bald waren beide verschwunden.
Geschockt blickten Anni und Isa noch immer auf den Flugzettel. Auf einmal kam ihnen Charly breit grinsend entgegen.
'Na ihr zwei? Alles klar?'
Als aller erstes klatschte Anni ihm eine.
'Du widerliches Objekt! Ich verabscheue dich und alle die, die mitgemacht haben! Hast du überhaupt eine Ahnung, was du ihm da antust?! Er ist krank und dafür kann er nichts!''Ich habe doch gar nichts gemacht...' Er verdrehte die Augen und blickte nun Isa fragend an.Auch sie knallte ihm erstmal eine.
'Du bist das Letzte! Ich ekle mich regelrecht vor dir.'
'Stellt euch nicht so an. Einen kleinen Dämpfer wird er ja wohl vertragen können.'
Wieder klatschte es.
'Charles Foreman! Du bist ein niederes Subjekt!'
Meggan stand vor ihm und stützte mal wieder ihre Hände in die Taille, so, wie sie es immer tat, wenn sie sich aufregte.
'Ihr habt ja alle einen Schaden! Aber bitte, wenn ihr euch von ihm totschlagen lassen wollt, wenn er mal wieder einen Ausraster kriegt bitte. Ich habe gestern bemerkt, wie doll so was weh tut.'
'Wie meinst du das?'
Anni blickte auf die angezeigte Richtung. Sein Bein war blau und dick angeschwollen.'Woher hast du das?'
'Na woher wohl! Von deinem Freak!'
'Das würde er niemals machen!'
'Ah ja? Gestern hat er es aber gemacht, als er am Boden lag und spastisch durch die Kante gehüpft ist...'
Anni spukte Charly mitten ins Gesicht und drehte ab. Was hatte er Basti nur angetan? Und warum, verdammt nochmal, redete er nicht mit ihr darüber?! Sie waren doch jetzt Freunde? Warum also, sagte er nichts? Während Anni schon im Schloss verschwunden war, blickte Isa zu Charly, der sich die Spuke aus dem Gesicht wischte.
'Wo sind seine Medikamente?'
'Das werde ich dir gerade sagen!'
'Du hirnloser Spast! So ein Anfall kann lebensgefährlich sein! Gib sie schon her.'
'Leck mich.'
Charly drehte ab und murmelte etwas vor sich hin. Irgendwie hatte er sich die Reaktion von Anni anders vorgestellt. Vielleicht musste er ihr erst mal zeigen, was für ein Monster aus Sebastian werden konnte, wenn er die Beherrschung verlor.

'Hey! Das wird schon wieder! Beruhig dich.'
'Du verstehst das nicht! Ich bin kein Freak! Ich bin krank, ok. Aber deswegen bin ich doch kein Freak?!'
'Nein das bist du nicht.'
'Aber alle werden das von mir denken.'
'Ach nun. Das gibt sich schon wieder.'
'Tyler. Du hast doch keine Ahnung! Du hast schon immer dazu gehört! Du bist beliebt. Und ich? Ich bin der Neue. Der Freak, der alles kurz und klein schlägt, wenn er einen Anfall kriegt!'
'Das stimmt doch so gar nicht!'
Die beiden saßen auf Basti´s Bett, als Anni an die Tür klopfte und um Einlass bat.
'Willst du sie sehen?'
'Nein.'
'Anni, komm später wieder. Jetzt ist es gerade schlecht.'
'Basti! Bitte mach die Tür auf! Bitte!'
Wie angestochen sprang er auf und schloss sich wieder im Badezimmer ein. Tyler schüttelte den Kopf und öffnete seine Zimmertür.
'Wo ist er?'
'Im Bad.'
'Oh nicht doch!'
Anni trat ins Zimmer und Tyler schloss die Tür von außen. Zaghaft klopfte sie an die Badezimmertür.
'Basti?'
'Geh weg. Ich möchte meine Ruhe haben.'
'Können wir nicht wenigstens zusammen unsere Ruhe haben?'
'Ich möchte lieber allein sein.'
'Wir könnten reden.'
'Ich mag aber nicht reden.'
'Dann setzen wir uns eben auf deinen Balkon und schweigen. Weißt du? So, wie wir es das letzte Mal gemacht haben?'
'...'
'Gut, dann bleib du da drin. Ich erzähle dir derweil etwas.'
Plötzlich klickte das Schloss und die Tür ging auf. Anni blickte in seine roten Augen, die gerade eben noch bittere Tränen geweint hatten.
Sie setzten sich auf den Balkon und genossen den Schatten. Kurz überlegte Anni, ob sie es ihm erzählen sollte, doch dann sprudelte es schon aus ihr heraus.
'Marc hat mich angerufen. Am Montag.'
Basti nickte, als Zeichen, dass er ihr zuhörte und zog an seiner Zigarette.
'Wir wollten uns aussprechen. Er sagte, dass er eine Freundin hatte, schon als wir uns kennen lernten. Sie steckten wohl gerade in einer Beziehungskrise und deswegen hatten sie vereinbart, dass sich jeder für eine bestimmte Zeit einen anderen Partner aussuchen durfte. Tja, seine Zeit ist abgelaufen und deswegen hat er mich in den Wind geschossen. Als ich ihm dann sagte, dass ich das scheiße von ihm finde, wurde er ausfällig und beschimpfte mich. Er meinte, ich wäre frigide und total verklemmt. Ich habe die halbe Nacht geheult und überlegt, was ich machen soll. Irgendwann bin ich dann eingeschlafen.'
'Warum bist du nicht zu mir gekommen?'
'Ich weiß nicht. Irgendwie hielt mich etwas davon ab. Frag mich nicht, was. Ich weiß es selber nicht.'
'Wenn du traurig bist, kannst du immer zu mir kommen.'
'Danke. Aber warum sollte ich das Angebot annehmen?'
Irritiert blickte er sie plötzlich an.
'Du kommst ja auch nicht zu mir, wenn du Sorgen hast?'
Er verstand und nickte sachte. Schließlich holte er tief Luft.
'Charly war gestern bei mir im Zimmer.'
'Was wollte der denn?'
'Er hatte eine Taschenlampe in der Hand und fuchtelte wild damit herum. Immer und immer wieder hat er mir das Licht in die Augen strahlen lassen. Plötzlich wurde mir übel und ich verlor das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, war er verschwunden und ich lag am Boden. Ich habe mir schnell den Mund abgewischt und versuchte auf zu stehen. Mein Kopf tat so weh. Wahrscheinlich bin ich irgendwo angeeckt. Na jedenfalls vermute ich mal, dass er mich fotografiert hat, als ich bewusstlos war.'
'Dieser Arsch!'
Anni ballte ihre Hände zu Fäusten und ihr Blick ließ bereits erahnen, welche Wut in ihr hoch kochte. Dafür würde er büßen. Sie würde sich schon etwas einfallen lassen. In diesem Moment ahnte sie ja nicht, dass ihr das Schicksal dabei behilflich sein würde.
'Wir verpassen glaube ich gerade den Unterricht.' stellte Basti plötzlich fest.
'Stimmt.' Genüsslich zog Anni an ihrer Zigarette und lächelte etwas. 'Ist aber nur Deutsch. Nicht so wichtig. Wir sind der deutschen Sprache mächtig, also brauchen wir uns deswegen keine Sorgen machen.'
'Und danach?'
'Danach haben wir Wahlpflichtkurs. Kommst du denn nun mit?'
'Theater, hmm?'
'Genau. Also?'
'Ich werde es mir einmal ansehen. Aber ich kann dir nichts versprechen. Noch nicht.''Schon gut, aber ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird.'
'Wann müssen wir denn los?'
'In zwanzig Minuten klingelt es zur Pause. Dann müssen wir auch los.'
Eine seichte Brise wehte über den Balkon und ließ Anni´s Haare ein wenig fliegen.
Verstohlen blickte Basti zu ihr herüber und beobachtete die Strähnen, wie sie sich im Wind hin und her bewegten.
'Ich hasse meine Haare.' stellte Anni fest, als sie merkte, dass er sie anblickte. 'Sie sind wirklich schrecklich und manchmal kaum zu bändigen. Ich wünschte, sie wären so glatt, wie die von Isa.'
'Hmm...'
'Findest du nicht auch?'
'Nein eigentlich gefallen sie mir so, wie sie sind. Ich mag Locken.'
'Echt?'
'Hmm...'
'Na ich weiß nicht.'
'Ich habe mich gestern übrigens mit Tyler unterhalten. Wegen Isa.'
'Ach was? Und? Was hat er gesagt?'
'Er mag sie. Aber manchmal dreht sie etwas ab und das mag er nicht.'
'Oh ja, das habe ich ihr auch schon gesagt, aber jedesmal, wenn sie ihn sieht, vergisst sie alle guten Vorsätze.'
'...'
'Findest du, dass sie kindisch ist?'
'Naja, manchmal schon. Aber mich stört das nicht. Ich bin nicht der Mensch, der bei anderen die Fehler sucht.'
'Und was ist mit mir?'
'Was soll mit dir sein?'
'Naja, findest du mich kindisch?'
'Nein.'
'Weißt du, als ich dich am ersten Tag gesehen und kennen gelernt habe, dachte ich wirklich, dass du diese Schüchternheit spielst.'
'Warum sollte ich das machen?'
'Keine Ahnung. Ich bin es eben nicht gewöhnt, mit schüchternen Menschen um zu gehen. Ich habe niemandem in meinem Freundeskreis, der so ist wie du.'
'Wie bin ich denn?'
Plötzlich stieg Anni die Röte ins Gesicht. Ja, wie war er denn? Nett? Fragt dich jemand, wie sein neues Outfit aussieht und du antwortest mit nett, dann heißt das so viel, wie scheiße. Er war etwas besonderes. Aber selbst das klang zweideutig.
'Naja, du bist eben... unbeschreiblich. Du bist, du bist eben mein Basti.'







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