Black Tiger Teil 4

Autor: Any
veröffentlicht am: 16.01.2008




Ich weiß, diesmal ist der Teil nicht so lang, aber ich muss jetzt ein bisschen 'sparen', weil derzeit so viel in der Schule los ist und ich wenig zum Schreiben kommen, aber ich bemühe mich jeden Tag einen Teil reinzustellen!

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Auch wenn Jessies Glückgefühle nur für kurze Zeit da gewesen waren, sie hatten sie nun vollends aus ihrem `Schlaf´ geweckt. Warum musste sie auch ausgerechnet jetzt wieder von Martin anfangen? Sie verstand sich selber nicht mehr. Er war wie ein Fluch, der immer dann auftrat, als sie endlich wieder einmal Glück empfinden konnte. Plötzlich fiel ihr wieder ein, dass Raven doch etwas über ihren Vater gesagt hatte. Vielleicht wussten sie, wo er war?! Auf einmal hatte sie Hoffnung, dass alles wieder gut werden würde, wenn sie ihren Vater wieder hatte. Er lebte noch, dass wusste sie. Seit damals, als ihr Vater nicht mehr von einer seiner Expeditionen zurückgekehrt war und für Tod erklärt wurde, wusste sie, dass er nicht tot sein konnte. Sie wusste es einfach. Immer wieder hatte Jessica sich selbst gesagt, dass sie es hätte spüren müssen, wenn er gestorben wäre. Sie glaubte nicht an seinen Tod.
Und jetzt hatte Raven ihn erwähnt! Er wusste etwas von ihrem Vater! Vielleicht sogar, wo er sich derzeit befand! Die Tatsache, dass sie nicht gleich mit diesen Vorgesetzten reden konnte, machte sie wahnsinnig. Sie hatte so viele Fragen. Und mit jeder Sekunde wurden es mehr.Die Zeit verging im Schneckentempo. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sich endlich die Tür zu ihrem Zimmer wieder öffnete und Raven hereintrat.
'Da bist du ja endlich! Kann ich jetzt zu deinen Vorgesetzten?', quirlig hupfte sie um ihn herum. 'Jetzt beruhige dich! Was ist nur in dich gefahren? Ja gleich kannst du zu ihnen, gedulde dich noch einen Moment.', aber Jessie hörte nicht auf um ihn herumzuhupfen. Schließlich packte er sie bei den Schultern und hielt sie fest. 'Lass mich los!'
'Nur, wenn du mir versprichst, nicht gleich wieder los zu hupfen! Das halte ich nicht aus.' Sie tat so, als würde sie überlegen und schüttelte dann den Kopf. 'Ich kann nicht! Ich bin viel zu aufgeregt.' Verständnislos blickte Raven sie an.
Sie bemerkte seinen Blick. 'Wie würdest du dich fühlen, wenn du gleich erfahren würdest, was das ganze hier soll und wozu sie deine Hilfe brauchen? Und noch dazu wisst ihr etwas über meinen Vater!' Erschrocken blickte er sie an.
'Du darfst keine Fragen über deinen Vater stellen.' Verwirrt blickte sie ihn an.
'Wieso nicht?'
'Weil du gar nicht wissen darfst, dass wir etwas über deinen Vater wissen! Das bringt dich in große Gefahr und ich darf mich von meinem Leben verabschieden.'
Geschockt sah sie ihn an. Was meinte er damit? War es falsch, dass sie wissen wollte, was mit ihrem Vater passiert war?
'Was ist daran so schlimm?', wollte sie wissen.
'Ich darf es dir nicht sagen, nur, dass es dich in große Gefahr bringt und mich tötet.'
'Das ist ein Scherz, oder?'
'Langsam solltest du aber wissen, dass ich nicht scherze.'
'Aber… aber ich hätte endlich die Chance, herauszufinden was mit meinem Vater passiert ist.'
'Ja! Aber diese Chance wird dich wahrscheinlich umbringen!'
'Ich… versteh das nicht.'
'Bitte! Du musst mir versprechen kein Wort über deinen Vater zu verlieren! Zu niemandem, verstanden?', flehend sah Raven Jessie an.
Mit einem Schlag war wieder alles zunichte. Endlich hatte sie eine Spur zu ihrem Vater gehabt, aber im nächsten Moment war sie auch schon wieder vernichtet worden. Tränen stiegen ihr in die Augen, dennoch nickte sie. 'Ich verspreche es.'
'Nicht weinen!', sanft strich Raven eine Träne weg, die an ihrer Wange hinunterrollte. 'Es tut mir Leid, Jess! Aber es ist nur zu deiner Sicherheit.' Sie schluchzte. 'Pssst! Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich dich immer nur verletze, es tut mir so Leid.' Sie zog geräuschvoll die Nase hoch und blickte ihm in die schwarzen Augen. 'Wie hast du mich genannt?'
'Jess, wieso? Stört dich das?' Sie schüttelte den Kopf. Im Gegenteil, es gefiel ihr. 'Das heißt, dass ich dich weiterhin Jess nennen darf?'
'Mhm…'
'Das ist das erste Mal, dass du etwas magst, was ich mache.', er grinste und auch sie lächelte leicht. 'Wir müssen jetzt gehen, sie erwarten uns schon.' Er nahm sie bei der Hand und zog sie mit sich. Es war das erste Mal, das sie ihr Zimmer verlies. Sie gingen einen dunklen, weniger freundlichen Gang entlang, der an einer großen Holztür endete.
Wie von allein öffnete sie sich und sie schritten hindurch. Sie staunte nicht schlecht, als sie den Raum sah, der dahinter lag.
Es war mehr eine Halle, die, im Gegensatz zu dem Gang und ihrem Zimmer, sehr hell erleuchtet war. Überall an den Wänden wuchsen Lianen und andere Pflanzenarten, die sie zuvor noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, hinab. Auch aus dem Boden stießen Pflanzen hervor, vereinzelt sogar kleine Bäume. Das Dach der Halle war auch, so wie die Wände, fast nur mit Grünzeug bedeckt und nur selten sah man das Steindach darunter aufblitzen.Als Jessie nach vorne, zum Ende der Halle blickte, stockte ihr der Atem. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
Dort stand ein Baum, aber dieser Baum war nicht irgendein Baum. Es war der höchste, breiteste und schönste Baum den sie je gesehen hatte. Auch an ihm rankten sich die Lianen am Stamm hinab und so sah es aus, wie ein riesiger grüner Koloss.
Auf einmal packte Jessie das Gefühl, hier schon einmal gewesen zu sein. Nur in ihren Erinnerungen, ein Traum, aber dennoch real. Sie schritt zu dem großen Baum. Es dauerte eine Weile bis sie bei ihm ankam und oft stolperte sie über irgendeinen Busch, der aus dem Boden wuchs, oder auch eine Wurzel von dem großen Baum. Außerdem sah sie auch, dass ein kleiner Bach mitten durch die Halle hindurch floss.
Als sie davor stand schaute sie an dem Stamm hinauf. Sie musste den Kopf in den Nacken legen. Sie sah, das der Baum nicht vor der Steindecke stoppte, sondern noch weiter wuchs, durch den Stein hindurch. Etwas faszinierte sie an diesen Baum. Sie trat noch einen Schritt näher und berührte das Holz zaghaft mit der Hand. Es war, als würde sie ihre Hand auf eine Brust eines Menschen legen und den Herzschlag spüren, innerlich pochte der Koloss. Obwohl der Baum so riesig war, wirkte er sanft, missverstanden.
'Na? Gefällt es dir, Jessie?', eine sanfte, aber dennoch herrische Stimme, riss Jessica aus ihren Träumen. Sie zuckte zurück, nahm die Hand vom Stamm und drehte sich um. Raven war nicht mehr da, stattdessen stand ein breitwüchsiger Mann am anderen Ende der Halle. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber er bewegte sich langsam auf sie zu. Mit jedem Schritt den er näher kam, konnte sie mehr erkennen und als er direkt vor ihr stand, erkannte sie, dass er dunkle lange Haare hatte, die er hinten zu einem Zopf gebunden hatte und braune Augen. Sein Gesicht war schmal, er hatte hohe Wangenknochen und eine schmale lange Nase, die elegant wirkte. Sein Mund hatte eher schmale Lippen, die zu einem Lächeln verzogen waren. Er musste um die 40 sein.
Jessica erwachte aus einen Art Erstarrung, als er seine Frage wiederholte. Sie nickte.'Dann ist ja gut, denn du wirst dich hier in den nächsten Tagen sehr oft aufhalten.'
'Du… du bist der Vorgesetzte?'
'Ja… so kann man es sagen, einer der beiden. Aber keiner nennt mich hier Vorgesetzter, das klingt so… bestimmend, nenn mich lieber Griffin.'
'Wieder ein Codename?', Griffin nickte.
'Wo ist der andere?'
'Er lässt sich entschuldigen, er hat zu tun, du wirst dich mit mir zufrieden geben müssen.', er lächelte sie verzeihend an. Jessie sah ihn eine Weile stumm an.
'Hast du Fragen?', sie nickte. 'Dann bin ich jetzt bereit, dich aufzuklären. Sag mir, was du wissen willst.'
'Wo bin ich?'
'In unserem Hauptquartier, unter dem Amazonas.'
'Aha… Was?! Unter dem Fluss, in der… in der Erde?'
'Ja.' Sie konnte es nicht fassen. Das musste ein Traum sein. Bestimmt würde sie demnächst aufwachen und sich wieder in ihrem Zimmer befinden. Gleich würde alles wieder in Ordnung sein.
'Zwick mich mal!'
'Warum?'
'Damit ich endlich aufwache!'
'Was meinst du?'
'Das ist nur ein Traum, gleich werde ich die Augen aufschlagen und mich wieder in meinem kuscheligen Bett in meinem Zimmer befinden.', sagte Jessie bestimmend.
'Ich kann dich gerne Zwicken, aber ich werde dir gleich sagen, dass du nicht aufwachen wirst.'
'Das werden wir gleich sehen, also! Zwick mich.' Sie meinte es wirklich ernst! Sie streckte ihm die Hand hin.
'Ich kann dich doch nicht zwicken!'
'Musst du aber, wohl oder übel.' Sie stieß ihn sanft mit der Hand an. Aber er weigerte sich weiterhin. 'Na gut, dann frage ich eben Raven oder River nachher.', murmelte Jessica in sich hinein. Der Mann schmunzelte. 'Hast du noch Fragen, oder war das alles?'
'Was?'
'Wolltest du nur wissen wo du bist?'
'Nein! Ich wollte so einiges wissen! Wofür braucht ihr meine Hilfe und was hat es mit dem Geheimbund Viper auf sich, was genau ist meine Aufgabe? Und wie lange muss ich hier bleiben? Was passiert nachher, nachdem meine Mutter sich ja nicht mehr an mich erinnern kann und ich kein zu Hause mehr habe?'
'Uff… So viele Fragen auf einmal? Raven hat mit zwar erzählt, dass du extrem… neugierig bist, aber… Na gut… In dem Geheimbund Viper sind ungefähr 10 000 Menschen. Sie sind auf der ganzen Welt verteilt und arbeiten Undercover für uns. Wie gesagt, das hier ist unser Hauptquartier.'
'Aber was… macht ihr?'
'Wir suchen seltene Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind und nehmen sie in unserem… Tierpark auf und hoffen, dass wir sie wieder vermehren können.'
'Und wie soll ich euch bitte dabei helfen?'
'Es gibt eine Legende… Sie handelt von einer Art Tiger, die pechschwarz sein soll und hier im Amazonas lebt.'
'Aha… Und wofür braucht ihr mich?' Ungestört erzählte er weiter.
'Die Legende besagt, dass es von dieser Art, nur noch zwei Tiere gibt. Sie leben lang und werden an die 500 Jahre alt.' Jessica glaubte sich verhört zu haben.
'500? Ist das ihr Ernst?'
'So heißt es. Auf jeden Fall müssen wir diese beiden Tiere finden, egal was es koste! Und da kommst du ins Spiel…'
'Was?! Hab ich das richtig verstanden? Ihr holt mich hierher wegen einer Geschichte-…''Legende!', fiel Griffin ihr ins Wort.
'Auch egal! Also Legende… und verlangt von mir, dass ich zwei gefährliche Großkatzen, in einem mir völlig unbekannten Land, für euch finde?!'
'So in etwas.'
'Ich glaub´s nicht! Tickt ihr noch ganz richtig? Ich bin 15! Blutjunge 15! Und ich soll euch zwei Tiger bringen, die wahrscheinlich nicht einmal existieren?' Er nickte. Jessie griff sich an den Kopf. Das konnte er doch nicht ernst meinen!
'Na gut, nehmen wir an, ich glaube dir diese Geschichte, warum ich?'
'Weil die Legende besagt, dass ein Mädchen mit Schlangenaugen und ein Junge mit Augen in der Farbe der Sonne, als einzige diese Tiere finden können.'
'Ihr spinnt wohl!? Was erwartest du dir denn, das ich mache? Die Tiger mit einem Tarzangebrüll herbeirufen?' Er blickte sie ernst an.
'Nein.', antwortete er nach einer Weile. Jessica atmete erleichtert auf. Er war zur Besinnung gekommen. 'Aber du wirst ihn suchen, denn du hast eine besondere Gabe.' Nach Luft schnappend starrte sie ihn an. 'Und was soll das für eine Gabe sein? Sich Unsichtbarmachen? Oh ja! Darin bin ich sehr gut!'
'Ich muss zugeben, dass ist ein kleiner Vorteil für dich, aber das meine ich nicht.' Verwirrt schaute sie ihn an. 'Ich kann ihn herbei cheeren! Go Black Tiger! Go!', schrie sie mit ironischem Unterton und machte ein paar hüpfende Bewegungen. 'Ich warne dich! Bald ist meine Geduld mit dir am Ende!', Griffin sah sie bedrohlich an und machte einen Schritt auf sie zu.
Jessie machte eine herausfordernde Bewegung. 'Was willst du machen? Mich umbringen?! Damit habe ich kein Problem.' Er machte einen weiteren Schritt in ihre Richtung. 'Aber ich denke nicht, dass ich dann noch von großen Nutzen bin! Außerdem, woher wollt ihr wissen, dass ich wirklich die Richtige bin? Denkt ihr etwa, ich bin das einzige Mädchen mit Schlangenaugen?'
'Nein, aber keines außer dir hat diese besondere Gabe!'
'Was denn bitte für eine Gabe?'
'Du kannst mit Tieren sprechen.' Ungläubig starrte sie ihn an. 'Ja natürlich! Das habe ich ja ganz vergessen! Jeden Tag unterhalte ich mich mit meiner Katze und der Nachbarshund begrüßt mich auch immer ganz freundlich! Das soll ein Scherz sein, oder?', sie war verunsichert. Er musste geisteskrank sein! Plötzlich bekam sie Angst und wich ein paar Schritte von ihm zurück. 'Du kannst mit Tieren sprechen.', wiederholte er noch mal. 'Du… Du bist doch verrückt!'
'Ach ja?'
'Ja! Und ich möchte jetzt gehen!'
'Du hattest doch noch so viele Fragen, oder? Und außerdem hätte ich gedacht, dass du testen willst, ob du wirklich mit Tieren sprechen kannst.' Sie lachte vor Nervosität hysterisch auf.'Ich kann nicht mit Tieren reden, dass brauche ich nicht einmal testen.'
'Wie kannst du dir da so sicher sein?'
'Sag mal, spinnst du? Niemand kann mit Tieren reden!'
'Woher willst du das wissen?', er war ganz ruhig.
Sie hob ihre Arme. 'Ich weiß es eben! Das ist gegen die Gesetze der Natur!'
'So?', Griffin zog eine Augenbraue in die Höhe.
'Ich kann´s dir sogar beweisen!'
'Ach ja?', interessiert blickte er sie an.
'Ja! Ich habe nämlich eine Katze zu Hause und mit der konnte ich noch nie reden! Zumindest war es nicht so, dass ich sie verstehen konnte oder sie mich.' Was tat sie da? Sie stritt mit einem fremden Mann, ob sie mit Tieren reden konnte, oder nicht! Das war absurd!
Griffin machte eine wegwerfende Handbewegung. 'Ich rede doch nicht von diesen Haustieren! Sie haben keinen freien Willen mehr, sie könnten gar nicht mit dir reden, auch wenn sie es wollten. Ich rede von wilden, ungezähmten Tieren, die ihre Freiheit noch haben.' Der Mann hatte ja völlig seinen Verstand verloren!
'Willst du es jetzt testen, oder nicht?'
'Hab ich eine andere Wahl?' Er grinste und schüttelte den Kopf. Jessie seufzte. Wenn er sie dann endlich in Ruhe lassen würde und mitbekam, dass er sich getäuscht hatte, dann könnte sie vielleicht doch wieder nach Hause. Vielleicht konnte sich ihre Mutter ja doch wieder an sie erinnern, wenn sie vor ihr stand.
'Und wie soll ich es deiner Meinung nach testen? Ich sehe hier weit und breit kein wildes Tier!'
'Das denkst du.', erschrocken sah sie ihn an. Liefen in dieser Halle etwa wilde Tiere herum? Verschreckt blickte sie sich um.
'Keine Sorge! Hier befindet sich kein Tier, das dir gefährlich werden könnte. Denke ich zumindest…'
'Schön zu wissen!', sagte sie wütend.
'Wie wär´s mit dem Vogel dort oben?', er zeigte auf einen der Äste des großen Baumes. Jessie folgte seiner Bewegung und sah oben einen bunten Vogel sitzen. Seine Federn glänzten silbrig im Licht.
'Und was soll ich jetzt tun? Ihn bitten herunterzukommen?' Die Ironie sprach wieder einmal aus ihr.
'Das wäre eine Möglichkeit.' Jessie seufzte und wandte sich dem Vogel zu. Das ist doch verrückt!
'Hey du! Du Vogel!' Das Tier sah sie nicht einmal an. Immer wieder rief sie `Hey´s´ und `Hallos´. Sie kam sich richtig blöd dabei vor. Nach einer Weile gab sie auf und blickte triumphierend zu Griffin. In dem Moment, in dem sie ihm sagen wollte, dass er sich wohl in ihr getäuscht haben musste und ob sie jetzt wieder gehen dürfe, hörte sie eine Stimmer von der Decke des Raumes sprechen: 'Endlich hat diese Göre aufgehört so rumzuschreien! Da bekommt man ja Kopfschmerzen.' Verwirrt blickte Jessie wieder nach oben. Doch sie sah niemanden, nur den Vogel. Alles nur Einbildung! Du machst dich ja selber noch ganz verrückt!
Sie drehte sich wieder zu Griffin und wollte einen Satz anfangen, als die Stimme von vorher wieder sagte: 'Oh nein! Sie wird doch wohl nicht schon wieder so herumschreien!?' Diesmal war sie sich sicher eine Stimme gehört zu haben. Noch einmal starrte sie hinauf.'Gut! Das reicht jetzt! Genug mit dem Theater! Wer auch immer da oben ist, soll gefälligst mit diesem Scheiß aufhören und herunterkommen!'
'Kannst du nicht mal still sein?!' Jessie traute ihren Augen und Ohren nicht. Der Vogel hatte gesprochen! Sie hatte es genau gesehen und gehört. Verwirrt hielt sie sich den Kopf.Griffin indessen grinste. Er hatte sie genau da, wo er sie haben wollte. Bald würden ihre Zweifel weggewischt sein.
'Du kannst reden!' Jetzt sah der Vogel ihr direkt in die Augen.
'Redest du mit mir?'
'Ja… Ich denke schon…' Jetzt sah auch der Vogel ziemlich verdutzt aus der Wäsche, soweit Jessica das beurteilen konnte.
'Du… kannst mich verstehen?'
'Ja…' Der Vogel breitete seine Schwingen aus, flatterte ein wenig damit herum und kam in kleinen Kreisen heruntergeschwebt. Griffin beobachtete dies mit Wohlwollen. Der Vogel kreiste jetzt über ihren Köpfen.
'Streck deinen Arm aus!'
'Wieso?'
'Ich will mich drauf setzen.' Verdutzt sah sie ihn an und streckte ihren Arm aus, worauf sich der Vogel kurze Zeit später niederließ. Seine Krallen taten weh, weil sie sich in ihre Haut gruben, aber sie biss einfach die Zähne zusammen und wartete bis der Vogel sich in eine ihm angenehme Position gesetzt hatte. Jetzt sah sie auch, dass er ungefähr so groß wie ihre Hand war. Eine Weile starrten er und Jessie sich an. 'Du bist der erste Mensch, der mich versteht.' Sie starrte ihn weiter an. 'Aber wieso kannst du mich verstehen?' Jessica zuckte mit den Schultern, zumindest die Eine, denn die andere konnte sie nicht bewegen, weil der Vogel auf ihrem Arm saß.
'Ich weiß es selbst nicht so genau.'
Der Vogel legte den Kopf schief. 'Du hast Augen, wie die einer Schlange.' Wieder zuckte sie mit der Schulter.
'Wie ist dein Name?'
'Jessica…'
'Hm…'
'Wie ist deiner?'
'Ich habe keinen.'
'Wie, du hast keinen?'
'Ich habe eben keinen.'
'Aber jeder hat doch einen Namen.' Der Vogel schaute sie schief an. 'Ja… Jeder MENSCH hat einen Namen, aber bei uns Tieren ist das etwas anderes. Bei und gibt es nur sehr selten Tiere mit Namen.'
'Aber wie wirst du dann gerufen?'
'Manchmal so, manchmal so.'
'Aber woher weißt du dann, dass du gemeint bist?'
'Ich weiß es eben.'
'Das finde ich blöd.' Der Vogel starrte sie weiter an.
'Ich werde dir jetzt einen Namen geben, OK?'
'Wenn du unbedingt magst…' Sie überlegte. 'Bist du eigentlich ein Männchen, oder ein Weibchen?'
'…'
'Kannst du Eier legen oder nicht?'
'Ich kann keine Eier legen.'
'Dann bist du ein Männchen.'
'Gut, dann heiße ich jetzt Männchen!'
'Du kannst doch nicht Männchen heißen!'
'Wieso nicht?'
'Weil das kein schöner Name ist.'
'Wieso nicht?'
'… So halt! Ich fände Silver viel schöner!' Es schien so, als würde er kurz überlegen. 'Wieso Silver?'
'Weil deine Federn so schön silbrig glänzen.' Der Vogel sah an sich hinunter, dann sah er Jessie wieder an. 'Dann heiße ich ab jetzt Silver!' Stolz plusterte er seine Brust auf. Jessica musste grinsen. Plötzlich fiel ihr Griffin wieder ein. Was sollte sie ihm jetzt sagen? Er hatte Recht! Sie konnte es zwar nicht ganz glauben, aber es war so. Erst jetzt wurde ihr wieder bewusst, dass sie sich gerade mit einem Vogel unterhalten hatte und sich es nicht eingebildet hatte. Sie blickte zu Griffin. Er hatte mit Sicherheit kein Wort des Vogels verstanden, aber allein dass sie mit ihm geredet hatte, reichte, in dem Fall, als Beweis. Sie konnte es nicht mehr leugnen.
'Glaubst du mir jetzt?', er war näher gekommen. Misstrauisch beäugte Silver ihn. 'Wer ist das? Versteht er mich auch?'
'Nein… Ich glaube nicht.'
'Du glaubst mir also noch immer nicht?', enttäuscht sah Griffin sie an. Sie brauchte kurze Zeit, bis sie verstand, was sie meinte. Er hatte gedacht, dass sie ihre letzten Worte nicht zu dem Vogel, sondern zu ihm gesprochen hatte.
'Nein… Das war an den Vogel gerichtet. Er hat gefragt, ob du ihn, so wie ich, verstehen kannst.'
'Nein.'
'Deswegen habe ich ja gesagt, ich glaube nicht. Ich kann ja jetzt schlecht zu dir sagen, dass ich ihn nicht verstehe.'
'Allerdings.'
'Bist du eigentlich immer hier drin?', Jessie wendete sich wieder dem Vogel zu.
'Nein… Nicht immer, nur wenn ich müde bin, dort draußen ist es viel zu laut.'
'Zu laut?'
'Warst du denn noch nie hier draußen?'
'Nein… noch nicht.'
'Dann weißt du auch nicht wovon ich spreche.'
'Hmmm…' Sie wandte sich wieder Griffin zu. 'Und jetzt wo du mir bewiesen hast, dass ich mit Tieren sprechen kann, was ist meine Aufgabe?'
'Du sollst die schwarzen Tiger suchen.'
'Allein?!'
'Nein, ich habe doch schon gesagt, dass es noch einen Jungen mit derselben Fähigkeit gibt, auch wenn sie nicht so stark ausgeprägt ist, wie deine.'
'Und wo ist er? Müsst ihr ihn noch suchen?'
'Nein… Wir haben ihn bereits gefunden, ein paar Tage vor dir.'
'Wo ist er jetzt?'
'Auch hier.'
'Wann sehe ich ihn?'
'Bald…'







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