Der Geiger von Dunrobin Castle Teil 6

Autor: Kati
veröffentlicht am: 19.01.2008




Beherzt schlug er sich in den Schritt und sank auf sein Bett, als plötzlich auch schon die Tür auf sprang und Anni mit zwei Bechern und Löffeln in der Hand eintrat.
'Was magst du lieber? Erdbeere Rhabarber oder Joghurt Waldfrucht?'
'Joghurt!' stöhnte er ihr schmerzerfüllt entgegen. Selber schuld, wenn man sich nicht unter Kontrolle hatte!
'Was ist denn? Hast du Schmerzen?'
Und wie!!!
'Ich habe mich etwas ungeschickt gestoßen.'
'Auweia!'
Besorgt blickte sie ihn an.
'Es geht schon wieder.'
'Hier, halt das mal da drauf.'
Und schon drückte sie ihm sein Eis in den Schritt. Die Kälte zog direkt aus dem Becher durch seinen Bademantel. Erleichtert atmete er auf und sie setzte sich neben ihn.
'Dich kann man wohl nicht alleine lassen was?'
'Ich bin eben ein Tollpatsch.'
'Ach na komm. So schlimm ist es nun auch nicht. Sieh dir mal Treckerfresse und ihre Alienfreunde an. Das sind ja wohl mal richtige Freaks.'
'Wieso nennt ihr sie eigentlich Treckerfresse?'
'Ach, das hat hier schon Tradition. Die heißt schon ewig so.'
'Ja, aber warum?'
Anni öffnete den Deckel von ihrem Eis und steckte den Löffel rein.
'Naja irgendwann meinte mal einer, sie hätte Schneeketten im Mund, weiter ging es mit Panzerketten und irgendwann fiel dann das Wort Treckerfresse.'
'Das heißt also, dass ich immer Heimwehkind heißen werde?' Bestürzt blickte er auf das Eis, das er in den Händen hielt.
'Ach was. Das ändert sich bestimmt nochmal. Meggan rief man am Anfang auch erst Meggie und erst, als sie diese Zahnklammer bekommen hat, nannte man sie Treckerfresse.'
'Das beruhigt mich aber kein bisschen.' Traurig zog er seine Augenbrauen in die Höhe und starrte auf den Boden. Plötzlich hielt Anni ihm ihren Löffel mit Eis vor die Nase.
'Mach Ah!'
'Ah!'
'So ist es brav. Und? Schmeckt?'
Er nickte ihr zu und öffnete nun endlich auch seinen Becher mit Eis. Er hatte es so lange in den Händen gehalten, dass es am Rand schon geschmolzen war.
'Ui! Mit Fruchtstücken!'
'Magst du das?'
'Hmm...'
Seine Augen begannen zu leuchten, als er sich den ersten Löffel in den Mund steckte.'Wie kommt es eigentlich, dass du auf diese Schule hier kommst?'
'Naja, es war schon etwas merkwürdig.'
'Ich finde, du passt hier nicht her. Hier sind alle irgendwie total durch den Wind und haben eine Macke. Nur du nicht?'
'Das war der Grund warum ich hier her musste. Mein Stiefvater meinte, ich wäre schwer erziehbar und mir würde Dunrobin Castle gut tun.'
'Dann bist du zu Hause also anders, als hier?'
'Nein, eigentlich nicht. Ich räume mein Zimmer auf, höre, wenn man mir etwas sagt und auch sonst gebe ich mir Mühe allen Anforderungen gerecht zu werden. Und genau das war auch das Problem. Mein Stiefvater meinte, dass das nicht normal wäre. Und nachdem er lange genug auf meine Mutter eingeredet hat, stimmte diese schließlich zu, mich hier her zu schicken.'
'Klingt ja übel.'
'Naja, ich mag ihn nicht besonders, aber ich war nie unhöflich oder so.'
'Na, vielleicht hättest du es sein sollen? Dann wärst du jetzt nicht hier.'
'Spielt doch eigentlich keine Rolle, wo ich bin. Ich war schon immer ein Außenseiter und werde es auch immer bleiben.'
'Ach was. Das ändert sich hier bestimmt bald.'
Anni ließ ihren Blick durch sein Zimmer streifen und plötzlich entdeckte sie seinen Geigenkasten, den er auf dem Schrank verstaut hatte.
'Sag mal. Spielst du eigentlich schon lange Geige?'
'Seit ich fünf bin.'
'Wahnsinn. Dann kannst du das ja sicher richtig gut oder?'
'Ich weiß nicht. Ich kann mich immer sehr schlecht selber beurteilen.'
'Spielst du mir etwas vor?'
'Was? Jetzt?'
'Warum nicht?'
Zögernd schüttelte er mit dem Kopf.
'Ich weiß nicht, die Geige ist ziemlich laut, selbst, wenn ich nur ganz leise spiele. Nicht, dass das Ärger gibt.'
'Blödsinn. Treckerfresse spielt fast jeden Abend auf ihrer dämlichen Flöte! Und zwar jeden Tag das gleiche Lied. Deswegen können es die anderen nämlich schon nicht mehr hören und sind dir sicher dankbar, wenn mal etwas anderes gespielt wird.'
'Hmm... Ich weiß nicht so recht.'
'Bitte!'
Mit großen, flehenden Augen blickte sie ihn an. Er sollte ja kein Konzert geben, sondern nur einen kleinen Ausschnitt davon wiedergeben. Anni stand eh nicht auf klassische Musik. Zu schmalzig und fad. Aber wenn er auch nur halb so begnadet Geige spielen würde, wie er es am Klavier tat, dann musste er wirklich gut sein. Sebastian stand auf und holte den Geigenkasten vom Schrank herunter. Nachdem er die Schnallen gelöst und den Deckel geöffnet hatte, kam eine weiße Geige zum Vorschein. Sie reflektierte das Licht in sämtliche Richtungen und der Bogen war mit Perlmutt besetzt.
'Wow! Die sieht aber toll aus!'
'Findest du?'
'Na aber hallo!'
'Danke. Die ist auch von meinem Vater.'
'Ein richtiges Schmuckstück. Na dann leg mal los. Musst ja nicht ein ellenlanges Stück spielen.'
'Ich spiele das, was du dir wünschst. Ich kann so ziemlich alles auch ohne Noten.'
Ich kenne mich in klassischer Musik leider gar nicht aus, also such dir einfach was aus und ich höre zu.'
'Ich spiele keine klassische Musik.'
'Ah! Und was sonst?'
'Alles Mögliche. Sag mir einen Song, den du magst und ich spiele ihn.'
'Ok. Äh... Dann spiel mir doch mal das Stück aus The Phantom of the Opera, was du heute in Musik auf dem Klavier gespielt hast, ja?'
'Wenn du das möchtest?'
Eifrig nickte sie ihm zu.
Sebastian spannte den Bogen und setzte die Geige an. Schon bei den ersten Tönen lief Anni ein wohliger Schauer über den Rücken. So, wie es ihr immer erging, wenn sie 'ihr' Stück hörte. Fasziniert blickte sie ihn an, wie er da vor ihr stand und gnadenlos gut auf seiner weißen Geige spielte. Schließlich stimmte sie ihren Text mit ein und sang munter drauf los. Ein Lächeln rauschte durch Sebastians Gesicht und er spielte etwas leiser weiter. Eigentlich war es ein Bild für die Götter, wie die beiden da so standen und spielten und sangen. Beide im Bademantel, Sebastian mit nassen Haaren und Anni mit Handtuchturban.
Nach ihrer kleinen Aufführung blickten sich beide an.
'Du spielst wirklich wahnsinnig schön, Basti.'
'Danke, aber du singst auch echt toll.'
'Kannst du auch singen?'
'Naja, ein bisschen.'
'Warum kommst du am Mittwoch nicht einfach mal mit in die Theatergruppe? Wir können immer gute Leute gebrauchen. Sei es musikalischer oder schauspielerischer Natur.'
'Ich weiß nicht, das liegt mir nicht so.'
'Hast du es denn schon mal versucht?'
Zaghaft schüttelte er den Kopf.
'Na siehst du. Also, kommst du mit oder nicht?'
'I-ich kann es mir ja mal ansehen.'
'Du musst dich eh für eine Gruppe entscheiden.'
'Was steht denn noch zur Auswahl?'
'Angewandte Naturwissenschaften, künstlerisches Gestalten, Sport und Freizeit oder eben die Theatergruppe.'
'Naja, das ist ja nicht gerade das, was ich bevorzuge. Also das andere, meine ich.'
'Siehst du? Ist doch gar nicht so übel. Also, abgemacht?'
'Abgemacht.'
Sie reichte ihm die Hand und lächelte ihn an. Zaghaft ergriff er sie und lächelte kurz zurück. Was für weiche Haut sie doch hatte. Er könnte glatt dahin schmelzen und bei dem Gedanken, der wieder in Richtung Anni´s Unterwäsche streifte, wurde ihm schon wieder der Bademantel etwas zu eng. Jedoch schien sie das nicht zu bemerken.
'Dann gehe ich jetzt mal wieder rüber, was?'
'Und dein Eis?'
'Ach ja. Oh, so viel kann ich jetzt nicht mehr essen. Wollen wir teilen?'
'Warum nicht?'
'Hast du deines schon aufgegessen?'
'Ja. War ja auch total lecker.'
Sie begann zu schmunzeln.
'Dass Männer ihr Eis immer so schnell essen. Mir würde das Hirn einfrieren.'
'Alles Training.'
Kurz lachte sie auf und nun schaufelten beide ihr Eis aus ihrem Becher. Sebastians Blick fiel auf die Uhr. Es war kurz vor halb neun. Man könnte es ja wagen, noch eine Zigarette zu rauchen.
'Wollen wir uns eine teilen?'
'Meinst du, dass wir das schaffen?'
'Ach klar. Na komm.'
Er öffnete die Balkontür und schon standen beide draußen. Die Sonne ging gerade hinter den Bergen unter und war schon zur Hälfte verschwunden. Ein paar Wolken zogen am Himmel vorbei und leuchteten in einem saftigen Rot. Ein paar Schwalben flogen an der Terrasse vorbei und kreischten auf, als sie sich im Sturzflug der Erde näherten. Der nahe gelegene See glitzerte romantisch und die Bäume, die ihn umgaben, rauschten leise im Wind. Es war wirklich ein herrliche Aussicht. Das musste selbst Anni zugeben, die ja sonst eigentlich nicht auf Romantik aus war. Plötzlich blickte sie ihn an. Seine halblangen Haare hatte er nach hinten gekämmt, seine Brille abgelegt und überhaupt wirkte er, wenn er nur so im Bademantel neben ihr stand, ganz anders, als in seinen Retroklamotten.
'Weißt du, wenn du deine Haare etwas kürzer tragen und eine andere Brille, sowie andere Klamotten wählen würdest, hättest du ein ganz anderes Auftreten.'
Verstohlen blickte er sie an.
'Ich weiß nicht. Ich bin nicht so der Kenner, was Mode angeht.'
'Ich dafür umso mehr! Wenn du magst, dann können wir am Samstag die Stadt unsicher machen. Ist nicht weit von hier, nur zehn Minuten mit dem Bus. Na? Was sagst du dazu?''Und wer kommt mit?'
'Wir können alleine gehen, wenn du magst.'
'Hmm... Also gut.'
Die Zigarette, die sie immer abwechselnd rauchten, wurde am Filter immer heißer und so schnippte er sie über die Brüstung, als es nicht mehr möglich war, an ihr zu ziehen.
Schließlich traten sie wieder in sein Zimmer und er brachte sie noch zur Tür.
'Tja, dann gute Nacht, Basti.'
'Wünsche ich dir auch.'
Er öffnete die Tür und lächelte kurz.
'Und danke, dass ich mich bei dir ausheulen durfte. Tat echt gut.'
'Schon ok. Gute Nacht.'
'Nacht. Ach und Basti?'
'Hmm?'
'Du kannst mich ruhig Anni nennen. Das machen hier alle so.'
Freudig nickte er ihr zu und schloss die Tür, nachdem sie in ihrem Zimmer verschwunden war.
Er ließ sich auf sein Bett fallen und blickte sich um. Hatte sie also schon wieder ihre Hefte bei ihm liegen gelassen? Kurz schüttelte er den Kopf und sammelte sie schnell zusammen. Er würde sie ihr gleich morgen wieder zurück geben.
'Schlafenszeit! Alle in die Betten!' hörte er Schwester Agatha vom Flur aus rufen.Er legte sich hin und deckte sich zu. Den Bademantel warf er achtlos auf den Stuhl und atmete noch einmal tief durch. Schon bald fielen ihm die Augen zu und er schlief durch, bis zum nächsten Morgen, was ihn sehr wunderte, denn normalerweise wurde er mindestens einmal pro Nacht wach. Doch diesmal nicht. Er hatte glänzend geschlafen und fühlte sich, als könne er Bäume ausreißen.
Nachdem er sich die Zähne geputzt und sich wieder rasiert hatte, zog er sich an und machte sich auf den Weg in den Speisesaal. Dort angekommen herrschte eine merkwürdige Unruhe und alle starrten ihn an. Was war denn nun schon wieder los?
Sein Tisch war noch fast leer und nur Meggan und ein anderes Mädchen saßen schon dort. Er setzte sich zu ihnen und blickte sie fragend an.
'Sag mal,' sprudelte es aus Meggan heraus. 'stimmt es, dass Anni dich gestern Abend in deinem Zimmer besucht hat?'
'...Wieso?'
Unsicher zupfte er an seinem Hemd herum. Was sollte er antworten? Er wollte sie da nirgends rein reißen. Schließlich war es so, dass man selbst geschnitten wird, wenn man sich mit einem Außenseiter abgab.
'Naja, man erzählt sich hier so was. Und aus deinem Zimmer kamen gestern Geräusche, Musik und Gesang, weißt du?'
'Aha.'
'Also, stimmt es?'
'Warum fragst du sie nicht selber?'
'Ja warum wohl?!'
Er zuckte mit den Schultern.
'Naja meinen Spitznamen kennst du doch, warum sollte sie mir auf die Frage also eine Antwort geben?'
Wieder ein Schulterzucken.
Plötzlich sprang die Tür auf und die restliche Klasse strömte in den Speisesaal. Anni voran, die extrem genervt aus sah.'
'Hört endlich auf, mir solche dämlichen Fragen zu stellen!'
Sie blieb stehen und funkelte Charly, Chris und Isa böse an.
'Warum?!' giftete Isa ihr fies entgegen. 'Sag doch einfach, ob es stimmt oder nicht?'
'Was geht euch das an?!'
'Dann fragen wir eben den Freak!' maulte Charly und kam auf Sebastian zu.
'Na Heimwehkind? Sag mal, war Anni gestern bei dir?'
Er blickte ihn an und schwieg. Ohne eine Mine zu verziehen starrten sich beide an, als Charly plötzlich wütend wurde.
'Sag mal hörst du schlecht?! Ich habe dich etwas gefragt!'
Wieder nur schweigen.
'Ich rede mit dir man!'
'Aber ich nicht mit dir.' entgegnete Sebastian ihm frech und drehte seinen Kopf weg. Charly packte ihn am Arm und riss unsanft daran herum.
'Junge, wenn du mir dumm kommst, kriegst du eine Abreibung, die sich gewaschen hat.'
Gänzlich unbeeindruckt warf er Charly einen spöttischen Blick zu. Es dauerte nicht lange und er hatte den ersten Fausthieb in den Rippen. Leise ächzte er auf.
'Man Charly! Was soll der Scheiß?!' Anni fuchtelte wild mit den Händen herum.
'Kaum bist du über deinen ach so geliebten Marc weg, da schmeißt du dich an den nächsten ran, was?'
'Und selbst wenn, was geht es dich an?! Hätte ich mich an dich ran gemacht, würdest du jetzt sicher nicht so reagieren! Du steigst mir doch schon seit der siebten Klasse hinterher!'
'Du elende...'
Charly hob seine Hand und holte aus. Anni kniff schon die Augen zu, als plötzlich ein lautes Raunen durch den Saal ging. Sebastian hatte ihm am Arm gepackt und funkelte ihn böse an.'Frauen schlägt man nicht!'
'Wer sagt das?!' fauchte Charly zurück.
'Die gute Erziehung!' nahm Miss Arnold Sebastian die Antwort ab. 'Charles! Was um alles in der Welt sollte das werden?'
'...'
'Nun, keine Antwort? Statt hier Frauen zu verprügeln, solltest du dich bei deiner Morgenhygiene mehr anstrengen. Deine Schuhe sind voller Schlamm! Wie kommt das?'
'Ich war gestern am See.' antwortete er ihr kleinlaut.
'Und wieso machst du sie nicht sauber, wenn du wieder zurück ins Internat kommst? Du weißt doch ganz genau, dass dafür eine Schüssel mit Wasser und eine Bürste vor dem Eingang stehen.'
'Schon...'
'Du wirst das jetzt nachholen und sollte ich irgendwo auch nur einen Schlammspritzer entdecken, wirst du das ganze Schloss wischen!'
'Was?! Aber...'
'Keine Widerrede. Geh jetzt!'
'Verdammt!'
'Das habe ich gehört.'
Wutentbrannt riss er seinen Arm aus Sebastians Hand und verließ den Speisesaal. Das würde er ihm schon noch büßen. Es war alles vorbereitet. Nicht mehr lange und er wäre wieder ganz allein.
Schließlich stürmte alles auf die Essensausgabe zu und bediente sich. Am Tisch angekommen, nahmen sie Platz und begannen zu essen.
Argwöhnisch beobachtete Isa Sebastian und Anni. Eigentlich waren sie doch beste Freundinnen? Wieso also spielte Anni sich so auf? Früher hatte es sie doch auch nicht interessiert, was mit den anderen war. Isa verstand die Welt, die sie umgab, nicht mehr. Von einem Tag auf den anderen hatte sich alles irgendwie total verändert und das in eine Richtung, die ihr überhaupt nicht schmeckte.
Indes schielte Anni auf Sebastians Tablett und entdeckte einen Joghurt.
'Wo hast du den denn her?' fragte sie und deutete auf die Süßspeise.
'Stand ganz rechts.'
'Uh.' Sie stand auf und überblickte die Theke.
'Naja, beim nächsten Mal.'
'Magst du meinen haben? Ich bin eigentlich jetzt schon satt und habe noch nicht mal das zweite Brötchen aufgeschnitten.'
'Darf ich?'
'Sicher.'
Freudestrahlend nahm sie den Becher und schaufelte sich den Joghurt rein. Wie konnte man nur so viel essen und dabei schlank bleiben? Allen am Tisch war das ein Rätsel. Sie hatte zwei Scheiben Brot und drei ganze Brötchen gegessen. Jetzt schaufelte sie den Joghurt weg und war nebenbei schon damit beschäftigt ihren Apfel auf zu schneiden. Sebastian war das ganze Gegenteil. Wie mechanisch blickten nun alle auf ihn. Er aß extrem wenig und schien trotzdem nicht vom Fleisch zu fallen. Sicher, manchmal wirkte er etwas blass, aber das hatte sicherlich mit seiner Erkrankung zu tun.
Der Tag versprach extrem heiß zu werden, denn schon am frühen Morgen, die Uhr zeigte gerade mal sieben Uhr an, kletterte das Quecksilber im Thermometer auf warme vierundzwanzig Grad. Überall knackten die alten Holzbalken im Schloss und die Lehrer arbeiteten schon einen Plan für ihren Unterricht aus.
'Ich habe die erste Stunde Geographie in der elf A. Ich bezweifle, dass ich alle bei Laune halten kann, wenn es jetzt schon so heiß ist.' Mister Gray runzelte die Stirn. 'Ich werde sie wohl mit nach draußen nehmen. Da könnten wir ein paar Gesteinsproben und so sammeln.''Das ist doch gut!' Miss Arnold nickte ihm zu.
'Dann verlege ich am besten Physik und Astronomie auch nach draußen.' stellte Mister Smith fest.
'Physik draußen? Und Astronomie auch? Sterne sind doch eh noch nicht zu sehen?' fragte Miss Dallan.
'Schon, aber was soll ich machen?'
'Wenn Sie die Klasse von Miss Dallan übernehmen und Sport machen, wäre das doch gut. Ich komme dann mit der zehn B dazu. Spielen wir eben ein bisschen Volleyball.' stellte Mister Parker seine Idee in den Raum.
'Dann nehme ich ab der zweiten Stunde Ihre Klasse, Mister Smith und unterrichte Kunst! Da könnte man auch nach draußen?' Miss Dallan nickte ihm freudig zu.
'Ja wenn das denn geht?'
Alle blickten zu Miss Arnold.
'Sicher geht das, so lange es die Ausnahme bleibt?'
'Aber sicher!' antworteten alle im Chor.
Schließlich blickte Miss Arnold auf die Uhr.
'So ihr lieben!' rief sie laut in den Saal. 'Es ist jetzt viertel nach sieben! Begebt euch bitte in die Klassen! Und dass ihr mir die Tische ordentlich hinterlasst!'
Murrend standen alle auf und brachten ihre Tabletts weg. Isa hakte sich bei Anni ein und zerrte sie von Sebastian weg.
'Also wenn der Unterricht heute voll durchgezogen wird, sterbe ich. Es ist jetzt schon so furchtbar warm und stickig in dem Kasten.'
'Ich erst!' stöhnte Anni ihr verständnisvoll entgegen. 'Einen ganzen Tag hier drin und ich sehe aus wie ein verbranntes Würstchen.'
Alle achten sich auf den Weg in ihr Klassenzimmer und Sebastian wurde schnell von Meggan eingeholt.
'Und? Wie gefällt es dir bisher?'
'Ganz gut.'
'Das ist schön. Sag mal, sind wir jetzt Freunde?'
Entsetzt blickte er sie an und auch Anni hatte es gehört und drehte sich grinsend um.'Ey Treckerfresse! Jedes mal, wenn ein Neuer kommt, hängst du dich an seinen Rockzipfel. Schämst du dich nicht?'
'Halt doch deinen Mund Ann-Kathrin Willson!'
'Pass auf du!' böse blickte sie Meggan an. Anni hasste es, wenn man sie beim vollen Namen rief und Meggan wusste das nur zu gut. Breit grinste sie zu ihr herüber.
'Naja,' mischte Sebastian sich ein. 'so lange du so kindisch bist, weiß ich nicht, ob wir auf einer Wellenlänge sind. Ich bin immerhin schon neunzehn.'
'Du bist neunzehn?!' Meggan drehte sich zu ihm um und blickte ihn verblüfft an.
'So alt siehst du gar nicht aus.'
'Ich fasse das jetzt mal als Kompliment auf.'
Er überholte Meggan und lief zügig in das Klassenzimmer.
Anni schlich zurück zu ihr und grinste sie an.
'Na? Das war wohl nix!'
'Pfft...'
In dem Glas der Vitrine, die im Klassenzimmer stand erblickte er sein Spiegelbild.
'Sehe ich denn überhaupt alt aus?' Wieder zuckte er mit den Schultern und setzte sich auf seinen Platz. Der Rest der Klasse folgte und auch Charly, der sich ein Brötchen aus dem Speisesaal geholt hatte, kam nun. Immer noch wütend biss er hinein und blickte Sebastian an.'Du wirst hier noch einige Probleme kriegen, das ist dir doch klar oder?'
Sebastian blickte nicht mal auf, legte einfach seine Unterlagen auf den Tisch und beachtete ihn nicht.
'Ey du Trottel! Ich rede mit dir!'
Langsam drehte er sich zu ihm um.
'Was willst du denn? Was ist dein Problem? Habe ich dir etwas getan?'
'War Anni gestern bei dir oder nicht?'
Selbige betrat den Raum und bemerkte das Gespräch.
'Ja war ich!' antwortete sie ihm hastig. 'Problem damit?'
'Was wolltest du denn da?'
'Ich habe mich von ihm verwöhnen lassen.'
'Was?!'
Plötzlich verschluckte Charly sich und begann zu husten. Die ganze Klasse lachte und Anni grinste breit.
'Er war wirklich gut!' Anni blickte zu Sebastian und lächelte. Schamesröte stieg in sein Gesicht. 'Stimmt doch Basti, oder?'
Plötzlich ging ein Raunen durch die Klasse.
'Stimmt, Anni.' entgegnete er ihr.
Das Raunen wurde lauter.
'Seit wann nennt ihr euch denn so?' fragte Isa schockiert.
'Seit gestern.'
Prüfend blickte Isa beide abwechselnd an. Hatte sie etwas verpasst? Gestern hatte doch Marc erst Schluss gemacht und schon warf sie sich dem nächsten an den Hals? Und auch noch so einem? Anni schien langsam aber sicher zu einer Schlampe zu mutieren.
'Setzt euch jetzt. Es hat bereits geklingelt!'
Mister Gray blickte in die Klasse. Alles hastete zu seinem Platz und langsam kehrte Ruhe ein.'Da es jetzt schon so furchtbar warm ist, haben die Lehrer beschlossen, den Stundenplan etwas zu ändern. Wir machen die erste Stunde Geographie und anschließend habt ihr Kunst. Danach habt ihr dann frei!'
'Super!'
Alles sprang auf und tänzelte wild herum.
'Nur zwei Stunden, nur zwei Stunden!' sangen alle einstimmig im Chor.
'Na, na! Nun übertreibt mal nicht! Kunst habt ihr wie gewohnt drei Stunden lang.' stellte Mister Gray die Klasse richtig.
Wieder ging ein Raunen durch die Klasse. Naja es waren eben vier Stunden, aber immer noch besser als neun. Und da das alle dachten, war die Freude darüber ungebrochen groß.
'So, dann packt eure Unterlagen wieder ein. Wir gehen nämlich auch raus.'
'Super!' brüllte die Klasse und alle stopften ihre Hefter in die Schultaschen.
Kurze Zeit später stiefelten sie durch das Gehölz des anliegenden Waldes und suchten nach Steinen.
'Ich habe einen!' rief Meggan aufgeregt und hechtete auf Mister Gray zu. 'Ist dass nicht ein Feuerstein?'
Mister Gray runzelte die Stirn.
'Nein, Meggan, das ist Plastik.'







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz